Skandinavien
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48 SEITEN<br />
EXTRA<br />
FASZINATION SKANDINAVIEN<br />
SKANDINAVIEN<br />
NORWEGEN<br />
Fernwandern<br />
Raue Natur<br />
in Oppland<br />
EIN<br />
SPEZIAL<br />
SCHWEDEN<br />
Elchwandern<br />
Auf der Spur der<br />
Riesen in Värmland<br />
DÄNEMARK<br />
Wikingerwandern<br />
Wasser und Weite<br />
auf Seeland<br />
FINNLAND<br />
Stadtwandern<br />
Ein Ausflug ins<br />
moderne Helsinki<br />
DER RUF<br />
DES NORDENS<br />
EINE REISE IN DAS REICH DER SEEN UND FJORDE
SPORT<br />
OPTICS<br />
NATURE<br />
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DAS AUGE WANDERT MIT.<br />
Auf einer Alpentour gibt es viel zu sehen. Da sollte man sich nichts entgehen lassen.<br />
Weder den Adler am weiten Himmel, noch den Steinbock am fernen Fels. Das neue<br />
Nikon PROSTAFF 3S fängt bewegte Objekte zielsicher ein.<br />
Da es extrem leicht ist und wasserdicht, begleitet es Sie durch jedes Abenteuer<br />
– wahlweise in der Ausführung 8x42 oder 10x42. Zu einem überraschend<br />
bodenständigen Preis führt es Sie auf die höchsten Gipfel optischer Brillanz.<br />
Mit dem neuen Nikon PROSTAFF 3S Fernglas wird jede Wanderung unvergesslich.
März 2018 | Editorial<br />
Coverfoto: Getty Images; Fotos: Manfred Borsch (1), Thomas Berger (1)<br />
Auf der Suche nach ...<br />
David Vinzentz<br />
Stellv. Chefredakteur<br />
dvi@wanderlust-magazin.de<br />
Wie fühlt sich eigentlich <strong>Skandinavien</strong> an? Was zieht so viele Menschen in den Norden? Ich erinnere<br />
mich noch gut an den Morgen, als ich im Setesdal in Südnorwegen nach dreitägiger Wanderung auf<br />
der Bank vor der kleinen Holzhütte saß und ins Tal hinabschaute, aus dem ich gestartet war. Ich hatte<br />
eine Flasche mit frischem Quellwasser neben mir stehen und war glücklich, mich erfolgreich durch<br />
die raue Natur Norwegens geschlagen zu haben. Die Erinnerungen an die Abende zuvor am Ofen mit<br />
Rentierjägern, die mir ihre Geschichten erzählten, durchwanderte Nebelfronten und Durchquerungen<br />
heftig angestiegener Flüsse waren so präsent, als wäre es vor zehn Minuten gewesen. Ein Redakteur<br />
ist immer auf der Suche nach Worten. Als solcher machte ich mir an diesem kühlen Morgen Gedanken<br />
darüber, in welche Form ich das Erlebte gießen könnte.<br />
Weite, Naturspektakel, Einsamkeit ... Freiheit!<br />
All diese Begriffe gingen mir durch den Kopf, und letztlich war es am ehesten das Gefühl<br />
von Freiheit, das sich vor meinem geistigen Auge manifestierte. Jedes Jahr zieht es Tausende<br />
Besucher in die skandinavischen Länder. Dabei ist jeder auf der Suche nach dem ganz eigenen<br />
<strong>Skandinavien</strong>-Gefühl und hat seine eigenen Erwartungen, mit denen er oder sie anreist. Abenteuer<br />
in einzigartiger Naturkulisse, eindrucksvolle Metropolen, Fjorde, Sauna, Sonnenwende,<br />
Erinnerungen Pippi Langstrumpf und die Mumins, Polarlichter oder nordische Freundlichkeit –<br />
was gesucht und erwartet wird, ist sehr unterschiedlich. Und was am Ende in Erinnerung<br />
bleibt, kann überraschen. Aber letztlich finden alle etwas, das sie begeistert oder fasziniert.<br />
Auch unsere Autoren haben sehr unterschiedliche Eindrücke mitgebracht, Spannendes erlebt<br />
und sich über so manche Eigenart gewundert. Gehen Sie mit uns auf Entdeckungsreise!<br />
Viel Freude beim Lesen und Wandern durch den Norden wünscht Ihnen<br />
David Vinzentz<br />
für das gesamte Team von wanderlust<br />
02|18 <strong>Skandinavien</strong><br />
3
Vielfältige Schönheit entdecken<br />
Jedes Jahr locken Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland unzählige Urlauber nach<br />
<strong>Skandinavien</strong>. Ob tiefe Urwälder, vergletscherte Berggipfel, einsame Strände oder rauschende<br />
Flüsse – von überall her erklingt der Ruf des Nordens.<br />
Fotos: Frank Brehm (2), Getty Images (1)<br />
4 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
<strong>Skandinavien</strong><br />
Wer „<strong>Skandinavien</strong>“ hört, denkt an Nordmänner,<br />
Wikinger und ein raues Land. Endlos scheinende<br />
Winter mit eisigen Schneestürmen und Polarlichtern.<br />
Seefahrer, die die Ostsee in Angst und Schrecken versetzten, erscheinen<br />
sofort vor dem geistigen Auge. Doch <strong>Skandinavien</strong> ist mehr als<br />
nur alte Mythen – <strong>Skandinavien</strong> ist ein Lebensgefühl, eine Region<br />
und ein Abenteuer.<br />
Eigentlich gehören nur Norwegen, Schweden und Finnland zur<br />
Skandinavischen Halbinsel, doch wenn man von <strong>Skandinavien</strong><br />
spricht, zählt man Dänemark meist einfach noch mit dazu. Das liegt<br />
daran , dass diese vier Länder sich eine sehr lange Geschichte teilen.<br />
Ansonsten jedoch sind sie reich an Gegensätzen. Während Finnland<br />
das Land der unzähligen Seen und sanften Hügel ist, gibt es in Norwegen<br />
schroffe Fjorde und hohe Berge. Das wilde Lappland bietet<br />
einen Kontrast zum flachen Dänemark, und auch die Menschen sind<br />
sehr unterschiedlich. Gelten die Norweger als sehr tüchtig, so sind<br />
besonders die Schweden sehr kontaktfreudig. Zu ihnen gesellen sich<br />
gastfreundliche Dänen und zurückhaltende Finnen.<br />
Formel zum Glücklichsein<br />
Eine Gemeinsamkeit ist die Lebensqualität. Alle vier Länder erreichen<br />
einen hohen Lebensstandard und führen jedes Jahr den „World<br />
Happiness Report“ – eine Liste der Länder, in denen es sich am besten<br />
lebt – an. Doch warum ist das so? Liegt es an dem hohen Einkommen,<br />
der guten Infrastruktur oder einfach nur an den freundlichen<br />
Menschen? Eine konkrete Antwort gibt es darauf nicht. Denn jeder<br />
Mensch definiert sein Glück anders. Eine mögliche Erklärung dafür,<br />
dass die Menschen in <strong>Skandinavien</strong> besonders glücklich sind, ist die<br />
Art und Weise, wie Skandinavier leben. Sie haben ein Modell entwickelt,<br />
das Nachahmer sucht. In Schweden und Norwegen gibt es beispielsweise<br />
Alkohol nur in bestimmten staatlichen Geschäften, und<br />
der Genuss in der Öffentlichkeit ist verboten. Hinzu kommen eine<br />
geringe Arbeitslosenquote und eine erstklassige medizinische Versorgung.<br />
Das allein macht allerdings nicht glücklich. Was also ist es, dass<br />
das Leben in <strong>Skandinavien</strong> so außergewöhnlich macht?<br />
Urwälder<br />
Die skandinavische Landschaft wurde stark durch die Eiszeit<br />
geprägt . Gletscherzungen formten Täler, Meereszungen und Fjorde.<br />
Noch immer ist die Region in Bewegung und hebt sich um bis zu<br />
10 mm pro Jahr. Der Golfstrom hat ebenfalls starken Einfluss auf<br />
das Wetter. Er sorgt dafür, dass viele Fjorde eisfrei bleiben, und beeinflusst<br />
die Vegetation in der Region. <strong>Skandinavien</strong> ist bekannt für<br />
seine Wälder. Im Norden verzaubern die Urwälder jeden, der sie betritt.<br />
Zwischen Waldkiefern, Fichten, Birken und Espen finden viele<br />
Tierarten wie zum Beispiel Flughörnchen, Braunbären oder auch<br />
Weißrückenspechte einen Lebensraum. Touristen dagegen können<br />
dort besonders gut entspannen und den Alltag vergessen. Bei so<br />
viel Holz wird natürlich auch Forstwirtschaft betrieben. Mehr als<br />
die Hälfte des in Deutschland verwendeten Papiers kommt aus<br />
<strong>Skandinavien</strong>. Oberhalb der Waldgrenze können Touristen dann<br />
Moschusochsen und riesige Rentierherden beobachten. Die Natur<br />
ist ebenso vielfältig wie die abwechslungsreiche Landschaft.<br />
Geliebtes <strong>Skandinavien</strong><br />
Die deutsche Band „Die Ärzte“ sang einmal: „Jag älskar Sverige“,<br />
was bedeutet: „Ich liebe Schweden“. Auch wenn der Text teilweise<br />
ein wenig frech und überzogen daherkommt, hat er doch einen<br />
wahren Kern. Schweden ist absolut liebenswert, und ein Besuch<br />
lohnt sich: „Kann denn nicht jedes Land wie Schweden sein? So<br />
fröhlich und so unbeschwert. Ein Land, in das man gerne fährt …“<br />
Das gilt für die Nachbarländer Dänemark, Norwegen und Finnland<br />
natürlich auch. Sie alle haben viel zu bieten und machen <strong>Skandinavien</strong><br />
zu einem beliebten Reiseziel.<br />
Dänemark besitzt über 7.000 km Küste, Norwegen bezaubert mit<br />
unzähligen Fjorden, Schwedens Städte sind wahre Kulturschätze, und<br />
die kristallklaren Seen in Finnland laden zum Schwimmen ein. Diese<br />
abwechslungsreiche Landschaft zieht jedes Jahr Millionen<br />
Touristen in ihren Bann. Außerdem locken die Nordlichter.<br />
Von Ende September bis Ende März kann die Aurora borealis<br />
beobachtet werden. Besonders gut ist das Himmelsspektakel<br />
in Norwegen zu sehen. Aber auch in Schweden und<br />
Finnland zeigt sich die Lichtershow am Himmel.<br />
<strong>Skandinavien</strong> ist eine Region mit vielen Facetten.<br />
Wandern, Schwimmen, Ski fahren oder kulturelle Schätze<br />
entdecken – all dies ist möglich. Der Norden Europas<br />
lockt Besu cher mit seiner Vielseitigkeit. Dabei sind die<br />
skandinavischen Länder Dänemark, Norwegen, Schweden<br />
und Finnland jedes auf ihre Art und Weise besonders.<br />
Eins ist ihnen allen jedoch gemein – der Ruf<br />
des Nordens.<br />
02|18<br />
<strong>Skandinavien</strong><br />
5
Norwegen<br />
Die Trolltunga ist eine der<br />
spek ta kulärsten Felsformationen in<br />
Norwegen. Sie liegt ca. 700 Meter<br />
über dem See Ringedalsvatnet.<br />
Allgemeine Informationen:<br />
Fläche:<br />
Einwohnerzahl:<br />
Einwohner pro km²:<br />
Hauptstadt:<br />
Währung:<br />
323.802 km²<br />
ca. 5,23 Mio.<br />
13 (Deutschland<br />
226 je km²)<br />
Oslo<br />
Norwegische Krone<br />
Dinge, die Sie noch nicht über Norwegen wussten:<br />
Wagemutige sollten nach Fjordnorwegen. Dort<br />
steht die steilste Seilbahn der Welt. In nur fünf bis<br />
sieben Minuten Fahrzeit bringt der Loen Skylift<br />
die Fahr gäste vom Ufer des Nordfjords auf 1.000<br />
Höhenmeter hinauf.<br />
2019 wird bei Kap Lindesnes das erste Unterwasser-<br />
Restaurant Europas eröffnen. Rund fünf Meter unter<br />
der Wasseroberfläche des Skagerrak werden dann<br />
Fische und Meeresfrüchte serviert.<br />
Bei den Olympischen Winterspielen ist Norwegen<br />
einsame Spitze. Bisher hat das Land 329 Medaillen<br />
(118 Mal Gold, 111 Mal Silber und 100 Mal Bronze)<br />
geholt. Biathlet Ole Einar Bjoerndalen (*1974) ist<br />
der weltweit erfolgreichste Winterolympionike mit<br />
insgesamt 13 Medaillen.<br />
Innerhalb geschlossener Ortschaften ist es<br />
verboten, im Fahrzeug zu rauchen. Verstöße<br />
werden mit einem Bußgeld in Höhe von<br />
175 Euro geahndet.<br />
Nirgendwo sonst auf der Welt gibt<br />
es mehr Fjorde als in der Region<br />
Fjordnorwegen. Sie entstanden,<br />
als sich die Gletscher zurückzogen und Meerwasser<br />
die u-förmigen Täler überflutete.<br />
Der Friedensnobelpreisträger wird vom norwegischen<br />
Nobelkomitee gewählt. Der Preis wird jedes Jahr am 10.<br />
Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel, im Rathaus<br />
von Oslo übergeben. Er ist der einzige Nobelpreis, der<br />
nicht in Stockholm vergeben wird.<br />
Der Mardalsfossen in der Region Vestlandet ist der<br />
höchste Wasserfall Europas. Er stürzt in mehreren<br />
Stufen aus einer Höhe von 655 Meter in die Tiefe.<br />
Der Laerdaltunnel in der Provinz Sogn og Fjordane ist<br />
der längste Straßentunnel der Welt. Der 24,5 km lange<br />
Tunnel besitzt unzählige Kurven, die eingebaut wurden,<br />
um die Konzentration der Autofahrer zu fördern.<br />
Im Wintersportort Geilo findet alljährlich das Ice<br />
Music Festival statt. Dabei spielen die Künstler<br />
ausschließlich auf Instrumenten aus Eis.<br />
Seit 2006 gibt es ein Gesetz, das eine Matratzenpflicht<br />
in norwegischen Kuhställen vorschreibt. Seitdem<br />
schlafen die Tiere nachts auf weichen Unterlagen und<br />
geben bis zu 10 Prozent mehr Milch.<br />
Kleiner Sprachführer<br />
Guten Tag / Auf Wiedersehen!. . . . God dag / På gjensyn<br />
Hallo! / Tschüss, bis bald!. . . . . . . . . . Hei / Ha det!<br />
Ja / Nein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ja / Nei<br />
Vielen Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Takk!<br />
Bitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vær så god<br />
Ich komme aus Deutschland . . . . . . Jeg kommer fra Tyskland<br />
Sprechen Sie Englisch?. . . . . . . . . . . . . Snakker du engelsk?<br />
Anreise:<br />
Mit dem Flugzeug<br />
Es gibt Linienflüge von vielen deutschen Flughäfen<br />
nach Oslo, Bergen und Stavanger.<br />
Mit dem Auto<br />
Entweder fährt man mit dem Auto<br />
über Dänemark nach Schweden und<br />
von dort nach Norwegen, oder man<br />
fährt bis Dänemark und steigt dort<br />
in die Fähren der Fjord Line um. Vom<br />
dänischen Hirtshals geht es nach Stavanger,<br />
Bergen, Kristiansand und Langesund.<br />
Ebenfalls mit der Fjord Line gelangt man von<br />
Hanstholm nach Bergen, Haugesund, Egersund<br />
oder Kristiansand.<br />
Mit der Fähre<br />
Es gibt nur eine direkte Fährverbindung von<br />
Deutschland nach Norwegen. Color Line und<br />
Stena Line bieten tägliche Fähren von Kiel<br />
nach Oslo an.<br />
Mit der Bahn<br />
Von Hamburg fahren vier Mal täglich Züge<br />
Richtung Norwegen. Allerdings muss man in<br />
Kopenhagen und in Göteborg umsteigen.<br />
Fotos: Getty Images (7), IMAGO/ stock&people (1)/ blickwinkel (2)/ Priller&Maug (1)<br />
6 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Norwegen<br />
Der Nidarosdom in<br />
Trondheim gehört zu<br />
den bedeutendsten<br />
Kirchen in Norwegen Geschichte des Landes kurz und knapp:<br />
und gilt als Nationalheiligtum.<br />
Bereits vor 11.000 Jahren siedelten sich die ersten Menschen in Norwegen an. Zwischen<br />
800 und 1066 war die große Zeit der Wikinger. Erik der Rote gründete 985 die erste<br />
Siedlung in Grönland. 1349 tobte die Pest und tötete die Hälfte der norwegischen Bevölkerung.<br />
Norwegen, Dänemark und Schweden wurden 1397 von der dänischen Königin<br />
Margarethe I. in der Kalmarer Union vereinigt. Mit dem Austritt Schwedens zerbrach zwar<br />
1523 die Union, doch die dänischen Könige blieben auch weiterhin die Könige Norwegens.<br />
Nach der dänischen Niederlage in den Napoleonischen Kriegen ging Norwegen 1814 in den<br />
Besitz von Schweden über. Erst 1905 erfolgte die Unabhängigkeit. Durch Volksabstimmung<br />
entschieden sich die Norweger für den Erhalt der Monarchie und machten den dänischen<br />
Prinzen Karl, der als Haakon VII. gekrönt wurde, 1905 zum norwegischen König. Die Handelsflotte<br />
wuchs und sorgte während des Ersten Weltkrieges für wirtschaftlichen Aufschwung. In<br />
den 1960er-Jahren wurde Öl in der Nordsee gefunden. Seitdem hat sich das Land zu einem der<br />
reichsten Länder der Welt entwickelt. Norwegen war Mitbegründer der UN und trat 1949 der NATO<br />
bei. Im Gegensatz zu den anderen skandinavischen Ländern trat Norwegen nicht der Europäischen<br />
Union bei, war aber 1960 Mitbegründer der Europäischen Freihandelszone (EFTA).<br />
Top-Sehenswürdigkeiten<br />
in Norwegen:<br />
Preikestolen<br />
Der Preikestolen ist eine Felsplattform, die<br />
25 mal 25 Meter groß ist und sich in Ryfylke<br />
befindet. Die Aussicht auf die umliegenden<br />
Berge ist einfach grandios.<br />
Voeringsfossen<br />
Fjordnorwegens Wasserfall Nr. 1, den Voeringsfossen,<br />
muss man ebenso gesehen haben wie die berühmte<br />
Trollzunge. Je nach Kondition benötigt man rund acht<br />
bis zwölf Stunden bis zur „Trolltunga“. Ausgangspunkt<br />
der Wanderung ist die kleine Siedlung Skjeggedal<br />
oberhalb von Odda.<br />
Eisbären auf Spitzbergen<br />
Rund 3.000 Eisbären leben auf der zu Norwegen<br />
gehörenden Inselgruppe Spitzbergen. Mit dem<br />
richtigen Guide kann man sie in freier Wildbahn<br />
beobachten.<br />
Berühmte Persönlichkeiten:<br />
Edvard Munch (1863–1954, Maler)<br />
Roald Amundsen (1872–1928, Polarforscher)<br />
Jo Nesboe (*1960, Schriftsteller)<br />
Fridtjof Nansen (1861–1930, Naturforscher)<br />
Marit Bjoergen (*1980, Skilangläuferin)<br />
Bjoern Daehlie (*1967, ehemaliger Skilangläufer)<br />
Die Band a-ha: Morten Harket (*1959), Pål Waaktaar-Savoy<br />
(*1961) und Magne Furuholmen (*1961)<br />
Wencke Myhre (*1947, Sängerin)<br />
Thor Heyerdahl (1914–2002, Forschungsreisender)<br />
Henrik Ibsen (1828–1906, Dramatiker und Lyriker)<br />
Marit Larsen (*1934, Sängerin)<br />
Jostein Gaarder (*1952, Schriftsteller)<br />
Harald V. (*1937, König von Norwegen)<br />
Knut Hamsun (1859–1952, Schriftsteller)<br />
Ole Einar Bjoerndalen (*1974, Biathlet)<br />
Lofoten<br />
Weit oberhalb des Polarkreises liegen die Lofoten-<br />
Inseln. Sie sind bekannt für sehr gute Angelmöglichkeiten,<br />
kleine Fischerdörfer und unberührte Natur.<br />
Eine fast unberührte Wildnis.<br />
Nidarosdom in Trondheim<br />
Das Nationalheiligtum Norwegens ist der Nidarosdom in<br />
Trondheim. Lange Zeit stand dort der Schrein von Olaf dem<br />
Heiligen hinter dem Hochaltar. Die Altstadt von Stavanger mit ihren<br />
weißen Holzhäusern ist ebenso sehenswert wie die komplett aus<br />
Holz erbaute Stabkirche von Urnes.<br />
Norwegische Küche:<br />
Eine Spezialität ist Fenalår, eine getrocknete und gesalzene Lammkeule. Auch das als Fårikål<br />
bezeichnete gedämpfte Lammfleisch mit Kohl ist sehr beliebt. Brunost ist brauner Molkenkäse und<br />
wird karamellisiert und dann mit Brot oder Waffeln gegessen. Fisch darf auch nicht fehlen. Lutefisk<br />
ist ein in Wasser und Lauge eingelegter Stockfisch, der anschließend im Ofen gedünstet wird. Dazu<br />
werden Kartoffeln, Schinken und Erbsenpüree serviert. Roemmegroet ist ein Brei aus Sauerrahm<br />
und Grieß und wird häufig mit Zimt und Zucker gegessen. Norwegens Nationalgetränk ist Aquavit.<br />
Der Schnaps wird aus Kartoffeln, Kümmel, Anis, Dill und Fenchel hergestellt. Die „Linie Aquavit“ ist<br />
etwas ganz Edles und ist gekennzeichnet durch den besonderen Geschmack. Um das einzigartige<br />
Aroma zu erreichen, wird diese Sorte mit dem Schiff bis nach Australien gefahren und überquert<br />
dabei mehrfach den Äquator. Das soll die Reifung in den alten Sherryfässern positiv beeinflussen.
Norwegen<br />
8 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Norwegen<br />
Auf Abenteuertour<br />
in der Provinz Oppland<br />
02|18 <strong>Skandinavien</strong> 9
Norwegen<br />
Gefährlich nah an den Abgrund<br />
begibt sich dieser schwindelfreie<br />
Wanderer auf dem Besseggen-Grat.<br />
Norwegen verfügt zweifellos über einige der<br />
spektakulärsten Landschaften, die Europa zu<br />
bieten hat. Nun mag das Gros der Touristen<br />
mit dem Kreuzfahrtschiff in die weltbekannten<br />
Fjorde einfahren, aber auch die<br />
Region Oppland im Landesinneren ist landschaftlich<br />
ein Hochgenuss. Im wahrsten Sinne<br />
des Wortes, versteht sich, denn hier reichen<br />
die ganzjährig schneebedeckten Berggipfel bis<br />
auf über 2.000 Meter Höhe hinauf.<br />
Text & Fotos: Frank Brehm<br />
Dass ausgerechnet in einem der kühlsten und<br />
nördlichsten Länder Europas fast alle Menschen<br />
echte „Outdoor-Freaks“ sind, mag zunächst<br />
verwundern. Aber es beschreibt sehr gut die Mentalität der<br />
Norweger als Nachfahren der Wikinger. Sie sind eins mit ihrer<br />
Natur und lassen sich von Wind und Wetter schlichtweg nicht<br />
beeindrucken. Unsere Wanderreise führt uns in die Provinz Oppland,<br />
etwa auf halber Strecke zwischen den Wintersportorten<br />
Lillehammer und Trondheim gelegen. In diesem „Hochland“ befinden<br />
sich, dicht an dicht gedrängt, gleich sieben der norwegischen<br />
Nationalparks. Oppland ist fast so groß wie Belgien, beherbergt<br />
aber nur knapp 190.000 Einwohner.<br />
Der Anfang von allem: erst mal hinkommen<br />
Nach der Landung in Oslo steigen wir direkt am Flughafen in<br />
einen Zug, der fast vier Stunden gen Norden fährt. Mit zuneh-<br />
10 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Norwegen<br />
mender Fahrzeit wird die Landschaft immer alpiner, einsamer<br />
und rauer. Schließlich gelangen wir nach Otta, dem gerade mal<br />
1.650 Einwohner starken Verwaltungszentrum von Oppland, gelegen<br />
am Rande des Jotunheimen-Nationalparks. Weiter geht es mit<br />
dem Auto, eine gute Stunde stetig bergauf über einsame Landstraßen,<br />
um schließlich Bessheim zu erreichen.<br />
Der Ort ist nicht viel mehr als eine Ansammlung von Blockhütten<br />
nebst Haupthaus und angrenzendem Campingplatz. Ansonsten:<br />
nichts als weite, einsame Natur, die mich sofort in ihren<br />
Bann zieht. Nach dem Einchecken begebe ich mich nach draußen,<br />
an das Ufer eines langgestreckten Bergsees. In einiger Ferne sind<br />
schneebedeckte Gipfel zu erkennen. Wir haben Mitte August,<br />
das Thermometer zeigt am frühen Abend 13 Grad Cel sius. Mit<br />
einsetzender Dunkelheit folgt ein bodenständiges, aber leckeres<br />
Abendessen. Danach geht es direkt ins Bett, das ein wenig zu<br />
kurz geraten ist und bei jeder Bewegung quietscht. Luxus ist<br />
Oben: Vor dem Einstieg gibt es einige wichtige Sicherheitshinweise<br />
und Verhaltensregeln zu beachten. Mitte: Oberhalb eines<br />
Wasserfalls am Eingang zum Rondane-Nationalpark.<br />
Unten: wanderlust Autor Frank Brehm auf dem Besseggen-Trail.<br />
02|18 <strong>Skandinavien</strong><br />
11
Norwegen<br />
hier definitiv ein Fremdwort. Noch weiß ich nicht, dass mich am<br />
nächsten Tag eine der spektakulärsten Wanderstrecken erwartet,<br />
die ich je begehen durfte.<br />
Der Besseggen – besser geht’s nicht<br />
In aller Frühe bringt uns ein Shuttlebus nach Gjendesheim.<br />
Hier besteigen wir ein Boot, das uns mit schätzungsweise 100<br />
weiteren Wanderern quer über den Gjendesee nach Memurubu<br />
bringt. Es ist windig und kalt, aber ansonsten hat der Wettergott<br />
es gut mit uns gemeint. Hin und wieder lässt sich die Sonne<br />
blicken, die Fernsicht ist ausgezeichnet. Nach dem Anlegen an<br />
einer kleinen Mole schultern wir unsere Rucksäcke und machen<br />
uns „ready to go“. Uns steht der Anstieg zum Besseggen bevor,<br />
einem schmalen Felsgrat, der den 18 Kilometer langen Gjendesee<br />
vom höher gelegenen Bessvatnetsee trennt. Ersterer strahlt<br />
selbst bei bewölktem Himmel in sattem Türkis, während sein<br />
„kleinerer Bruder“ fast schwarz wirkt.<br />
Die Tour ist 14 Kilometer lang und in ca. acht Stunden zu<br />
bewältigen. Fast 30.000 Wanderfreunde begeben sich jedes Jahr<br />
hierhin, nicht zuletzt, um eines der bekanntesten Fotomotive Norwegens<br />
zu erhaschen, das schon von Henrik Ibsen in seinem Drama<br />
„Peer Gynt“ beschrieben wurde. Es gilt, im ständigen Auf und<br />
Ab 1.050 Höhenmeter zu überwinden, bis zum Gipfelkreuz auf<br />
1.743 Meter. Zwar wird die Strecke im Internet häufig als „ relativ<br />
einfach“ beschrieben, aber das ist zweifellos Ansichts sache.<br />
Jedenfalls lässt sich die steilste und anstrengendste Passage nur<br />
halb kletternd mit zwei freien Händen bewerkstelligen.<br />
Davon abgesehen, ist der geologisch betrachtet schmale<br />
Besseggen-Grat immer breit genug, um keine Höhenangst aufkommen<br />
zu lassen. Allzu nah an den mehrere hundert Meter tiefen<br />
Abgrund traue ich mich jedoch nicht heran. Mit jedem Kilometer<br />
verändert sich die Aussicht und bleibt dabei stets unglaublich. Je<br />
nachdem, aus welcher Perspektive ich fotografiere, könnte ich in<br />
den Alpen oder den Anden sein, in Kanada, Irland oder Island.<br />
Doch es ist und bleibt das Hochland Norwegens, das sich damit<br />
fünf Sterne auf der Reiselandkarte meines Herzens gesichert hat.<br />
Das einzige „Problem“: Wenn man denkt, man hätte es gleich<br />
geschafft, steht schon wieder der nächste steile Anstieg an. Es<br />
bedarf durchaus einer guten bis sehr guten Grundkondition, um<br />
den Besseggen-Trail zu bewältigen. Auch der Abstieg ist nicht<br />
zu unterschätzen, vor allem, weil nun Regen aufkommt und<br />
Trittsicherheit gefragt ist. Obwohl wir ziemlich durchnässt sind,<br />
stellt sich mit unserer Rückkehr nach Gjendesheim ein richtiges<br />
Glücksgefühl ein: Wir sind und haben es geschafft. Zur Belohnung<br />
warten im dortigen Gästehaus heiße Waffeln auf uns.<br />
Landleben wie in den Alpen – nur anders<br />
Nach den Anstrengungen des ersten Tages gehen wir es am<br />
zweiten recht gemächlich an. Wir fahren hinaus zur „Glittersja<br />
Mountain Farm“ bei Heimdal, auf der Helge und seine Frau<br />
Vor dem finalen Anstieg zum<br />
1.743 m hohen Veslfjellet<br />
heißt es Kräfte sammeln.<br />
12 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Forever nature<br />
als åke nordin Fjällräven 1960 gründete, hatte<br />
er nur ein Ziel vor Augen: den Menschen die Natur<br />
zugänglicher zu machen. Seit dieser Zeit sind wir<br />
seiner Idee treu geblieben und haben strapazierfähige,<br />
zeitlose und praktische Outdoor-Ausrüstung<br />
entwickelt, die ihren Träger über viele<br />
Jahre begleitet.Nach einer Grönland Expedition<br />
in den 60er Jahren entwickelte Åke das allererste<br />
Kleidungsstück von Fjällräven: die Greenland Jacket.<br />
Sie wurde ursprünglich fürs Bergsteigen entworfen,<br />
aber schnell bei einer ganzen Generation beliebt,<br />
die der Stadt entfliehen und die Natur entdecken<br />
wollte. In dieser Saison sind wir nach Grönland<br />
zurückgekehrt, und haben unsere Greenland Kollektion<br />
überarbeitet. Wir hoffen, dass diese Produkte noch<br />
mehr Menschen dazu inspirieren werden, die Natur<br />
im Einklang mit ihr zu entdecken – genau so, wie<br />
es bei der ersten Greenland Jacket einst der Fall<br />
war. Inspiriert durch unsere lange Tradition und<br />
durch den Einsatz innovativer Designlösungen und<br />
nachhaltiger Materialien stecken wir heute noch<br />
genauso viel Sorgfalt in die Entwicklung unserer<br />
Produkte - eben so wie es Åke vor 50 Jahren schon<br />
getan hat. Damit du und auch die potenziellen Erben<br />
deiner Kleidung Freude daran haben. Wir möchten<br />
dich inspirieren, die Natur zu genießen – auf deine<br />
ganz eigene Weise.<br />
www.fjallraven.de
Norwegen<br />
Die meisten Hausdächer im norwegischen<br />
Oppland sind mit Gras bedeckt, das für<br />
eine natürliche Isolation sorgt.<br />
Ingrid seit Jahrzehnten den Ton angeben. Oder sind es doch<br />
eher die hier beheimateten Tiere? Ziegen, Mufflons und gutmütige<br />
Hütehunde, Elche, Wildschweine und seltene Rinderrassen<br />
tummeln sich auf dem weitläufigen Anwesen. Für Familien<br />
mit Kindern ein echtes Paradies, aber auch ich fühle mich<br />
wohl hier. Ich erblicke menschengroße, aus Holz geschnitzte<br />
Trolle und freue mich über heiß aufgebrühten Kaffee und<br />
dampfende Zimtschnecken, frisch aus dem Backofen. Helge<br />
erklärt uns, dass der ausgewachsene Elchbulle jeden Tag rund<br />
zehn Kilogramm frisches Laub benötigt und dass vor allem das<br />
junge Kalb nicht mit Haustieren in Berührung kommen sollte.<br />
Denn Elche sind scheue Einzelgänger und ihr Immunsystem<br />
nicht an die Bakterien der „modernen Welt“ angepasst. Schon<br />
die Begegnung mit einem Hund oder Hausschaf könnte für<br />
die stolzen Tiere lebensbedrohlich sein. Interessantes Naturwissen,<br />
das ich gerne aufsauge.<br />
Weiter geht unsere Tour zu einer kleinen Käsemanufaktur,<br />
in der norwegischer Braunkäse hergestellt wird – ausgerech-<br />
net von einem gebürtigen Niederländer, der auf einer Reise vor<br />
über 20 Jahren hier seine große Liebe gefunden und geheiratet<br />
hat. Der Käse schmeckt süßlich, da der in der Molke enthal-<br />
tene Milchzucker beim Kochvorgang unter kräftigem Umrüh-<br />
ren kara mellisiert. Man ist frei in der Wahl, ob man ihn als<br />
Begleitung zum Dessert oder zu einem herzhaften Hauptgang<br />
genießt. So man denn will, versteht sich, denn die einen lieben<br />
den „ Mysost“ in seinen verschiedenen Varianten, die anderen<br />
rümpfen eher die Nase. Das Besondere an der festen Käsevari-<br />
ante ist die Konsistenz, die am ehesten an ein Stück Seife oder<br />
eine Kerze erinnert. So lassen es sich die verschiedenen Manufakturen<br />
nicht nehmen, ihre Produkte teils aufwendig zu formen<br />
und mit originellen Schnitzereien zu versehen.<br />
Auf Safari im hohen Norden<br />
Am dritten Tag unserer Reise steht der Dovrefjell-Nationalpark<br />
auf dem Programm. Obwohl nur zwei Autostunden vom Besseg-<br />
gen gelegen, bietet sich hier ein ganz anderes Landschaftsbild.<br />
Schon nach einem kurzen Anstieg durch verwunschen wirkende<br />
14 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Norwegen<br />
Birkenwälder sind Bäume Mangelware.<br />
Wir befinden uns,<br />
geografisch gesehen, in der<br />
arktischen Tundra und<br />
Aus den Mufflons<br />
bzw. Wild-<br />
bekommen das auch zu<br />
spüren. Kalter Wind schafen sind im<br />
peitscht uns ins Gesicht,<br />
bei jeder Pause<br />
Laufe der Zeit<br />
alle heutigen<br />
Schafrassen hervorgegangen.<br />
beginnt das Frösteln −<br />
trotz Thermounterwäsche,<br />
Fleecepulli und<br />
Regen jacke. Unser Führer<br />
Knut geht dennoch mit uns auf<br />
Safari. Es gilt, einige der letzten wildlebenden<br />
Moschusochsen Europas zu erspähen.<br />
Um die 300 Tiere leben hier auf einer Fläche von fast 1.000<br />
Quadratkilometer. Ich halte eine Begegnung für sehr unwahrscheinlich,<br />
aber am Ende haben wir großes Glück. Mit dem Fernglas<br />
erspähen wir zwei Tiere auf einem Bergrücken und hasten<br />
durch morastiges Gelände hinauf zu einer kleinen Ebene. Und<br />
wahrhaftig: Hier ruhen und grasen sie, die beiden Moschusochsen.<br />
Wir pirschen uns so leise wie möglich auf circa 200 Meter<br />
heran und setzen unsere Teleobjektive auf. Der innerliche Jubel<br />
ist groß und macht das feuchtkühle Wetter vergessen. Erst gegen<br />
18 Uhr erreichen wir, teils nassen<br />
Fußes, unsere einsam<br />
gelegene Unterkunft. Die<br />
„Kongsvold Fjeldstue“<br />
gehört offiziell tatsächlich<br />
König Harald und<br />
diente schon im 17. Jahrhundert<br />
als Unterkunft<br />
für Reisende, die pilgernd<br />
und handelnd zu Fuß oder<br />
zu Pferd unterwegs waren. Die<br />
Außenwände der rot gestrichenen<br />
Holzfassaden sind mit zahlreichen Geweihen<br />
dekoriert, die Zimmer liebevoll, aber<br />
spartanisch eingerichtet: kein Fernseher, kein WLAN<br />
und nur eine Steckdose. Vor der Tür immerhin eine Gerätschaft<br />
zum Schuheputzen und drinnen eine beheizte Holzbank zum<br />
Trocknen derselben. Die Küche des Hauses ist wiederum ausgezeichnet<br />
und landestypisch, mit Lachs als Vorspeise und Rentierfilet<br />
zum Hauptgang. Wir beschließen den Abend entspannt<br />
in einem riesigen Kaminzimmer, inmitten alter Ölgemälde und<br />
einer großen Bibliothek. Bei einem abschließenden Glas Rotwein<br />
schweifen meine Gedanken ab. Dass Norwegen eines der<br />
reichsten Länder der Welt ist, ist mir nirgendwo in den Sinn<br />
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Norwegen<br />
gekommen. Zu ursprünglich wirken die Holzhäuser, zu schlecht<br />
ist der Handyempfang, zu funktional scheinen die Autos und zu<br />
unauffällig ist die Kleidung der Menschen. Die Norweger selbst<br />
geben sich durch die Bank bodenständig, pragmatisch und uneitel.<br />
Mir gefällt das, denn die Zeichen stehen hier ganz klar auf<br />
Entschleunigung. Und mir wird klar: Wenn ich selbst im norwegischen<br />
Oppland aufgewachsen wäre, hätte ich mit Sicherheit<br />
eine gänzlich andere Vita. Denn hier prägt noch die Natur das<br />
Leben und nicht umgekehrt.<br />
Wasser, wohin man sieht<br />
Zum Abschluss unseres Norwegen-Trips verschlägt es uns<br />
in den Rondane-Nationalpark. Bereits 1962 gegründet, ist er<br />
der älteste des Landes. Er ist ein wichtiger Lebensraum für<br />
Herden wilder Rentiere und verfügt über zehn Berggipfel, die<br />
höher als 2.000 Meter sind. An seinem Rand befindet sich ein<br />
kaskadenartiger Wasserfall, den wir nach einer halben Stunde<br />
fußläufig vom Hotel aus erreichen. Das Wasser blitzt in der<br />
Nachmittagssonne und tost rauschend über mehrere hundert<br />
Meter fünf Felstreppen herab. Ich höre kaum mein eigenes<br />
Wort und bin mir gleichwohl bewusst, dass dies nicht der<br />
gigantischste Wasserfalls Norwegens ist, denn sonst hätte er<br />
wohl einen Namen. Es ist dennoch einer der spektakulärsten,<br />
die ich wandernd von unten bis oben erklommen habe, wobei<br />
die Wasserbecken nach oben hin immer auslandender und die<br />
Felsstufen immer niedriger werden.<br />
Das norwegische Landleben hält<br />
nicht nur tolle Ausblicke (unten),<br />
sondern auch zahlreiche Spezialitäten<br />
(oben) für Urlauber bereit.<br />
16 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Norwegen<br />
Norwegens Oppland ist aber auch dort<br />
faszinierend, wo nicht direkt Nationalpark<br />
„draufsteht“. Überhaupt haben der Fluss<br />
Sjoa und seine Zuläufe die gesamte Region<br />
geprägt, Gestein zerschnitten und Täler geformt.<br />
Das macht die Region auch zur idealen<br />
Rafting-Area. Die Versuchung ist groß,<br />
mich bei meinem nächsten Aufenthalt gut<br />
instruiert und geschützt in eines der riesigen<br />
Schlauchboote zu begeben und neben<br />
den Bergen auch mal das Wasser zu „bezwingen“.<br />
Denn Urlaub in Norwegen<br />
heißt: Auf ins Outdoor-Abenteuer.<br />
Die Ursprünglichkeit der Provinz<br />
Oppland spiegelt sich sowohl in<br />
der eiszeitlich geprägten Landschaft<br />
als auch in der rustikalen<br />
Holzarchitektur wider.<br />
Von wahrhaft schön<br />
bis ganz schön teuer<br />
Das ländliche Norwegen wartet<br />
vorrangig mit recht einfachen<br />
Unterkünften auf. Wer nicht gerade<br />
campt und sich selbst verpflegt,<br />
benötigt dennoch eine eher gut<br />
gefüllte Reisekasse. Unter 100 Euro<br />
pro Nacht ist selbst ein günstiges<br />
Doppelzimmer in den Sommermonaten<br />
kaum zu bekommen. Das<br />
abendliche Bier im Restaurant<br />
schlägt zudem gerne mal mit 8 Euro<br />
zu Buche. Immerhin darf man sich<br />
beim Frühstück fast überall die<br />
Lunchbox für den Tag vollpacken.<br />
02|18 <strong>Skandinavien</strong><br />
17
Schweden<br />
Der Nationalpark Abisko liegt<br />
200 Kilometer nördlich des Polarkreises<br />
und beeindruckt durch<br />
seine schöne Landschaft.<br />
Allgemeine Informationen:<br />
Fläche:<br />
447.435 km²<br />
(viertgrößtes Land in Europa)<br />
Einwohnerzahl:<br />
ca. 10 Mio.<br />
Einwohner pro km²: 22 (Deutschland<br />
226 je km²)<br />
Hauptstadt:<br />
Stockholm<br />
Währung:<br />
Schwedische Krone<br />
Dinge, die Sie noch nicht über Schweden wussten:<br />
Laut dem Good Country Index trägt Schweden<br />
am meisten zum Wohlstand der Menschheit bei.<br />
Außerdem ist es das beste Land für Frauen, das<br />
lebenswerteste der Welt und das Land mit dem<br />
besten Unternehmergeist.<br />
Hochprozentige Spirituosen, Wein und Likör werden<br />
nur in staatlichen Spezialgeschäften mit der Bezeichnung<br />
Systembolag verkauft und sind sehr teuer. In<br />
Supermärkten gibt es nur schwach alkoholhaltige<br />
Leichtbiere.<br />
Kleiner Sprachführer<br />
Guten Tag / Auf Wiedersehen!. . . . God dag / Adjö!<br />
Hallo! / Tschüss, bis bald!. . . . . . . . . . Hej / Hej då!<br />
Ja / Nein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ja / Nej<br />
Vielen Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tack så mycket!<br />
Bitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Snälla!<br />
Ich komme aus Deutschland . . . . . . Jag kommer från Tyskland<br />
Sprechen Sie Englisch?. . . . . . . . . . . . . Talar ni engelska?<br />
Das größte Einkaufscenter Europas mit rund<br />
320.000 m² Verkaufsfläche befindet sich in der<br />
schwedischen Stadt Göteborg und vereint mehr als<br />
180 Geschäfte und 150 Büros unter einem Dach.<br />
Beim Betreten eines Hauses oder einer Wohnung ist<br />
es Brauch, die Straßenschuhe auszuziehen, da man<br />
sonst als sehr unhöflich gilt.<br />
Der weltweit erste McDonalds-Drive-in für Skifahrer<br />
befindet sich im Skigebiet Lindvalen. Direkt neben<br />
der Piste befindet sich ein mobiler Schalter, von<br />
dem die Abfahrt dann fortgesetzt werden kann.<br />
Rund 20 Prozent aller Autounfälle werden<br />
durch Elche verursacht. Die Tiere können<br />
bis zu 800 Kilogramm wiegen. Es<br />
leben zwischen 300.000 und 400.000<br />
Exemplare in Schweden.<br />
Anreise:<br />
Mit dem Flugzeug<br />
Diverse Fluggesellschaften bieten täglich<br />
Flüge von Berlin, Hamburg, München,<br />
Frankfurt, Köln, Düsseldorf und<br />
Stuttgart nach Stockholm oder<br />
Göteborg an.<br />
Mit der Bahn<br />
Von Hamburg fährt dreimal täglich<br />
ein ICE über Kopenhagen nach Malmö<br />
und weiter bis Stockholm. Von Berlin<br />
gelangt man über Sassnitz nach Trelleborg<br />
und Malmö.<br />
Wer in Schweden gegen die Straßenverkehrsregeln<br />
verstößt, muss richtig blechen: Wer nur 10 km/h zu<br />
schnell ist, muss umgerechnet 226 Euro Bußgeld zahlen.<br />
Bei Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Sicherheitsabstandes<br />
drohen 2 bis 4 Monate Fahrverbot.<br />
Nördlich des Polarkreises in der Stadt Jukkasjärvi<br />
steht das erste Eishotel der Welt. Die Suiten sind auf<br />
eine Temperatur von –5 Grad Celsius gekühlt.<br />
In Schweden herrscht volle Transparenz. Jeder<br />
Einwohner hat das Recht, den Verdienst anderer<br />
Personen zu erfahren, ohne dass dafür spezielle<br />
Gründe angegeben werden müssen.<br />
Die Schweden mögen einen gewissen Abstand zu<br />
ihren Mitmenschen. Beim Anstehen in der Warteschlange<br />
ist ein Mindestabstand von 75 cm einzuhalten.<br />
Wer drängelt gilt als sehr rücksichtslos.<br />
Mit dem Auto<br />
Wer mit dem Auto nach Schweden reisen<br />
will, muss dazu erst mal nach Dänemark. Von<br />
dort geht es über die Storebaeltbrücke und<br />
dann über die beeindruckende Öresundbrücke<br />
bis nach Schweden. Für beide Brücken<br />
sind Mautgebühren zu zahlen.<br />
Mit der Fähre<br />
Wer lieber den Wasserweg wählt, kann<br />
von Rostock, Kiel, Sassnitz und Travemünde<br />
eine der vielen Fähren nach Schweden<br />
nehmen.<br />
Fotos: Getty Images (8), IMAGO/ imagebroker (1)/ MB Media Solutions (1)/ Metodi Popow (1)<br />
18 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Schweden<br />
Geschichte des Landes kurz und knapp:<br />
Schloss Gripsholm<br />
liegt am Mälaren-See.<br />
Vor ungefähr 10.000 Jahren wanderten die ersten Stämme aus Mitteleuropa in Schweden<br />
ein. Im frühen Mittelalter (zwischen 800 und 1050) eroberten schwedische Wikinger weite<br />
Teile des Ostens und drangen sogar bis nach Amerika vor. 1397 wurde die Kalmarer Union<br />
durch die norwegisch-dänische Königin Margarete I. gegründet. Sie vereinte Dänemark,<br />
Norwegen und Schweden unter ihrer Krone. Diese Vereinigung hielt sich bis 1523, als es<br />
einen Aufstand gab und Gustav Eriksson Wasa Schweden von der dänischen Herrschaft<br />
befreite. Wasa wurde als Gustav I. zum König von Schweden gewählt. Im Laufe der Jahrhunderte<br />
stieg Schweden zur Großmacht auf und beherrschte ganz Finnland, Provinzen<br />
Dänemarks und Norwegens, große Gebiete der Ostseeländer und Teile Norddeutschlands. Nach<br />
unzähligen Kriegen verlor Schweden viele eroberte Gebiete und behielt lediglich eine Union mit<br />
Norwegen, die erst 1905 friedlich aufgelöst wurde. Schweden hat seit 1814 an keinem Krieg mehr<br />
teilgenommen und sieht sich selbst als sehr diplomatisches Land. Heute ist Schweden eine demokratische<br />
Monarchie, dessen König allerdings keine politische Macht hat, sondern lediglich als beliebte<br />
Symbolfigur auftritt. Ein Volksentscheid verhinderte 2003 die Einführung des Euro. Schweden gilt als<br />
eines der reichsten Länder weltweit.<br />
Top-Sehenswürdigkeiten<br />
in Schweden:<br />
Altstadt von Stockholm<br />
Unbedingt ansehen sollte man sich die Gamla<br />
Stan, wie Stockholms Altstadt genannt wird.<br />
Entlang der gepflasterten Straßen befinden<br />
sich unzählige Cafés, und im Nobelmuseum kann<br />
man viel über die Geschichte lernen. Außerdem<br />
sehenswert: die Stockholmer Kathedrale.<br />
Schloss Gripsholm<br />
ist ein Renaissance-Schloss und wurde besonders durch<br />
den gleichnamigen Roman von Kurt Tucholsky bekannt.<br />
Erbaut im 16. Jahrhundert, liegt die burgähnliche<br />
Anlage am malerischen Mälaren-See und beherbergt<br />
heute eine umfangreiche Gemälde sammlung.<br />
Nordlichter erleben<br />
Ende März bis Anfang April ist die ideale Zeit dafür.<br />
Einer der besten Plätze dazu ist der Abisko Nationalpark,<br />
2 Kilometer nördlich von Kiruna. Alternativ<br />
bieten sich auch Jukkasjärvi und das Torne-Tal an.<br />
Berühmte Persönlichkeiten:<br />
Alfred Nobel (1833–1896, Chemiker und Erfinder)<br />
Astrid Lindgren (1907–2002, Schriftstellerin)<br />
Björn Borg (*1956, ehemaliger Tennisspieler)<br />
Greta Garbo (1905–1990, Schauspielerin)<br />
Carl von Linné (1707–1778, Naturforscher)<br />
Zlatan Ibrahimovic (*1981, Fußballspieler)<br />
Ingrid Bergmann (1915–1982, Schauspielerin)<br />
Stieg Larsson (1954–2004, Schriftsteller)<br />
Lykke Li (*1986, Sängerin)<br />
Die Band ABBA: Björn Ulvaeus (*1945),<br />
Anni-Frid Lyngstad (*1945 in Norwegen,<br />
lebt seit 1947 in Schweden), Agnetha Fältskog (*1950)<br />
und Benny Andersson (*1946)<br />
Anders Celsius (1701–1744, Astronom, Mathematiker, Physiker)<br />
Henning Mankell (1948–2015, Schriftsteller)<br />
Carl XVI. Gustaf (*1946, König von Schweden)<br />
Mitternachtssonne sehen<br />
In Lappland geht die Sonne von Mai bis Juli nicht mehr<br />
unter. Der höchste Berg Schwedens, der Kebnekaise<br />
(2.100 Meter), ist in der Nähe von Kiruna und kann von<br />
jedem Wanderer bestiegen werden. Außerdem bietet<br />
sich ein Besuch der weltweit größten Eisenerzgrube an.<br />
Dom von Uppsala<br />
Der aus roten Steinen gebaute gotische Dom St. Erik, auch Eriksdom,<br />
ist mit 118,7 Metern das höchste Kirchengebäude <strong>Skandinavien</strong>s und<br />
sollte bei einem Schwedenbesuch unbedingt besichtigt werden.<br />
Schwedische Küche:<br />
Die schwedische Küche ist geprägt von Hausmannskost. Neben Köttbullar kommt häufig Elch oder<br />
Lachs auf den Tisch. Dazu dürfen Kartoffeln nicht fehlen. Filmjölk, eine Art Joghurt, wird oft zu Müsli<br />
gegessen. Wer sich von dem extremen Geruch nicht abschrecken lässt, wird Surströmming lieben.<br />
Der fermentierte Hering darf nur außer Haus geöffnet werden, gilt allerdings als große Delikatesse.<br />
Der Apfelschaumwein Cider ist sehr beliebt, und ohne Kaffee geht in Schweden eigentlich<br />
nichts. Im Schnitt trinkt jeder Einwohner 3,4 Tassen pro Tag. Aus pasteurisierter Kuhmilch wird der<br />
kräftige Ädelost hergestellt. Der Blauschimmelkäse hat ein scharfes, leicht salziges Aroma und einen<br />
kräftigen Geschmack. Natürlich gibt es auch Kuchen. Der Kladdkaka, ein flacher Schokoladen kuchen<br />
mit Puderzucker, darf ebenso wenig fehlen wie die grüne Prinzessinnentorte. Waffeln mit Eis,<br />
Marmelade und Sahne sind ebenso köstlich wie Blutpudding mit Preiselbeeren.
Schweden<br />
Ein bisschen näher bitte:<br />
Auf Tuchfühlung mit dem<br />
Elch im Värmlands Moose<br />
Park in Ekshärad.<br />
20 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Schweden<br />
Elchwandern<br />
vom Elch<br />
In der schwedischen Region Värmland können Wanderer auf Tuchfühlung mit dem Elch<br />
gehen. Wer sich von einem einheimischen Naturguide oder Ranger führen lässt, hat beste<br />
Chancen, das größte Wildtier Europas zu sichten. Eine Übernachtung im Zelt und ein<br />
nächtliches Wolfskonzert runden das Abenteuer ab.<br />
Text & Fotos: Annika Müller<br />
02|18 <strong>Skandinavien</strong><br />
21
Schweden<br />
Udo Johanssen weiß, wo<br />
sich die Elche tummeln.<br />
Gemeinsam mit ihm geht<br />
wanderlust auf Suche.<br />
Selbst den seltenen weißen Elch könnt ihr vielleicht<br />
sehen“, kündigt Udo Johanssen, der Wanderer zu den<br />
besten Elch-Beobachtungsplätzen führt, vielversprechend<br />
an. Der erfahrene Naturguide, der ein uriges, von der Großmutter<br />
geerbtes Deutsch spricht, führt von Långberget, wo sich das<br />
einzige Hotel der Region befindet, durch eine einzigartige, von<br />
Gletschern geformte Landschaft. Im menschenleeren Hügelland<br />
bei Sysslebäck im Norden Värmlands hat man, wenn man ein<br />
bisschen Geduld mitbringt und sich zur entsprechenden Zeit leise<br />
durch den Wald bewegt, nahezu eine Elch-Sichtungsgarantie.<br />
Wer das größte Wildtier Europas erleben möchte, der muss im<br />
Sommerhalbjahr früh aufstehen oder lange aufbleiben. Elche sind<br />
zwar tagaktiv, aber sehr scheu. Erst bei Abenddämmerung kommen<br />
sie aus der Deckung im Unterholz und nähern sich dann sogar<br />
den im schwedischen Hinterland wenig befahrenen Straßen –<br />
und provozieren so 15 bis 20 Unfälle täglich.<br />
350.000 Elche in Schweden<br />
Über die bewaldeten Hügel legt sich bereits ein warmes Abendlicht.<br />
Unzählige Seen sowie das feingesponnene Netz aus Bächen<br />
und Flüsschen glitzern wie goldene Spiegel. Der Weg führt über<br />
Stege durch Hochmoore oder Heidelbeerwiesen, über Wurzelwerk<br />
und weichen, mit einer dicken Moosschicht überzogenen Waldboden.<br />
Elche lieben dieses unebene Gelände, in dem sie mit ihren<br />
über einen Meter langen Beinen einen Vorteil gegenüber Feinden<br />
wie Wölfen und Bären haben. Wasserläufe durchqueren sie<br />
watend oder schwimmend. Udo lehrt uns das Spurenlesen: Hasen,<br />
ein Fuchs oder gar ein Luchs sind hier vorbeispaziert. Biss-Spuren<br />
an Pappeln, Birken und Weiden, den Lieblingsspeisen der Elche,<br />
verraten die Anwesenheit des „Königs des Waldes“.<br />
Nur: Ein Elch hat sich heute noch nicht gezeigt. Dabei ist<br />
es bereits nach 23 Uhr, die Sonne ist hinter den Hügelketten<br />
verschwunden, und Udo beginnt nervös zu werden. Ein paar<br />
Schweißtropfen laufen ihm über das rundliche Gesicht und die<br />
knallroten Wangen. „Das ist überhaupt noch nie vorgekommen“,<br />
beschwört der 47-Jährige zerknirscht. Er hält die Wanderer mit<br />
lustigen Anekdoten bei Stimmung, wie jener von seiner ersten<br />
Sichtung des weißen Elches als Jugendlicher, die er zunächst für<br />
eine dem Alkohol geschuldete Halluzination hielt. Doch der fehlende<br />
Elch, „Älg“ auf Schwedisch, trübt deutlich seine Laune.<br />
22 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Schweden<br />
Typisch Värmland: Auch auf der<br />
Elchtour bei Sysslebäck wechseln<br />
Seen, Wälder und Hügel ab.<br />
Einer Elchkuh mit Jungen kommt<br />
man lieber nicht zu nah.<br />
300.000 bis 350.000 Elche gibt es in Schweden, erklärt Udo. Ein<br />
Drittel davon muss jährlich geschossen werden, um die „Elch-<br />
Explosion“, die in den 70er Jahren als Folge systematischer Schutzmaßnahmen<br />
für das damals fast ausgerottete Tier ihren Anfang<br />
nahm, einzudämmen. In der Jagdsaison von September bis Januar,<br />
wenn die Schweden – allen voran der König – in großen Gruppen<br />
einem ihrer Lieblingshobbys, der Elchjagd, nachgehen, sollte man<br />
bei Streifzügen durch den Wald lieber vorsichtig sein.<br />
Blickkontakt mit Elchkuh<br />
Auch während der Brunftzeit im September, wenn die Elchbullen<br />
sehr aggressiv sind, ist es nicht empfehlenswert, auf<br />
eine Beobachtungstour zu gehen. Zur Brunftzeit haben selbst<br />
viele der beliebten Elchparks, in denen man mit zahmen Elchen<br />
auf Tuchfühlung gehen kann, geschlossen. Denn so<br />
freundlich die Tiere auch aussehen, sie können sehr gefährlich<br />
werden. „Elche sind die einzigen Huftiere, die die<br />
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Elche hautnah<br />
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Furchtlos zeigt<br />
sich das wilde<br />
Elchkalb den<br />
Menschen.<br />
Elche sind die größten Wildtiere<br />
Europas und erreichen eine Länge<br />
von bis zu drei Metern sowie eine<br />
Schulter höhe von bis zu 2,30 Metern.<br />
Sie können bis zu 800 Kilogramm<br />
auf die Waage bringen. Elche ernähren<br />
sich überwiegend von Baumtrieben und<br />
Wasserpflanzen. Sie sind die einzigen<br />
Hirsche, die unter Wasser äsen können.<br />
Nach rund acht Monaten Tragezeit<br />
gebähren die Kühe in der Regel ein Kalb.<br />
Gute Orte, um Elche in freier Wildbahn<br />
zu beobachten, sind neben Sysslebeck in<br />
Värmland auch Ljungby, Eksjö und Markaryd<br />
in der Region Småland, Hunneberg bei<br />
Vänersborg in der Region Västergötland,<br />
Kloten und Skinnskatteberg in der Region<br />
Västmanland, Norsjö in der Region Västerbotten<br />
und Kalix in der Region Norrbotten.<br />
www.visitsweden.de,<br />
www.visitvarmland.se<br />
24 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Fantastische Ausblicke auf das<br />
Hügelland um Långberget.<br />
Konfrontation mit einem Raubtier suchen“, erklärt Udo. Ein<br />
Elch könne Bären und Wölfe in die Flucht schlagen, indem<br />
er mit 60 km/h und bis zu 800 Kilo Lebendgewicht auf den<br />
Angreifer lospresche.<br />
Und dann, als keiner mehr mit ihm rechnet, steht er mitten<br />
im Weg: ein junger Elch, der unserem kleinen Wandertrupp neugierig<br />
entgegenblickt. Wir können fast seine mit einem weichen,<br />
flaumigen Fell bezogenen Hörnchen, die noch lange kein Geweih<br />
sind, anfassen. Er scheint mit dem Gedanken zu spielen, an uns zu<br />
schnuppern, trollt sich dann jedoch ins Gebüsch.<br />
Wenige Minuten später nehmen wir Blickkontakt mit einer<br />
Elchkuh auf, zumindest scheinbar, denn sehen können Elche fast<br />
nichts und sind zudem farbenblind. Es ist der Geruch, der dem<br />
Muttertier unsere Anwesenheit verrät. Sie stellt sich schützend<br />
vor ihre beiden Kälber. Vorsicht ist angesagt, und wir ziehen uns<br />
langsam zurück. Udo ist in Hochform, denn nun sichten wir Elche<br />
nahezu im Minutentakt. Zuletzt entlocken sie kaum noch Euphorie,<br />
die Kameras werden nur noch selten ausgelöst, so sehr hat man<br />
sich an ihnen sattgesehen. Weit nach Mitternacht führt Udo die<br />
Gruppe in ein großes Zelt, in dem er warmen Preiselbeersaft und<br />
Elchfleisch zubereitet. Das Abenteuer in Långberget ist beendet,<br />
doch andernorts in Värmland wartet die Fortsetzung.<br />
Besonders intensiv erlebt man die schwedische Natur, wenn<br />
man vom schwedischen „Jedermannsrecht“ Gebrauch macht und<br />
in freier Natur übernachtet. Das „Allemansrätten“ gestattet jedem,<br />
die Natur zu nutzen, und erlaubt nicht nur zu angeln oder Beeren zu<br />
pflücken, sondern auch das Wildcampen – selbst auf Privatgrund –<br />
sowie das Entzünden eines Lagerfeuers. Man muss lediglich darauf<br />
achten, dass das Zelt nicht auf Ackerland oder in Sichtweite eines<br />
Wohnhauses liegt. Schweden-Einsteiger, die sich noch nicht wagen,<br />
alleine in die Wildnis aufzubrechen, können bei verschiedenen Anbietern<br />
Elchtouren mit Übernachtung in freier Natur buchen.<br />
Wer einen Alleingang wagt, aber noch keine Erfahrung damit<br />
hat, dem sei das Naturreservat Glaskogen im Süden Värmlands<br />
02|18 <strong>Skandinavien</strong><br />
25
Schweden<br />
empfohlen. In dem 28 000 Hektar<br />
große Schutzgebiet bei Lenungshammar<br />
kann man sich ausgerüstet<br />
mit Zelt und ausreichend<br />
Proviant tagelang in der Wildnis<br />
verlieren, hat jedoch die Sicherheit<br />
gut ausgeschilderter Wanderwege,<br />
markierter Zeltplätze und Selbstversorgerhütten.<br />
Füttern gehört<br />
Füttern zum gehört Standardprogramm<br />
in<br />
zum Standartprogramm<br />
den in Elchparks.<br />
den Elchparks. wanderlustwanderlust-<br />
Autorin Annika<br />
Autorin Müller Annika geht auf<br />
Müller geht Tuchfühlung. auf<br />
Tuchfühlung.<br />
Übernachten in freier Wildbahn<br />
Hier scheint die Zeit still zu stehen. Vom Zeltplatz<br />
auf einer kleinen Lichtung im Kiefernwald<br />
hört man nichts als das Plätschern des Baches,<br />
das Rauschen des Windes in den Baumwipfeln und<br />
dann schließlich das leise Knacken von Ästen im Unterholz.<br />
Majestätisch stolziert der erste Elch am unauffälligen Zelt vorbei.<br />
Biber tummeln sich unterdessen im Gewässer dahinter. Man muss<br />
lediglich still und geduldig abwarten, dann wird man Zeuge der<br />
erstaunlichen schwedischen Tierwelt. Eine Eule stößt hinab und<br />
fängt ein Wiesel. Ein Fuchs durchstreift die mit Blaubeeren bestandene<br />
Lichtung ohne Scheu vor den dort sitzenden Menschen.<br />
Ein Wolfsrudel heult das Gute-Nacht-Lied. Angst braucht man<br />
beim Übernachten in freier Wildbahn nicht zu haben, denn die<br />
Wildtiere scheuen den Menschen. Solange sie sich nicht bedroht<br />
fühlen, geht weder Elch noch Wolf auf Menschen los. Wer dem<br />
Elch noch näher kommen möchte, der besucht den Värmlands<br />
Älgspark/Moose Park in Ekshärad. Vor allem verletzte und<br />
verwaiste Tiere wurden hier aufgezogen und leben in großen<br />
Gehegen, die die Besucher betreten können. Manche von ihnen<br />
lassen sich füttern und anfassen. Elchsdame Annika ist besonders<br />
neugierig und scheut sich nicht davor, ihrer Namensschwester,<br />
der Autorin dieses Textes, tief in die Kamera zu blicken.<br />
Zum Abschied gibt es dann noch einen herzlichen Kuss mit<br />
der feuchten Schnauze mitten ins Gesicht – mehr Nähe<br />
zwischen Wildtier und Mensch ist wohl nicht möglich.<br />
Elchpirsch auf<br />
romantischen Wegen<br />
durch Schwedens<br />
Naturidylle.<br />
26 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
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In Sevedstorp in Schweden steht<br />
das Haus aus den Verfilmungen<br />
von Astrid Lindgrens „Wir Kinder<br />
aus Bullerbü“.<br />
Kinderbücher aus <strong>Skandinavien</strong><br />
Fotos: IMAGO/ EntertainmentPictures (1)/ stock&people (1), PA/ dpa-Film MFA (1)/ DB (1), Screenshots (2)<br />
<strong>Skandinavien</strong> hat nicht nur eine beeindruckende Landschaft zu bieten, sondern ist auch<br />
die Heimat unzähliger Helden aus Kinderbüchern. Pippi Langstrumpf, Michel, die Mumins,<br />
die kleine Meerjungfrau und Nils Holgersson sind nur einige Figuren, die bei uns sofort<br />
Kindheitserinnerungen wecken. Text: Sebastian Appianing<br />
Zwei mal drei macht vier, widdewiddewitt und<br />
drei macht neune! Ich mach mir die Welt, widdewidde<br />
wie sie mir gefällt.“ Mit diesen Liedzeilen sind<br />
Generationen von Kindern aufgewachsen, und jeder, egal ob<br />
Junge oder Mädchen, jeder wollte einmal solche Abenteuer erleben<br />
wie „Pippi Langstrumpf“. Das rothaarige Mädchen aus der<br />
Villa Kunterbunt ist der Feder von Astrid Lindgren entsprungen.<br />
Die Schwedin schuf damit einen Welterfolg. In 70 Sprachen wurden<br />
die vielen Abenteuer von Pippilotta Viktualia Rollgardina<br />
Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf, wie Pippi mit vollem<br />
Namen heißt, übersetzt und machten Astrid Lindgren weit über<br />
die schwedischen Grenzen bekannt.<br />
Auch ich hatte die Bücher von Pippi und ließ meiner Fantasie<br />
als Kind oft freien Lauf. Schnell wurde aus unserem alten<br />
28 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
<strong>Skandinavien</strong><br />
Schuppen ein Piratenversteck,<br />
und das Pferd des<br />
Nachbarn hieß ja ohnehin<br />
bei jedem Kind nur<br />
„Kleiner Onkel“. Hochheben<br />
konnte es aller-<br />
Inger Nilsson<br />
wurde dings niemand von uns.<br />
als Pippi<br />
Dagegen haben wir die<br />
Langstrumpf<br />
weltberühmt. Streiche von „Michel<br />
aus Lönneberga“ vielfach<br />
nachgeahmt.<br />
Da ich in einem kleinen<br />
Dorf aufwuchs, fühlten<br />
sich meine Freunde und ich<br />
häufig auch wie „Die Kinder aus<br />
Bullerbü“ oder die „Langerudkinder“.<br />
Genauso wie Lasse und Bosse erlebten wir<br />
viele Abenteuer, und schnell wurde unser Garten<br />
zum Bauernhof von Bullerbü. Natürlich konnte man nicht jedes<br />
schöne Kinderbuch oder jeden Film nachspielen. Einige Sachen<br />
waren selbst für uns mutige kleine Racker dann doch zu waghalsig<br />
und zu gefährlich. So sind wir zwar auf den Heuboden geklettert,<br />
haben jeden Baum erklommen, doch „Karlsson vom Dach“<br />
haben wir nie gespielt. Natürlich haben wir uns auch einen kleinen<br />
Propeller gewünscht, mit dem wir in die Luft hätten abheben<br />
können, doch das war ebenso wenig möglich, wie mit den Wildgänsen<br />
nach Lappland zu fliegen. Das konnte nur der kleine „Nils<br />
Holgersson“ von Selma Lagerlöf.<br />
Kindliche Fantasie kennt keine Grenzen<br />
Viele skandinavische Kinderbücher wurden im Laufe der Zeit<br />
verfilmt. So auch die wunderschönen Märchen und Geschichten<br />
von Hans Christian Andersen, die ich regelrecht verschlungen<br />
habe. Im Winter hielt ich jedes Jahr nach dem „kleinen Mädchen<br />
mit den Schwefelhölzern“ Ausschau – immer in der Hoffnung,<br />
mit ihr zu dem schönen Ort gehen zu können, an dem ihre Großmutter<br />
war. Als Kind wusste ich nicht, dass das Mädchen erfroren<br />
ist und in den Himmel kam. „Die kleine Meerjungfrau“ habe<br />
ich leider auch nirgendwo getroffen. Jeder See wurde in unserer<br />
Fantasie zum Meer, auf dem wir mit einem selbst gebauten Floß<br />
stundenlang umherschipperten. Beflügelt von Runer Jonssons<br />
„Wickie und die starken Männer“ trotzten wir Wind und Wetter<br />
und suchten die kleine Meerjungfrau.<br />
So verschwammen in unserer kindlichen<br />
Fantasie die wundervollen Geschichten<br />
immer mehr miteinander. Alles um<br />
uns herum wurde benutzt und in<br />
Pettersson aus<br />
die Welt der Bücher oder Filme<br />
der Kinderbuchreihe<br />
verwandelt. Statt einer Herde<br />
Kühe standen plötzlich „Die<br />
von Sven<br />
Nordqvist.<br />
Mumins“ um uns – jene<br />
nilpferd artigen Trollwesen,<br />
die wir aus den Büchern<br />
von Tove Jansson kannten.<br />
Als Kind begann ich, mit meinen<br />
Katzen zu sprechen, und<br />
hoffte inständig, dass sie mir<br />
irgendwann antworten könnten.<br />
Schließlich konnte Findus, der Kater<br />
von Pettersson, doch auch sprechen.<br />
Ich versuchte auch einmal, im Garten Fleischklopse<br />
statt Gemüse anzupflanzen, so wie ich es in den Büchern<br />
von Sven Nordqvist gelesen hatte. Das funktionierte leider nicht.<br />
Auch gelang es mir trotz unzähliger Zeichnungen nicht, an der Tapete<br />
Nashörner lebendig zu machen. Das konnte nur Topper, der<br />
kleine Junge aus Ole Lund Kirkegaards „Otto ist ein Nashorn“.<br />
Mit Pippi, Annika und Tommi habe ich viele Abenteuer<br />
erlebt. Auch heute denke ich gerne daran zurück. Die Bücher<br />
aus <strong>Skandinavien</strong> gehören dazu, und beim Blättern der teilweise<br />
abgegriffenen Seiten schwelge ich schnell in Erinnerungen. Sofort<br />
bin ich jung und fühle mich so stark wie Pippi und habe so freche<br />
Ideen wie Michel. Die Geschichten und Filme sind nicht nur für<br />
Kinder, sondern lassen auch uns Erwachsene die Sorgen vergessen.<br />
Für einen Moment tauchen wir wieder ein in eine<br />
Welt voller Abenteuer und Magie.<br />
Astrid Lindgren und<br />
Michel-Darsteller<br />
Jan Ohlsson.<br />
„Wickie und die<br />
starken Männer“<br />
lief lange als<br />
Zeichentrickserie<br />
im Fernsehen.<br />
Die Mumins von Tove<br />
Jansson sehen aus<br />
wie Nilpferde.<br />
02|18 <strong>Skandinavien</strong> 29
Dänemark<br />
Die kleine Meerjungfrau im Hafen<br />
von Kopenhagen ist das Wahrzeichen<br />
Dänemarks. Die 1903<br />
aufgestellte Figur entstammt<br />
einem Märchen von<br />
Hans Christian Andersen.<br />
Allgemeine Informationen:<br />
Fläche:<br />
Einwohnerzahl:<br />
Einwohner pro km²:<br />
Hauptstadt:<br />
Währung:<br />
42.916 km²<br />
ca. 5,73 Mio.<br />
130 (Deutschland<br />
226 je km²)<br />
Kopenhagen<br />
Dänische Krone<br />
Dinge, die Sie noch nicht über Dänemark wussten:<br />
Überall in Dänemark kann mit Karte bezahlt werden –<br />
selbst Kleinstbeträge wie Zeitung und Brötchen. Ein<br />
Drittel der Einwohner zahlt mit der App „Mobile Pay“.<br />
Da die kleinste Münzeinheit 50 Oere sind (entspricht<br />
etwa 7 Cent), werden winzige Restbeträge zwar an<br />
der Kasse angezeigt, Wechselgeld erhält man jedoch<br />
erst, wenn man auf mindestens 50 Oere kommt.<br />
Dänen sind von Natur aus optimistisch. Der häufigste<br />
Satz heißt: „Det skal nok gå.“ Gemeint ist damit:<br />
„Es wird schon irgendwie gehen.“<br />
Das Meer ist immer sehr nah. An keinem Punkt ist<br />
man in Dänemark weiter als 55 Kilometer vom<br />
Meer entfernt.<br />
Kleiner Sprachführer<br />
Guten Tag / Auf Wiedersehen!. . . . Goddag / Farvel!<br />
Hallo! / Tschüss, bis bald!. . . . . . . . . . Hej / Hej-hej!<br />
Ja / Nein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ja / Nej<br />
Vielen Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tak!<br />
Bitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vaersgo<br />
Ich komme aus Deutschland . . . . . . Jeg er fra Tyskland<br />
Sprechen Sie Deutsch? . . . . . . . . . . . . . Taler De tysk?<br />
Um dänische Türen zu öffnen, muss man den<br />
Schlüssel falsch herum, also um 180 Grad gedreht,<br />
ins Schloss stecken. Beim Abschließen wird die Türklinke<br />
nach oben gedrückt und dabei gleichzeitig<br />
der Schlüssel gedreht.<br />
Freizügigkeit ist in Dänemark etwas sonderbar.<br />
Während man an fast jedem Strand nackt sein darf,<br />
ist es in der Sauna verboten, ohne Badebekleidung<br />
zu schwitzen.<br />
Die Dänen müssen zwei Hymnen kennen.<br />
Zum einen gibt es die National hymne<br />
(„Der er et yndigt land“), zum anderen<br />
das Königslied („Kong Kristian“), das bei<br />
offiziellen Anlässen der Krone gespielt<br />
und gesungen wird.<br />
Anreise:<br />
Mit dem Flugzeug<br />
Täglich gibt es Linienflüge nach Kopenhagen.<br />
Von Frankfurt und München<br />
geht es auch direkt nach Billund<br />
in Mitteljütland.<br />
Mit der Bahn<br />
Von Hamburg und Lübeck gibt<br />
es direkte Verbindungen nach<br />
Kopenhagen.<br />
Mit der Fähre<br />
Die Nordseeinsel Fanoe und fast alle<br />
Dänemark ist das älteste Königreich Europas.<br />
Königin Margarethe II. ist eine Nachfahrin von<br />
König Gorm dem Alten, der bereits vor über<br />
1.000 Jahren regierte.<br />
Es gibt keine vorgeschriebenen Ladenöffnungszeiten,<br />
und das Ladenschlussgesetz wird sehr liberal ausgelegt.<br />
Supermärkte haben grundsätzlich Montag bis<br />
Sonntag geöffnet, meist bis zum späten Abend.<br />
Die Danebrog, wie die Fahne Dänemarks heißt, ist<br />
die älteste Fahne in Europa und wird seit 1219 in<br />
unveränderter Form benutzt. Es ist Privatpersonen<br />
übrigens verboten, Flaggen anderer Länder zu hissen.<br />
Ausnahme bilden die Fahnen <strong>Skandinavien</strong>s sowie<br />
die Flagge der Europäischen Union und die der<br />
Vereinten Nationen.<br />
Ostseeinseln in Dänemark können nur mit<br />
der Fähre erreicht werden. Regelmäßige<br />
Fährverbindungen von Deutschland aus und<br />
auch innerhalb Dänemarks bieten die beiden<br />
Reedereien Scandlines und Faergen an.<br />
Mit dem Auto<br />
Der direkteste und schnellste Weg mit dem<br />
Auto aus Deutschland ist der über die<br />
Europastraße E45, von Hamburg über<br />
Schleswig, an Flensburg vorbei nach<br />
Dänemark. Folgt man der Straße, gelangt<br />
man bis nach Frederikshavn.<br />
Fotos: Getty Images (8), PA/ epa Scanpix Geert Bardrum (1)/ Jens Nørgaard Larsen (1)/ Brian Bergmann (1)<br />
30 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Dänemark<br />
Die Kathedrale<br />
von Roskilde ist<br />
die größte Kirche<br />
<strong>Skandinavien</strong>s.<br />
Geschichte des Landes kurz und knapp:<br />
Dänemark ist einer der ältesten Staaten Europas. Forscher haben Spuren einer Zivilisation<br />
gefunden, die etwa 70.000 Jahre alt sind. Im 6. Jahrhundert kamen die Vorfahren<br />
der heutigen Schweden nach Dänemark und verdrängten die germanischen Stämme. Es<br />
bildeten sich die ersten Königreiche, und die Zeit der Wikinger begann. Die Seefahrer eroberten<br />
weite Teile der Britischen Inseln, Norwegens und Südjütlands. 1397 einte Königin<br />
Margarete I. Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, die Färöer, Island und Grönland<br />
unter der dänischen Krone – die Kalmarer Union war entstanden und hielt offiziell bis 1523,<br />
als sie mit der Unabhängigkeit Schwedens auseinanderfiel. 1660 wurde Dänemark zu einer<br />
Erbmonarchie umgewandelt. Es folgten unzählige Kriege und Auseinandersetzungen mit den<br />
Nachbarländern. So verlor Dänemark im Laufe der Jahrhunderte Helgoland, Schleswig-Holstein<br />
und Norwegen. 1915 war ein wichtiges Jahr in der Geschichte Dänemarks. Zum einen wurde<br />
eine demokratische Verfassung verabschiedet, zum anderen das Frauenwahlrecht eingeführt. Die<br />
folgenden Jahre zeigte sich Dänemark sehr engagiert. So ist das Land unter anderem Gründungsmitglied<br />
sowohl der NATO als auch der UNO, des Europarates und des Nordischen Rates. Seit 1972 sitzt<br />
Margarete II. auf dem Thron. Heute gilt Dänemark als eines der wohlhabendsten Länder der Welt.<br />
Top-Sehenswürdigkeiten<br />
in Dänemark:<br />
Mondfisch sehen<br />
Das größte Aquarium Nordeuropas befindet<br />
sich in Hirtshals und hat ein Fassungsvermögen<br />
von 4,5 Millionen Litern Meerwasser. Den riesigen<br />
Mondfisch muss man einfach gesehen haben!<br />
Nasse Füße<br />
In Grenen verbinden sich Nord- und Ostsee miteinander.<br />
Dort kann man mit einem Fuß in der Nordsee und mit<br />
dem anderen Fuß in der Ostsee stehen.<br />
Kopenhagen entdecken<br />
Herzstück der Stadt und beliebter Treffpunkt sind<br />
die bunten Giebelhäuser, die sich am zentralen Hafen<br />
aneinanderreihen. Das älteste Haus am Kanal Nyhavn<br />
ist Haus Nr. 9, das 1681 erbaut wurde. Viele berühmte<br />
Persönlichkeiten lebten in Nyhavn – einer von ihnen<br />
war Hans Christian Andersen, dessen kleine<br />
Meerjungfrau das Wahrzeichen der Stadt ist.<br />
Berühmte Persönlichkeiten:<br />
Gitte Haenning (*1946, Sängerin und Schauspielerin)<br />
Magarethe II. (*1940, seit 1972 Königin von Dänemark)<br />
Ole Kirk Christiansen (1891–1958, Tischler und Erfinder<br />
der Lego-Steine)<br />
Nils Bohr (1885–1962, Physiker)<br />
Jussi Adler-Olsen (*1950, Schriftsteller)<br />
Brigitte Nielsen (*1963, Model und Schauspielerin)<br />
Bjarne Riis (*1964, ehemaliger Radrennfahrer)<br />
Karen Blixen (1885–1962, Schriftstellerin)<br />
Mads Mikkelsen (*1965, Schauspieler)<br />
Henrik Dam (1895–1976, Biochemiker)<br />
Die Olsen-Bande ist ein fiktives Gaunertrio, das zwischen<br />
1968 und 1998 in 14 Filmen das Publikum begeisterte.<br />
Dargestellt von Ove Sprogoe (1919–2004), Poul Bundgaard<br />
(1922–1998) und Morten Grunwald (*1934)<br />
Hans Christian Andersen (1805–1875, Dichter)<br />
Legoland erleben<br />
In Billund leuchten nicht nur Kinderaugen. Seit 1968<br />
wurden dort aus Lego-Steinen unzählige Gebäude<br />
und Sehenswürdigkeiten nachgebaut. Heute zählt das<br />
Legoland zu einer der beliebtesten Freizeitattraktionen<br />
Dänemarks mit jährlich ca. 1,7 Millionen Besuchern.<br />
Kathedrale von Roskilde<br />
Die Kathedrale von Roskilde ist die größte Kirche <strong>Skandinavien</strong>s<br />
und der erste gotischen Dom, der in der Backsteinbauweise errichtet<br />
wurde. 1280 gebaut, beherbergt er die Grabstätten von 21 Königen<br />
und 17 Königinnen des Landes.<br />
Dänische Küche:<br />
Die dänische Küche ist bekannt für das Smoerrebroed. Die reichlich belegten Vollkornbrotscheiben<br />
werden häufig als kaltes Mittagsgericht serviert. Ein beliebter Snack sind Hot Dogs (Poelsevogn),<br />
die mit roten Würstchen, Zwiebeln, Senf und Remoulade verspeist werden. Hering, Scholle, Forelle<br />
und Dorsch dürfen auf der Speisekarte ebenso wenig fehlen wie Flaeskesteg (Schweinebraten mit<br />
Schwarte), zu dem Kartoffeln serviert werden. Das dänische Labskaus wird mit frischem Schweinefleisch<br />
zubereitet. Snysk, eine deftige Gemüsesuppe mit dicken grüne Bohnen, Erbsen, Kartoffeln,<br />
Kohlrabi und Karotten, Milch und vielen Kräutern wird besonders gern in den Sommermonaten<br />
gegessen. Die Dänen sind absolute Fans von Lakritz. So gibt es in Dänemark inzwischen Lakritzeis,<br />
Lakritzchips, Lakritzhonig, Lakritzbier, Lakritzsalami und sogar gemahlenes Lakritz als Gewürz. Bier<br />
ist ebenfalls beliebt. Die bekannten Marken sind Carlsberg, Tuborg, Harboes, Faxe und Albani.
Dänemark<br />
An der Küste<br />
Dänemarks Oase<br />
Information:<br />
www.visitwestseeland.de<br />
www.visitdenmark.com<br />
32 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Dänemark<br />
entlang<br />
Wasser, Weide und Ruhe – der „Røsnæs Rundt“<br />
ist ein neuer Weg im Westen der dänischen Insel<br />
Seeland mit spektakulärer Aussicht bei jedem<br />
Schritt. Landeinwärts überraschen kleine Städte<br />
und viel Genuss.<br />
Text & Fotos: Edda Neitz<br />
02|18 <strong>Skandinavien</strong><br />
33
Dänemark<br />
Rekonstruiertes Langhaus in<br />
Trelleborg – Heimat der Wikinger.<br />
Strahlend blau leuchtet der Himmel, türkisblau das Wasser.<br />
Die Luft ist schwanger von der Würze der Flora, die sich<br />
wie ein grünes Meer auf der Landzunge von Røsnæs ausbreitet.<br />
Røsnæs, ausgesprochen „Rösnäs“, ist die größte der drei Halbinseln,<br />
die die Westküste Seelands gliedern. Für viel Sonnenschein ist<br />
Dänemark nicht bekannt, Westseeland aber rühmt sich damit. „Die<br />
Wahrscheinlichkeit, auf trockenen Wegen und bei Sonnenschein zu<br />
wandern, ist hier sehr groß“ – mit dieser guten Aussicht begrüßt uns<br />
Barbara Wilken. Die gebürtige Berlinerin, die seit 40 Jahren der Liebe<br />
wegen in Dänemark lebt, und das sehr gerne, wie sie betont, steht<br />
vor dem Glaskubus, der zu der neuen Tour „Røsnæs Rundt“ gehört.<br />
In diesem kleinen Informationshaus zeigen Fotos und Kurzfilme die<br />
Besonderheiten der Natur auf der dünn besiedelten Landzunge.<br />
Landzunge und Naturregion<br />
„Røsnæs Rundt“ ist auch das Angebot einer Gruppe von aktiven<br />
Bürgern, die ihre Heimat lieben und darum anderen die<br />
Naturschönheiten nahebringen wollen. Doch dazu braucht es<br />
einen Weg, dachten sich die Einwohner damals, vor ca. sechs<br />
Jahren. Also gründeten sie ein Entwicklungsteam, dann suchten<br />
sie Landschaftsarchitekten für die Konzeptplanung und Geldgeber<br />
für die Finanzierung. Das Ergebnis liegt seit 2016 vor: Es ist<br />
der 25 Kilometer lange „Røsnæs Rundt“. Auch wenn das Wort<br />
„rundt“ nun dazu verleidet, sich einen Rundweg vorzustellen,<br />
zumal auch die deutsche Übersetzung so etwas wie „herum“<br />
bedeutet, ist es kein durchgängiger Rundweg. Und auf die<br />
Frage, mit welcher Markierung denn die Wege gekennzeichnet<br />
seien, gibt uns Barbara als Wegweiser, man solle das Meer im<br />
Blick behalten, dann stimme die Route. Wenn es so einfach ist,<br />
braucht man natürlich keine weitere Angabe.<br />
Als Landzunge hat die Naturregion Røsnæs jedoch schon<br />
wegen ihrer Lage klare Grenzen. Sie ist das Ergebnis der letzten<br />
Eiszeit. Gewaltige Gletscher schoben sich mit Geröll und gefrorener<br />
Erde durch den heutigen Großen Belt. Als das Eis später weg-<br />
34 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Dänemark<br />
Wikingerburg<br />
Trelleborg<br />
Ein Besuch in Trelleborg ist für Wikinger-<br />
Fans ein Muss. Die Stadt beherbergt die<br />
größte der vier dänischen Wikingerburgen.<br />
Sie wurde um 980 unter Harald Blauzahn<br />
erbaut. Wo früher typische Wikinger-<br />
Langhäuser standen, weiden nun Schafe.<br />
Nur der Wall ist noch gut erkennbar.<br />
schmolz, blieben drei Randmoränen<br />
als Halbinseln zurück. Røsnæs gilt<br />
als diejenige, die am deutlichsten von<br />
den Urkräften der Eiszeitgletscher<br />
erzählt. Und die Höhe der Moräne,<br />
die immerhin auf 61 Meter ansteigt,<br />
spricht für sich. Vor allem an der<br />
Kongstrup-Küste im Süden zeigt sich<br />
das Ausmaß eindrucksvoll. Steil erheben<br />
sich nackte Felsen am schmalen<br />
Ufer, das mit kleinen Kieselsteinen<br />
bedeckt ist. Dazwischen schlummern<br />
Feuersteine und sogar Fossilien von<br />
Würmern und Krus tentieren.<br />
Badebrücken und Weingut<br />
Ein Teil der Tour führt über die steinigen<br />
Strände. Die Steine sind auch der<br />
Grund für die vielen Stege, die ins Meer<br />
führen. Wir würden sie als Holzstege<br />
bezeichnen, hier heißen sie Badebrücken.<br />
Alle, die an solchen Badebrücken<br />
vorbeikommen, dürfen sich ausziehen<br />
und ins Wasser springen. „Auch wenn<br />
sie privat sind, ist das gestattet“, klärt<br />
Barbara auf. Nur Sonnenbaden darf<br />
man auf den Badebrücken nicht, denn<br />
dafür sind sie schließlich nicht gedacht.<br />
Dann stehen wir oben auf einem Kliff. Der Alltag ist so weit<br />
weg wie der Horizont. Der Himmel berührt das Meer. Die Farben<br />
der Natur bestehen aus Blau und Grün in all ihren Schattierungen.<br />
Strahlend klar, aber doch nicht grell. Ein eindringliches<br />
Licht, so wie man es nur im Norden findet. Wenn man dann seinen<br />
Blick nicht in der Weite verliert, bleibt er möglicherweise<br />
an den Rebstöcken am Hang Horsedalen hängen. „Wir haben<br />
viel Sonne, guten Boden und kaum Frost. Das ist ideal für den<br />
Weinbau“, sagt Betina Newberry und zeigt auf die vielen Rebstöcke,<br />
die wie grüne Ketten den steilen Hang hinauf wachsen.<br />
Etwa 26.000 Rebstöcke gehören zum „Dyrehøj Vingaard“. Betina<br />
Newberry, Schwes ter des Winzers, hat die Aufgabe der Gästeführungen<br />
durch die Weinberge übernommen. „Hinter der Idee,<br />
hier Wein anzubauen, stehen keine großen Gedanken“, gibt sie<br />
zu. Als ihr Bruder Tom Christensen vor einigen Jahren das Land<br />
kaufte, wusste er zuerst nicht, wozu er es nutzen sollte, bis ein<br />
Freund ihn auf die Idee brachte, Wein anzubauen. Sie haben sich<br />
für die Rebsorte Solaris entschieden, zu der ihnen ein befreundeter<br />
Winzer aus Freiburg geraten hat. Mit dieser Rebsorte, die<br />
früh ausschlägt und reift, machen sie gute Erfahrungen, denn<br />
sie ist ideal für die kurze Vegetationszeit der Region. Rekordernten<br />
streben sie jetzt und auch später nicht an. Vielmehr sollen<br />
Wetter und Boden noch gezielter in die Verbesserung der Weinqualität<br />
einfließen.<br />
Leuchtturm und Grabhügel<br />
Wer den „Røsnæs Rundt“ wandert, kommt unwillkürlich am<br />
Leuchtturm Røsnæs Fyret vorbei. Der schlichte weiße Turm mit<br />
roter Kappe und einer Höhe von 25 Metern thront am westlichsten<br />
Punkt von Seeland. Leuchttürme sind eh und je besondere<br />
Orte. Sie faszinieren. Die einsamen Riesen überragen das Land zu<br />
ihren Füßen, trotzen unerschütterlich den Stürmen und weisen<br />
Seefahrern verlässlich den Weg. Im Mittelalter, als Kriegsschiffe<br />
auf dem Weg vom großen Belt zum Kattegat vorbeisegelten, diente<br />
der Leuchtturm als Navigationsfixpunkt. Im Zweiten Weltkrieg<br />
und ganz besonders zur Zeit des kalten Krieges wurden von hier<br />
und vom nahegelegenen Radarbunker aus, den man übrigens<br />
besichtigen kann, wichtige militärische Vorgänge erkundet.<br />
Vom Leuchtturm aus eröffnet sich ein faszinierender Blick auf die<br />
Nordseite der Landzunge Røsnæs.<br />
02|18 <strong>Skandinavien</strong><br />
35
Dänemark<br />
Für Besucher schlüpft Kathrine in<br />
die Rolle von Königin Ingeborg.<br />
Kalundborg<br />
Die Stadt Kalundborg liegt am westlichsten Zipfel der Insel Seeland,<br />
sozusagen als Kontrapunkt zu Kopenhagen, das an der Ostküste<br />
liegt. Der Kreuzfahrer Esben Snarre errichtete um 1170 die Stadt<br />
und die außergewöhnliche Frauenkirche (Vor Frue Kirke) mit ihren<br />
fünf Türmen. Wahre Altstadtidylle zeigen noch drei Straßenzüge<br />
und ein alter Fachwerkhof, der heute ein Museum ist. In den<br />
restaurierten Gemäuern des 600 Jahre Bischofssitzes lädt das<br />
Restaurant Bispegården zur neuen dänische Küche ein.<br />
auf dass künftig kein Schatten die freie Sicht verhindere. Ob das<br />
wirklich so passiert ist, weiß niemand genau.<br />
Heute findet sich im Røsnæs Fyret ein sehenswertes Mini museum,<br />
das manche Fragen zur Geschichte beantwortet. Vor acht Jahren<br />
erlosch das Licht des Leuchtturms jedoch endgültig.<br />
Auf Zeugen der Historie stößt der Wanderer hier überall. Mitten<br />
auf der Halbinsel liegt der Grabhügel „Hybeshøj“ aus der<br />
Bronzezeit. Man weiß nicht, wer dort begraben ist. Doch ein Aufstieg<br />
für einen 360-Grad-Panoramablick<br />
lohnt sich. Kein<br />
Baum verwehrt die Aussicht.<br />
Das hat seinen guten Grund<br />
und eine schöne Geschichte.<br />
Um das Jahr 1200 soll König<br />
Valdemar hier eine fröhliche<br />
Jagd abgehalten haben, bis es<br />
zu einem tragischen Unglück<br />
gekommen sei. Sein Sohn sei<br />
dabei versehentlich von einem<br />
Pfeil getroffen worden. Daraufhin<br />
habe der verbitterte König<br />
alle Bäume abbrennen lassen,<br />
Alles „hygge“<br />
An anderer Stelle, an der Nordküste, weisen Sumpfteiche darauf<br />
hin, dass hier vor sehr langer Zeit eine Bucht war. Nun wächst<br />
Grün über das ehemalige Gewässer, und die Tierwelt hat sich<br />
diesen Teil erobert. Vor allem im Frühjahr geht es laut zu. Wie<br />
der Klang ferner Kirchenglocken hört sich das Quaken der<br />
unzähligen Frösche an, die dann zwecks Partnersuche unterwegs<br />
sind. Der Wanderer kann sich auf Røsnæs an der offenen<br />
Hügellandschaft erfreuen, und heute, wo kein Wind Wolken voranschiebt<br />
und es fast windstill ist, sehen die grünen Weiden mit<br />
den Schleh- und Weißdornsträuchern dazwischen aus, als hätte<br />
sie ein Maler auf die Leinwand getupft. Krautige Pflanzen, beispielsweise<br />
die violette Küchenschelle und das gelbe Sonnenröschen<br />
bringen Farbtupfer in das Landschaftsbild.<br />
Mit dem Prädikat „hygge“ könnte man die gesamte Halbinsel<br />
bezeichnen – Dänemark-Kenner wissen, dass mit „hygge“ einfach<br />
alles beschrieben wird, was glücklich macht. Das trifft auch<br />
auf das neue Haus am alten Hafen zu, das zugleich Start- und<br />
Zielpunkt der Wanderung ist. Wenn nicht die Segler, dann die<br />
Wanderer, deren Waden eine Pause brauchen, oder gar die Kaltbadschwimmer,<br />
die hier glücklich werden, weil sie sich in dem<br />
filigranen Bau aus Glas und Holz auch gleich die Seele<br />
aufwärmen können.<br />
Blumenwiese auf Røsnæs –<br />
wer hier den Blick in die Ferne<br />
schweifen lässt, fühlt sich schon<br />
mal in die Zeit der Wikinger<br />
zurückversetzt.<br />
36 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Thule AllTrail<br />
Für alle Aktivitäten und jede Jahreszeit<br />
Dank der außergewöhnlichen Vielseitigkeit und speziell<br />
auf Wanderungen ausgelegter Eigenschaften sind Sie mit<br />
Thule AllTrail Hiking-Rucksäcken bei jeder Jahreszeit und<br />
allen Aktivitäten stets bestens ausgestattet.
Finnland<br />
Eine typisch finnische Sauna<br />
mitten in der Natur – gut für<br />
die Gesundheit und perfekt,<br />
um zu entspannen.<br />
Allgemeine Informationen:<br />
Fläche:<br />
Einwohnerzahl:<br />
Einwohner pro km²:<br />
Hauptstadt:<br />
Währung:<br />
338.440 km²<br />
ca. 5,49 Mio.<br />
18 (Deutschland<br />
226 je km²)<br />
Helsinki<br />
Euro<br />
Dinge, die Sie noch nicht über Finnland wussten:<br />
Kleiner Sprachführer<br />
Guten Tag / Auf Wiedersehen!. . . . Hyvää päivää / Näkemiin<br />
Hallo! / Tschüss, bis bald!. . . . . . . . . . Moi / Moi Moi!<br />
Ja / Nein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joo / Ei<br />
Vielen Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kiitos<br />
Bitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ole hyvä<br />
Ich komme aus Deutschland . . . . . . Olen Saksasta<br />
Sprechen Sie Deutsch? . . . . . . . . . . . . . Puhutteko te saksaa?<br />
Am 13. Oktober findet jedes Jahr der Tag des<br />
Versagens statt. Dabei werden schlechte Nachrichten<br />
und unglückliche Erlebnisse als nützliches Lernen für<br />
die Zukunft zelebriert.<br />
Unglaubliche 187.888 Seen gibt es in Finnland –<br />
mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Dazu kommen<br />
insgesamt 178.888 Inseln.<br />
In Finnland finden jährlich die verrücktesten Turniere<br />
statt: die Mückenjagd, der Handy-Weitwurf, Sumpffußball,<br />
Gummistiefel-Weitwurf, die Luftgitarren-WM<br />
und die Weltmeisterschaft im Frauentragen.<br />
Die Finnen sind für ihren Pioniergeist bekannt. So<br />
haben sie den Rettungsschlitten, den Herzfrequenz-<br />
Monitor, salziges Lakritz, das Linux-Betriebssystem,<br />
Schlittschuhe, den Molotow cocktail, die SMS und<br />
die Sauna erfunden.<br />
Sauna ist übrigens das meistverwendete<br />
finnische Wort außerhalb Finnlands.<br />
Durchschnittlich verbraucht ein Finne<br />
jährlich 12,2 kg Rohkaffee. Dazu<br />
Anreise:<br />
Mit dem Flugzeug<br />
Von allen größeren Flughäfen in Deutschland<br />
bestehen direkte Verbindungen nach<br />
Helsinki.<br />
Mit der Bahn<br />
Von Berlin oder Hamburg gelangt<br />
man über Dänemark und Schweden<br />
nach Helsinki und Tampere. Eine<br />
alternative Zugverbindung verläuft<br />
von Berlin über Gdansk, Kaliningrad und<br />
St. Petersburg nach Helsinki, bei der man<br />
jedoch sehr häufig umsteigen muss.<br />
kommt ein täglicher Milchverbrauch von einem<br />
Liter pro Person, und das, obwohl 17 Prozent der<br />
Bevöl kerung an Laktoseintoleranz leiden.<br />
Die Kosten von Strafzetteln und Geschwindigkeitsüberschreitungen<br />
werden am Jahreseinkommen des<br />
Verkehrssünders gemessen.<br />
Die finnischen Frauen erhielten 1906 als erste in<br />
Europa das aktive und passive Wahlrecht.<br />
In Finnland gilt, wie auch in den skandinavischen Ländern<br />
Schweden und Norwegen, das Jedermannsrecht.<br />
Dies ist ein verbrieftes Recht für jeden Einwohner.<br />
Dazu gehören das Zelten abseits der Campingplätze,<br />
das Grillen über offenem Feuer und das Übernachten<br />
im Wohnmobil auf öffentlichen Parkplätzen.<br />
Finnland hat die meisten Heavy-Metal-Bands pro<br />
Kopf. Bekannte Vertreter sind „Children of Bodom“,<br />
„Nightwish“ und die Eurovision-Gewinner „Lordi“.<br />
Finnland ist Natur pur. Über 70 Prozent der Landfläche<br />
sind mit Wäldern bedeckt – mehr als in jedem<br />
anderen europäischen Land.<br />
Mit dem Auto<br />
Über Polen, die baltischen Staaten und Russland<br />
sind es rund 3.000 km, zudem werden<br />
diverse Visa benötigt. Alternativ kann man<br />
über die Öresundbrücke von Dänemark nach<br />
Schweden und von dort nach Finnland fahren.<br />
Man kann auch bis Tallinn fahren und von dort<br />
eine Fähre nach Helsinki nehmen.<br />
Mit der Fähre<br />
Finnlines fährt von Rostock über Gdynia<br />
nach Helsinki oder von Travemünde ohne<br />
Zwischenstopp nach Helsinki.<br />
Fotos: Getty Images (6), IMAGO/ stock&people (3)/ STAR-MEDIA (1), mauritius images/ olbor (1)<br />
38 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Finnland<br />
Geschichte des Landes kurz und knapp:<br />
Der imposante Dom von<br />
Helsinki ist das Wahrzeichen<br />
der Stadt und lockt unzählige<br />
Touristen an.<br />
Vor ungefähr 8.500 Jahren siedelten sich die ersten Bewohner in Finnland an. Die Lappen<br />
bewohnen heute nur noch das gleichnamige Gebiet ganz im Norden des Landes. Bis Ende<br />
des 12. Jahrhunderts stritten sich Schweden und Russland um das heutige Finnland. 1229<br />
wurde die Stadt Turku gegründet, die 1323 nach dem Frieden zwischen Schweden und<br />
Nowgorod zur Hauptstadt wurde. Die Schweden übernahmen in der Folgezeit die Herrschaft,<br />
und so wurde Finnland 1397 Mitglied der Kalmarer Union, die von der norwegischdänischen<br />
Königin Margarete I. gegründet wurde. Die Union vereinte Dänemark, Norwegen<br />
und Schweden unter einer Krone. Diese Vereinigung hielt sich bis 1523, als es einen Aufstand<br />
gab und Gustav Eriksson Wasa Schweden von der dänischen Herrschaft befreite. Finnland<br />
blieb weiterhin unter schwedischer Regentschaft. Im schwedisch-russischen Krieg von 1808 bis<br />
1809 eroberte Russland schließlich Finnland. Der liberale russische Zar Alexander I. gewährte<br />
Finnland eine Autonomie und stellte damit die Weichen zur Schaffung des finnischen Staates. Am<br />
6. Dezember 1917 wurde die Unabhängigkeitserklärung vom Reichstag verabschiedet. Danach folgte<br />
ein Bürgerkrieg, nach dessen Ende 1919 die Republik Finnland ausgerufen wurde. Heute ist Finnland<br />
eines der wohlhabenden Länder in der EU mit einer führenden Elektronik- und Mobilfunkindustrie.<br />
Top-Sehenswürdigkeiten<br />
in Finnland:<br />
Santa Claus Village<br />
Das Weihnachtsmanndorf ist ganzjährig geöffnet<br />
und ist nicht nur für Kinder ein Traum.<br />
Es befindet sich direkt auf dem Polarkreis im<br />
Nordosten in der Nähe der Stadt Rovaniemi.<br />
Dom von Helsinki<br />
Der Bau gilt als eines der imposantesten und zugleich<br />
geschichtlich bedeutungsvollsten Bauwerke der Stadt.<br />
Die Kreuzkuppelkirche im klassizistischen Baustil<br />
wurde von 1820 bis 1850 zu Ehren des russischen<br />
Zaren Nikolas I. errichtet.<br />
Linnansaari-Nationalpark<br />
Naturliebhaber sollten den Linnansaari-Nationalpark<br />
in der Region Savo besuchen. Dort erhält man einen<br />
Einblick in die Flora und Fauna des Landes.<br />
Berühmte Persönlichkeiten:<br />
Janne Ahonen (*1977, ehemaliger Skispringer)<br />
Mika Häkkinen (*1968, ehemaliger Formel-1-Rennfahrer)<br />
Paavo Nurmi (1897–1973, Leichtathlet)<br />
Johan Ludvig Runeberg (1804–1877, Schriftsteller)<br />
Aki Kaurismäki (*1957, Regisseur)<br />
Samu Haber (*1976, Sänger der Band Sunrise Avenue)<br />
Mikael Agricola (1520–1557, Theologe und Reformator)<br />
Lordi (1992 gegründete Hard-Rock und Heavy-Metal-Band)<br />
Tommi Mäkinen (*1964, ehemaliger Rallyesportfahrer)<br />
Ville Valo (*1976, Sänger und Gründer der Rockband HIM)<br />
Kimi Räikkönen (*1979, Formel-1-Rennfahrer)<br />
Linus Torvalds (*1969, Softwareentwickler)<br />
Alvar Aalto (1898–1976, Architekt und Stadtplaner)<br />
Matti Nykänen (*1963, ehemaliger finnischer Skispringer)<br />
Artturi Ilmari Virtanen (1895–1973, Biochemiker)<br />
Leningrad Cowboys (finnische Rockband)<br />
Burg Turku besichtigen<br />
Der prunkvolle Speisesaal der Burg in Turku lockt<br />
jedes Jahr viele Touristen an. Die Festung aus dem<br />
13. Jahrhundert ist eine der größten erhaltenen<br />
mittelalterlichen Burganlagen Finnlands.<br />
Berg Koli erklimmen<br />
Der Berg Koli im gleichnamigen Nationalpark ist zwar<br />
nur 347 Meter hoch, doch befindet sich in seiner Nähe die<br />
längste beleuchtete Langstreckenbahn Finnlands.<br />
Bastion Suomenlinna<br />
Auf mehreren Inseln im finnischen Meerbusen liegt die Bastion Suomenlinna,<br />
die von der UNESCO als Weltkulturerbe ausgezeichnet wurde.<br />
Finnische Küche:<br />
Die finnische Küche ist bäuerlich geprägt und basiert auf Fisch, Brot, Kartoffeln und verschiedensten<br />
Fleischsorten. Kalakukko, auch Fischhahn genannt, ist ein traditionelles Gericht, bei dem Fisch in<br />
Brot gebacken wird. Es gibt auch mit Fleisch gefüllte Brote. Diese sind größer und werden Karjalanpiirakka<br />
genannt. Grillimakkara gehören auf jeden Grill. Die dicken und gewürzten Würstchen sind<br />
besonders bei Kindern beliebt. Das aus Sauerteig hergestellte Roggenbrot Reikäleipa sieht aus wie<br />
ein großer Bagel und gehört ebenso auf den Tisch wie Korvapuusti, was eigentlich Ohrfeige bedeutet.<br />
Es handelt sich dabei jedoch um ein leckeres Zimtbrötchen. Neben dem Kaffee, den die Finnen<br />
exzessiv konsumieren (12,2 kg Rohkaffee pro Person/Jahr), wird Salzlakritze immer und überall<br />
gegessen. Neben geschnetzeltem Rentier mit Kartoffelpüree, Rentierschinken oder einem Elchbraten<br />
gibt es die bekannte Lenkkimakkar (Saunawurst), die in der Sauna geräuchert wird.
Finnland<br />
Mittsommer<br />
Rund um die Töölönlahti<br />
am Meerbusen<br />
Die finnische Hauptstadt Helsinki ist berühmt für<br />
ihre Jugendstilarchitektur und ihre klassizistischen<br />
Prachtbauten. Auf einem alternativen Stadtrundgang<br />
überrascht sie aber auch mit fast südländischer<br />
Lebensfreude und jeder Menge Selbstbewusstsein!<br />
Text: Andreas Mayer<br />
40 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Finnland<br />
02|18 <strong>Skandinavien</strong><br />
41
Finnland<br />
Blick auf den Markt und den<br />
südlichen Hafen Helsinkis.<br />
Eigentlich ist Finnisch ganz einfach“, erklärt Tuula.<br />
Natürlich weiß sie, dass Ausländern die nordische<br />
Sprache mit den vielen U, I und A und Ö sowie<br />
unaussprechlich erscheinenden Wörtern wie „Äänenkannattaja“<br />
(so etwas Ähnliches wie ein Newsletter) merkwürdig vorkommt.<br />
„Dabei liegt der Akzent immer auf der ersten Silbe“,<br />
sagt sie lachend. Sprachwissenschaftler sähen Parallelen zum<br />
Ungarischen, und tatsächlich gebe es auch eine Theorie, die<br />
besagt, dass die heutigen Finnen mal ein Volk waren, das hinter<br />
dem Ural gelebt hat.<br />
Tuula selbst ist waschechte Finnin und so verbunden mit<br />
der Hauptstadt Helsinki wie ein hundert Jahre alter Baum<br />
in den endlosen finnischen Wäldern mit seiner natürlichen<br />
Umgebung. Hier hat sie Musik studiert, als Musiklehrerin<br />
gearbeitet, und hier ist sie jetzt als Fremdenführerin tätig.<br />
Ihre Tochter lebt ein paar Straßen weiter im angesagten Stadtviertel<br />
Kallio. Kallio heißt übersetzt „Der Felsen“, geprägt wird<br />
das ehemalige Arbeiterviertel von seiner grauen Granitkirche<br />
„Kallion Kirkko“ sowie von jeder Menge Kneipen, Musikläden,<br />
Künstlerwerkstätten und Ateliers. Die von 1908 bis 1912 im<br />
nationalromantischen Stil erbaute Kirche von Kallio gehört zu<br />
den Sehenswürdigkeiten des Stadtteils, wie auch die im Jahr<br />
1912 entstandene „Pitkäsilta“ („Lange Brücke“), die Kallio mit<br />
dem bürgerlichen Kruununhaka verbindet. Sie gilt mit ihren<br />
aus der Zeit des finnischen Bürgerkriegs stammenden Einschusslöchern<br />
als Sinnbild für Feindschaft und Versöhnung<br />
zwischen Arbeitern und Bourgeoisie.<br />
Über der Altstadt der finnischen<br />
Kapitale thront fast majestätisch<br />
der grün-weiße Dom.<br />
42 42 <strong>Skandinavien</strong> 02|18 02|18
Finnland<br />
„Die zentrale Vasalaan wurde früher auch<br />
Das Sibelius-Denkmal in Helsinki<br />
‚Messer-Boulevard‘ genannt“, erzählt Tuula. ist eine der meistbesuchten und<br />
Zum Glück ist es erst Vormittag, und auf dem beliebtesten Sehenswürdigkeiten.<br />
Messer-Boulevard, einer Reeperbahn-ähnlichen<br />
Vergnügungsmeile, sind die meisten<br />
Rolläden noch unten, als wir über den Bürgersteig<br />
schlendern. Auch die „Seksipiste“ hat<br />
noch zu. „Bei Fremdwörtern hängen wir einfach<br />
ein ,i‘ dran“, erklärt sie. „Zum Beispiel<br />
Posti, Kioski oder eben Seksipiste.“ Dann<br />
werde einfach jede Silbe ausgesprochen und<br />
fertig. „Das System ist eigentlich zu 95 Prozent<br />
wasserdicht“, will sie uns weismachen. Nur<br />
weil die Finnen Probleme mit dem f hätten,<br />
werde es durch ein v ersetzt – wie beispielsweise<br />
bei dem Wort „Kahvi“, das wie „Lahti“<br />
und „Katu“ an jeder Straßenecke zu prangen<br />
scheint. Berücksichtigen wir Tuulas „i-Regel“,<br />
die bei Fremdwörtern angewendet wird, und sprechen jede<br />
Silbe aus, können wir tatsächlich bereits erahnen, was die<br />
Finnen so gerne und so oft auf Schilder, Plakate, Tafeln schreiben<br />
und dann vor allem trinken: Kaffee!<br />
Dass aber nicht wir Deutschen und schon gar nicht die Italie ner<br />
Kaffee-Weltmeister sind, hat mich überrascht. Dem „Kaffee report<br />
2017“ zufolge trinken wir im Schnitt 1,9 Tassen pro Tag, die Italiener<br />
lediglich 1,7 Tassen. Finnland führt mit 3,6 Tassen die Liste an, gefolgt<br />
von Schweden mit 2,9 und den Niederlanden mit 2,7 Tassen.<br />
Ein singendes<br />
Denkmal<br />
Im Sibelius-Park im Stadtteil Töölö ragt ein abstraktes Denkmal zu Ehren<br />
des legendären finnischen Komponisten Jean Sibelius (1865–1957)<br />
empor. Das Ziel dieses kontrovers diskutierten Kunstwerks besteht<br />
darin, die Essenz von Sibelius’ Musik einzufangen. Die von der<br />
Künstlerin Eila Hiltunen geschaffene Skulpturen-Ensemble zählt heute<br />
zu den meist besuchten Sehenswürdigkeiten der finnischen Hauptstadt.<br />
Bei Wind geben die Metallrohre Töne ab und beginnen zu „singen“.<br />
02|18 <strong>Skandinavien</strong><br />
43
Finnland<br />
Die Festung Suomenlinna liegt<br />
auf mehreren miteinander verbundenen<br />
Inseln vor Helsinki.<br />
Nach drei Tagen Helsinki weiß ich,<br />
warum: Sogar die Krypta der lutheranischen<br />
Kathedrale beherbergt<br />
ein Café! In jedem der an sämtlichen<br />
Straßenecken platzierten runden Kiosk-<br />
Häuschen stehen die Menschen Schlange<br />
für Eis, Cola und Kaffee! Und selbst in<br />
Geschäften kann man sich bei einem Kaffee<br />
vom Shopping erholen! Dazu gibt es Cafés, die<br />
neben Speisen und Getränken auch noch Möbel oder<br />
Mode verkaufen.<br />
Wir trinken unseren braunen Muntermacher in der Werkstatt<br />
des Künstlerverbundes „Made in Kallio“, wo junge Künstler<br />
unter anderem Lampenschirme aus Pappbecher-Deckeln<br />
machen. Es ist das andere Helsinki, das uns reizt, fernab der<br />
Häfen, des klassizistischen Doms, der großen Kirchen, der<br />
Suomenlinna<br />
entstand im<br />
18. Jahrhundert<br />
und ist auch<br />
unter dem Namen<br />
Finnen- oder<br />
Schwedenburg<br />
bekannt.<br />
weltberühmten<br />
Jugendstilhäuser<br />
und auch fernab<br />
der edlen Shoppingmeile<br />
Esplanade.<br />
Spaziergang<br />
um die Bucht<br />
Was machen die Helsinkier am<br />
Sonntagmorgen? Kaffee trinken, spazieren<br />
gehen, joggen rund um die „Töölönlahti“<br />
– eine Bucht, die sich bis ins nördliche Stadtzentrum<br />
hinein erstreckt und sich im Winter auch prima zum Eislaufen<br />
eignet. „Früher bereiteten die Industrie und die Eisenbahn<br />
hier Probleme“, erzählt Tuula. „Aber jetzt hat sich die Wasserqualität<br />
verbessert, weil Seewasser zugeführt wird.“<br />
44 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
Finnland<br />
Bei einem Spaziergang rund um die Bucht passiert man bequem<br />
eine Reihe weiterer Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt wie<br />
das „Ympyrätalo“ (das „Runde Haus“), den Städtischen Wintergarten,<br />
der seit 1893 zum Entspannen einlädt, und natürlich<br />
„Finlandia“, das Kongresszentrum, in dem 1975 unter dem Blitzlichtgewitter<br />
der Weltöffentlichkeit die Schlussakte von Helsinki<br />
unterzeichnet wurde.<br />
Ein großes Ereignis für ein Land, das auch heute noch zum<br />
Großteil aus Wäldern und Seen besteht und international allerhöchstens<br />
durch Schock-Rocker à la Lordi bekannt ist. Und das<br />
viel für das Selbstbewusstsein der Menschen getan hat, die erst<br />
1917 nach langen Kämpfen, die sogar in einem Bürgerkrieg endeten,<br />
unabhängig wurden und später viele Jahrzehnte in ständiger<br />
Angst vor einer sowjetischen Invasion leben mussten.<br />
Helsinki liegt im Süden des Landes an der Küste des Finnischen<br />
Meerbusens. Gegründet wurde die heutige Hauptstadt<br />
zu Zeiten der schwedischen Herrschaft. Offiziell ist die Stadt<br />
auch heute noch zweisprachig – alle Straßennamen werden<br />
beispielsweise doppelt ausgewiesen (auf Finnisch heißt Straße<br />
„katu“ oder „tie“, auf Schwedisch „laan“).<br />
Mit etwa 600.000 Einwohnern ist Helsinki mit Abstand die<br />
größte Stadt Finnlands. Insgesamt leben in dem weiten Land,<br />
das sich bis über den Polarkreis erstreckt, nur 5,5 Mio. Menschen.<br />
Kein Wunder also, dass man das Gefühl hat, gleich hinter<br />
Helsinki fingen die endlosen finnischen Wälder und das<br />
berühmte „Land der 1.000 Seen“ bereits an.<br />
Nach offizieller Richtlinie gilt ein Binnengewässer mit einer Fläche<br />
von mindes tens fünf Ar als See, sodass das finnische Umweltministerium<br />
die Zahl der finnischen Seen auf 187.888 (!) beziffert.<br />
Insgesamt gibt es im Land 35 Nationalparks, und das Jedermannsrecht<br />
gestattet in Finnland allen Menschen, sich unter bestimmten<br />
Einschränkungen frei in der Natur zu bewegen. Auch das<br />
02|18 <strong>Skandinavien</strong><br />
45
Finnland<br />
Fotos: Fotolia/ termis1983 (1), Getty Images (11), IMAGO/ CHROMORANGE (1), mauritius images/ FinPics-Alamy (1)<br />
Sammeln von Beeren und Pilzen und das Angeln ist gestattet – was<br />
bis heute als die natürliche Grundlage der finnischen Küche gilt.<br />
Kulinarische Genüsse aus der Natur<br />
Aus dieser vermeintlichen „Arme-Leute-Küche“, bestehend aus<br />
Fisch, Fleisch, Kartoffeln, Pilzen und Beeren, ist heute eine international<br />
anerkannte Modern Cuisine geworden, die jedem Innovationswettbewerb<br />
standhalten würde und stets durch ihre Frische<br />
glänzt. „Vorbei sind die Zeiten, in denen ‚Vorschmack‘ das<br />
bekannteste finnische Gericht war“, lacht Laura von „Food Sightseeing<br />
Helsinki“, die kulinarische Stadtführungen durch die finnische<br />
Hauptstadt anbietet. Vorschmack war das Leibgericht des<br />
legendären Marschalls Mannerheim (siehe Info-Kasten rechts) und<br />
besteht aus Lachs mit Sardellen in einer Gurken-und-Rote- Bete-Sülze.<br />
Chef Jonni Toivanen kredenzt im „Pure Bistro“ – einem von<br />
insgesamt vier Restaurants mit Michelin-Stern in Helsinki – „alles<br />
aus der Natur“ auf Weltniveau. Im In-Lebensmittel-Shop „Anton &<br />
Finnischer<br />
Nationalheld<br />
Marschall Carl Gustaf Emil Mannerheim (gest. 27.1.1951) gilt in Finnland<br />
als großer Held. Im Winterkrieg (1939/40) entwickelte er sich als finnischer<br />
Armeechef zur Symbolfigur des Kampfes gegen die Sowjetunion. Von 1944<br />
bis 1946 war er Staatspräsident seines Landes. Um ihn zu ehren, gibt es in<br />
vielen Restaurants sein Leibgericht „Vorschmack“ zu essen. „Dabei handelt<br />
es sich um eine Fleischpaste mit Kartoffelsalat, Sardellen, Hering und Rote<br />
Bete. Dazu wird ein Marschall-Schnaps gereicht. Wohl bekomm’s!<br />
Anton“ gibt es alles so frisch und so „bio“, wie es nur geht, fürs<br />
Home-Cooking: „Für echte Foodies“, lacht Shopführerin Hanna,<br />
die selbst mal Chef de Cuisine war und nebenbei auch noch<br />
einen eigenen Food-Blog betreibt. Zu den angesagtesten Artikeln<br />
gehört finnische Eiscreme, und ein paar Straßen weiter gibt es bei<br />
„Chjoko“ finnische Schokolade der Extraklasse. Überall scheint es<br />
präsent zu sein in Helsinki: Selbstbewusstsein, das – wie<br />
bei uns die Liebe – durch den Magen geht.<br />
Oben links: Grab von Feldmarschall Augustin Ehrensvärd, dem Erbauer<br />
der Festung in Suomenlinna. Oben Mitte: Windmühle im Freilichtmuseum<br />
Seurasaari. Mitte rechts: Die Einsamkeit und Stille der Insel Seurasaari.<br />
Mitte links: Ein typischer finnischer Snack. Unten links: Die Kamppi-<br />
Kapelle in Helsinki. Unten Mitte: Riesenrad im Freizeitpark Linnanmäki.<br />
46 <strong>Skandinavien</strong> 02|18
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