soziologie heute August 2011
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<strong>August</strong> <strong>2011</strong> <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> 29<br />
Nach Jahrzehnten beredten kunstsoziologischen<br />
Schweigens im allgemeinen und<br />
im besonderen zu avant-gardistischen,<br />
umwälzenden, revolutionären künstlerischen<br />
Strömungen und Akteuren des<br />
vergangenen „kurzen Jahrhunderts“ gab<br />
es kürzlich wieder einen selbstbewussten<br />
speziell-soziologischen Versuch.<br />
Dieser ging keineswegs zufällig rückbezüglich<br />
„von DADA“ zu Beginn des 20.<br />
Jahrhunderts aus. Insofern erkennen die<br />
Autoren Hieber/Möbius (2009) im Abriss<br />
ihrer Theorie des künstlerischen Aktivismus<br />
von DADA bis zur Postmoderne<br />
die kulturgeschichtlich-soziopolitische<br />
Bedeutsamkeit dieser Künstlerströmung<br />
und verweisen auf den „Schocks des Ersten<br />
Weltkriegs“ für die Herausbildung<br />
einer künstlerischen Avantgarde, die,<br />
wie Dada Züri´ „das Versagen der bürgerlichen<br />
Kultur angesichts des Gemetzels<br />
und ihrem mangelnden Widerstand<br />
gegen die Phrasen der Politiker und Generäle“<br />
öffentlich anprangert. Ihrem –<br />
politisch durchaus korrekten – Dada-Bild<br />
entspricht freilich der Vorstellung eines<br />
abstrakten oder sekundären System-Dadaismus<br />
ohne konkret-lebendige Dadaisten<br />
– grad so als ob weniger „lebende<br />
Menschen in ihrer ganzen Subjektivität“<br />
(Paul Feyerabend) als vielmehr „tote<br />
Registraturnummern“ (Franz Kafka) interessierten.<br />
Diese Sicht führt dann auch<br />
an einem Metadadaismus heran, an den<br />
über Kunst als Form „neuer Lebenspraxis“<br />
später surrealistisch angeschlossen<br />
werden konnte:<br />
„Im Dadaismus kulminieren künstlerische<br />
Protestbewegungen, die sich – mit<br />
unterschiedlicher Akzentsetzung – sowohl<br />
gegen die Konventionen des Kunstbetriebs<br />
wie gleichermaßen gegen den<br />
politisch-gesellschaftlichen Konservatismus<br />
richten. Das wichtigste Medium seines<br />
öffentlichkeitswirksamen Affronts ist<br />
das Manifest. Die Dadaisten entwickeln<br />
zwar neue künstlerische Ausdrucksformen<br />
wie etwa das Lautgedicht von Hugo<br />
Ball oder die Fotomontage von John<br />
Heartfield. Aber sie beschränken sich<br />
keineswegs auf formale Innovationen.<br />
Die Stoßrichtung und die Identität des<br />
Dadaismus ist durch seine Manifeste bestimmt.“<br />
Dieser Hinweis ist, auch wenn er sich vor<br />
allem auf Künstler-„Manifeste“ kapriziert<br />
und insofern eine formale Metasicht ausdrückt,<br />
nicht falsch. Er blendet freilich<br />
wesentliche Besonderheiten aus. Auch<br />
diese lassen sich vergleichbar knapp<br />
skizzieren. Wilma Ruth Albrecht (2010)<br />
„Jedermann sein eigner Fussball“ - Illustrierte Halbmonatsschrift.<br />
Hg. Wieland Herzfelde. 1. Jahrgang, Nummer<br />
1, 2 Blatt, 4 Seiten, 42,7 x 29,5 cm. Berlin: Malik, 1919<br />
(Einzig erschienene Zeitschriftenausgabe. Verboten und<br />
beschlagnahmt)<br />
hat sie in ihrer kunsthistorischen tour<br />
d´horizont als spezifisch dadaistische<br />
Strömung auch in ihrer Formensprache<br />
beschrieben und politikhistorisch so<br />
verortet:<br />
„Lassen sich manche malerische Ansätze<br />
des beginnenden 20. Jahrhunderts auch<br />
als visionär-künstlerische Antworten auf<br />
das drohende erste große „Weltfest des<br />
Todes“ (Thomas Mann) deuten, so wird<br />
dieser Zeitbezug und epochale Bruch<br />
mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs<br />
im <strong>August</strong> 1914 ausdrücklich, etwa in der<br />
Dada-Strömung, die Lautliches und Visuelles,<br />
Poetisches und Skulpturelles, Komposition<br />
und Dekomposition, Installation<br />
und Deinstallation, Konstruktion und<br />
Dekonstruktion, Subjekt und Objekt im<br />
lebendigen Gesamtkunstwerk „Mensch“<br />
zu verbinden versucht wie im Werk des<br />
Elsässers Hans/Jean Arp (1886-1966)<br />
und seiner Zürcher Künstlerkollegen seit<br />
1915/16: Hugo Ball (1886-1927), Tristan<br />
Tzara (1896-1963), Richard Huelsenbeck<br />
(1892-1947), Marcel Janco (1895-1984),<br />
später etwa auch Raoul Hausmann (1886-<br />
1971) und Kurt Schwitters (1887-1948).“<br />
In folgenden geht es weder um den einen<br />
noch um den anderen, sondern um einen<br />
weiteren, dritten Aspekt. Zunächst geht<br />
es um die als Kurzgeschichte erzählte Erfolgsgeschichte<br />
von Dada(ismus) als einer<br />
1916 gegen den ersten Großen Krieg<br />
in Zentraleuropa entstandenen politästhetischen<br />
Bewegung. Dem ein Künstlerporträt<br />
von Hans (Jean) Arp (*16. September<br />
1886 Straßburg † Basel 7. Juni<br />
1966) als eines authentischen Zür‘cher<br />
Dadaisten der ´ersten Stunde´ (dessen<br />
125. Geburtstag sich Mitte September<br />
<strong>2011</strong> jährt). Arp und seiner langjährigen<br />
Lebensgefährtin Sophie Taeubner-Arp<br />
(*19. Januar 1889 Davos † 13. Januar 1943<br />
Zürich), einer deutschschweizer Malerin<br />
und Bildhauerin, ist auch ein eigenes<br />
Museum gewidmet: das Ende September<br />
2007 eröffnete, südlich von Bonn linksrheinisch<br />
gelegene Arp Museum Bahnhof<br />
Rolandseck. Es präsentiert im Gebäude<br />
des Bahnhofs Rolandseck und im Neubau<br />
in Rolandseck vor allem Werke beider<br />
Künstler. Auch diese Entwicklung<br />
aufnehmend und Hinweise von Hannah<br />
Arendt (*1906 † 1975) zur historischen<br />
„theatralischen Kulissenkultur“ bedenkend,<br />
systematisiere ich im Ausblick<br />
Streitbares zu Kunst(kommunikation)<br />
als Aspekt der Besonderheit von „moderner“<br />
Kunst und/als Kunst in der „Moderne“<br />
– die Darstellung von Kunst als<br />
Event, als Performance, als Show. Diese<br />
Kunst(präsentations)formen diskutiere<br />
ich disharmonisch-schlussakkordisch<br />
als Ausdruck der gegenwärtigen Postmoderne/des<br />
aktuellen Postmodernismus<br />
und ihrer nachhaltigen antidadaistischen<br />
Kehre. Dabei orientiere ich mich<br />
nicht an Maßstäben heuer propagierter<br />
neo-soziologischer „Korrekturwissenschaft“<br />
(Hans-Georg Soeffner), sondern<br />
an Kriterien herkömmlicher Kulturwissenschaft.<br />
DADA<br />
Am ersten Mittwoch des zweiten Monats<br />
im Jahr 1916 eröffneten die deutschen<br />
Emigranten Emmy (Ball-) Hennings<br />
(*1885 †1949), eine Kabarettistin,<br />
und die Schriftsteller Hugo Ball (*1886<br />
†1927) und Richard Hülsenbeck (*1892<br />
†1974) in der Züricher Spiegelgasse 1<br />
eine Cabaret Voltaire genannte Künstlerkneipe.<br />
Sie wurde rasch Treffpunkt für<br />
jene politliterarischen Außenseiter, die<br />
positiv ästhetische Avantgarde und<br />
Bohème, negativ Caféhausliteraten und<br />
Bummelstudenten genannt wurden. Was<br />
am 5. Feber 1916 begann, entwickelten<br />
die Genannten gemeinsam mit dem Elsässer<br />
Schriftsteller Hans (Jean) Arp<br />
(*1886 †1966), dem rumänischen Maler<br />
und Architekten Marcel Janko (*1895<br />
†1984) und dem rumänischen Schriftsteller<br />
Tristan Tzara (*1896 †1963) bald<br />
schon zu einer eigenen, lautmalerisch<br />
DADA genannten, Kunst(stil)richtung,