FlorianNEU
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Als ich ein Dohlenbaby war<br />
Wie alle anderen Vogelbabys auch, war ich in einem Ei eingepackt.<br />
In einer Felsnische auf der Kampenwand hatten meine Eltern ein Nest<br />
gebaut, in das Mama fünf Eier legte. Jeden Tag saß Mama auf den<br />
Eiern, damit wir es warm hatten und in den Eiern wachsen konnten.<br />
Irgendwann wurde es mir zu eng und ich pickte mit meinem Schnabel<br />
so lange von innen an die Schale, bis sie zersprang und ich ins Nest<br />
purzelte. Meine Schwestern und mein Bruder warteten schon auf mich.<br />
Sie krächzten die ganze Zeit. Also tat ich es ihnen gleich. Mama und<br />
Papa hatten alle Flügel voll zu tun und flogen die ganze Zeit hin und<br />
her, um kleine Insekten und Würmer zu besorgen. So lernte ich, dass<br />
ich schreien musste, wenn ich Hunger hatte. Dabei klang meine Stimme<br />
echt komisch, so gar nicht wie die kräftige Stimme meines Papas,<br />
dem ich zuhörte, wenn er sich mit den anderen erwachsenen Dohlen<br />
unterhielt. Tag für Tag versorgten Mama und Papa uns mit Nahrung.<br />
Wir wurden immer größer und bald war es im Nest viel zu eng für uns<br />
alle.<br />
Schon zwanzig Mal hatte ich die Sonne aufgehen sehen. An diesem<br />
Morgen kam Mama ohne Futter an den Nestrand geflogen. „Kinder,<br />
heute ist es soweit. Ihr fliegt selbst los. Die ganze Dohlenfamilie und<br />
alle unsere Freunde warten schon auf euch. Schaut immer, wo die anderen<br />
sind, dann kann euch nichts passieren.“<br />
Meine Schwestern schlugen aufgeregt mit den Flügeln. Auch ich breitete<br />
meine Flügel aus. Ob die mich wirklich tragen würden? Vorsichtig<br />
hüpfte ich an den Rand des Nestes, um einmal zu schauen, wie es darunter<br />
aussah. Erschrocken wich ich zurück, denn da ging es meterweit<br />
steil bergab. Der Felsen schien gar kein Ende zu nehmen.<br />
„Florian, du kannst es wohl gar nicht abwarten.“ Mama schubste mich<br />
mit dem Schnabel zurück. Schnell hüpfte ich in die Nestmitte. Mama<br />
zerrte einen roten Schal unter ihrem Flügel hervor und band ihn mir