Der Schwimmtrainer Nr. 107
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DSTV / <strong>Der</strong> <strong>Schwimmtrainer</strong> 22<br />
Oktober 2015<br />
sogar, dass schon in den 70er-Jahren Anabolika<br />
an Minderjährige verabreicht wurden und<br />
das Innenministerium Doping-Forschung finanzierte<br />
2 . Birgit Dressel lief und sprang übrigens<br />
für Mainz und nicht für Leipzig. Wenn die beidseitige<br />
Aufarbeitung dazu führt, dass wir diese<br />
Geisel des Leistungssports verbannen, dann<br />
wenigstens hat sie sich gelohnt.<br />
Das neue Antidoping Gesetz der Bundesregierung<br />
3 geht in diese Richtung, ist aber in seiner<br />
einseitigen Ausrichtung auf den Leistungssport<br />
unverhältnismäßig. Die zwar notwendige, aber<br />
teilweise überzogene und hysterische Aufarbeitung<br />
und Beschäftigung besonders in den<br />
Medien mit der Dopingproblematik überbewertet<br />
deren Anteil an sportlichen Höchstleistungen<br />
und unterschätzt zugleich die Bedeutung<br />
trainingsmethodischer Kreativität.<br />
„Dass andere dopen, ist vielleicht nur eine Entschuldigung<br />
für mangelnde eigene Innovationskraft.<br />
Man kann postulieren, dass auch mit<br />
besserem Doping ein deutscher Rennstall nicht<br />
die Tour de France gewonnen hätte, sondern<br />
nur mit besserem Training.“ 4<br />
Diese Kreativität setzt hoch qualifizierte Trainer<br />
voraus. Mit der Vereinigung übergaben aber<br />
mehrheitlich ostdeutsche Akademiker den<br />
Staffelstab an westdeutsche Übungsleiter.<br />
Mein Vorstoß, Trainer grundsätzlich an Hochschulen<br />
auszubilden, wurde mit dem Hinweis<br />
abgetan, das gehe unter den föderalen Strukturen<br />
der Bundesrepublik nicht, außerdem<br />
habe sich das Lehrsystem bewährt.<br />
Ich möchte auch nicht die fleißige Arbeit der gut<br />
10.000 zumeist ehrenamtlichen Trainer/innen<br />
schmälern ohne die unser Verband nicht lebensfähig<br />
wäre. Inzwischen hat wenigstens die<br />
Trainerakademie des DOSB mit der Bachelor-<br />
Anerkennung in Köln „den Fuß in der Tür“.<br />
In der Anhörung des Sportausschusses wird<br />
durch den damaligen Chef des IAT Leipzig<br />
Prof. Pfützner eine stärkere Professionalisierung<br />
und Systematisierung des Leistungssports<br />
angeraten.<br />
Mit dem „Perspektiv-Team-Projekt 2020“ und<br />
der grundsätzlich aktualisierten Nachwuchskonzeption<br />
Schwimmen dürfte die Fachsparte<br />
Schwimmen dieser Forderung folgen. Zugleich<br />
wird aber auch deutlich, dass die Umsetzung<br />
dieser Strategien, besonders unter den Bedingungen<br />
des globalen Wettbewerbes, zunehmend<br />
hauptberufliches Management erfordert.<br />
Das betrifft eben auch die Lehrarbeit in unserem<br />
Verband, deren Strukturen den neuen Anforderungen<br />
nicht mehr gewachsen sind. Manches<br />
was früher gut war, reicht heute nicht<br />
mehr aus. So waren auch alle, vom Präsidium,<br />
dem Hauptausschuss bis zur Fachsparte „bei<br />
uns“, als es um die Verbesserung der Bildungsarbeit,<br />
hier konkret um die Installation einer<br />
Trainerakademie als „geistiges Zentrum“ ging.<br />
Warum dann zusätzlich Gurus aus der Consulting-Branche<br />
hinzugezogen wurden bleibt mir<br />
ein Rätsel. Und so wird das Geld, womit ein allseitig<br />
erkanntes Problem gelöst werden<br />
könnte, durch die verbraten, die das Problem<br />
lediglich neu definieren. Wir haben gerade in<br />
Mecklenburg-Vorpommern den Beraterirrsinn<br />
mit seinen katastrophalen Folgen für die<br />
Stralsunder Werft erlebt, da scheint mein Verband<br />
dem gleichen Unwesen zu erliegen.<br />
Wozu haben wir die Fachsparten, wenn man<br />
letztlich den „Alchimisten der Neuzeit“ 5 folgt?<br />
2<br />
"Doping in Deutschland 1950 bis heute aus historisch-soziologischer<br />
Sicht im Kontext ethischer Legitimation", Studie der Humboldt-Uni-Berlin<br />
3<br />
Danach muss mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren rechnen,<br />
wer ein Dopingmittel bei sich anwendet oder anwenden lässt, es herstellt,<br />
mit ihm handelt oder es verschreibt. Bis zu zehn Jahre Haft drohen,<br />
wenn jemand die Gesundheit einer "großen Zahl von Menschen"<br />
gefährdet oder einen Menschen durch solche Mittel der Gefahr des<br />
Todes oder schwerer Körperschäden aussetzt.<br />
4<br />
Steinacker, J. Sportliche Erfolge durch Innovation und Gründlichkeit.<br />
Dt. Z. für Sportmedizin, 2009/3, S. 59