NEUMANN März 2018
Das Magazin für Kultur & Lifestyle
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4 TITELTHEMA<br />
„The Gift“: Der letzte Solotanzabend von Eric Gauthier<br />
„Ein Mann muss kein Macho sein“<br />
Ballett-Star Eric Gauthier nimmt seinen Abschied als Tänzer. „The Gift“, sein letzter<br />
Soloabend, ist ein Dankeschön an das Publikum und an Stuttgart, wo der Kanadier in<br />
den vergangenen 20 Jahren sein privates und berufliches Glück gefunden hat. Auf<br />
den Leib geschneidert hat ihm das Stück der israelische Choreograf Itzik Galili.<br />
Ist es Dir schwergefallen, wieder nur Tänzer zu<br />
sein und die Vorgaben von Itzik Galili umzusetzen?<br />
Am Anfang hatte ich damit tatsächlich Schwierigkeiten.<br />
Da wollte ich diskutieren und das ein oder<br />
andere anders machen. Ich musste mich erst für<br />
Kritik öffnen, diese annehmen und damit natürlich<br />
auch selbstkritisch sein. Schließlich habe ich für<br />
mich entschieden, dass ich Itziks Choreografie genau<br />
so umsetzen muss, wie er sie sich vorstellt. Denn<br />
es war mein besonderer Wunsch, dass es diesen<br />
Blick von Außen auf mich gibt – und das ist auch gut<br />
so. Wenn ich ein Stück choreografiert hätte, wäre es<br />
viel mehr um mich persönlich gegangen. Jetzt geht<br />
es zwar immer noch um mich, aber auf einer anderen<br />
Ebene. Jetzt kann sich jeder Zuschauer im Saal<br />
auch selbst in mir wiederfinden. Die Gefühle, die ich<br />
in dem Stück transportiere, kann jeder mitfühlen –<br />
und das ist einfach wunderbar.<br />
Warum hast Du Itzik Galili als Choreografen für<br />
Deinen letzten Soloabend ausgewählt?<br />
Hinter Itzik und mir liegt eine lange gemeinsame<br />
Geschichte. Wir haben schon zusammengearbeitet,<br />
als ich noch Tänzer am Stuttgarter Ballett war und<br />
bei Gauthier Dance haben wir insgesamt drei seiner<br />
Stücke im Repertoire. Natürlich habe ich lange darüber<br />
nachgedacht, wer das machen soll, denn ich<br />
kenne viele Choreografen, die große Meister sind.<br />
Aber Itzik hat diese besondere Balance zwischen<br />
einem guten Sinn für Humor auf der einen und einer<br />
großen Tiefe auf der anderen Seite. Seine Stücke,<br />
die ich bei Gauthier Dance habe, zeigen seine<br />
humorvolle Seite. Ich habe aber auch viele seiner<br />
abendfüllenden Stücke gesehen und die sind sehr<br />
tief und extrem anspruchsvoll. Und diese Mischung<br />
ist genau das, was auch mich ausmacht. Man sieht<br />
in mir häufig nur den Sonnyboy, der alles mit Leichtigkeit<br />
schafft – Ehe, drei Kinder, ein großes Tanzfestival<br />
organisieren, eine erfolgreiche Kompanie<br />
leiten, Choreografien schreiben und vieles mehr.<br />
Aber ich habe auch eine andere Seite, die nur meine<br />
Frau kennt. Oder sehr gute Freunde.<br />
Wie lange hast Du kein Solo mehr getanzt?<br />
Zwei Jahre. Das ist eine lange Zeit. Die Geschichte<br />
ist ja die, dass ich eigentlich bereits aufgehört hatte.<br />
Vor zwei Jahren habe ich im Bolschoi-Theater zusammen<br />
mit Diana Vishneva einen sehr langen Pas<br />
de deux getanzt. Und auf dem Rückflug habe ich<br />
mir dann gedacht: Einen besseren Moment werde<br />
ich auf der Bühne nie mehr erleben – mit der besten<br />
Ballerina der Gegenwart, im schönsten Theater<br />
der Welt. In Stuttgart bin ich aus dem Flugzeug gestiegen<br />
und habe zu meiner Frau gesagt: Honey, I’m<br />
good, fertig mit dem Tanz! Aber ein Jahr später habe<br />
ich ein so Kribbeln im Bauch gespürt, weil ich mich<br />
von keinem so richtig verabschiedet habe. Darum<br />
habe ich mir gedacht, dass ich das nachholen und<br />
insbesondere dem Stuttgarter Publikum Tschüss<br />
sagen muss. Mittlerweile ist daraus eine richtige<br />
Foto: Maks Richter<br />
<strong>März</strong> <strong>2018</strong>