NEUMANN März 2018
Das Magazin für Kultur & Lifestyle
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16<br />
Konzert<br />
KULTUR<br />
PRÄSENTIERT<br />
Neufundland kommen auf ihrer „Niemals Fertig“-Tour ins Sudhaus Tübingen<br />
Popmusik jenseits der Komfortzone<br />
Neufundland ist eine junge Popband aus Köln, die erfrischend aus dem gerade<br />
schwer angesagten deutschen Einheitsbrei von weinerlichen Betroffenheitslyrikern<br />
heraussticht. Das Quintett hat ordentlich Biss – musikalisch als auch textlich.<br />
Musik um ganze visuelle Konzepte erweitern. Für<br />
unser Album haben wir für jedes Musikvideo einen<br />
Charakter geschaffen, der von der Kamera begleitet<br />
wird. Dann geht es plötzlich um Menschen, dann<br />
sind es nicht nur alleinstehende Songs, sondern<br />
Musik, die einen Kontext hat und hoffentlich etwas<br />
mit dem Betrachter macht.<br />
Euer Debüt-Album heißt „Wir werden niemals fertig“.<br />
Dieser Satz steht nicht nur wie ein Mantra auf<br />
dem Cover, sondern zieht sich als Motiv auch durch<br />
Eure Songtexte. Woher kommt diese Ambivalenz?<br />
Wir haben im Schreibprozess der Platte gemerkt,<br />
dass uns – egal über welches Thema wir genau<br />
schreiben – die gesellschaftlichen Imperative des<br />
„Sich-Entwickeln-Müssens“ und des „Immer-<br />
Den-Nächsten-Schritt-Schaffens“ wie eine dunkle<br />
Wolke über allem schweben. Die Ambivalenz des<br />
Album-Titels rührt also daher, dass wir versuchen,<br />
in unseren Texten einerseits den neo-liberalen<br />
Leistungsdruck zu reflektieren, der längst jeden<br />
Lebensbereich erfasst hat und andererseits eine<br />
Gegenposition zu finden, die ungefähr so lauten<br />
könnte: „Wir werden niemals fertig sein, vielleicht<br />
ist das aber auch gar nicht so schlimm und jetzt lass<br />
uns versuchen, hier irgendwie glücklich zu werden“.<br />
verlost<br />
2 X 2 TICKETS FÜR DAS KONZERT<br />
Wer gewinnen möchte, schickt bis zum 13. MÄrz <strong>2018</strong><br />
eine Email mit seinen vollständigen Kontaktdaten und<br />
dem Betreff „Neufundland“ an:<br />
verlosungen@neumann-magazin.de<br />
Eure Texte sind auf erfrischende Weise untypisch<br />
für aktuelle deutschsprachige Popmusik, die allzu<br />
oft erfüllt ist von weinerlichen Selbstbetrachtungen<br />
oder schlicht Belanglosigkeiten. Seht Ihr<br />
Euch als politische Band?<br />
Also wir verbinden mit politischen Bands Musiker<br />
wie Feine Sahne Fischfilet oder Sookee. Also Künstler,<br />
deren Texte dezidiert politische Botschaften<br />
tradieren sollen. Das ist bei uns eher selten der Fall.<br />
Was uns hingegen von vielen anderen deutschsprachigen<br />
Bands unterscheidet, ist einfach, dass wir<br />
versuchen, alle Teile unseres Lebens abzubilden.<br />
Und da ist das politische Leben natürlich ein Bestandteil<br />
und schwingt vielleicht auch in Texten mit,<br />
die sich vordergründig eigentlich mit etwas anderem<br />
beschäftigen. Merkwürdigerweise gibt es in der<br />
Max-Giesinger-Welt eben eine extreme Themenreduzierung,<br />
die Hand in Hand geht mit einer poetischen<br />
Verarmung, die wir eigentlich aus dem Schlager<br />
kennen. Und das ist wahrscheinlich der Punkt:<br />
Viele machen gerade Schlager, schlecht getarnt als<br />
Popmusik. Und wir machen eben Popmusik.<br />
Auf YouTube findet man zahllose Videos zu Euren<br />
Songs. Wie wichtig ist dieses Medium für Euch?<br />
Für uns war es immer wichtig, Videos zu unseren<br />
Songs zu drehen, weil Videos Musik um Sinnebenen<br />
erweitern können und die Zuschauer in<br />
emotionale Situationen hineinversetzen, die eine<br />
mp3-Datei und ein schwarzer Bildschirm vielleicht<br />
nicht hinbekommen würden. Man kann dann seine<br />
Unter den Videos sticht besonders „Halt Dich an<br />
Deiner Liebe fest“ heraus – zum einen, weil es ein<br />
Ton Steine Scherben-Cover ist, vor allem aber,<br />
weil nicht Ihr in dem Video zu sehen seid, sondern<br />
eine Gebärdensprachlerin, die den Text übersetzt<br />
und gleichzeitig auch die Musik mit ihrem Körper<br />
durchlebt. Wer ist auf diese Idee gekommen?<br />
Wir haben die Gebärdensprachendolmetscherin<br />
Laura M. Schwengber selber auf einem Konzert in<br />
Köln entdeckt, auf dem sie das komplette Konzert<br />
simultan übersetzte – aber nicht mit dieser klassischen<br />
Ernsthaftigkeit, die man von Gebärdensprachendolmetschern<br />
bei Nachrichtensendungen<br />
kennt, sondern extrem körperlich und euphorisch.<br />
Sie konnte damit die Musik irgendwie um eine Ebene<br />
erweitern und das war für uns natürlich aus einer<br />
künstlerisch-ästhetischen Perspektive extrem<br />
spannend. Außerdem wirft es bei den Zuschauern<br />
Fragen auf, nämlich wie gehörlose Menschen Musik<br />
wahrnehmen und ob die Kulturszene, die sich häufig<br />
als ach so progressiv feiert, nicht doch viele Menschen<br />
ausschließt oder marginalisiert.<br />
Und warum ein Ton Steine Scherben-Cover?<br />
Die Scherben waren für uns in der Jugend einfach<br />
eine wichtige Band und deshalb hatten wir einfach<br />
Lust darauf. Außerdem geht es in dem Song ja in<br />
gewisser Weise um Empowerment und das fanden<br />
wir sehr passend in Bezug auf gehörlose Menschen<br />
und andere marginalisierte Gesellschaftsgruppen.<br />
Welche anderen Bands haben Euch beeinflusst?<br />
Ein Großteil unserer Band hat diese klassische Hamburger-Schule-Sozialisierung<br />
mitgemacht – Tocotronic,<br />
Tomte, Kante und so weiter. Unser Keyboarder<br />
Matthias kommt aber aus einer ganz anderen,<br />
viel elektronischeren Richtung und hat außerdem<br />
mit unserem Schlagzeuger viel Jazz gespielt. Wir bilden<br />
uns ein, dass man diese verschiedenen musikalischen<br />
Sozialisierungen auch auf unserem ersten Album<br />
hören kann. Die Fragen stellte Holger Berg<br />
NEUFUNDLAND<br />
22.03. | 20 Uhr | Sudhaus | Tübingen | neufundland.fm<br />
Foto: o. Stefan Braunbarth<br />
<strong>März</strong> <strong>2018</strong>