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soziologie heute August 2011

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<strong>August</strong> <strong>2011</strong> <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> 31<br />

Hans Arp: Tanzgeschmeide; Arp Museum Bahnhof Rolandseck<br />

(Bild: Warburg, wikimedia commons)<br />

einer abstrakten, elementaren, zuweilen<br />

geometrischen Bildersprache jenseits<br />

traditioneller Öl- und Tafelmalerei.”<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg kommt Arp<br />

nach Deutschland und ins Rheinland.<br />

In Köln lebt sein Vater. Hier wird Arp<br />

noch einmal dadaistisch aktiv, trifft und<br />

befreundet sich mit Max Ernst (*1891<br />

†1976) und Kurt Schwitters (*1887<br />

†1947), in dessen Zeitschrift Merz auch<br />

Arp publiziert. 1922 heiraten Sophie Taeuber<br />

und Arp, ab 1925/26 leben sie vor<br />

allen in Neudon bei Paris. 1924/28 engagiert<br />

sich Arp im Sinn der französischen<br />

Surrealisten, erprobt als Maler Zufallselemente<br />

als Grundlagen der Formgestaltung,<br />

experimentiert in konkreter Kunst.<br />

In den zwanziger Jahren veröffentlicht<br />

Arp in Deutschland vier Poesiebände: Der<br />

Vogel selbdritt und Die Wolkenpumpe (beide<br />

1920), Der Pyramidenrock (1924) und weisst du<br />

schwarzt du (1930). Seit Anfang der 1930er<br />

Jahre konzentriert sich Arp als Künstler<br />

zunehmend auf seine plastischen Arbeiten.<br />

Dazu Linda v. Mengden im Katalog<br />

des Ludwigshafener Hack-Museums:<br />

„Ab 1930 widmete sich der Künstler vor<br />

allem plastischen Arbeiten, die das Prinzip<br />

der biomorphen, organoiden Zell-<br />

Form ins Dreidimensionale übersetzten.<br />

Es sind glattpolierte, fließende Steine,<br />

zumeist Marmorskulpturen, die den Eindruck<br />

sinnlicher Körperhaftigkeit vermitteln;<br />

eine Vorstellung, die umschlägt<br />

in Assoziationen an Mineralisches oder<br />

Tierisches, als würde sich die Form vor<br />

unseren Augen verwandeln. Diese Metamorphosen<br />

der Plastiken Arps scheinen<br />

Bilder aus den Tiefen einer mythischen<br />

Vorzeit hervorzurufen, die der Künstler<br />

in den Ausdruck eines zeitlosen, heiteren<br />

Glücks übersetzt.“<br />

Damit sind zwei wesentliche Werkelemente<br />

und Arbeitsgrundsätze Arps und<br />

seiner Zeichnungen, Collagen, Reliefs,<br />

Skulpturen und Plastiken angesprochen:<br />

Die Verbindung von Zufall und Mythos<br />

zu einer neuen Einheit. Beide Momente<br />

bestimmen Arps abstrakte Formen. Etwa<br />

in seinen Plastiken seit Beginn der 30er<br />

Jahre. In der Vereinigung dieser „organoiden<br />

und biomorphen Elementen mit den<br />

Zufallskomponenten aus der geometrischen<br />

Abstraktion“ zu bisher unbekannten,<br />

damit einzigartigen Formen liegt<br />

auch das ästhetisch Neue der Arp´schen<br />

Formen und Bilder- und Symbolsprache,<br />

die damit auch neue subjektive Erfahrungswelten<br />

in uns als aktiven Betrachtern<br />

und Sehern („Rezipienten”) anklingen<br />

lassen kann - und zwar unabhängig<br />

vom persönlichen Wollen des Künstlers<br />

und seinem individuellen Streben nach<br />

absoluter Universalität (als Werkbeispiel<br />

etwa Die Ägypterin, um 1938, aus weißem<br />

Marmor, eine raumfigurell wirksame relativ<br />

kleine Figur mit runden Körperformen<br />

ohne jeden Anklang an Nofretete ... abstrakt<br />

und sinnlich zugleich).<br />

Nimmt Arp aus der dadaistischen Lust an<br />

schöpferischer Zerstörung vor allem die<br />

Zufallskomponente (die Victor Vasarely<br />

[*1906 †1997] in seiner Op-Art später<br />

perfektionierten sollte) ins weitere Werk<br />

mit, so wendet er sich doch (als meines<br />

Wissens einzig bekannter Dadaist) später<br />

dann anderen, mysthische(re)n Welten<br />

zu. Diese setzt Arp in besonderen<br />

Formen (etwa oval und glatt) um. Auch<br />

erhält nun die (ästhetische Anti-)Farbe<br />

weiß ihren Platz (wie im Zentrum der<br />

hier reproduzierten Arp-Lithographie<br />

1959/60). Entsprechend sind für den<br />

„reifen” Arp nach postdadaistischen<br />

Übergangs- und Suchphasen (1926/30)<br />

typische Topoi und „Motivkreise” vor<br />

allen im plastischen Werk Menschliche<br />

Konkretion (von 1934) mit Assoziationsanschlüssen<br />

etwa an triptichale und<br />

andere Dreiheiten. Oder Sagengestalten<br />

wie die Figur des Gnom und, immer wieder,<br />

Sterne (wie der von 1939 auf Arps<br />

Grab).<br />

Letztgenannte Motivgruppe findet sich<br />

auch im zeichnerischen Werk – etwa im<br />

Kippbild Ohne Titel (um 1959), das ein<br />

runzliges Greisen- oder Gnomengesicht,<br />

eingelagert in einen Viertelmond, zeigt<br />

(im Katalogband Der gestirnte Himmel seitenverkehrt<br />

reproduziert). Und auch<br />

Arps Altersbild Drei Sterne (um 1961) mag<br />

die unermüdliche Auseinandersetzung<br />

des Künstlers sowohl mit allem Irdischen<br />

als auch mit manchem, was drüber hinaus<br />

lebt, veranschaulichen.<br />

KUNST<br />

Veröffentlichung oder Publizierung und<br />

Präsentation moderner und aktueller<br />

Kunst und ihrer Werke erscheint <strong>heute</strong><br />

umso wirksamer je mehr die Veranstaltung<br />

selbst wenigstens als event, wenn<br />

nicht als performance, propagiert und<br />

organisiert wird. Event meint ein besonderes,<br />

herausragendes Ereignis (also<br />

das, was englisch immer noch „quite an<br />

event” heißt). Performance meint unabhängig<br />

davon, ob der/die Künstler/innen<br />

noch leben und/oder selbst auftreten,<br />

spezielle werkbezogene Aufführung und<br />

Darstellung.<br />

Das bedeutet zum einen, dass mit der<br />

performance auch das Werk in den Hintergrund<br />

verwiesen werden und die<br />

theatralische Inszenierungspraxis im<br />

Vordergrund stehen kann. Diese Grundunterscheidung<br />

verweist zum anderen<br />

auf eine entscheidende Differenz und<br />

Scheidelinie zwischen moderner und<br />

postmoderner Kunst seit Beginn des<br />

zwanzigsten Jahrhundert mit seiner<br />

„klassischen Moderne“: Was als event<br />

ereignishafte Präsentationsmöglichkeit<br />

von Werk/en und/oder Künstlern<br />

(beiderlei Geschlechts, auch folgend<br />

Künstlerinnen immer mit einbezogen)<br />

ist und hinreichende Bedingung für alle<br />

Kunst(werke)präsentation, -publikation,<br />

-rezeption und –wirkung bleibt - wird im<br />

„late modern age” (Anthony Giddens) als<br />

Inszenierungsnotwendigkeit auf der Folie<br />

objektiver Fähigkeiten und subjektiver<br />

Fertigkeiten so grundlegendes wie unverzichtbares<br />

ästhetisches Kennzeichen von<br />

Postmodernität: nun muss das (Kunst-)<br />

Werk weder in herkömmlichen ästhetischen<br />

Sinn „schön” sein noch auch nur<br />

so scheinen: Es muss vielmehr vor allem<br />

marktig (hoch-)gerechnet werden können<br />

– eine Entwicklung, die der Kunstwissenschaftler<br />

Werner Hofmann schon<br />

Ende der 1960er Jahre in die eingängige<br />

Formel „Alles muss Ware werden“ presste<br />

(Die Zeit vom 21. Feber 1969: 13).<br />

Auch wenn sich Arps Werk zunächst<br />

mehr mit jener „klassischen” künstlerischen<br />

Modernität, die sich (nicht nur<br />

in Deutschland) mit Formensprache<br />

und Funktionsweise des Bauhauses der<br />

1920er Jahre verbindet und zugleich<br />

von der immer beliebiger werdenden<br />

Postmodernität unterscheidbar ist,<br />

zurechnen lässt, so sind doch auch in<br />

Arps gesamtem künstlerischen Schaffen<br />

gleichwohl schon im Ansatz wesentliche<br />

postmoderne Rezeptionselemente und<br />

Wirkungsvorgaben enthalten, einbezo-

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