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1946 - Zuchthaus Rheinbach - Teil 1 - Alltag für Johannes Löhrer

1945 Kriegsende - Neubeginn. Die Suche nach Arbeit, der schier endlose Kampf um Morgen. Zumindest vorläufig eine Alternative: Zuchthaus Rheinbach. Eine Beschäftigung im Aufsichtsdienst. Die Erkenntnis, dass nicht nur Mörder, Totschläger und Schwerverbrecher dort einsitzen (Günter Guillaume, Lecki und Rösner etc) sondern auch Beziehungstäter mit exzellenten Berufsabschlüssen und Fähigkeiten. Toleranz und Akzeptanz werden Hans Löhrer weiter prägen - die 18 Jahre Zuchthaus Zeit finden Sie in 2 Teilen - Teil 1 und Teil 2

1945 Kriegsende - Neubeginn. Die Suche nach Arbeit, der schier endlose Kampf um Morgen. Zumindest vorläufig eine Alternative: Zuchthaus Rheinbach. Eine Beschäftigung im Aufsichtsdienst. Die Erkenntnis, dass nicht nur Mörder, Totschläger und Schwerverbrecher dort einsitzen (Günter Guillaume, Lecki und Rösner etc) sondern auch Beziehungstäter mit exzellenten Berufsabschlüssen und Fähigkeiten. Toleranz und Akzeptanz werden Hans Löhrer weiter prägen - die 18 Jahre Zuchthaus Zeit finden Sie in 2 Teilen - Teil 1 und Teil 2

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Aber:<br />

Hans <strong>Löhrer</strong><br />

<strong>Rheinbach</strong>, Bahnhofstraße 9. <strong>Rheinbach</strong>, den 25. April <strong>1946</strong><br />

Gesuch!<br />

Ich ersuche den Vorstand der Strafanstalt in <strong>Rheinbach</strong>, mich<br />

bei der Einstellung von Aufsichtspersonal oder auch <strong>für</strong> die<br />

Dienste in der Verwaltung zu berücksichtigen. Vielleicht wäre<br />

die Besetzung eines Postens <strong>für</strong> Bäckerei u. Küche ein<br />

dankbares Aufgabengebiet <strong>für</strong> mich. Ich bin bereit, auch bei<br />

anderen Vollzugsanstalten in Dienst zu treten.<br />

In der Anlage übersende ich<br />

Fragebogen / Lebenslauf / Zeugnisabschriften<br />

Schreiben der Strafanstalt <strong>Rheinbach</strong><br />

Hans <strong>Löhrer</strong>.<br />

und dann das: Bewerbung<br />

um einen Posten im<br />

Aufsichtspersonal des<br />

<strong>Zuchthaus</strong>es in <strong>Rheinbach</strong><br />

oder auch sonst irgendwo.<br />

Und: immer wieder<br />

Lebensläufe schreiben,<br />

Bewerbungen abgeben.


Lebenslauf<br />

Am 29. Juni 1913 wurde ich in Lechenich als Sohn<br />

der Eheleute Heinrich <strong>Löhrer</strong> und Elisabeth geb.<br />

Kerz geboren. Dort selbst besuchte ich in den<br />

Jahren von 1919 - 1927 die Volksschule. Hiernach<br />

erlernte ich in der Zeit vom 1. April 1927 bis 30.<br />

März 1930 das Bäckerhandwerk. Während<br />

meiner Lehrzeit besuchte ich die gewerbliche<br />

Fortbildungsschule in Gymnich. Am 13. 3. 1930<br />

legte ich die Gesellenprüfung in Euskirchen ab.<br />

Die folgenden Jahre nutzte ich aus, um als<br />

Geselle meine fachlichen Kenntnisse in<br />

verschiedenen Betrieben zu erweitern. Vom 1.<br />

Juli bis 30. Sept. 1936 besuchte ich die private<br />

Konditorenschule, A. Heckmann in Köln.<br />

Anschließend nahm ich in Düsseldorf an<br />

Abendkursen teil, die als Vorbereitung <strong>für</strong> die<br />

Meisterprüfung dienten. Die Meisterprüfung<br />

konnte ich am 30. Mai 1938 vor der<br />

Handwerkskammer zu Düsseldorf ablegen. Am<br />

15. Mai 1939 erhielt ich in Münster i. W. den<br />

Gestellungsbefehl <strong>für</strong> eine 3 monatliche<br />

militärische Übung. Am 15. Aug 1939 entlassen,<br />

wurde ich am 22. Sept. 1939 erneut zum<br />

Wehrdienst einberufen und war dann bis zur<br />

Kapitulation im Osten Soldat. Als solcher nahm<br />

ich am Frankreichfeldzug teil und war von 1941<br />

bis 1945 im Osten wo ich an dem Vormarsch bis<br />

vor Leningrad teilnahm und später die Rückzüge<br />

in der Ukraine, Slowakei und Ungarn mitmachte.<br />

In den letzten Jahren tat ich Dienst als Uffz. und<br />

war als Rechentruppführer eingesetzt. Zu<br />

meinem Aufgabengebiet gehörten: Vermessen<br />

von Stellungen, Karten u. Planarbeiten, Skizzen<br />

<strong>für</strong> taktische Meldungen u. Errechnen der<br />

Feuerkommandos. Am 20. Mai wurde ich aus<br />

einem amerikanischen Lager entlassen und war<br />

anschließend im Betrieb meiner Schwiegereltern<br />

tätig.<br />

Hans <strong>Löhrer</strong>.<br />

33<br />

5


Und schon war <strong>Johannes</strong> wieder in Schulung:<br />

Und natürlich war ein Nachweis über<br />

eine "Entnazifizierung" zu erbringen:


Und es hat geklappt: aus dem Meister mit so vielen Qualifikationen ist nun ein<br />

Hilfsaufseher geworden, auf Probe! Dazu die Auflage, mit Lehrgängen und<br />

wieder neuen Prüfungen nachzuweisen, dass <strong>Johannes</strong> <strong>Löhrer</strong> "qualifiziert"<br />

ist.<br />

Das <strong>Zuchthaus</strong> <strong>Rheinbach</strong> wurde 1913 erbaut aus und mit den Ziegeln aus der<br />

Ziegelei Krautwig die außerhalb <strong>Rheinbach</strong>s Richtung Merzbach rechter Hand<br />

lag. Und Schwiegervater Krautwig sorgte mit seinen Kontakten mit dazu, dass<br />

<strong>Johannes</strong> diese "vorübergehende" Stellung bekam.


Und wieder ist/war eine Hürde genommen. Dazu gab es eine kostenpflichtige<br />

Dienstwohnung direkt am <strong>Zuchthaus</strong> gelegen: Aachener Straße 47 b . Wenige<br />

Meter von der Ringmauer entfernt, die das <strong>Zuchthaus</strong> komplett einschloss.<br />

Aber die Träume einer eigenen Existenz hörten nicht auf. Nicht immer unter<br />

Begeisterung seiner Ehefrau Franziska die sich <strong>für</strong>sorglich um Sohn Heinz<br />

kümmerte, suchte <strong>Johannes</strong> immer noch nach einer Möglichkeit, eine eigene<br />

Existenz aufzubauen:<br />

Sehr geehrter Herr!<br />

Hinsichtlich Ihrer<br />

Annonce im Weckruf<br />

v. 1.1.49 biete ich<br />

mich Ihnen als<br />

Pächter an.<br />

Ich bin 36 Jahre alt,<br />

verhei. mit 1 Kind. Wir<br />

haben in <strong>Rheinbach</strong><br />

Grundbesitz.<br />

Mit allen Zweigen der<br />

Bäckerei u. Konditorei<br />

bin ich bekannt da ich<br />

genügend Erfahrung<br />

gesammelt habe.<br />

Meine Frau war 2<br />

Jahre in<br />

Burgsteinfurt Westf.<br />

im Café tätig,<br />

anschließend 2 Jahre<br />

als Filialleiterin einer Bäckerei in Bonn. Im folgenden kurz meine fachliche Tätigkeit.<br />

1927 - 1930 Lehrzeit. Hiernach als Gehilfe in Liblar, Köln, Gymnich, <strong>Rheinbach</strong>, Andernach, Koblenz,<br />

Blatzheim b/Düren, Düsseldorf, Königswinter, Münster Wstfl. u. Bonn.<br />

1936 Konditorenfachschule Heckmann in Köln, 1938 Meisterprüfung als Bäcker in Köln. Von 1939 -<br />

1945 Soldat. 1945/46 als Bäckermeister tätig in Sürth b/Köln. Nachdem alle Bemühungen ein<br />

Geschäft zu bekommen vergbeblich waren, bewarb ich mich als Strafvollzugsbeamter beim<br />

<strong>Zuchthaus</strong> in <strong>Rheinbach</strong>. Habe hier die Bäckerei


wieder in Betrieb gebracht<br />

und bin z. Zt.<br />

Oberwachtmeister im<br />

Aufsichtsdienst.<br />

Da ich meinen Beruf aber<br />

nicht aufgeben möchte finde<br />

ich es jetzt wieder an der<br />

Zeit mich zu bemühen und<br />

bitte Sie mir einiges<br />

mitteilen zu wollen.<br />

Da Ihre Offerte mir sehr<br />

geeignet scheint da ich<br />

größten Wert auf modern<br />

eingerichteten Betrieb lege<br />

hoffe ich mit Ihnen einig zu<br />

werden. Ich garantiere <strong>für</strong><br />

saubere Arbeit, bin sehr<br />

strebsam und kann besonders<br />

in Konditorei manches bieten<br />

was


Ihr Geschäft hebt.<br />

Späterer Ankauf wäre mir<br />

angenehm. Eine entsprech.<br />

Kaution kann durch den<br />

Grundbesitz gestellt<br />

werden. Auf Wunsch sende<br />

ich Ihnen nun Zeugnisse<br />

mit den besten Referenzen<br />

zu.<br />

Beiliegend 1 Antwortkarte.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Hochachtungsvoll<br />

Hans <strong>Löhrer</strong>.<br />

Was daraus geworden ist, natürlich nichts. Das wissen wir heute. Und auch<br />

einen belegbaren Kontakt hat es nicht dazu gegeben. Zumindest erfolgte<br />

diese Bewerbung aus einer "sicheren Position heraus. Und immer wieder waren<br />

Augen und Ohren offen <strong>für</strong> einen Wechsel.


Das Gehalt war hoch bescheiden, aber sicher. Alle Kosten mussten davon<br />

bestritten werden und zudem wurde die Kirchensteuer seinerzeit noch zu<br />

einer selbst zu zahlenden Verpflichtung. So nutzten Hans und Franziska alle<br />

Möglichkeiten, auf dem verpachteten Grund an der Straße nach Merzbach mit<br />

eigenem Obst und Gemüse den Lebensunterhalt zu sichern. Es war die<br />

Hungerzeit in der es wenig bis nichts gab. Auf den abgeernteten Feldern<br />

wurde nach Ähren, Kartoffeln und allem essbaren gesucht. Aals Sohn erinnere<br />

ich mich noch daran, an diesen Sommertagen mit meinen Eltern über die<br />

Felder "gerutscht" zu sein. "Himmel und Erde" (Kartoffelpüree und Apfelmus<br />

- zumeist untereinander gemischt) und gebratene Leber- und Blutwurst war<br />

ein regelmäßiges Essen, ebenso wie die wöchentliche Eintopfsuppe. Es gab<br />

einfach nichts außer man hatte einen Garten, aus dem man sich ein Stück weit<br />

auch verpflegen konnte. Trotzdem wurde die Kirchensteuer bezahlt.<br />

Und das bei einem so kleinen Gehalt eines Beamten mit seiner Familie:


Eigentlich hatte <strong>Johannes</strong> (Hans) <strong>Löhrer</strong> die "Nase voll" von<br />

Uniform - aber so war es nun einmal.<br />

Die junge Familie fühlte sich wohl in der Dienstwohnung die<br />

ein gesamtes Haus war. Rund um diese Ringmauer herum<br />

waren an der Straße die zwischen der 3 Meter hohen Mauer<br />

und Bürgersteig die Häuser gebaut - jeweils 2 geräumige<br />

Häuser aneinander, auch alle unterkellert. Es gab reichlich<br />

Platz und einen großzügigen Garten dazu in dem Obstbäume<br />

standen. Gemüse wurde angepflanzt und auch Tiere gehörten<br />

bei Hans <strong>Löhrer</strong> dazu: 1 Schwein <strong>für</strong> die Reste, Hühner <strong>für</strong><br />

Eier - Suppe und Fleisch wie auch ein Bienenhaus mit etlichen Bienenstöcken <strong>für</strong> eigenen<br />

Honig zu schleudern.<br />

Der Arbeitsort war nah dabei und kostete nicht viel Zeit ihn zu erreichen. Alle freie Zeit<br />

gehörte dem Garten, der Familie und seinem Hobby, den Briefmarken, das er seit den<br />

Kindertagen exzessiv pflegte. Dazu kam noch die im "3. Reich" antrainierte Recherche zu<br />

den Ahnen. Die hatte einen besonderen Stellenwert weil ja Franziska in direkter Linie in<br />

Verbindung zur Inquisition, der Hexenzeit stand. Und mit dem Namen Krautwig gab es ja<br />

eine sehr großzügige zusätzliche Ahnenreihe zu der eigenen Linie <strong>Löhrer</strong>.<br />

Im Dienst waren zunächst bevorzugt die Küche sein Revier und vor allem die brach<br />

liegende Bäckerei die Hans mit viel Elan wieder ins Leben rief und zu voller Aktivität<br />

brachte. Als Kind erinnere ich mich noch immer gerne an das "Komißbrot" das vor allem<br />

gebacken wurde und heiß begehrt war. Natürlich wurde es auch verkauft und abgegeben<br />

soweit es verfügbar war. Und ich kam immer mit einem "angebohrten" Brot heim bei dem<br />

ich schon an der seitlichen Kruste genascht hatte.<br />

Zunächst waren - so meine Erinnerung - wohl noch eine große Zahl politischer Gefangener<br />

hinter Gittern, aber schnell wechselte das zu überwiegend bis ausschließlich Schwer- und<br />

Gewaltverbrechern mit denen Hans zu tun hatte.<br />

Hans <strong>Löhrer</strong> pflegte einen "guten Kontakt" zu den Strafgefangenen, wie die so genannt<br />

wurden: "es ist wichtig, dass du ihnen vertrauen kannst. Da<strong>für</strong> musst du verlässlich und<br />

berechenbar sein. Die können dir das Leben schwer machen, wenn du sie driezt", so lehrte<br />

mich schon früh mein Vater im Umgang mit den Menschen, besonders mit denen, die durch<br />

ihr gefangen und eingesperrt sein einfach einer anderen Gesellschaftsschicht (die<br />

Meisten) zugehörig sind. "Aber sie können dir helfen und tun alles <strong>für</strong> dich, wenn sie einen<br />

Vorteil darin erkennen - und wenn es nur freundliche, verständnisvolle Worte sind".<br />

Tagesdienste, Nachtdienste und Außenkommandos wechselten sich ab und es war ein<br />

normaler <strong>Alltag</strong> <strong>für</strong> uns. Auf dem großen Grundstück gegenüber der ehemaligen Ziegelei -<br />

Martin Krautwig verstarb am 9. März <strong>1946</strong> wenige Wochen vor der Geburt von Heinz und


sein Erbe wurde auf die 5 Kinder verteilt. Geschäftsnachfolger Michael Krautwig als<br />

ältester Sohn war noch in Gefangenschaft und die Ziegelei war eingestellt - war Landwirt<br />

Horst als Pächter aktiv und Stück <strong>für</strong> Stück übernahm Hans <strong>Teil</strong>e davon um sie selbst zu<br />

bewirtschaften.<br />

Nachdem so alle Pläne gescheitert waren, einen eigenen Betrieb - wo auch immer -<br />

aufzubauen, zu pachten oder kaufen, reifte der Plan, auf dem von Franziska geerbten<br />

Grundstück ein Haus zu bauen.<br />

<strong>Zuchthaus</strong> - Ansicht von den Feldern im Westen.<br />

Links vorne die Dienstwohnung <strong>Löhrer</strong>.<br />

Hans war tagtäglich mit Strafgefangenen in<br />

Kontakt von denen er immer sagte "das sind<br />

nicht alle Verbrecher. Die meisten sind<br />

Beziehungstäter geworden die <strong>für</strong> die<br />

Gesellschaft gar nicht gefährlich sind, aber<br />

ihre Strafe absitzen müssen. Da sind Mörder<br />

und Totschläger, die würden keinem was tun,<br />

hoch intelligent und mit tollen Berufen".<br />

Als Kind habe ich viele davon kennen gelernt: wenn Vater aus dem Nachtdienst nach Hause<br />

kam und einen Gefangenen zum Arbeiten im Garten mit nach Hause brachte. Als Kind in der<br />

Schneiderei des <strong>Zuchthaus</strong>es, wenn ich zur Anprobe ging <strong>für</strong> geänderte und getragenen<br />

Sachen der Großen angemessen bekam. Auch beim Spielen mit den anderen auf Straße oder<br />

Feldern, wenn Mutter mich suchte und nach mir rief: "Heinz ist da hinten im Feld Frau<br />

<strong>Löhrer</strong>" schallte es dann oft von hinter den vergitterten Fenstern der Zellen. Von dort gab<br />

es die beste Übersicht und Aussicht.<br />

Eine kleine Fotoserie dieser alten Zeit zeigt im Verlauf<br />

die Zelle 406 - mit allen Attributen <strong>für</strong> diesen<br />

Häftling. Daneben das nüchterne Treppenhaus mit<br />

seinen Zellen.


Das Panorama aus der Zelle heraus - zwischen den Gittern. Dazu die Trostlosigkeit aus<br />

allen Räumen und Gängen mit Fenstern. Mit dem Blick von Zelle zu Zellen.<br />

Der Innenhof zum Ausfahrttor hin und der Innenhof nach Westen <strong>für</strong> den "Ausgang" mit<br />

Sportplatz<br />

Die Druckerei und direkt dabei die beliebte Buchbinderei die beide gute Umsätze machten<br />

und sehr bekannt waren <strong>für</strong> gute Arbeit. Man verstand dort sein Handwerk.<br />

Roos & Blanke z. B. als <strong>Rheinbach</strong>er Firma ließ dort Arbeitsbekleidung und<br />

Schutzbekleidung anfertigen. Lange, bevor dies industrialisiert wurde oder wie<br />

heutzutage aus Fernost kommt.


Elektrische Geräte in Serie gehörten schon in den Fünfziger Jahren zum Standard in den<br />

Werkshallen. Lange, bevor eine eigene Produktionsanlage außerhalb der Mauern gebaut<br />

wurde. Auch extrem abgesichert und nur zugänglich üb er eine Tunnelanlage vom Altbau.<br />

Blick aus der Zelle - nebenan Blick in die Küche die täglich die bis zu 800 Insassen zu<br />

verpflegen hatte. Und immer alles von den Insassen zubereitet und ausgeteilt. Ohne diese<br />

"mit arbeitenden" Insassen ist der Betrieb nicht möglich.<br />

Gefangene beim täglichen Rundgang um die Kohlenhalde und noch ein Blick in den Innenhof.<br />

Überall sichtbar das Alter der Anstalt: 2 Weltkriege überlebt und voll belegt, ja<br />

überbelegt und <strong>für</strong> die Gefangenen mitunter kaum erträglich im täglichen Zusammenleben<br />

in den meisten mehrfach belegten Zellen.


Lagerräume <strong>für</strong> Material und Arbeitsraum <strong>für</strong> die Arbeits/Schutzbekleidung. Alles höchst<br />

übersichtlich strukturiert <strong>für</strong> die permanente Kontrolle und trotzdem: wer Ärger bereiten<br />

wollte, der hatte leichtes Spiel. Wehe, ein Beamter kehrte seinen Status "WICHTIG"<br />

heraus. Dann erfolgte Fehler über Fehler und das traf dann den Aufsicht Führenden.<br />

Unten und rechts wird gerade Essen in einen anderen Trakt gebracht und die<br />

"Mannschaft" die es mit verteilen wird. Und von überall her ist alles unter Kontrolle.<br />

Darunter der Versand mit erhöhter Aussicht aus dem Kontrollraum des Beamten damit<br />

nichts falsches in Kartons kommt. Aber nicht wirklich sicher überprüfbar.


Kommen wir zu den Fähigkeiten die hier alle unter einem Dach vereint sind. Es gibt nichts,<br />

das es nicht als berufliche Qualifikation geben würde in diesem Haus und alle reden davon,<br />

darüber und miteinander und in den Akten zu den Insassen steht es ohnehin auch zu lesen.<br />

Nicht einmal danach fragen musste Hans, der auch von seinen Träumen und Plänen sprach -<br />

gerade so, wie mit jedem anderen auch. Nur die Art der Gespräche war anders, immer<br />

musste die "Autorität" der Mitarbeiter im <strong>Zuchthaus</strong> gewahrt bleiben, menschlich war man<br />

sich oft nahe. Auch war es so, dass die mögliche Arbeitskraft und die Möglichkeiten der<br />

Gefangenen <strong>für</strong> Geld zur Verfügung standen. Also deren Leistung käuflich zu erwerben war<br />

und den Etat des <strong>Zuchthaus</strong>es stützten. So, wie alle Firmen gegen Geld dauerhaft im<br />

<strong>Zuchthaus</strong> produzieren lassen konnten, ebenso wie auf Außen Kommandos in Gruppen bis zu<br />

30 Sträflingen im Einsatz waren: die Baumschule FEY in Meckenheim wie auch im<br />

Steinbruch der Firma Horst & Jüssen waren beliebte Arbeitsplätze. Vor allem auch die<br />

Bauern der Umgebung die das nutzten. Und es gab immer gutes Essen an diesen<br />

Außenstellen - das alleine begeisterte viele Gefangene und ließ Wettbewerb unter den<br />

Zuteilungen aufkommen. Schon deshalb waren sie beliebt weil es eine Sonderbehandlung<br />

bei diesen Einsätzen gab gegenüber dem <strong>Alltag</strong> der Anstalt. Sich besonders gut zu führen<br />

brachte es zum Einsatz in diesen Kommandos.<br />

Horst & Jüssen<br />

Steinbruch, Wachtberg<br />

Es wäre ein Leichtes gewesen, abzuhauen - jeder, der es jemals erfolgreich versuchte,<br />

wurde wieder gefasst und alle Vergünstigungen waren entzogen. Jedem ist irgendwann<br />

einer "entlaufen". Geschossen wurde dabei nie - zu unübersichtlich war dann das Gelände.<br />

So hatte auch Hans <strong>Löhrer</strong> - wenn er Glück hatte - seinen "Lieblingsgefangenen" <strong>für</strong> 1 Tag<br />

bei sich im Einsatz oder zum Schneidern im <strong>Zuchthaus</strong> selbst. Sonst gab es einen, der<br />

gerade <strong>für</strong> einen solchen Einsatz frei war und dem es genehmigt wurde, Außendienst<br />

versehen zu dürfen.


Bei all den Gesprächen untereinander gab es Hinweise darauf zu unterstützen und Leistung<br />

anzubieten:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

ein Architekt bot sich an, Pläne und Statik <strong>für</strong> ein Haus zu machen, dessen Bau er<br />

mitbegleiten wolle/werde. Alle Zeichungen und Anträge könne er dazu fertigen.<br />

ein Grafiker erbot sich, eine LOGO <strong>für</strong> ein vielleicht doch zu errichtendes eigenes<br />

Unternehmen zu fertigen und "Werbung" auf den Weg zu bringen<br />

reichlich Gefangene boten sich an, <strong>für</strong> Hans die Bauarbeiten durchzuführen und den<br />

Bau zu erstellen<br />

die Betriebe: Schreinerei und Schlosserei wollen Bau wichtige Sachen herstellen wie<br />

Türen, Fenster, Geländer u. v. m.<br />

Am Einfachsten war dabei noch, ein LOGO zu fertigen - das ging im Haus selbst, brauchte<br />

keine Anträge und keine behördlichen Genehmigungen und war einfach gut <strong>für</strong> die Seele.<br />

Schauen Sie selbst auf diese kleinen Kunstwerke die da 1949 schon im <strong>Zuchthaus</strong><br />

entstanden sind von einem Herrn Bauer.<br />

Kein Wunder, dass die Träume um ein eigenes Geschäft nicht aufhörten. Aber ein eigens<br />

Haus zu bauen, das stand auf der Prioritätenliste jetzt ganz weit oben - allein, das Geld<br />

fehlte dazu. Mit diesem Minigehalt war es nicht möglich, großzügig zu planen, vor allem,<br />

weil Hans auch von dem Gedanken beseelt war, auf diesem so sehr großen Gelände Obst<br />

und Viehzucht zu betreiben.<br />

Auf seinen Außendiensten auf Kommando war er bevorzugt gerne auf Bauernhöfen im<br />

Einsatz und vor allem in der Baumschule Christian Fey in Meckenheim.


Zu Träumen gab es genug bei all diesen Ideen und mit Herrn Fey hatte er einen guten<br />

Ratgeber <strong>für</strong> Pflanzen und Botanik und so kam es rasch Stück <strong>für</strong> Stück zur Kündigung des<br />

Pächters des Grundstückes bei der Ziegelei gegenüber - alles weit und breit freies Feld.<br />

Schon zeitgleich mit den Gedanken und Plänen um das Haus wurden die ersten<br />

Obstkulturen angelegt. Streuobstwiesen bekannter Art wurden zur Anpflanzung auf 100<br />

Meter Länge und 30 Meter Breite nach Anleitung erfahrener Baumschulisten angelegt.<br />

Mit einher ging die Planung und Beantragung <strong>für</strong> das Haus (siehe eigener Bericht).


Der Bauplan entstand im <strong>Zuchthaus</strong> <strong>Rheinbach</strong> - Architekt und Statiker T. v. Stegen hat es<br />

entworfen und die Bauleitung mit übernommen:


Perfekt geplant und vorbereitet schon 1949. Dann begann das Planen, wie das zu bezahlen<br />

sein könnte.<br />

Eine exakte Planung aus dem Dezember 1949 - eingezogen wurde in das Haus 1952.<br />

Es hat zu dem Zeitpunkt jedoch nur den Keller und das Erdgeschoss umfasst - so wurde es<br />

dann bezogen und im laufenden Verfahren weitergebaut: Treppen (Keller), Toilette (EG)


Die perfekte Statik dazu auf 18 (in Worten: achtzehn) Seiten akribisch errechnet und mit<br />

feinster Handschrift beschrieben. Mörder, Totschläger, Schwerverbrecher stellt man sich<br />

doch anders vor, ODER ? Auszugsweise hier 4 Seiten zur Ansicht.<br />

So hat mir, dem Sohn Heinz, der Vater Hans beigebracht, Respekt vor jedermann zu haben<br />

und nicht auf Äußeres zu achten in einer ersten Beurteilung eines Menschen und egal, was<br />

er getan hat, Toleranz zu üben und zu zeigen.


Schon sofort hatten Hans und Franziska eisern ein eigenes Sparbuch - vor den<br />

Kriegszeiten schon gab es Sparkonten. Von Hans bei der Post. Von dort konnte er überall<br />

und jederzeit darauf zugreifen um einzuzahlen oder abzuheben - Selbst an der Front.


Und das wurde auch schon <strong>für</strong> Heinz im Jahre <strong>1946</strong> mit angelegt. Hans und Franziska<br />

ebenso wie Heinz haben die Belege der Währungsreform mit "Brief und Siegel". 2 mal<br />

haben Hans und Franziska ihr Geld verloren, das von "heute auf morgen" wertlos war.


Rundfunkgenehmigungen<br />

gehörten wie "Notopfer<br />

BERLIN" (siehe<br />

Gehaltszahlungen) zum<br />

<strong>Alltag</strong> und mussten, wie<br />

heute der<br />

Solidaritätszuschlag von<br />

Jedermann gezahlt<br />

werden.<br />

Diese unglaublich hohen<br />

Summen die die<br />

Bundesrepublik in die<br />

Finanzierung von Berlin-<br />

West einbrachte, bewirkte<br />

die Subventionen die <strong>für</strong><br />

den "Arbeitsplatz Berlin"<br />

und nach dort siedelten<br />

Betriebe dauerhaft<br />

erhielten.<br />

Zudem musste kein West-<br />

Berliner zum Wehrdienst,<br />

als dieser 1957<br />

beschlossen wurde.<br />

Rundfunkgenehmigungen:<br />

Mitte links:<br />

Deutsches Reich - 1949<br />

Deutsche Post - 1951 (oben)<br />

unten:<br />

Deutsche Bundespost -<br />

1952<br />

Jeweils immer noch alle nach<br />

dem "Amtsblatt des<br />

Reichspostministeriums<br />

S. 509/1931 und S. 141/1940"

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