beiserhausnews122012
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Nachfolgender Brief mit Bild von Lasana Ullmann, einer ehemaligen Bewohnerin des Kinderheimes in<br />
Wernshausen erreichte die Stiftung Beiserhaus. Lasana hat sich mit einer Veröffentlichung einverstanden erklärt.<br />
Hallo Ihr Lieben,<br />
nun habe ich mal Zeit gefunden,<br />
um das zu schreiben, was ihr<br />
schon immer wissen wolltet !<br />
Die Zeit von 1995 bis Anfang<br />
1999 habe ich im Kinderheim<br />
verbracht. In dieser Zeit hatten<br />
es wohl alle nicht leicht mit mir,<br />
einem schüchternen Mädchen im<br />
zarten Alter von 15 Jahren –<br />
aber chaotisch und stur.<br />
Wie alle anderen dachte auch<br />
ich: Was wollen die eigentlich von<br />
mir ? Ich kann doch alles und<br />
weiss auch alles besser. Wenn<br />
ich aber heute zurückblicke -<br />
hey, die Erzieherinnen (unsere<br />
Tanten), sie haben nichts verkehrt<br />
gemacht. Nein, ganz im<br />
Gegenteil !<br />
Durch viele Gespräche mit Tante<br />
Vera haben wir nach und nach<br />
gelernt, wie man gewisse Situationen<br />
einschätzen und handeln<br />
sollte. Ich habe zurückblickend<br />
viel gelernt: Eigenständigkeit und<br />
Selbstbewusstsein!<br />
Ich hatte hier eine sehr schöne<br />
Zeit und wurde auf mein<br />
ERWACHSENEN-Leben gut<br />
vorbereitet.<br />
So richtig los ging`s mit dem<br />
Umzug ins eigene Appartement.<br />
Jetzt war ich für „meine Scheiße“<br />
selbst zuständig. Klar, habe<br />
immer gemeckert, wenn ich<br />
früher in der Wohngruppe aufräumen<br />
sollte.<br />
Im CHAOS herrscht die<br />
ORDNUNG !<br />
Mit diesem Spruch konnte ich<br />
nicht überzeugen.<br />
Aber da mir nach und nach immer<br />
mehr Verantwortung übertragen<br />
worden war, habe ich die Selbstständigkeit<br />
gelernt.<br />
Und den Umgang mit Geld !<br />
Man hat viele Sachen auf den<br />
Weg bekommen, die wichtig sind<br />
für`s Leben und Überleben. Und<br />
es hat mich immer wieder jemand<br />
unterstützt, immer war jemand<br />
da, zu dem man hingehen konnte.<br />
Und besonders wertvoll war, dass<br />
das Gemeinsame, das wir immer<br />
wieder fanden, uns in unserer<br />
Persönlichkeit gestärkt hat.<br />
Dazu zählen auch z. B. der<br />
Urlaub in der Beiserhaus-Hütte<br />
in Rengshausen und gemeinsame<br />
Veranstaltungen und Feste.<br />
Letztere waren immer toll, allein<br />
schon wegen dem Essen und den<br />
leckeren Kuchen.<br />
Ich habe auch gelernt mit Lebensmitteln<br />
umzugehen und eine<br />
anständige Mahlzeit daraus zu<br />
zaubern.<br />
Dank vor allem Tante Katrin !<br />
Irgendwie hat jede unserer Betreuerinnen<br />
etwas Besonderes<br />
drauf gehabt – und von allen<br />
haben wir etwas gelernt, ob wir<br />
wollten oder nicht.<br />
Von Tante Gerda lernten wir,<br />
Socken zu stopfen. Tante Tosca<br />
zeigte uns, wie Zimmer aufgeräumt<br />
werden. Tante Adelheit<br />
lehrte uns, immer schön alles<br />
sauber halten, dann hat man<br />
weniger zum Putzen. Tante<br />
Rosalie verriet uns das Geheimnis,<br />
wie die Wäsche ihre Farben<br />
behält: immer schön nach der<br />
Farbe trennen ! Tante Ev hatte<br />
stets einen Kaffee für mich gehabt.<br />
Tante Veras Ermahnungen:<br />
„cooool bleiben, nachdenken, vor<br />
allen ruhig bleiben!“ zusammen<br />
mit Tante Sabines Mahnung:<br />
„Regeln befolgen – dann wird<br />
alles gut!“ – Ja (schmunzel), es<br />
war eine schöne Zeit.<br />
Als ich das Kinderheim verlassen<br />
habe, bin ich nach Wetzlar gezogen<br />
und habe eine Ausbildung zur<br />
Arzthelferin gemacht. Und mittlerweile<br />
bin ich im 13. Arbeitsjahr<br />
in einer neurologischen<br />
Praxis tätig.<br />
Mein Sohn, Sebastian Lucas ist<br />
jetzt sieben Jahre alt. Das ist<br />
wunderschön. Aber einen Haken<br />
hat es. Ich sehe mich selber in<br />
ihm und denke mir, oh mein Gott,<br />
muss ich schlimm gewesen sein -<br />
als ich damals bei euch gewesen<br />
bin. Aber es ist schön, ihm nun<br />
das beizubringen was ich im<br />
Kinderheim gelernt habe.<br />
Mh, was kann ich noch schreiben<br />
? – Ja, eines noch: Es war<br />
für mich eine sehr lehrreiche<br />
Zeit bei Euch allen. Ich hoffe,<br />
ihr könnt damit etwas anfangen,<br />
vielleicht habt ihr euch auch<br />
etwas amüsiert beim Lesen.<br />
Sehr schön und wichtig fand ich<br />
übrigens das Fest des Wiedersehens<br />
der ehemaligen Heimkinder.<br />
Mir persönlich ist es<br />
wichtig zu erfahren, wie andere<br />
ihren Lebensweg gestalten.<br />
Falls ihr noch was Bestimmtes<br />
wissen wollt, dann meldet euch.<br />
Lasana Ullmann