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MEDIAkompakt 23: Exit

Die Zeitung aus dem Studiengang Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart

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DIE ZEITUNG DES STUDIENGANGS MEDIAPUBLISHING<br />

DER HOCHSCHULE DER MEDIEN STUTTGART AUSGABE 01/2018 1.2.2018<br />

media<br />

kompakt<br />

FLUCHT AUS DEM<br />

EIGENEN KÖRPER<br />

MENSCHEN, S. 10<br />

TEST: STECKST DU<br />

IN DER FRIENDZONE?<br />

LIFESTYLE, S. 17<br />

JEDER IST<br />

WILLKOMMEN<br />

GESELLSCHAFT S. 28<br />

ZUM MOND, ZUM MARS<br />

UND NOCH WEITER<br />

GESELLSCHAFT, S. 32<br />

E X I T


2<br />

EDITORIAL<br />

mediakompakt<br />

Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser,<br />

Wieder einmal geschafft, mittlerweile die Nummer <strong>23</strong> der <strong>MEDIAkompakt</strong>.<br />

EXIT ist das Thema der aktuellen Ausgabe, die dieses Mal auch mit gleich zwei<br />

Besonderheiten aufwarten kann. Erstens: Wir konnten mit Reimund Abel<br />

einen ganz hervorragenden Redakteur und exzellenten Medienprofi in unser Team<br />

holen, der nicht nur inhaltlich mit den Studierenden super gearbeitet hat,<br />

sondern auch organisatorisch diese Ausgabe <strong>23</strong> realisiert hat. An dieser Stelle<br />

ein ganz großes Dankeschön, dass das alles so reibungslos geklappt hat und<br />

wir auch in Zukunft auf die Unterstützung von Herrn Abel zählen können.<br />

Die zweite Besonderheit ist der Umfang. In der bisherigen Geschichte der<br />

<strong>MEDIAkompakt</strong> wurden noch nie 36 Seiten produziert. Das ist Rekord und Sie,<br />

liebe Leserinnen und Leser, können sich auf viele interessante Artikel über<br />

Menschen, Lifestyle und Gesellschaft freuen.<br />

Prof. Christof Seeger<br />

Herausgeber<br />

MENSCHEN<br />

3 Raus aus der Angst – Rein ins Leben<br />

Tipps für entspannte Gedanken<br />

4 Im falschen Körper<br />

Ein Transgender berichtet<br />

6 Yours truly, Jack the Ripper:<br />

Das perfekte Verbrechen<br />

7 Die Arbeit mit Suchtkranken:<br />

Interview mit einer Klinik-Mitarbeiterin<br />

8 Plötzlich sprachlos<br />

Interview mit einem Aphasiker<br />

10 Schweinehund ade!<br />

Von 180-kg-Couch-Potato zum Supersportler<br />

LIFESTYLE<br />

11 Zurück ins reale Leben<br />

Der neue Trend: Digitales Entschlacken<br />

12 Brille auf. Spiel an. Welt aus.<br />

Einblick in Virtual-Reality Games<br />

14 Raus aus dem Hamsterrad! Rein in die<br />

Unabhängigkeit!<br />

Die digitalen Nomaden<br />

15 Ein weiter Weg<br />

Pilgern auf dem Jakobsweg<br />

16 Das Experiment der Gemeinschaft<br />

Ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Lebensmodell<br />

17 Freundschaft – oder mehr?<br />

Unterwegs in der Friendzone<br />

18 Bist du in der Friendzone?<br />

Teste dich!<br />

20 Schmeiß‘ den Kummer aus dem Fenster!<br />

Eine Trennung als Defibrillator für den Alltagstrott<br />

21 Raus aus dem Schlemmen – Jetzt wird gefastet!<br />

Das bringt Fasten wirklich<br />

22 Glücklich wie die Dänen<br />

mit einer Hygge-Challenge<br />

24 Box dich raus!<br />

Befreiung von negativen Gedanken<br />

GESELLSCHAFT<br />

IMPRESSUM<br />

<strong>MEDIAkompakt</strong><br />

Zeitung des Studiengangs Mediapublishing<br />

Hochschule der Medien Stuttgart<br />

HERAUSGEBER<br />

Prof. Christof Seeger; Reimund Abel<br />

Studiengang Mediapublishing<br />

Postanschrift: Nobelstraße 10<br />

70569 Stuttgart<br />

REDAKTION<br />

Reimund Abel<br />

E-Mail: abel@hdm-stuttgart.de<br />

PROJEKTLEITUNG<br />

Jasmin Kiene, Elise Eydner<br />

ANZEIGENVERKAUF<br />

Mirjam Höschl, Adriana Vratonjic, Lisa Warth, Sarah Fuchs,<br />

Mona Joerg, Laura Diemand, Anna Donnerstag, Ana<br />

Karlovcec<br />

PRODUKTION<br />

Tina Burner, Katja Großmann, Manuel Gottwald, Hannah<br />

Düser, Viktoria Baier, Jessica Schlag<br />

BILDREDAKTION<br />

Laura Bohnet, Theresa Birker<br />

MEDIANIGHT-TEAM<br />

Olga Alves, Alina Hahn, Luisa König, Anna Wittich,<br />

Christina Scheben, Paula Wächter<br />

DRUCK<br />

Z-Druck Zentrale Zeitungsgesellschaft GmbH & Co. KG<br />

Böblinger Straße 70<br />

71065 Sindelfingen<br />

ERSCHEINUNGSWEISE<br />

Einmal im Semester zur Medianight<br />

26 Über Brexiteers und Brexitrebels<br />

Raus aus der EU: Was bedeutet das konkret?<br />

28 Kein Kaffee-Klatsch<br />

Ehrenamtliche helfen Flüchtlingen<br />

29 Von Frauen für Frauen<br />

Eine Haus zum Schutz für Frauen feiert Jubiläum<br />

30 Endstation Grab?<br />

Illegaler Handel mit Gewebe und Knochen von Toten<br />

31 Youth Revolt<br />

Der Punk wird geboren<br />

32 Abflug von der Erde!<br />

Nächster Halt: Mars<br />

34 Komm mit mir ins Wunderland ...<br />

Abtauchen in die Bücherwelt<br />

35 Einmal Start-up und zurück<br />

„hoomn“ -die Geschäftsidee scheiterte


1/2018<br />

MENSCHEN<br />

3<br />

Raus aus der<br />

Angst – Rein<br />

ins Leben<br />

Habe ich für die Prüfung genug<br />

gelernt? Was, wenn ich<br />

wieder durchfalle? Oh Gott,<br />

ich werde mein Studium nicht<br />

bestehen! Und dann? So bekomme<br />

ich nie einen Job!<br />

VON MIRJAM HÖSCHL<br />

Wer kennt solche Gedankenspiralen<br />

noch? Vielleicht ist es nicht eine<br />

Prüfung, sondern ein Treffen mit<br />

dem unfreundlichen Vermieter<br />

oder der ungerechte neue Chef. Es<br />

gibt viele Alltagssituationen, die Angst machen<br />

und uns nachts wachhalten. Zukunftssorgen sind<br />

normal und sogar nützlich. Hand aufs Herz,<br />

Prüfungsangst kann auch ungemein motivierend<br />

wirken. Doch wenn sich das Gedankenkarussell<br />

unkontrolliert weiterdreht, verliert die Angst<br />

ihren Nutzen. Hier ein paar Tipps, wie Sorgen und<br />

Ängste in die Schranken gewiesen werden:<br />

1. Kenne deinen Feind<br />

Jeder hat schon einmal Angst erlebt, aber es<br />

kann helfen zu wissen, was dahinter steckt. Auf<br />

das Gefühl von Herzklopfen oder Schweißausbrüchen<br />

könnten wir verzichten. Allerdings ist<br />

das nichts anderes als eine Selbsterhaltungsmaßnahme.Die<br />

Nebenwirkungen sind Folge der<br />

Stresshormone, die angesichts einer bedrohlichen<br />

Situation (klassisches Beispiel: Säbelzahntiger)<br />

ausgeschüttet werden, um uns zu Höchstleistungen<br />

zu treiben. Zwar helfen Angstreaktionen<br />

auch heute noch, Gefahren zu bewältigen, jedoch<br />

gelingt es dem Gehirn nicht immer, eine Situation<br />

richtig einzuschätzen. Denn heute sind ja die<br />

wenigsten Alltagssituationen so existentiell wie<br />

ein Kampf auf Leben und Tod. Der biochemische<br />

Mechanismus von damals ist aber erhalten<br />

geblieben. Für Grübler und Schwarzmaler lautet<br />

die Devise deshalb: Stresslevel runter!<br />

2. Entspannung zum Mitnehmen!<br />

„Entspann dich mal!“ ist ein Ratschlag, der<br />

Dauergrüblern bekannt vorkommen dürfte. Gut<br />

gemeint, aber wenn das so einfach wäre!<br />

Tatsächlich ist es mit etwas Übung möglich, Entspannung<br />

zu lernen und bei Bedarf anzuwenden.<br />

Die bekanntesten und am schnellsten zu erlernenden<br />

Methoden sind Atemtechniken. Hier<br />

geht es darum, die flache Brustatmung gegen eine<br />

entspannte Bauchatmung zu ersetzen. Eine<br />

weitere, international anerkannte, Methode ist<br />

die progressive Muskelentspannung. Dabei werden<br />

die einzelnen Muskelgruppen im Körper<br />

gezielt erst angespannt, dann wieder entspannt.<br />

Ziel dabei: die Spannungszustände bewusst wahrzunehmen<br />

und kontrollieren zu lernen. Ausführliche<br />

Anleitungen zu diesen Techniken findet<br />

man in Ratgebern, auf Webseiten oder in verschiedenen<br />

YouTube-Tutorials.<br />

3. Bitte Bewegung!<br />

Sport ist der wahre Cadillac unter den Anti-<br />

Stress-Mitteln. Bewegung dient nicht nur als Ventil<br />

für überschüssige Energie, die ansonsten in<br />

innere Unruhe und Anspannung gesteckt würde.<br />

Sport bringt auch den Serotonin-Haushalt ins<br />

Gleichgewicht, reduziert die Ausschüttung der<br />

Stresshormone Cortisol und Nordrenalin und<br />

setzt zudem das „Pepita ANP“, einen körpereigenen<br />

„Angsthemmer“, frei. Schon 60 Minuten<br />

Sport in der Woche helfen das Stresslevel zu<br />

senken. Und nebenbei pusht das Gefühl, etwas<br />

geschafft zu haben auch noch das Selbstvertrauen.<br />

4. Energie statt Koffein<br />

Er ist Katerkiller, Study-Buddy und treuer<br />

Begleiter in der 8-Uhr-Vorlesung. Kaum jemand<br />

will sich ein Leben ohne Kaffee vorstellen. Doch<br />

Fakt ist: Nervöse Menschen sollten darauf<br />

verzichten. Wer in negativen Gedankenspiralen<br />

feststeckt, ist ohnehin angespannt und dauergestresst.<br />

Deshalb Finger weg vom Koffein-Kick.<br />

Dasselbe gilt für Cola und Energy Drinks. Wer<br />

trotzdem etwas für zwischendurch braucht, sollte<br />

lieber auf gesunde Energiebooster, etwa auf Nüsse,<br />

zurückgreifen. Oft hilft auch schon ein großes<br />

Glas Wasser.<br />

5. Ein Sorgen-Tagebuch führen<br />

Ein weiterer Tipp: Sorgen und Ängste von der<br />

Seele schreiben! Das hat mehrere Vorteile: Zum<br />

einen kann den Grübeleien eine feste Zeit am Tag<br />

zugeordnet werden. Während des Schreibens ist es<br />

dann völlig okay, sich mit den negativen<br />

Gedanken zu beschäftigen.<br />

Wenn die Sorgen tagsüber zuschlagen,<br />

können sie ohne schlechtes Gewissen einfach auf<br />

später verschoben werden. Außerdem wirkt<br />

Schreiben, ähnlich wie ein Gespräch mit dem<br />

besten Freund, unglaublich befreiend. Statt Probleme<br />

in sich hineinzufressen, werden die<br />

Gedanken geordnet und mit etwas Distanz betrachtet.<br />

Das wiederum ist die Grundlage für<br />

problemlösendes Denken.<br />

6. Jeder braucht mal Hilfe<br />

Dass wir uns Sorgen machen, ist normal. Wer<br />

weiß schon, was uns alles erwartet? Trotzdem ist<br />

es wichtig, dass wir uns von Zukunftsängsten<br />

nicht vollkommen einnehmen lassen.<br />

Sind die Grübeleien trotzdem so stark ausgeprägt,<br />

dass sie den Alltag beeinflussen und sich<br />

sogar körperlich auswirken, ist es empfehlenswert,<br />

einen Arzt oder Psychotherapeuten zu suchen.<br />

Sollte tatsächlich eine chronische Angststörung<br />

vorliegen, verschwindet sie selten von<br />

allein. Mit professioneller Hilfe sind Angststörungen<br />

dagegen gezielt therapierbar. Und wer<br />

will schon unnötig lange auf ein sorgenfreies<br />

Leben verzichten?


4 MENSCHEN<br />

mediakompakt<br />

Im falschen<br />

Körper<br />

Jill Deimel ist ein Bild von einem<br />

Mann mit muskulösem Oberkörper<br />

und Tattoos, aber er wurde als<br />

Frau geboren. Der 37-jährige<br />

Mentalcoach aus Hattingen erläutert<br />

im Interview sehr offen,<br />

wie es ist, im falschen Körper<br />

aufzuwachsen und wie er es<br />

geschafft hat, sich selbst<br />

zu akzeptieren.<br />

VON THERESA BIRKER<br />

Bild: Jens Kühnemund<br />

mediakompakt: Was bedeutet für Dich der Begriff<br />

Transgender?<br />

Jill: Ich definiere es vielleicht falsch, aber für mich<br />

bedeutet es, dass man mit dem Geburtsgeschlecht<br />

Identifikationsstörungen hat. Für mich war das<br />

wichtig, dass ich das bin – transsexuell. Dass ich<br />

mich dem anderen Geschlecht zugeordnet fühle.<br />

mediakompakt: Wann und wie hast Du gemerkt,<br />

dass Du im falschen Körper geboren wurdest?<br />

Kannst Du dich noch an einen bestimmten<br />

Moment erinnern?<br />

Jill: Den gab es nicht. Ich habe im Kindergarten<br />

angefangen, das klischeemäßige Jungenbild zu<br />

erfüllen. Ich hatte kurze Haare und wollte keine<br />

Kleider tragen. Meine Eltern haben sehr tolerant<br />

darauf reagiert, ich hatte einfach eine Kindheit als<br />

Junge, habe mit Autos gespielt, war einfach Jill<br />

und immer mehr mit Jungs zusammen. Nein, da<br />

gab es keinen Aha-Moment.<br />

mediakompakt: Wie fühlt es sich an, im falschen<br />

Körper zu leben?<br />

Jill: Am Anfang war es für mich normal, ich kannte<br />

meinen Körper ja seit meiner Geburt, da war<br />

nichts Komisches. Vor der Pubertät hat man ja<br />

keine Brüste, und in die Hose guckt dir keiner. In<br />

der Pubertät änderte sich das, mein Körper wurde<br />

weiblicher und es war nicht mehr so einfach, das<br />

zu verstecken. Ich habe gespürt, dass ich mich<br />

eher für Mädchen interessiere, habe mich aber<br />

dagegen gewehrt, mich in meinem Körper nicht<br />

wohl gefühlt. Es gab Phasen, in denen ich mich<br />

zum Mädchen sein zwingen oder selbst davon<br />

überzeugen wollte. Wenn ich mich nur genug<br />

anstrenge, dann geht das weg.<br />

mediakompakt: Ging es weg?<br />

Jill: Das hat nur zu noch mehr Frustration geführt.<br />

Wenn man etwas erzwingen will, wird es nur<br />

schlimmer. Ich spürte immer ein subtiles,<br />

unterbewusstes Gefühl, dass da etwas nicht<br />

richtig, etwas falsch ist.<br />

mediakompakt: Wie ging es weiter?<br />

Jill: Als ich Frauen kennenlernte, die heterosexuell<br />

waren, sich aber dennoch auf mich eingelassen<br />

haben, war für mich klar, es muss sich etwas


1/2018 MENSCHEN<br />

5<br />

ändern. Nach körperlichen Zärtlichkeiten hatte<br />

ich mich immer gesehnt, aber so wie ich war, war<br />

es undenkbar. Es hat sich falsch angefühlt. Nach<br />

dem Motto: Was macht denn eine Frau mit einer<br />

Frau? Es war mir gleichzeitig unangenehm, denn<br />

meinen weiblichen Körper<br />

empfand ich als Strafe und<br />

ich konnte ihn nicht<br />

ertragen. Ein Gefühl, dass<br />

immer eindringlicher<br />

wurde. Ich hätte alles<br />

getan, alles Geld der Welt<br />

bezahlt, jede Therapie gemacht. Wenn mir einer<br />

gesagt hätte, wir machen mit dir eine<br />

Gehirnwäsche, es ist in einem Monat weg, auch da<br />

hätte ich zugestimmt. Du denkst dir, wie soll das<br />

ein anderer verstehen, wenn du selbst nicht mal<br />

damit klar kommst.<br />

mediakompakt: Hast Du dich damals jemandem<br />

anvertraut?<br />

Jill: Ich musste irgendwann. Wenn mich jemand<br />

gefragt hat, wie es mir geht, musste ich sofort<br />

weinen. Wenn man etwas lange in sich hineinfrisst,<br />

drängt es irgendwann raus. Und so sagte ich<br />

es meiner Schwester, die der wichtigste Mensch in<br />

meinem Leben ist. Ihr habe ich mich im Alter von<br />

16 anvertraut. Zunächst habe ich aber nur gesagt,<br />

dass ich auf Frauen stehe. Ich habe nicht gesagt,<br />

dass ich transsexuell sei, das kam später. Es war<br />

dennoch sehr erleichternd, weil ich von da an<br />

endlich darüber reden konnte.<br />

mediakompakt: Zu welchem Zeitpunkt war für dich<br />

der Punkt erreicht, an dem Du zum Mann werden<br />

wolltest?<br />

Jill: Später. In der Oberstufe war klar, ich stehe auf<br />

Frauen. Aber mir wurde immer stärker bewusst,<br />

dass es das nicht allein ist, sondern dass ich ein<br />

Mann sein will. Mit 21 war ich auf einer Schauspielschule.<br />

Das war eine Qual für mich, denn<br />

der Körper ist dein Arbeitsmaterial. Die Situation<br />

„Meinen weiblichen<br />

Körper empfand ich<br />

als Strafe.“<br />

spitzte sich so zu, dass ich die Schule abgebrochen<br />

habe und auch Suizidgedanken hatte. Es musste<br />

was pas-sieren, oder ich wollte nicht mehr leben.<br />

Meine damalige Freundin hat mich dann<br />

irgendwann mit zu ihrem Frauenarzt genommen,<br />

der zufälligerweise Trans-<br />

sexuelle betreut hat. Er hat<br />

mir Adressen von Therapeuten<br />

gegeben und dann<br />

nahm das Ganze Fahrt<br />

auf.<br />

mediakompakt: Wie hat denn Dein Umfeld auf<br />

deinen neuen Körper reagiert?<br />

Jill: Ich habe nie wirklich schlechte Erfahrungen<br />

gemacht. Geschockt war keiner, sie haben sich<br />

zwar nicht vorstellen können, dass ich transsexuell<br />

bin, aber für sie hat sich das logisch<br />

dargestellt, da sie mich mein Leben lang erlebt<br />

haben. Eigentlich waren alle sehr verständnisvoll.<br />

So wie ich es erleben durfte, wünsche ich es jedem<br />

anderen auch.<br />

mediakompakt: Wenn Du zurückschaust, gab es<br />

Zeiten, in denen Du einfach alles hinschmeißen<br />

wolltest?<br />

Jill: Ja, aber das bedeutet nicht, dass ich es<br />

rückgängig machen wollte. Für mich war immer<br />

klar, dass ich es nie bereuen werde. 2005 habe<br />

ich angefangen männliche<br />

Hormone zu nehmen.<br />

Meine erste Operation war<br />

2007, die Entfernung der<br />

Brust und der weiblichen<br />

Organe, wie der Gebärmutter<br />

und den Eierstöcken.<br />

In dem Jahr war<br />

auch die erste Operation im Intimbereich, die sehr<br />

gefährlich ist. Dabei ist viel schief gelaufen, ich<br />

musste nicht viermal, sondern zwanzig Mal<br />

operiert werden. Aber ich habe es nie bereut,<br />

diesen Weg eingeschlagen zu haben.<br />

„Ich musste lernen,<br />

mich mental als<br />

Mann zu fühlen.“<br />

mediakompakt: Ab wann hast Du dich als richtiger<br />

Mann gefühlt?<br />

Jill: Ich hatte gehofft, dass nach den Operationen<br />

alle meine Probleme vorbei sind und es mir gut<br />

geht. Danach ist mir bewusst geworden, wie sehr<br />

mein Problem seelisch begründet ist. Der Körper<br />

ist nur die Grundlage.<br />

mediakompakt: Wie meinst Du das?<br />

Jill: Ich hatte das, was ich mir immer gewünscht<br />

habe, aber innerlich war immer noch diese Leere<br />

und das Gefühl, nicht richtig zu sein. Dann<br />

begann die seelische Auseinandersetzung. Ich<br />

musste lernen, mich auch mental, nicht nur<br />

äußerlich als Mann zu fühlen. Erst mit Anfang 30<br />

konnte ich sagen, dass ich das geschafft habe.<br />

mediakompakt: Fühlst Du dich nun angekommen?<br />

Jill: Ja, weil ich mir auch eine andere Sichtweise<br />

angeeignet habe. Mann und Frau, das ist meine<br />

Überzeugung, unterscheiden sich wirklich nur<br />

äußerlich. Ich als Mann darf meine Weiblichkeit,<br />

die jeder Mann in sich trägt, zulassen. Von dem<br />

Moment an, als ich das akzeptiert hatte, fühlte ich<br />

mich noch männlicher.<br />

mediakompakt: Was rätst Du Menschen, denen es<br />

wie Dir geht?<br />

Jill: Egal, wie verstellt der Weg auch erscheinen<br />

mag, die Lösung<br />

kommt, aber erst, wenn<br />

man sich auf den Weg<br />

macht. Einfach losgehen,<br />

auch wenn man noch gar<br />

nicht weiß, wohin. Den<br />

richtigen Moment dafür<br />

gibt es nicht. Je mehr<br />

man sich gegen sich selbst wehrt, umso<br />

schlimmer zeigt sich das auch psychisch. Bleibt<br />

bei euch, auch wenn ihr denkt, ihr schafft es<br />

nicht. Einfach tun. Wenn man das übersteht,<br />

muss man vor nichts mehr Angst haben.<br />

Bild: Volker Bruns


6<br />

MENSCHEN<br />

mediakompakt<br />

Yours truly, Jack the Ripper<br />

1888 wurden im Londoner Armenviertel Whitechapel mehrere Prostituierte ermordet. In dem<br />

Buch „Jack the Ripper – Anatomie einer Legende“ von Püstow und Schachner und Dutzenden<br />

Foren versuchen noch heute hunderte Menschen den Mörder zu fassen.<br />

VON JASMIN KIENE<br />

Um zu verstehen, wieso es der Polizei<br />

nicht gelang, Jack the Ripper zu<br />

finden, muss man wissen, welche<br />

Umstände im Londoner East End<br />

herrschten. In dem Bezirk wohnten<br />

rund 500.000 Menschen. Davon lebten<br />

35 Prozent unter der Armutsgrenze, etwa<br />

13 Prozent kämpften mit dem Hungertod. Die<br />

unterbesetzte Polizei wurde weder respektiert<br />

noch war sie, mit Holzknüppeln, Pfeifen und<br />

schwachen Öllaternen gut für die Verbrechensbekämpfung<br />

ausgestattet.<br />

Neigt man dazu Jack the Ripper nur die<br />

sogenannten „kanonischen Fünf“ anzurechnen,<br />

beginnt seine Mordserie am 31. August<br />

1888 mit Mary Ann Nicholes. Wie ein<br />

Gerichtsmediziner feststellte, wurde dem Opfer<br />

die Kehle durchgeschnitten und brutal auf den<br />

Unterbauch eingestochen. Nur wenige Tage<br />

später fand man Annie Chapman. Auch ihr<br />

wurde die Kehle durchtrennt. Der Ripper<br />

weidete sie außerdem aus und platzierte ihre<br />

Innereien auf der Leiche. Von einigen Organen<br />

fehlte jede Spur. Unsterblich wurde Jack wohl<br />

erst durch seinen Doppelmord am 30. September<br />

1888. Als rund 100 Personen in einem Pub<br />

feierten, wurde Elizabeth Stride im Hinterhof des<br />

Hauses getötet. Nur 45 Minuten später fand man<br />

die Leiche von Catherine Eddowes. Während der<br />

Täter bei Elizabeth Stride vermutlich gestört wurde<br />

und deshalb jegliche Verstümmelungen fehlten,<br />

wurde Eddowes die Kehle durchtrennt, das Gesicht<br />

verstümmelt, die Innereien herausgezogen und<br />

über die rechte Schulter drapiert. Wie bei<br />

Chapman fehlten auch Eddowes einige Organe.<br />

Der finale Höhepunkt war der Mord an Mary Jane<br />

Kelly, die am 9. November 1888 in ihrer Wohnung<br />

gefunden wurde. Die Oberfläche des Unterleibs<br />

und der Schenkel war entfernt worden, ihre<br />

Organe entnommen und das Gesicht zerhackt. Der<br />

Mörder verteilte die Organe in dem Zimmer und<br />

nahm sich ihr Herz als Trophäe.<br />

Was muss der Ripper also für ein Mensch<br />

gewesen sein? Ein 1989 erstelltes Täterprofil<br />

beschreibt ihn wie folgt: Er war Linkshänder, 28 bis<br />

36 Jahre alt und kam wohl aus einer labilen Familie<br />

mit einer alkoholkranken Mutter, die oft die<br />

Gesellschaft von anderen Männern genoss. Er<br />

lebte seine Gewaltphantasien wohl schon als Kind<br />

durch Tierquälerei aus. Als Erwachsener wurde<br />

daraus das Verlangen Frauen gewaltvoll zu dominieren.<br />

Er arbeitet von Montag bis Freitag in einem<br />

Beruf, der es zuließ, seine Gewaltphantasien<br />

auszuleben. Man würde ihn als schüchternen<br />

Einzelgänger beschreiben. Der erste Mord geschah<br />

vermutlich nahe seiner Wohnung oder Arbeitsstelle,<br />

und es ist möglich, dass er von der<br />

Polizei befragt wurde.<br />

Es gibt unzählige Theorien über seine Identität<br />

– und warum die Mordserie so plötzlich endete.<br />

Zwei Personen sind dabei besonders interessant.<br />

Zum einen Francis Tumblety, der sogenannte<br />

„amerikanische Quacksalber“. Tumblety hegte<br />

offenen Hass gegen Frauen, da seine Frau der<br />

Prostitution nachgegangen sein soll. Als „Arzt“<br />

hatte er anatomische Grundkenntnisse und er soll<br />

eine Sammlung von Uteri besessen haben. Zudem<br />

begann die Mordserie mit seiner Ankunft in<br />

London und endete, nachdem er aus dem Land<br />

flüchtete. Tumblety war jedoch homosexuell.<br />

Üblicherweise töten homosexuelle Serienmörder<br />

nicht das andere Geschlecht. Zudem befand er<br />

sich am 7. November in Haft. Es ist aber<br />

unbekannt, wann er wieder entlassen wurde.<br />

Eine andere Theorie bezieht sich auf Aaron<br />

Kozminski. In Polizeidokumenten wird häufiger<br />

ein gewisser „Kosminski“ als Täter genannt. Das<br />

Problem: Seine Identität ist nicht zweifelsfrei<br />

geklärt. Die Dokumente, die Kosminski als Täter<br />

nennen, führen nur den Nachnamen.<br />

Erst 1987 wurde dank intensiver Recherche<br />

aus „Kosminski“, Aaron Kozminski. Ob Aaron<br />

Kozminski jedoch der Kosminski aus den Polizeiakten<br />

ist, bleibt unklar. Es gibt Unstimmigkeiten<br />

mit Aaron Kozminskis Krankenakte und dem<br />

Kosminski aus den Polizeiakten. Beispielsweise<br />

wurde Aaron Kozminski erst 1891 völlig<br />

verwahrlost in die Psychiatrie eingewiesen und<br />

dort als apathisch und harmlos beschrieben,<br />

während in den Polizeiakten Kosminski angeblich<br />

schon 1889 von der Polizei verhaftet und<br />

eingewiesen worden sein soll. Ebenso stimmen<br />

Alter und Beruf von Kosminski und Kozminski<br />

nicht überein.<br />

Schon dutzende Male wurde behauptet, die<br />

Identität des berühmten Mörders sei geklärt.<br />

Zuletzt veröffentlichte die Zeitung „Daily Mail“<br />

am 6. September 2014 einen Artikel mit dem Titel<br />

„Jack the Ripper unmasked […]“ und behauptete,<br />

dass Aaron Kozminski mithilfe modernen<br />

DNA-Tests überführt sei. Es bestehen aber weiter<br />

Zweifel daran. Die Faszination über den Fall dürfte<br />

nie verblassen, es wird immer Menschen geben,<br />

die versuchen das Rätsel zu lösen. Doch<br />

vermutlich wird die Identität von Jack the Ripper<br />

nie geklärt und er für immer „auf der Flucht vor<br />

dem Gesetz“ sein.


1/2018 MENSCHEN<br />

7<br />

Die Arbeit mit<br />

Suchtkranken<br />

Ein Thema, vor dem viele zurückschrecken: Drogensucht.<br />

Wie ist es, mit Rauschgiftsüchtigen zusammenzuarbeiten?<br />

Sonja D. arbeitet seit einem Jahr für eine Studie mit suchtkranken<br />

Patienten. Im Interview schildert sie ihre Erfahrungen.<br />

VON ADRIANA VRATONJIC<br />

mediakompakt: Welche Aufgaben hattest Du?<br />

Sonja D.: Ich habe in der Klink nach Probanden für<br />

unser Suchtprojekt gesucht und gefragt, ob sie<br />

Interesse hätten, daran teilzunehmen. Voraussetzung<br />

ist, dass die Patienten stabil genug sind<br />

und kein Heroin mehr konsumieren. In der Studie<br />

wollen wir eine neue Therapieform etablieren, bei<br />

der wir den Patienten suchtbezogene Bilder<br />

präsentieren und ihre Reaktion beobachten. So<br />

zeigen wir den Patienten ein Bild von Droge, oder<br />

wie jemand eine Droge nimmt. Dazu zeigen wir<br />

neutrale Bilder, etwa ein Bild einer Kiwi oder einer<br />

Tomate. Wir wollen herausfinden, wie die<br />

Patienten reagieren, indem sie parallel dazu eine<br />

Aufgabe machen. Es wird untersucht, wie die<br />

Reaktion bei Suchtbildern ist.<br />

mediakompakt: Hattest Du vorher Befürchtungen?<br />

Sonja D.: Ja, denn der Drogenbereich ist mit vielen<br />

Vorurteilen und Ängsten behaftet. Ich fragte<br />

mich: Was sind das für Patienten, was für<br />

Menschen? Ich hatte Angst, wie ich mich als junge<br />

Frau dort fühlen werde.<br />

der Droge wegzukommen. Um ehrlich zu sein,<br />

bin ich solchen Patienten weniger begegnet.<br />

Die meisten kommen, machen einen Entzug,<br />

gehen und kommen wieder, gehen und kommen<br />

wieder. Leider.<br />

mediakompakt: Wie bist Du mit dieser Situation<br />

umgegangen?<br />

Sonja D.: Am Anfang hatte ich kein Verständnis.<br />

Ich dachte, so ein Klinikaufenthalt ist richtig<br />

teuer. Und die Patienten wertschätzen diese<br />

enormen Kosten und Mühen nicht. Aber dann<br />

dachte ich mir, man darf nicht vergessen, dass es<br />

sich um eine Suchterkrankung handelt. Die<br />

Menschen sind wirklich krank, es ist nicht<br />

einfach, von der Abhängigkeit wegzukommen. So<br />

etwas sollte man nicht unterschätzen. Deswegen<br />

kann man da nicht hart sein und sich fragen,<br />

wieso die Patienten immer wieder kommen.<br />

mediakompakt: Also hat sich Deine Haltung<br />

gegenüber Suchtkranken geändert?<br />

Sonja D.: Ja, total! Ich habe viel mehr Verständnis,<br />

Toleranz und Empathie entwickelt, weil ich nun<br />

um die zum Teil schlimme Biographien weiß, die<br />

dahinter stecken. Ich habe keinen Patienten<br />

gesehen, der aus einer tollen, intakten und<br />

stabilen Familie kommt und eine traurige<br />

„Drogenkarriere“ hinter sich hat.<br />

mediakompakt: Du bist vielen traurigen Schicksalen<br />

begegnet. Wie bist Du damit umgegangen?<br />

Sonja D.: Ich glaube, das lernt man mit der Zeit. Am<br />

Anfang war es so, dass ich die Probleme mit nach<br />

Hause genommen habe und viel über meine<br />

Erfahrungen reden musste. Da es mittlerweile seit<br />

einem Jahr eine routinierte Arbeit ist, muss ich<br />

auch an mich denken. Was auf der Arbeit passiert,<br />

lasse ich auf der Arbeit. Der Beruf verlangt, da<br />

professionell zu sein. Aber ich kann mich sehr gut<br />

mit meinen Kollegen austauschen.<br />

mediakompakt: Was war die größte persönliche<br />

Herausforderung?<br />

Sonja D.: Ich musste lernen, nicht alles so ernst<br />

und zu persönlich zu nehmen, was die Patienten<br />

sagen. Zum Beispiel, wenn jemand einfach nicht<br />

kommt oder motzig ist, dann ist es etwas, was<br />

nichts mit mir zu tun hat.<br />

mediakompakt: Kannst Du von einem positiven<br />

Erlebnis berichten?<br />

Sonja D.: Ja, ich habe mich ganz lange mit einer<br />

Patientin unterhalten und ihr erklärt, wieso wir<br />

die Studie Forschung machen. Sie konnte dazu<br />

ganz viel beitragen. Sie schilderte mir das Problem<br />

aus ihrer Sicht erläutern und lobte die Studie. Und<br />

sie sagte, dass sie teilweise von der neue Therapieform<br />

profitiert habe.<br />

mediakompakt: Was war Deine Erwartung?<br />

Sonja D.: Meine größte war, dass mir meine Ängste<br />

genommen werden. Da ich zuvor keine Berührungspunkte<br />

zur Drogenproblmatik hatte und<br />

alles völlig neu für mich war, wollte ich viel<br />

dazu lernen.<br />

mediakompakt: Was hat Dich am meisten<br />

überrascht?<br />

Sonja D.: Vor allem, dass es keineswegs so schlimm<br />

ist, wie man denkt. Patienten sind Menschen wie<br />

du und ich. Sie haben alle eine besondere<br />

Biographie, die oft dazu führte, dass die Patienten<br />

keinen anderen Ausweg als die Droge gefunden<br />

haben. Man entwickelt dafür viel Verständnis.<br />

Zudem hat es mich überrascht, wie gut die<br />

Zusammenarbeit funktionierte.<br />

mediakompakt: Welche Einstellungen hatten die<br />

Suchtkranken, mit denen Du gearbeitet hast,<br />

allgemein?<br />

Sonja D.: Das ist schwierig zu beschreiben, da die<br />

Einstellungen unterschiedlich sind. Es gibt<br />

welche, die den Entzug machen, um wirklich von


8<br />

MENSCHEN<br />

mediakompakt<br />

Bild:


2/2018 MENSCHEN<br />

9<br />

Plötzlich sprachlos<br />

Martin W. kämpft seit fünf Jahren mit der Sprachlosigkeit. Er leidet seit einem Motorradunfall<br />

an einer Sprachstörung. Blutungen in der linken Hirnhälfte zerstörten das Sprachzentrum.<br />

Jedes Jahr erkranken in Deutschland mehr als 80.000 Menschen an Aphasie und teilen<br />

dasselbe Schicksal. Martin W. erobert sich Wort für Wort das Leben zurück.<br />

VON LAURA BOHNET<br />

Wie war das mit dem Unfall? Martin,<br />

38, weiß es nicht mehr. Mit seinem<br />

Motorrad wurde er aus einer Kurve<br />

getragen, musste reanimiert<br />

werden, danach 70 Tage Koma.<br />

Eine Herz-Operation, mehrere chirurgische<br />

Eingriffe folgten, bis Martin den Neueinstieg ins<br />

Leben wagen konnte.<br />

Auch fünf Jahre danach fällt es ihm schwer,<br />

die Gedanken in Worte zu fassen. Martin hat<br />

kurze, dunkelbraune Haare, ist ein großer Mann<br />

mit schlanker Silhouette. Eine schwarze Brille sitzt<br />

auf der markanten Nase. Wenn er spricht, verzieht<br />

er seinen Mund und ringt, wie<br />

so oft, nach Worten.<br />

Eigentlich weiß er genau,<br />

was er sagen möchte, doch er<br />

bringt es einfach nicht über die<br />

Lippen. „Kopf kaputt. Alles<br />

weg“, presst Martin heraus. So spricht er über die<br />

alltägliche Überforderung mit Buchstaben,<br />

Wörtern und Sätzen. Irgendwo in seinem Kopf<br />

sind sie vergraben. Aber sie finden nicht den<br />

Ausgang.<br />

Seine Lebenspartnerin Anja K. erklärt die<br />

Situation: „Man kann sich das Gehirn als<br />

Kommode mit vielen Schubladen vorstellen, in<br />

der Wörter liegen. Ein funktionstüchtiges<br />

Sprachzentrum weiß, welche Schubladen zu<br />

öffnen sind, um einen korrekten Satz zu bilden.“<br />

Bei Martin sei das anders. Er verstehe alles, aber<br />

wisse nicht, welche Schubladen zu öffnen sind.<br />

„Dadurch kommen oft nur Wortfetzen über seine<br />

Lippen.“<br />

Vor dem Unfall stand Martin mitten im Leben.<br />

Verheiratet, zwei Kinder, ein Haus im Grünen,<br />

toller Job in einem Chemiekonzern. Jetzt ist alles<br />

anders. Seine Frau trennte sich von ihm, die<br />

FAKTEN<br />

„Kopf kaputt.<br />

Alles weg.“<br />

Kinder blieben bei ihr. Er zog in eine andere Stadt,<br />

ein paar Orte weiter. Dort wohnt er bis heute in<br />

einer kleinen Einzimmerwohnung. Und immer<br />

wieder denkt Martin an sein Leben vor dem<br />

Unfall. „Marie und Daniel“, sagt er, zeigt stolz ein<br />

Foto auf dem Smartphone. Er vermisst sie. „Urlaub<br />

Italien vor Motorrad“, stammelt er. Martin sieht<br />

die Kinder fast nie. Die Sprachbarriere steht<br />

dazwischen. „Sehen selten. Früher Familie alles.<br />

Heute schwierig.“<br />

Doch Martin gibt nicht auf. Anja gibt ihm<br />

Kraft. Sie haben sich Anfang des vergangenen<br />

Jahres kennengelernt, seit Oktober sind sie ein<br />

Paar. „Was mich an ihm<br />

begeistert, er verliert nie die<br />

Hoffnung, ist immer fröhlich<br />

und denkt positiv. Lachen ist<br />

für ihn sehr wichtig“, sagt sie.<br />

„Ja, lachen, lachen, lachen –<br />

kaputt lachen.“ Nicht aufgeben, die Sprache<br />

wiederfinden, das ist sein Lebensmotto geworden.<br />

„Schritt für Schritt. Immer reden, reden, reden.<br />

Mit jemand reden. Langsam, aber egal, reden,<br />

reden, reden.“<br />

An seine Zeit im Koma erinnert sich Martin<br />

vage. „Im Koma Reden war Hundert und dann<br />

langsam, langsam Reden war Null, als ich<br />

aufwachen.“ Seine Zeit im Koma erlebte er, als<br />

könnte er noch sprechen.<br />

Doch als er davon aufwachte,<br />

merkte er, dass seine Sprache<br />

weg war. Erst als ihm seine<br />

damalige Frau ein Foto von<br />

sich auf seinem Motorrad<br />

zeigte, verstand er, dass er einen Unfall hatte.<br />

Zunächst saß Martin im Rollstuhl. Während des<br />

Reha-Aufenthaltes machte er körperliche<br />

Fortschritte, jedoch bleibt für ihn Sport bis heute<br />

• Eine Aphasie ist eine erworbene zentrale Sprachstörung, die durch Schädigung der linken<br />

Hirnhälfte, in Folge eines Schlaganfalls (bei mehr als 80%) der Betroffenen die<br />

Hauptursache), Schädelhirntraumas, Tumors oder eines Unfalls hervorgerufen wird.<br />

• Jede Aphasie ist einzigartig, die in unterschiedlichem Ausmaß das Sprechen, Verstehen,<br />

Lesen und Schreiben beeinträchtigt.<br />

• Schätzungsweise erleiden 80.000 Menschen in Deutschland pro Jahr eine Aphasie. Bei<br />

mehr als 1/3 der Betroffenen bilder sich diese nicht vollständig zurück.<br />

unmöglich. Das tut weh. „Früher alles Sport.<br />

Walken, Marathon, Angeln, Tauchen, Skifahren.<br />

Heute alles kaputt.“<br />

Zweimal die Woche geht Martin zur<br />

Logopädie. Zu Beginn habe er mit Bildern<br />

Sprechen geübt. Sie zeigten ihm, wie er die Lippen<br />

bei der Aussprache von Buchstaben formen muss.<br />

Angefangen hat alles mit einfachen Begriffen wie<br />

Baum, Haus und Auto. Martin tippt in seinen<br />

Sprachcomputer das Wort „Logopädie“ und klickt<br />

auf ein kleines Lautsprechersymbol. Er hört und<br />

spitzt die Lippen. „Lo-go-pä-die“, versucht er<br />

nachzusprechen. „Vor Logopädie nichts reden.<br />

Dann üben ABC. Jetzt besser, aber langsam.“<br />

Sprechen kann er noch nicht flüssig, aber<br />

schon viel besser als vor fünf Jahren. Dabei malt er<br />

mit seiner rechten Hand eine „5“ auf die<br />

Tischplatte vor ihm. Martins Mimik und Gestik<br />

sind seit seinem Unfall, wie bei vielen Aphasikern,<br />

besonders stark ausgeprägt. „Schreiben fast null.<br />

Lesen besser als Schreiben. Anja lesen mir<br />

Kinderbuch. Helfen gut. Aber alles langsam.“ Es<br />

sind kleine Fortschritte.<br />

„Martin hat keine Scheu, Fremde<br />

anzusprechen. Das ist sehr positiv“, sagt Anja<br />

begeistert. Sein Logopäde hat ihm von Anfang an<br />

einen bestimmten Satz gelernt. „Immer: Ich kann<br />

nicht gut sprechen, weil ich einen Motorradunfall<br />

hatte.“ Da ist Martin<br />

„Jetzt Leben<br />

100 Prozent.“<br />

textsicher. „Menschen helfen<br />

dann. Das ist gut.“<br />

Früher war er als<br />

Maschinenbauer oft auf<br />

Geschäftsreisen.<br />

Sein<br />

Fachwissen war gefragt, in seinem Team war er<br />

anerkannt. Heute arbeitet er in einer<br />

Behindertenwerkstatt, das Deutsche Rote Kreuz<br />

bringt ihn zur Arbeit. Früher konstruierte er<br />

mithilfe eines CAD-Programms Hightech-Teile für<br />

Maschinen. Heute baut er mit den Händen<br />

Einzelteile eines Kugelschreibers zusammen.<br />

Seine Arbeitswelt hat sich um 180 Grad gedreht.<br />

Aber er ist froh, überhaupt eine Beschäftigung zu<br />

haben. Währenddessen übt er Sprechen. „Ich<br />

reden bei Arbeit. Reden egal, Hauptsache reden.“<br />

Oft besucht er seine alte Firma, isst mit den<br />

früheren Kollegen zu Mittag. „Er hat die<br />

Hoffnung, dass er, irgendwann zurück in seine<br />

alte Fima kann“, sagt Anja.<br />

Martin ist seit dem Unfall nachdenklicher<br />

geworden. Er hat gemerkt, dass das Leben<br />

vergänglich ist und viel zu schnell vorbei sein<br />

kann. „Jetzt Leben 100 Prozent.“ Er lächelt und<br />

nimmt Anjas Hand.


10<br />

MENSCHEN<br />

mediakompakt<br />

Schweinehund ade!<br />

Gute Vorsätze – das Buzzword nach jedem Jahreswechsel. Abnehmen gehört zu den beliebtesten<br />

Vorsätzen. Anfangs klappt die Motivation bei vielen, aber dann stellt sich wieder Normalität ein.<br />

Arno Trah, ehemals 180 Kilogramm schwer, hat sein Körpergewicht mehr als halbiert und ist<br />

heute sportlich. Er erklärt worauf es ankommt, um vom Couch-Potato zum Sportler zu werden.<br />

VON MANUEL GOTTWALD<br />

Das Problem kennt jeder: Man will die<br />

Pfunde, die man während der<br />

Weihnachtszeit angesammelt hat,<br />

schnell wieder loswerden. Schließlich<br />

steht das Frühjahr vor der Tür, und<br />

man will ja gut aussehen. Doch oft bleibt davon<br />

nicht mehr als der gute Vorsatz. Einmal raus aus<br />

dem Fitnessflow, tut man sich schwer, wieder<br />

zurück zu finden. „Gemütlich auf dem Sofa zu<br />

sitzen und Fernsehen zu schauen, ist natürlich<br />

bequemer als nach acht Stunden Arbeit noch zum<br />

Sport zu gehen. Außerdem ist die Fertigpizza doch<br />

schneller gemacht als eine gesunde, kalorienarme<br />

Mahlzeit.“<br />

Das sagt Arno Trah, 26 Jahre alt aus dem<br />

schwäbischen Böbingen. Er kennt das Problem der<br />

Bequemlichkeit aus vergangenen Zeiten, in denen<br />

er mit seinem Körper-<br />

gewicht von 180 Kilogramm<br />

zu kämpfen hatte.<br />

Übergewicht, welches in<br />

Deutschland laut dge.de 59<br />

Prozent der Männer und 37<br />

Prozent der Frauen mehr<br />

oder weniger hat. Wie viele andere, fasste er sich<br />

eines Tages ein Herz und beschloss abzunehmen.<br />

„Das Gewicht machte mir und meinem Körper<br />

hart zu schaffen“, sagt der gelernte Koch. „So<br />

konnte und wollte ich nicht weitermachen.“<br />

Sich wieder wohl zu fühlen und einfach<br />

gesund zu leben: Das seien seine größten Ziele<br />

gewesen. Doch auch er kannte die üblichen<br />

Schwierigkeiten mit dem dauerhaften Einhalten<br />

von guten Vorsätzen: „Gewöhnliche Abläufe<br />

dauerhaft umzustellen, ist alles andere als einfach.<br />

Am Anfang ist man motiviert, da ist alles ganz<br />

easy. Aber auch mit Rückschlägen umgehen zu<br />

können und sich davon nicht unterkriegen zu<br />

lassen. Das ist elementar wichtig, will man<br />

Gewicht verlieren.“ Er habe am Anfang zuerst<br />

einmal seine Ernährung umstellen müssen. „Nach<br />

und nach aber. Nicht auf einmal. Dann fällt es dir<br />

etwas leichter.“ Bewegen versuchte er sich so viel<br />

wie möglich. Treppen laufen anstatt den Aufzug<br />

zu benutzen, war die Devise.<br />

Als weiteren Tipp nennt er, dass man kurze<br />

Strecken zu Fuß zurücklegen oder mit dem<br />

Fahrrad zurücklegen kann. „Den Kilometer vom<br />

eigenen Haus zum Kumpel muss man doch nicht<br />

unbedingt im Auto sitzend verbringen“, sagt er.<br />

Ihm habe dies damals sehr geholfen. Klingt ganz<br />

einfach. Doch irgendwann war das Trah nicht<br />

mehr genug. Er widmete sich konkret bestimmten<br />

Sportarten: „Laufen beziehungsweise Wandern.<br />

„So konnte und<br />

wollte ich nicht<br />

weitermachen.“<br />

Das hat mir viel Spaß gemacht und tut es mir<br />

heute noch“.<br />

Regelmäßig ist er auf der Schwäbischen Alb<br />

unterwegs. „Man ist draußen in der Natur und<br />

kann sich frei bewegen. Das ist ein Gefühl der<br />

Freiheit und das Laufen lässt die Kilos<br />

verschwinden.“ Wandern sei eine Sportart, die<br />

sich für viele eignet, sagt Arno Trah. Man baue<br />

sich nach und nach eine gewisse Ausdauer auf,<br />

ohne sich übermäßig anstrengen zu müssen. So<br />

könne man sich auch leichter zu einer Runde<br />

motivieren, als man es beispielsweise oft beim<br />

anstrengenderen Joggen tut. Die Fortschritte<br />

spürte Trah sehr schnell. Er lief nahezu täglich<br />

seine Runde, neben der Fitness, die sich nach und<br />

nach verbesserte, schwanden die Kilos.<br />

Doch es kamen auch Rückschläge. „Viele lassen<br />

sich davon runter-<br />

ziehen und verfallen<br />

wieder in alte Verhaltensmuster.“<br />

Mit Rückschlägen<br />

richtig umzugehen,<br />

anstatt sich davon<br />

demotivieren zu lassen, sei<br />

das Wichtigste, wenn man dauerhaft abnehmen<br />

und fit sein will. Auf seinen Willen ist er<br />

besonders stolz, genau darauf komme es an. Er<br />

habe Rückschläge wie zum Beispiel starke<br />

Rückenschmerzen als Zeichen gesehen, „dass es<br />

der Körper mit den letzten Jahren nicht zufrieden<br />

war und ich weiter abnehmen muss“. Auch<br />

andere Probleme wie Knieschmerzen, die durch<br />

die sportliche Aktivität und das trotzdem noch<br />

hohe Körpergewicht hervorgerufen wurden,<br />

konnten ihn nicht stoppen: Er begann mit den<br />

gelenkschonenden Mountainbiken.<br />

So verlor er über die Jahre die Hälfte seines<br />

Ursprungsgewichts von 180 Kilogramm. Heute<br />

ist er ein selbstbewusster, sportlicher und<br />

zufriedener junger Mann. Er bewies sich also<br />

selbst, dass man alles erreichen kann, wenn man<br />

einen entsprechenden Willen hat und sich auch<br />

von Rückschlägen nicht aus dem Konzept<br />

bringen lässt.<br />

„Ich rate wirklich allen, glaubt an euch. Ich<br />

habe jahrelang nicht an mich geglaubt, war<br />

unzufrieden und übergewichtig. Der Entschluss,<br />

mein Leben zu ändern, wurde von<br />

vielen belächelt. Doch ich habe fest an mich<br />

geglaubt und es allen gezeigt.“ Von dieser<br />

Erfahrung<br />

könne er sein Leben lang zehren.“ Sagt Arno Trah<br />

und geht zum Kleiderschrank. „Jetzt wird erst<br />

einmal gejoggt, heute brauche ich das einfach.“


2/2018 LIFESTYLE<br />

11<br />

Zurück ins<br />

reale Leben<br />

Viele Menschen kommen mit<br />

dem Druck der ständigen<br />

Erreichbarkeit nicht mehr<br />

zurecht. Der Wunsch nach<br />

digitalem Entschlacken wird<br />

immer größer.<br />

VON TINA BURNER<br />

Eine Gruppe im Café, vor jedem liegt ein<br />

Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee –<br />

und natürlich ein Smartphone. Eine<br />

alltägliche Szene. In der Bahn, an der<br />

Uni, am Mittagstisch – das Smartphone<br />

ist ständiger Begleiter. Eine Welt ohne<br />

Mobiltelefon? Unvorstellbar. Für die Angst, kein<br />

Handy bei sich zu haben, existiert inzwischen ein<br />

eigener Begriff. Nomophobie (NoMobilePhobia).<br />

Im Internet (auf gesundheit.de) ist die<br />

Definition zu finden, was auf Nomophobie<br />

hinweist. Jeder zweite schaltet das Smartphone<br />

nie aus, es wird immer nah bei sich getragen, viele<br />

legen sich sogar ein Ersatzhandy zu. Sind<br />

Nomophobiker nicht auf dem Smartphone zu<br />

erreichen, treten typische Entzugserscheinungen<br />

wie Nervosität, Schweißausbrüche, Zittern,<br />

Herzklopfen und Angstzustände auf.<br />

Auch Elli D. hat ein Wochenende ohne ihr<br />

Smartphone verbracht – wenn auch nicht ganz<br />

freiwillig. „Ich bin mit dem Auto nach Hause<br />

gefahren, mir fiel gar nicht auf, dass mein Handy<br />

nicht da war.“, sagt sie. Zu Hause angekommen<br />

dann der Schreck, das Handy ist weg! Hatte<br />

sie es verloren? Nein. Nur bei den Eltern liegen<br />

gelassen. „Eigentlich wollte ich sofort zurückfahren<br />

und es holen.“ sagt Elli. Nach kurzem<br />

Nachdenken siegte die Vernunft. Ein Wochenende<br />

würde sie schon ohne Smartphone<br />

überleben! Oder?<br />

Sie stellte fest, dass es nicht leicht ist, ohne<br />

Handy zurechtzukommen. Sie haben viele<br />

Funktionen, die im Alltag behilflich sind. Um<br />

schnell eine Nachricht zu schicken bei<br />

kurzfristigen Veränderungen eines Treffpunkts,<br />

für Verabredungen oder Notfälle sind die<br />

Geräte nützlich. Elli hat auch die Zeit genossen, in<br />

der sie ungestört einen Film anschauen konnte<br />

und das Essen mit ihrer Freundin bleibt ihr<br />

positiv in Erinnerung. Ihre Freundin schaute oft<br />

auf das neben ihr liegende Handy und re-agierte<br />

sofort, wenn eine neue Nachricht einging – sogar,<br />

wenn Elli ihr gerade etwas erzählte.<br />

„Ich fand das schrecklich. Zuvor war mir das<br />

nie aufgefallen, da ich mich selbst genauso<br />

verhielt.“ Sie hat ihre Freundin darauf<br />

aufmerksam gemacht. Und beide hatten dadurch<br />

das Gefühl, sich intensiver unterhalten zu<br />

können. Elli sagt, sie habe an diesem Wochenende<br />

entspannter gefühlt. Als Elli ihr<br />

Smartphone wieder zurückhatte, dachte sie, sie<br />

würde sich freuen. „Aber ich war eher überfordert<br />

mit der Anzahl der verpassten Nachrichten“, sagt<br />

sie. Sie hat das Handy einfach weggelegt und<br />

lieber einen schönen Vormittag mit ihrer Mutter<br />

verbracht.<br />

Bereits 1994 wurde von zwei US-Amerikanern<br />

eine „Screen-free-Week“ initiiert. Damals wusste<br />

noch niemand etwas von Nomophobie, doch<br />

heute nehmen die Überforderung durch<br />

Informationen und Nachrichten zu, aber ebenso<br />

der Trend und die Nachfrage zu digitalem<br />

Entschlacken. Die Organisation „Digital Detox“<br />

ist Veranstalter verschiedener Vorträge, Seminare<br />

und Camps und bietet Teilnehmern Zeit zum<br />

digitalen Entgiften und Entspannen. Es werden<br />

Yoga, Qi Gong oder Shinrinyoku (Waldbaden),<br />

in Japan eine anerkannte Stress-Management-<br />

Methode, angeboten. Wer nicht in der Nähe eines<br />

Camps wohnt oder wem es zu teuer ist, kann auch<br />

zu Hause entdigitalisieren. Beispielsweise eine<br />

bestimmte Zeit keine Medien verwenden,<br />

Spaziergänge machen oder andere Entspannungsmethoden<br />

ausprobieren.<br />

Elli möchte nicht komplett aufs Handy<br />

verzichten, aber sie hat gelernt, dass es gut tut,<br />

nicht ständig erreichbar zu sein. Abends macht<br />

Elli das Handy aus. Und hin und wieder bleibt<br />

das Handy ein ganzes Wochenende ausgeschaltet.<br />

Ganz freiwillig.<br />

SIEBEN TIPPS FÜR DEIN WOCHENENDE<br />

OHNE SMARTPHONE<br />

1. Sperre dein Handy weg und gib jemandem den<br />

Schlüssel, damit du nicht in Versuchung gerätst.<br />

2. Lenke dich ab und mache etwas, was du dir schon<br />

lange vorgenommen hattest.<br />

3. Unternimm etwas Entspannendes: Melde dich zum<br />

Beispiel zu einer Yogastunde an.<br />

4. Gehe nach draußen in die Natur und mache zum<br />

Beispiel einen Waldspaziergang.<br />

5. Erzähle deinen Freunden von deinem Versuch und<br />

animiere sie mitzumachen. Gemeinsam ist es leichter!<br />

6. Verabrede dich mit Freunden zu einem Brettspiele-<br />

Abend, statt Spiele auf deinem Handy zu spielen.<br />

7. Telefoniere oder – noch besser – triff dich persönlich mit den Menschen, denen du<br />

normalerweise nur Nachrichten schickst.


12 LIFESTYLE<br />

mediakompakt<br />

Brille auf.<br />

Spiel an.<br />

Welt aus.<br />

Mit meiner Oculus Rift auf dem<br />

Kopf und der Computermaus in<br />

der Hand blende ich die reale<br />

Welt vollständig aus und versinke<br />

ganz in dem Computerspiel<br />

„Witcher 3: Wild Hunt“.<br />

VON VIKTORIA BAIER<br />

Ich tauche ein, in eine riesige Welt, die von all<br />

den kleinen Details lebt, die sie real erscheinen<br />

lässt. Ich bin nicht mehr die HdM-Studentin<br />

Anfang zwanzig, sondern Gerald von Riva –<br />

ein Mutant, ein Hexer. Es ist Mittag, die Sonne<br />

scheint, um mich herum Kornfelder, die in einem<br />

satten Gelb leuchten und langsam im Wind<br />

schwingen. Wie ich da so stehe, könnte ich<br />

meinen dies alles sei echt. Ich fühle geradezu die<br />

Sonne auf meiner Haut und meine das Rauschen<br />

des nahegelegenen Meeres zu hören. Rechts von<br />

mir liegt ein kleines verschlafenes Fischerdorf,<br />

davor ein paar verlassene Bauernhöfe. Dort wartet<br />

mein nächster Auftrag auf mich, ich mache Jagd<br />

auf Monster und das beruflich. Am Schwarzen<br />

Brett entdecke ich die Quest. Der Auftrag führt<br />

mich in den Wald, ich soll den verschwundenen<br />

Bruder des Bürgermeisters finden. Ich steige auf<br />

mein Pferd, so bin ich schneller. Während ich<br />

in Richtung Wald galoppiere, wird mir<br />

schwindelig.<br />

Das passiert immer wieder, sogenannte Motion-<br />

Sickness. Mein Gehirn denkt ich würde gerade<br />

tatsächlich über Stock und Stein reiten, aber mein<br />

Gleichgewichtsorgan meldet, dass ich still auf dem<br />

Bürostuhl sitze. Das Schwindelgefühl lässt schnell<br />

wieder nach.<br />

Ich komme im Wald an, steige von meinem<br />

Pferd ab und begebe mich auf Spurensuche. Mit<br />

meinen Hexersinnen entdecke ich Spuren, die<br />

anderen verborgen bleiben. Ich folge ihnen,<br />

komme an einem kleinen Bachlauf vorbei und<br />

finde einen Höhleneingang. Es ist dunkel in<br />

dieser Höhle, ich entzünde eine Fackel und gehe<br />

weiter. In der Ferne kann ich einen Lichtschein<br />

erahnen und hoffe auf einen Ausgang. Ich nähere<br />

mich dem Licht – tatsächlich ein Ausgang. Ich<br />

trete ins Tageslicht. Ein Greif erwartet mich.<br />

Verdammt! Ich ziehe mein Schwert, genauer<br />

gesagt mein Silberschwert. Ich bediene mich<br />

FAKTEN ZU VIRTUAL REALITY<br />

Virtual Reality – Virtuelle Realität (VR). Mit diesem Begriff bezeichnet<br />

man die computergenerierte Darstellung einer<br />

virtuellen, interaktiven Umgebung, die der Nutzer in<br />

Echtzeit wahrnimmt.<br />

Zumeist mit einer VR-Brille, wie der Oculus Rift (449<br />

Euro), der Playstation VR (299 Euro) oder auch der<br />

HTC Vive (699 Euro) können die Nutzer vollständig<br />

in die virtuelle Welt eintauchen, was als Immersion<br />

bezeichnet wird. Die Brillen erzeugen zwei Bilder aus<br />

verschiedenen Pers- pektiven und ermöglichen es<br />

dem Nutzer, den Bildausschnitt mit einer<br />

Kopfbewegung selbst zu bestimmen.<br />

Virtual Reality kommt jedoch nicht nur in der<br />

Spielewelt zum Einsatz. Architekten nutzen Virtual Reality dazu,<br />

ganze Häuser zu planen, Mediziner können Operationen virtuell<br />

durchlaufen. Auch aus therapeutischer Sicht bilden die<br />

technischen Möglichkeiten der Virtual Reality<br />

einen Gewinn. Inzwischen werden mit ihr neben<br />

Depressionen oder Angststörungen, aber auch<br />

posttraumatischen<br />

Belastungsstörungen<br />

behandelt. Bekannt ist sie zudem dafür, Piloten bei<br />

deren Ausbildung als Flugsimulator zu helfen.<br />

Auch auf dem Unterhaltungsmarkt, abseits der<br />

Computerspiele, findet VR immer mehr<br />

Anwendungsbereiche.<br />

So wird sie inzwischen bei Fitnessgeräten<br />

eingesetzt. Während für das nächste Jahr ein<br />

Umsatz allein in Deutschland von 510 Millionen<br />

Euro erwartet wird, wird der weltweite Umsatz für 2018 auf mehr<br />

als zehn Milliarden Euro prognostiziert.


2/2018 LIFESTYLE<br />

13<br />

Anzeige<br />

meiner Armbrust um den Greifen schon in der<br />

Luft zu treffen – verfehle. Der Greif erwischt mich,<br />

ich werde nach hinten geschleudert.<br />

Auf meinem Bürostuhl spannen sich all meine Muskeln<br />

automatisch an und warten auf den Aufprall an der<br />

Felswand.<br />

Aufrappeln. Weiter geht’s. Ich wechsle zu einer<br />

magischen Attacke und lasse Flammen auf das<br />

Monster regnen. Ich weiche aus, greife wieder an<br />

und versuche den nächsten Treffer zu landen,<br />

werfe eine selbst gebastelte Bombe. Irgendwann<br />

ist das Monster erlegt. Im Nest erkenne ich etwas.<br />

Ich habe ein schlechtes Gefühl und trete näher.<br />

Meine Vorahnung bestätigt sich, ich habe den<br />

vermissten Bruder des Bürgermeisters gefunden.<br />

Dann mache ich mich auf den Rückweg,<br />

inzwischen ist später Nachmittag und die Sonne<br />

geht unter, Wolken bedecken den Himmel. Als ich<br />

im Dorf ankomme, beobachte ich Mütter, wie sie<br />

ihre Kinder ins Haus rufen. Inzwischen verdunkelt<br />

ein aufziehender Sturm den Himmel, es beginnt<br />

zu regnen.<br />

Am liebsten hätte ich einen Regenschirm, um mich vor<br />

meinem PC trocken zu halten, auch wenn ich gar nicht<br />

nass werde.<br />

Ich komme beim Haus des Bürgermeisters an<br />

und berichte. Ich reiche ihm die Halskette, die ich<br />

dem Toten abgenommen habe. Auf den Lohn für<br />

den erledigten Auftrag verzichte ich. Ich verlasse<br />

das Dorf und begebe mich zurück auf die<br />

Hauptstraße. Ich streife ich durch das ganze Land.<br />

Durch nebelige Moore und über schneebedeckte<br />

Gipfel geht es, ich überquere das Meer und<br />

erkunde unzählige Inseln, dabei finde ich Schätze,<br />

Monster und Freunde. Dabei bewundere ich<br />

immer wieder diese riesige Welt, welche voller<br />

fantastischer Feinde, denkwürdiger Kämpfe, aber<br />

auch wunderbaren Lagerfeuer-Geschichten steckt.<br />

Ich muss auf meiner Reise wichtige<br />

Entscheidungen treffen, aber auch kleine<br />

Konflikte oder Dilemma lösen. Ich entwickle ein<br />

Gefühl für die Leute und ihre ganz persönlichen<br />

Geschichten. Alles fühlt sich so „echt“ an.<br />

Ich wechsle in das Hauptmenü und drücke auf<br />

Speichern. Langsam ziehe ich meine Oculus Rift von<br />

meinem Kopf, um mich an das Tageslicht zu gewöhnen.<br />

Ich bin wieder in der realen Welt angekommen, bin nicht<br />

mehr Gerald von Riva, fühle nicht mehr das Gewicht<br />

meines Schwerts in den Händen oder erschrecke vor<br />

dem Monster, das aus dem Unterholz bricht. Ich<br />

bewundere auch nicht mehr die Stadt in weiter Ferne,<br />

die bemerkenswert echt aussieht. Aber ich weiß, nur ein<br />

paar Mausklicks entfernt, wartet ein weiteres Abenteuer<br />

darauf, von mir erlebt zu werden.


14<br />

LIFESTYLE<br />

mediakompakt<br />

Büro vs.<br />

Strand<br />

In der Hängematte liegen und<br />

dabei Geld verdienen?<br />

Wer träumt nicht davon!<br />

Es gibt Leute, die machen das<br />

tatsächlich: die Digitalen<br />

Nomaden. Menschen, die sich<br />

bewusst für einen Ausstieg aus<br />

einem „Nine-to-Five-Job“<br />

entschieden haben. Aber wie<br />

geht das? Kann jeder Digitaler<br />

Nomade werden?<br />

VON LUISA KÖNIG<br />

Bild: pixabay.com / StockSnap<br />

Wer oder was sind „Digitale Nomaden“?<br />

Es sind Unternehmer oder Freelancer, die ihrer<br />

Arbeit fast ausschließlich im Internet nachgehen<br />

und digitale Technologien verwenden. Daraus<br />

folgt, dass Digitale Nomaden ortsunabhängig<br />

arbeiten können: vom Küchentisch bei Oma, aus<br />

dem Coworking Space, im Internetcafé oder eben<br />

vom anderen Ende der Welt.<br />

Welche Eigenschaften zeichnen Digitale Nomaden aus?<br />

Selbstdisziplin. Um an exotischen, paradiesischen<br />

und atemberaubenden Orten den<br />

inneren Schweinehund überwinden zu können<br />

und sich an den Computer zu setzen, bedarf es<br />

neben der Selbstdisziplin auch Durchhaltevermögen.<br />

Motivation und Selbstvertrauen sind<br />

weitere wichtige Soft Skills, die zum langfristigen<br />

Erfolg beitragen. Unsere Expertin Larissa<br />

Hofmann (25), selbst als Digitale Nomadin<br />

weltweit unterwegs, sagt dazu: „Auch wenn man<br />

nicht über alle oben aufgelisteten<br />

Charaktereigenschaften verfügt, so kann man sich<br />

dennoch als Digitaler Nomade selbstständig<br />

machen. Die oben genannten Soft Skills kann<br />

man sich bei seinen Reisen gut selbst aneignen<br />

und selbst weiterentwickeln.“<br />

Was bewegt Menschen dazu, ein Digitaler Nomade zu<br />

werden?<br />

Unabhängigkeit – das ist für die meisten Leute<br />

der Hauptgrund für den Ausstieg aus dem<br />

Hamsterrad einer Festanstellung. Eine Unabhängigkeit<br />

in mehreren Hinsichten: räumlich,<br />

zeitlich, aber auch beruflich. Das Privileg selbst-<br />

bestimmt zu handeln, einen eigenen Lebensstil zu<br />

kreieren und dabei für sein eigenes Glück<br />

verantwortlich zu sein – das reizt immer mehr<br />

Menschen.<br />

Kann jeder Digitaler Nomade werden?<br />

Prinzipiell ja, heutzutage können viele<br />

Tätigkeiten ortsunabhängig erledigt werden. Für<br />

Selbstständige ist das Arbeiten ohne festen<br />

Standort einfacher zu realisieren als für Angestellte.<br />

Daher ist der erste ratsame Schritt auf dem<br />

Weg hin zum Digitalen Nomaden, die Selbstständigkeit<br />

zu wagen! Dazu ein Insider-Tipp<br />

unserer Expertin Larissa Hofmann: „Mach dir<br />

zunächst klar, was du wirklich willst und vor allem<br />

warum! Überlege, warum du ein Digitaler Nomade<br />

sein willst. Warum willst du aus deinem Leben,<br />

das du derzeit führst aussteigen? Ist ein Leben<br />

ohne festen Wohnsitz für dich das Richtige? Bist<br />

du offen gegenüber Neuem?“<br />

Was braucht ein Digitaler Nomade?<br />

Nicht viel. Einen Laptop, eine (gute) Internetverbindung<br />

und einen Handgepäckrucksack.<br />

Was macht ein gutes Ziel für einen digitalen Nomaden<br />

aus?<br />

Aus praktischer Sicht lässt sich anhand der<br />

Qualität der Internetverbindung ein Ziel als gut<br />

oder weniger gut einstufen. Darüber hinaus<br />

spielen sowohl die Infrastruktur als auch die Höhe<br />

der Lebenshaltungskosten eine maßgebliche<br />

Rolle. Was genau ein gutes Ziel ist, sollte jeder<br />

individuell entscheiden. Dabei ist es für Digitale<br />

Nomaden wichtig zu wissen, welche Orte,<br />

Landschaften oder Kulturen inspirierend auf ihn<br />

selbst und seine Arbeitsweise wirken. Um das<br />

herauszufinden, bedarf es jedoch einiger<br />

Reise-Erfahrungen. Diese können in den Hotspots<br />

für Digitale Nomaden gesammelt werden:<br />

Thailand, Indonesien und Vietnam. Sie bieten<br />

neben guten Internetverbindungen, einer guten<br />

Infrastruktur und geringen Lebenshaltungskosten<br />

eine ausgezeichnete Möglichkeit zum Austausch<br />

innerhalb der Community – ein Austausch, der<br />

besonders für Einsteiger hilfreich ist.<br />

Wie funktioniert die Arbeit in verschiedenen Zeitzonen?<br />

Das hängt davon ab, wie viele Stunden<br />

Zeitverschiebung zwischen dem Digitalen<br />

Nomaden und seinem Kunden liegen. Ist man zum<br />

Beispiel gerade in Sydney, so ist er einem Kunden in<br />

Deutschland um zehn Stunden voraus. Ein<br />

Skype-Call würde in diesem Fall für den Digitalen<br />

Nomaden eher abends oder nachts stattfinden. Die<br />

Zeitzonen wirken sich somit – mal mehr und mal<br />

weniger – auf den Tagesrhythmus und die<br />

Arbeitszeiten aus. Um Kunden-Termine zu<br />

organisieren und zu managen, ist es absolut<br />

erforderlich stets zu wissen, wie viel Uhr es in<br />

welcher Zeitzone ist. Dabei können Online-Tools<br />

unterstützend zurSeite stehen: sie stellen<br />

(weitestgehend) automatisch die Zeitzonen am<br />

Laptop ein oder um. Unsere Expertin Larissa<br />

Hofmann spricht aus eigener Erfahrung: „Soweit die<br />

Theorie. Allerdings hat wohl schon jeder Digitale<br />

Nomade einen Skype-Call verpasst, weil die<br />

Zeitzone am Laptop noch falsch eingestellt war.“


2/2018 LIFESTYLE<br />

15<br />

Bild: Katja Großmann<br />

Ein weiter Weg<br />

Die Füße schmerzen, die Wanderschuhe drücken, erste Blasen bilden sich. Hochsommer!<br />

Mitten in der stechenden Mittagssonne geht es über die Pyrenäen zum ersten Etappen-Ziel nach<br />

Roncesvalles, das Ankommende mit der Aufschrift „Santiago de Compostela 700 km“ begrüßt.<br />

VON KATJA GROßMANN<br />

Der Camino Francés ist der älteste und<br />

bekannteste aller Jakobswege und<br />

führt von dem kleinen Örtchen Saint-<br />

Jean-Pied-de-Port in den Pyrenäen<br />

nach Pamplona und durchquert das<br />

gebirgige La Rioja. Weiter geht es durch<br />

Kastillien&Léon, eine weite Meseta-Landschaft<br />

und schließlich nach Galicien.<br />

Die ersten zwei Wochen stellen eine große<br />

körperliche Herausforderung dar, sie bringen den<br />

Körper an seine Grenzen. Ich hatte Wasserblasen,<br />

dauerhaft schmerzende Füße und zum Frühstück<br />

gab es Ibuprofen, sagt Melanie. Erst da wurde ihr<br />

wirklich bewusst, worauf sie sich eingelassen<br />

hatte, erinnert sich die 24-Jährige, die 2011 auf<br />

dem Camino Francés pilgerte. Doch die härteste<br />

Prüfung stellt der Meseta- Streckenabschnitt dar. Er<br />

führt mit unendlichen Weiten und kilometerlangen<br />

schattenlosen Wegen durch die sengende<br />

Hitze Spaniens. Dort kommt auch der Geist an<br />

seine Grenzen. „Es verrinnt Minute um Minute,<br />

Stunde um Stunde, man läuft einfach immer<br />

weiter, ohne klar denken zu können.“ Doch<br />

irgendwann „gewöhnt man sich an das dauernde<br />

Laufen“, erinnert sich Laura. So wurde sie „mit der<br />

Zeit immer ruhiger und hatte Zeit für weitsichtige<br />

Reflexionen“. Sie bewältigte im August 2012 den<br />

ursprünglichsten und technisch anspruchsvollsten<br />

aller Jakobswege, den Camino Primitivo ab<br />

Oviedo, nachdem sie zuvor mehrere andere<br />

Jakobswege erfolgreich hinter sich gebracht hatte.<br />

Viele Pilger erleben, dass Schmerzen und<br />

Verzicht auf Luxus schnell durch Glücksgefühle<br />

ersetzt werden: Die Wahrnehmung ändert sich.<br />

Melanie führte „das einfache Leben eines Pilgers,<br />

das nicht viel forderte, aber einem alles gab“, sagt<br />

sie. Gerade die kleinen Dinge erhielten so einen<br />

ganz anderen Wert. War es für Melanie „frischer<br />

Milchkaffee am Morgen“, freute sich Laura<br />

besonders über das gemeinsame Kochen in der<br />

Herberge, und sie sei stolz über bezwungene<br />

Höhenmeter gewesen. Pilgerten die Menschen<br />

früher, um Gott um Vergebung für ihre Sünden zu<br />

bitten, laufen viele eher aus privaten Erwägungen.<br />

Auf dem Weg nehmen die Menschen sehr schnell die Identität des Pilgers an. Die Jakobsmuschel<br />

dient als offizielles Symbol. So ist die gelbe Muschel auf blauem Grund den Pilgern stets<br />

Wegweiser und entlang der gesamten Strecke in zahlreichen Variationen wieder zu finden.<br />

Zudem stellt sie Talisman und Erkennungszeichen dar, das viele Pilgerrucksäcke ziert. Neben der<br />

Jakobsmuschel tragen alle Pilger den Pilgerpass bei sich. Dabei handelt es sich um ein offizielles<br />

Schriftstück, das den Pilgern Unterkunft in den Herbergen gewährt und gegen dessen Vorlage es<br />

in Santiago die traditionelle Pilgerurkunde den offiziellen Beweis der Pilgerreise gibt.<br />

Sie sehen es als Chance, ihre Lebenssituation zu<br />

überdenken, persönliche Probleme aufzuarbeiten<br />

oder die sportliche Herausforderung zu suchen.<br />

Für Melanie war es eine Möglichkeit, das Leben<br />

fernab von allen Ablenkungen reflektieren zu<br />

können. Für Laura war es der sportliche Anreiz<br />

und das gemeinsame Ziel, auf das man<br />

hingearbeitet hat, durch das sie eine große<br />

Verbundenheit zu ihren Mitpilgern entwickelte.<br />

Besonders beeindruckend sei die Offenheit<br />

aller gewesen, sagt Melanie. Es pilgern Menschen<br />

unterschiedlichster Nationen. Am Etappenziel<br />

angekommen, werde zusammen gesungen, gekocht<br />

oder über das Leben philosophiert. „Auch<br />

wenn man nicht die gleiche Sprache spricht, man<br />

versteht sich trotzdem“. So sitzen am Abend<br />

Menschen zusammen, die sich völlig fremd, aber<br />

durch ihren Weg miteinander verbunden sind –<br />

wie eine große Familie“, schwelgt Melanie in<br />

Erinnerungen. Nach wochenlanger Anstrengung<br />

ist die Ankunft am Ziel der emotionalste und<br />

wichtigste Moment. Auch für Melanie: „Ich betrat<br />

die Kathedrale, das Orgelspiel setzte ein und ich<br />

weinte – eine Stunde lang. Vor Stolz und vor<br />

Freude, es geschafft zu haben. Aber auch vor<br />

Wehmut, dass es nun zu Ende war und ein wenig<br />

auch vor Angst, was zuhause auf mich zukommt.“<br />

Der Jakobsweg ist ein Weg, den jeder auf seine<br />

eigene Art und Weise bewältigt, ob alleine oder in<br />

der Gruppe. Er verändert die Menschen. Nicht<br />

von heute auf morgen, aber Schritt für Schritt,<br />

Kilometer für Kilometer – trotz Schmerzen,<br />

sengender Hitze und Blasen an den Füßen.


16<br />

LIFESTYLE<br />

mediakompakt<br />

Bild: flickr.com / Vision of ZEGG<br />

Das Experiment Gemeinschaft<br />

Nähe zur Natur und gleichsinnigen Menschen lockt jährlich tausende Besucher<br />

nach Bad Belzig, einer kleinen Stadt in Brandenburg. Hier, am bewaldeten Stadtrand,<br />

liegt das Bildungszentrum ZEGG. Dort werden neue Formen des menschlichen<br />

Zusammenlebens ausprobiert.<br />

VON OLGA ALVES<br />

Das Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung<br />

(ZEGG) wurde 1991<br />

ins Leben gerufen. Ziel war es, sozialökologische,<br />

nachhaltige und zukunftsfähige<br />

Lebensmodelle zu entwickeln<br />

und zu erproben. Seit 2015 ist das ZEGG<br />

eine staatlich anerkannte Bildungseinrichtung.<br />

Besuchern wird das erworbene Wissen in<br />

Bereichen Ökologie, Kommunikation, Kunst und<br />

Kreativität, Gemeinschaftsaufbau, Liebe und<br />

Sexualität in Form von Seminaren, Camps,<br />

Festivals und Workshops vermittelt. Der<br />

Veranstaltungsbetrieb dient als Hauptfinanzierungsquelle.<br />

Mehr als 110 Menschen haben im ZEGG ein<br />

Zuhause gefunden, darunter 15 Kinder und<br />

Jugendliche. Die experimentelle Gemeinschaft<br />

beruht auf soziokratischen Prinzipien. Wie die<br />

Soziokratie voraussetzt, ist das ZEGG in<br />

sogenannten „Kreisen“ nach Arbeitsbereichen<br />

organisiert. Etwa für die Küche, die Tagungsorganisation<br />

oder die Geländepflege. Jedes<br />

Kreismitglied hat das Stimmrecht in der<br />

Organisation, Entscheidungsfindung und Führung.<br />

„Wir versuchen immer zu Entscheidungen<br />

zu kommen, die für alle stimmig sind.“ sagt<br />

ZEGG-Sprecherin Cordula Andrä.<br />

„Jeder muss gehört werden.“ Das Mitspracherecht<br />

geht in der Gemeinschaft mit<br />

weiteren Grundsätzen Hand in Hand. Zum<br />

Beispiel dem Umgang miteinander, der<br />

Transparenz in Kommunikation und Kooperationsbereitschaft.<br />

„Es ist eine Kultur von<br />

gemeinschaftlichem Miteinander entstanden“,<br />

sagt Barbara Stützel, ZEGG-Bewohnerin seit<br />

16 Jahren. „Sie baut auf Freundschaft auf, auf eine<br />

Kultur, in der Selbstverantwortung und<br />

gegenseitige Unterstützung Ausgangspunkte sind<br />

für einen anderen Um-<br />

gang mit der Welt“,<br />

erläuterte Stützel der<br />

„Märkischen Allgemeinen“<br />

in einem Interview.<br />

Luise Jungs, Autorin<br />

des Blogs „zeitgeistich“,<br />

fand in einer schwierigen<br />

Lebenssituation zum ZEGG. In einem Interview<br />

schilderte die 28-Jährige ihre Erlebnisse. „Ich habe<br />

mich das erste Mal angenommen gefühlt, so stark<br />

wie selten zuvor in meinem Leben. Richtig und<br />

gut zu sein so wie man ist, und das nicht nur zu<br />

wissen sondern wirklich zu fühlen, ist ein sehr<br />

heilsames Gefühl“. Nach dem Besuch eines<br />

Seminars zum Thema Vergebung und<br />

Aufstellungsarbeit habe Luise innerlich mit ihrem<br />

Vater Frieden geschlossen. Die Erfahrung der<br />

Transparenz in der Kommunikation sowie in der<br />

Natürlichkeit im Umgang mit Menschen<br />

beschreibt die Bloggerin ebenfalls „Es gibt nichts,<br />

was nicht sein darf. Nichts, was nicht gedacht und<br />

gesagt werden darf. Nichts, was nicht gefühlt<br />

werden darf“, heißt es da.<br />

Diese Philosophie offener Kommunikation<br />

spiegelt sich im Forum wider, dem Werkzeug zur<br />

Gemeinschaftsgestaltung und Forschung. „Das<br />

Forum ist eine künstlerische Gesprächsgestaltung,<br />

eine Bühne für die innere Welt der Menschen:<br />

seine wirklichen Beweggründe, seine eigentlichen<br />

Gefühle und Gedanken“, schreibt Dolores Richter<br />

in dem Arbeitsblatt zum Forum. Dort tritt eine<br />

Person, der Darsteller, in die Mitte eines<br />

Menschenkreises, um über ein Thema, das sie<br />

oder ihn bewegt, frei<br />

„Ein Ort, an dem<br />

gesellschaftliche<br />

Innovation stattfindet“<br />

zu sprechen. Ziel ist,<br />

einen Vertrauensraum<br />

zu schaffen,<br />

in dem der Redner<br />

über sein Anliegen<br />

ohne Angst, vorverurteilt<br />

zu werden,<br />

sprechen darf. Dolores Richter schreibt: „Es dient<br />

der Forschung am Menschen, der Entwicklung<br />

neuer Werte im Umgang untereinander und in<br />

der eigenen Entwicklung, der Transparenz in<br />

Gruppen, der Mitteilung, der Aufklärung ungelöster<br />

Situationen im Alltag.“<br />

„Das Besondere ist, dass hier alles sein darf und<br />

nichts muss“ sagt Hagara Feinbier, ZEGG-<br />

Bewohnerin von Beginn an, zum LOVE-Projekt.<br />

Freiheit in der Liebe ist oft ein entscheidender<br />

Aspekt, der viele ins ZEGG bringt. Hier darf man<br />

ohne Vorurteile und Verbote die Vielfalt der Liebe<br />

erleben. „Im ZEGG kann jeder so lieben, wie er<br />

will, auch ganz klassisch monogam“ sagte<br />

Cordula Andrä in einem Interview mit dem<br />

„Tagesspiegel“.<br />

Es sei schön, Menschen zu sehen, die damit<br />

offen umgehen und damit offen leben“, sagt auch<br />

Carine, die das ZEGG bei einem Tanzfestival<br />

kennenlernte. Aufrichtige Gespräche über die<br />

intimsten Sachverhalte sind im ZEGG kein Tabu<br />

und Teil des Zusammenseins.


2/2018 LIFESTYLE<br />

17<br />

Freundschaft – oder mehr?<br />

Wenn der beste Freund auch<br />

der Partner ist, unterwegs<br />

in der Friendzone.<br />

VON CHRISTINA SCHEBEN<br />

Herzlichen Glückwunsch denjenigen,<br />

die mit so viel Glück gesegnet sind.<br />

Tatsächlich zeichnet sich in der<br />

Realität ein anderes Bild ab. Oftmals<br />

entstehen Gefühle in einer<br />

Freundschaft nur einseitig. Für alle, die sich in<br />

solch einer ausweglos erscheinenden Situation<br />

befinden, wurde der trendige Name „Friendzone“<br />

entworfen. Englisch natürlich, weil damit überall<br />

auf der Welt zu verstehen.<br />

Aber was ist diese Friendzone überhaupt?<br />

Angeblich fand sie ihre erste namentliche<br />

Erwähnung in der Kultserie „Friends”. Ross war<br />

gerade fleißig dabei Rachel zu daten, als sein guter<br />

Freund Joey ihm klar machte, dass seine Versuche<br />

nichts brächten. Rachel hätte ihn schon längst in<br />

die Friendzone gepackt. Friendzone, das ist der<br />

Bereich, in dem man mit dem anderen gut reden<br />

kann, körperlicher Kontakt erlaubt ist, so lange er<br />

sich auf freundschaftliches Schulterklopfen<br />

beschränkt, und der Satz: „Du bist so ein toller<br />

Freund!“, einen bitteren Beigeschmack bekommt.<br />

Es gibt allerdings auch Verfechter, meist<br />

weiblicher Natur, die behaupten, die Friendzone<br />

gebe es gar nicht.<br />

Vielmehr sei sie ein Konstrukt von Männern,<br />

die nach mehrmaligen Daten, bei dem Sie Zeit,<br />

Energie und meist Geld investiert haben, nicht<br />

das bekommen, was sie sich wünschen. Sprich:<br />

Zuneigung und Sex. Man kann, wenn es um<br />

Gefühle geht, leider keine Gleichung aufstellen,<br />

bei der auf beiden Seiten der gleiche Wert<br />

rauskommt. Vor allem nicht in unserer heutigen<br />

Zeit, in der die Meisten wenig investieren, aber<br />

ganz viel bekommen wollen.<br />

Ist die Friendzone also nicht vielmehr als eine<br />

Einbildung frustrierter Menschen, die verzweifelt<br />

auf erfolglose Dates gehen? Tatsächlich belehrte<br />

mich mein guter Freund Peter eines Besseren. Im<br />

Studium lernte er die schöne Malice kennen.<br />

Beide gestrandete Seelen in einer neuen Stadt.<br />

Zwangsweise kamen sie sich zwanglos näher.<br />

Taten alles, was gute Freunde eben so tun. Gingen<br />

zusammen ins Kino, feierten die Nächte durch<br />

oder verbrachten gemütliche Abende aneinandergekuschelt<br />

im Bett bei einer Runde Netflix.<br />

Schnell spürte Peter, dass er mehr wollte als<br />

Freundschaft. Aus Netflix sollte Netflix and chill<br />

werden, am besten mit Frühstück am nächsten<br />

Morgen. Alles, was sie eh schon taten, nur eben<br />

anders. Und noch ein bisschen mehr. Als er Malice<br />

seine Gefühle gestand, reagierte sie in einer<br />

Mischung aus Belustigung und Panik.<br />

Belustigt, da sie damit nie gerechnet hätte.<br />

Panisch, aus Angst ihren guten Freund zu<br />

verlieren. Das war der Moment, in dem Peter klar<br />

wurde, wie es um ihn stand. Wieder einmal war<br />

einer in den ewigen Weiten der Friendzone<br />

verloren gegangen. Und wie ging das alles nun<br />

weiter? Die Freundschaft zu Malice habe er nicht<br />

aufgegeben, sagt Peter. Irgendwo in ihm drin<br />

schlummere immer noch die Hoffnung, dass aus<br />

ihnen beiden noch etwas werden könnte. Als ich<br />

ihm sagte, dass ein „Vielleicht“ doch keine Option<br />

sei, wenn es um Gefühle geht, erwiderte er<br />

ziemlich verzweifelt: Vielleicht sei natürlich<br />

immer eine Möglichkeit. Weiter wünsche ich ihm<br />

das beste Glück, möge er am Ende doch<br />

erfolgreich sein.<br />

Aber Peter und unzählige Memes im Internet<br />

haben recht, die Friendzone existiert tatsächlich.<br />

Will man, dass aus Freundschaft mehr wird, sollte<br />

man den Mut zusammen nehmen und seine<br />

Gefühle dem Anderen gestehen. Nur so ebnet<br />

man den Weg, der zum <strong>Exit</strong> Sign der Friendzone<br />

führt. Niemand behauptet, dass es leicht ist oder<br />

man Erfolg haben wird. Aber zumindest<br />

entscheidet man sich dazu selbstbestimmt zu<br />

handeln.<br />

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18 LIFESTYLE<br />

mediakompakt<br />

Bist du in der Friendzone?<br />

Ja<br />

Du bist total verknallt, weißt aber nicht ob du mit deinen<br />

Gefühlen alleine da stehst? Hier ist die Lösung deines<br />

Problems! Mit unserem Psycho-Test findest du heraus,<br />

ob deine große Liebe nur ein Gespräch entfernt liegt.<br />

VON CHRISTINA SCHEBEN, JASMIN KIENE UND OLGA ALVES<br />

Ich habe Angst, dass es<br />

unsere Freundschaft zerstört<br />

Warum nicht?<br />

Der richtige Moment ist nie<br />

da, sag es einfach!<br />

Die Antwort war?<br />

Zwischen und ist<br />

immer ein Fenster...<br />

Es ist einfach schwer<br />

ihn/sie alleine zu sehen!<br />

Er/sie mag mich! Er/sie hat gefragt wer ich bin Er/sie ist nicht bereit für<br />

eine feste Beziehung<br />

Liked er/sie deine Beiträge<br />

auf facebook?<br />

Ist er/sie heiß?<br />

Warte, was?<br />

Nein<br />

Er/Sie hat einen<br />

guten Charakter!<br />

JA!<br />

Und die Hecke stört<br />

auch!<br />

Seht ihr euch<br />

bald?<br />

Ja<br />

Also ist er/sie hässlich?<br />

Warte, WAS?!<br />

Für Sex?<br />

Es zählen doch die<br />

inneren Werte.<br />

Okay, ja.<br />

Ich kann damit leben<br />

Bist du hässlich?<br />

Ja<br />

Nein<br />

Wir chatten aber viel!<br />

Naja, ich bin<br />

nicht super heiß<br />

Nein<br />

Über Sex und was wir<br />

toll finden!<br />

Über unsere<br />

Gefühle und<br />

Sorgen. Wir<br />

vertrauen uns<br />

blind.<br />

Das wird nichts<br />

Er/sie steht einfach nicht auf dich! Du solltest<br />

dir schnellstens darüber klar werden und darüber<br />

hinweg kommen. Ihr seid romantisch gesehen<br />

überhaupt nicht auf einer Wellenlänge<br />

und deine Zeit und Energie kannst du wirklich<br />

besser investieren.<br />

Romantik pur<br />

Alle Zeichen stehen auf Liebe! Zwischen euch<br />

knistert es eindeutig und vermutlich wartet<br />

er/sie nur darauf, dass du den ersten Schritt<br />

machst. Trau dich! Love is in the air!<br />

Freundschaft Plus<br />

Ihr versteht euch gut vor allem körperlich. Eure<br />

freie Zeit genießt ihr gerne auch zu zweit und<br />

unternehmt etwas zusammen. Doch meistens<br />

finden diese Aktivitäten im Bett statt. Für eine<br />

richtige Beziehung seid ihr beide nicht geschaffen,<br />

aber gegen ein wenig Matratzensport ist<br />

nichts einzuwenden!


2/2018 LIFESTYLE<br />

19<br />

Hast du ihr/ihm schon deine<br />

Gefühle gestanden?<br />

Nein<br />

Ich habe es angedeutet<br />

Was soll denn das heißen?<br />

Es gab noch nicht den<br />

richtigen Moment<br />

Wir sehen uns nie allein<br />

Ich habe ihm/ihr eine Locke<br />

von meinem Haar geschickt!<br />

Er/Sie hat es ignoriert<br />

Ich war betrunken<br />

Wie begrüßt ihr euch?<br />

Wow, du creep!!<br />

Wie oft hast du es ihm/ihr<br />

schon versucht zu sagen?<br />

Mit einem Bro-Fist<br />

Bum<br />

Eine lange Umarmug<br />

x-mal! Ein paar Mal Nur einmal<br />

Schaut er/sie dir länger als drei<br />

Sekunden in die Augen?<br />

Wer meldet sich zuerst?<br />

War er/sie betrunken?<br />

Nein<br />

Ja!<br />

Ich<br />

Er/Sie<br />

Nein<br />

Ja<br />

Ja<br />

Kommentiert<br />

er/sie auch?<br />

Ja, er/sie schreibt<br />

immer was für<br />

super Freunde wir<br />

sind!<br />

Und worüber?<br />

Wenn andere Frauen/Männer<br />

vorbei gehen, wie reagiert er/sie?<br />

Er/sie schaut ihr/ihm<br />

lange nach und checkt<br />

ihn ab. Das macht mich<br />

immer so eifersüchtig!<br />

Er/sie sagt mir wie<br />

heiß sie/er ist. Wir<br />

sagen uns einfach<br />

alles!<br />

Er/sie<br />

erwähnt sie/<br />

ihn nicht.<br />

Reagiert er/sie auf „zufälligen“<br />

Körperkontakt positiv?<br />

Ja<br />

Nein<br />

Nein<br />

Kommt dir der Satz „Du bist so<br />

ein guter Freund!“ bekannt vor?<br />

Nein<br />

Ja<br />

Auch am<br />

Tag darauf?<br />

Nein<br />

Ja<br />

Habt ihr euch geküsst?<br />

Nein<br />

Wolltet ihr?<br />

Ja<br />

Nur ein Mal?<br />

Ja<br />

Real talk!<br />

Lief mehr?<br />

Nein<br />

Nein<br />

Über seine/ihre<br />

Verdauungsprobleme.<br />

Es flutscht zurzeit nicht<br />

so gut.<br />

Über seine/ihre<br />

Tinder-<br />

Bekanntschaften.<br />

Über das<br />

Wetter.<br />

Habt ihr darüber<br />

geredet?<br />

Ja<br />

Nein<br />

Er/sie will es<br />

wiederholen<br />

Es hat ziemich<br />

gefunkt<br />

zwischen uns<br />

Er/sie sagt, es<br />

war ein Fehler<br />

Friendzone<br />

Du bist als der/die gute/r Freund/in abgespeichert.<br />

Entweder du setzt alles auf eine Karte<br />

und versucht dich aus der Friendzone rauszukatapultieren,<br />

oder du akzeptierst deine Rolle<br />

als gute/r Freund/in. Aber Vorsicht, bei deinem<br />

Vorhaben kann mehr als nur die Freundschaft<br />

zerstört werden.<br />

Danger Zone<br />

Du bist der totale Creep! Hör auf ihn/sie zu<br />

stalken! Aber keine Angst dafür gibt es professionelle<br />

Hilfe. Leg das Fernglas weg und geh die<br />

Sache entspannter an. Hol dir in Sachen Dating<br />

ein paar Ratschläge von deinen Freunden, die<br />

gesunde Beziehungen führen.


20<br />

LIFESTYLE<br />

mediakompakt<br />

Schmeiß’ den Kummer<br />

aus dem Fenster!<br />

Bild: Pixabay / Tetzemann<br />

Netflix und Chillen mit der dritten Schachtel Schokoeis aus dem Gefrierfach oder der dritten<br />

Schachtel aus Tinder? Schluss mit Trübsal blasen, jetzt wird mit Konfetti geschmissen! Denn<br />

eine Trennung ist belebender als ihr Ruf. Lesen, nachdenken, loslegen.<br />

VON JESSICA SCHLAG<br />

Zugegeben, sich mit Tonnen von Eis und<br />

Liebesfilmen zu trösten, tröstet über den<br />

ersten Schock, doch der zweite folgt<br />

schnell: der Blick auf die Waage! Sich<br />

durch fremde Betten zu wühlen, hat<br />

Vorteile: du verlässt die Wohnung, ohne das Bett<br />

machen zu müssen. Aber mit jedem Mal bleibt mit<br />

dem Duft der gestrigen Partynacht ein Stück<br />

Selbstachtung auf dem Kopfkissen zurück. So bist<br />

du doch gar nicht! Oder? Eine Trennung ist mit<br />

Verlust verbunden. Klar. Und trauern gehört dazu.<br />

Aber sich im Herzschmerz verlieren? Wozu? Lass<br />

den Sonnenschein gewinnen. Und das Gras<br />

darüber wächst schneller als du das nächste<br />

Taschentuch holen kannst!<br />

Ein Schlussstrich wird nicht mit dem Bleistift<br />

gezogen. Deshalb nimmst du in deinen Gedanken<br />

den allergrößten Edding, den es zu kaufen gibt,<br />

und ersetzt das „Wir“ durch ein „Ich”.<br />

Selbstverständlich mit der maximalen Dicke.<br />

Warum? Damit die Hoffnung einer Wiedervereinigung<br />

nicht einmal auf die Idee kommt, sich<br />

bei dir dort oben ein Plätzchen zu sichern – nur<br />

Gulasch schmeckt aufgewärmt!<br />

Ausnahmen bestätigen die Regel, unter welchen<br />

Umständen die Trennung stattfand, spielt natürlich<br />

auch immer eine Rolle. „What doesn’t kill<br />

you, makes you stronger” heißt es in einem Song<br />

der US-Sängerin Kelly Clarkson. Eine Trennung<br />

reißt dich schonungslos aus der Komfortzone!<br />

Vorbei ist es mit den Gewohnheiten – du musst<br />

dich in vielen Dingen neu organisieren und wirst<br />

permanent an das Beziehungsende erinnert:<br />

Die Erste-Date-Kinokarte am Kühlschrank, das<br />

Kuscheltiergeschenk auf dem Kopfkissen oder<br />

dein fixierter Blick auf das Handy. Du weißt, es<br />

wird kein gemeinsamer Kinobesuch folgen, das<br />

Kuscheltier wird wegpackt. Trennung erzeugt<br />

Druck und Energie, um Veränderungen aktiv<br />

anzupacken. Nutze die Trennung als Defibrillator<br />

für deinen Alltagstrott! Darin steckt die Genialität:<br />

du gewinnst einen frischen Blick auf deine<br />

Umwelt und kannst dich auf die wichtigste<br />

Beziehung konzentrieren – die mit dir selbst, das<br />

macht dich stark!<br />

Nichts ist bedeutender als deine eigene<br />

Liebeserklärung. Mach’ die Welt, wie sie dir<br />

gefällt! Mach’ das, was du dir schon lange<br />

erträumt hast. Egal ob es das Klischee der<br />

Typveränderung durch einen neuen Haarschnitt<br />

oder eine Wanderung auf dem Jakobsweg ist.<br />

Ist es nicht herrlich, das alles zu erleben und<br />

umzusetzen, ohne von jemandem gebremst zu<br />

werden? Hollywoodstar George Clooney glänzt<br />

mit seinem Aussehen, aber auch mit dieser<br />

Aussage: „Am einsamsten fühlt man sich in einer<br />

schlechten Beziehung.“ Wie recht er hat! Freue<br />

dich, frei zu sein, du musst dich nach niemanden<br />

mehr richten, der dich einschränkt. Triff deine<br />

Freunde und Familie zu jeder Zeit. Esse, was dir<br />

passt und tobe dich in deinem Kleiderschrank, in<br />

der Disco und in deinen Hobbys aus, du hast die<br />

Freiheit!<br />

Denke positiv. Du wirst erstaunt sein, wieviel<br />

Energie du aufbringen kannst und wie stark du<br />

bist. Mit neuer Lebensenergie rennst du ins<br />

Fitnessstudio oder schwingst den Kochlöffel.<br />

Widme dich den gesunden Dingen des Lebens,<br />

und du fühlst dich glücklich! Du wirst attraktiver,<br />

offener, begeisterst dich und deine Mitmenschen<br />

mit jedem Tag mehr. Die Selbstzufriedenheit ist<br />

ausschlaggebend für deine Ausstrahlung und<br />

deinen Auftritt.<br />

Sei stolz auf dich! Durch die Trennung hast du<br />

dich neu erfahren und besser kennengelernt.<br />

Deine persönliche Beziehung ist gestärkt, eine<br />

Partnerschaft wird sicher bald als Kirsche das<br />

Törtchen deines Lebens zieren. Du rockst,<br />

überzeugt von dir selbst, das Leben. Bei dir spielt<br />

die Musik. Gönn‘ dir was, mach‘ dich glücklich:<br />

Schmeiß’ den Kummer aus dem Fenster, du<br />

brauchst Platz zum dancen. Und der<br />

Konfettiregen ist garantiert.


2/2018 LIFESTYLE<br />

21<br />

Jetzt wird gefastet!<br />

Laut einer Umfrage erhoffen sich die meisten Menschen eine Gewichtsabnahme durch Fasten.<br />

Doch was bringt das überhaupt? Warum erfreut es sich gerade in der heutigen, hektischen und<br />

überladenen Zeit so großer Beliebtheit? Wir beantworten die wichtigsten Fragen!<br />

VON MONA JOERG<br />

Woher kommt das Fasten überhaupt?<br />

Fasten hat vor allem religiöse Ursprünge. In<br />

allen vier Weltreligionen Buddhismus, Christentum,<br />

Islam und Judentum findet man es als einen<br />

festen Bestandteil der Glaubenslehre wieder.<br />

Dabei steht die Überwindung von Leid, um das<br />

Buße tun, die Enthaltung und die Nähe zu Gott im<br />

Mittelpunkt. Auch im Mittelalter war der Heilkundlerin<br />

Hildegard von Bingen schon die<br />

heilende Wirkung des Fastens bekannt.<br />

Was ist alles „Fasten“ und wie wird gefastet?<br />

Als Fasten bezeichnet man, „sich für eine<br />

bestimmte Zeit ganz oder teilweise der Nahrung<br />

[zu] enthalten oder auf den Genuss bestimmter<br />

Speisen [zu] verzichten“, so steht es auf duden.de.<br />

Dabei kann auf ganz unterschiedliche Weisen<br />

gefastet werden. Das Heilfasten nach Buchinger,<br />

die bekannteste Art, beginnt mit zwei Entlastungstagen.<br />

Dabei darf nur leichte Kost wie<br />

Obst, Reis und Gemüse gegessen werden.<br />

Begleitend werden Bitter- und Glaubersalz sowie<br />

Einläufe verwendet, um den Darm zu entleeren.<br />

In den nächsten fünf bis sieben Tagen nimmt der<br />

Fastende nur flüssige Nahrung, etwa Honig,<br />

Brühe, Obst- und Gemüsesäfte, zu sich. Dazu<br />

müssen mindestens zwei bis drei Liter Wasser am<br />

Tag getrunken werden. Andere Fastenarten sind<br />

die Milch-Semmel-Kur, die Molkekur oder das<br />

Saftfasten. Besonders im Trend liegt gerade das<br />

sogenannte Intervall-Fasten. Viele verbinden das<br />

Fasten auch mit Meditation, Yoga, Atemübungen<br />

oder sogar mit dem Wandern.<br />

Wie wirkt das Fasten auf den Körper?<br />

Zunächst bedeutet es Stress. Auf den<br />

wichtigsten Energielieferanten, die Kohlenhydrate,<br />

muss der Körper in dieser Zeit verzichten.<br />

Auch der Kopf ist auf Entzug. Wer seinen<br />

täglichen Kaffee gewohnt ist, wird am ersten Tag<br />

besonders unter Unwohlsein und Kopfschmerzen<br />

leiden. Die Blutgefäße im Gehirn weiten sich und<br />

Botenstoffe funktionieren nicht mehr wie<br />

gewohnt. Daher ist auch die Reaktionszeit stark<br />

eingeschränkt. Aufgrund der ausbleibenden<br />

Kohlenhydratzufuhr kurbelt der Hypothalamus<br />

im Gehirn mithilfe von zum Beispiel Adrenalin<br />

die körpereigenen Reserven an.<br />

Der Blutzuckerspiegel, Blutfette und die Werte<br />

von Cholesterin und Insulin sinken. Die Atmung,<br />

der Herzrhythmus und der Blutdruck werden auf<br />

ein Minimum heruntergefahren. Auch das<br />

Verdauungssystem schaltet auf Ruhezustand.<br />

Nach spätestens 48 Stunden hat der Körper seine<br />

Reserven aufgebraucht. Nun beginnt er auf seine<br />

Eiweißvorräte zurückzugreifen. Durch den<br />

Bild: Pixabay / Mimzy<br />

Eiweißabbau wird mehr Harnstein gebildet,<br />

weswegen der Urin während des Fastens meist<br />

sehr gelblich ist. Bedrohlich ist der Eiweißabbau<br />

für die Muskeln. Daher ist regelmäßiger Sport in<br />

der Fastenzeit wichtig, um dem Abbau<br />

vorzubeugen.<br />

Ab wann wird beim Fasten abgenommen?<br />

Nach dem vierten Fastentag beginnt der<br />

Körper mit der Fettverbrennung. Dann geht es ran<br />

an den Speck. Bei diesem Vorgang wird vermehrt<br />

Aceton, also Säure, freigesetzt, was dazu beiträgt,<br />

dass Fastende oft unter unangenehmen Atem und<br />

stinkenden Schweiß leiden. Doch in dieser Zeit<br />

setzt das Gehirn auch das Glückshormon<br />

Serotonin frei, was viele als Fastenhoch oder<br />

Fasteneuphorie beschreiben. Zieht man am Ende<br />

einer zweiwöchigen Fastenzeit Bilanz, nimmt<br />

man im Schnitt sieben Kilogramm ab. Davon<br />

jedoch sind vier bis fünf Kilogramm Wasser, ein<br />

Kilogramm Eiweiß und nur eineinhalb bis zwei<br />

Kilogramm Fett. Viele beklagen nach dem<br />

Fastenbrechen den Jojo-Effekt. Doch beim Fasten<br />

ginge es nicht um das Abnehmen, widersprach der<br />

wohl bekannteste Fasten-Arzt, Prof. Andreas<br />

Michalsen, aus der Berliner Charité in einem<br />

Beitrag des ARD-Wissensmagazins „Planet<br />

Wissen“ zum Thema „Ist Fasten gesund?“.<br />

Doch worum geht es dann beim Fasten?<br />

„Fasten steigert das Lebensgefühl“, schreibt<br />

der Psychotherapeut, Fasten-Arzt und Seminarleiter,<br />

Dr. med. Ruediger Dahlke, in seinem Buch<br />

„Fasten Sie sich gesund“. Er vergleicht es mit<br />

einem Frühjahrsputz, dem man seinen Körper<br />

unterzieht: innere Ordnung schaffen, sich auf<br />

Wesentliches konzentrieren, loslassen. Wissenschaftler<br />

haben bewiesen, während des Fastens<br />

werden verstärkt Wachstumshormone freigesetzt,<br />

die zu einer Stimmungshebung beitragen. Indem<br />

das Fasten den Dickdarm von Resten befreie –<br />

(„Entgiftung“), gelinge es Belastendes aus dem<br />

Unterbewusstsein zu entlassen. Therapeutische<br />

Übungen wirken dabei noch unterstützend und<br />

erzielen laut Dahlke sehr gute Erfolge. Auch<br />

gesundheitlich lässt sich eine Verbesserung<br />

insbesondere bei chronischen Erkrankungen wie<br />

Bluthochdruck oder Diabetes Typ II feststellen.<br />

Der Fasten-Arzt geht sogar so weit zu behaupten<br />

„Wenn breite Teile der Bevölkerung regelmäßig<br />

fasten würden, könnten wir Krankheitsbilder wie<br />

Gicht und Rheuma vergessen.“ Aber egal, aus<br />

welchem Grund man fastet, sind sich alle<br />

Experten einig: Es ist eine gute Möglichkeit, sich<br />

auf die inneren Heilkräfte des Körpers zu<br />

besinnen.


22<br />

LIFESTYLE<br />

mediakompakt<br />

Glücklich wie die Dänen<br />

Den Alltagsstress ganz weit hinter sich lassen und sich nur noch mit den schönen Dingen des<br />

Lebens beschäftigen? Klingt fast unmöglich, doch die dänische Lebensphilosophie „Hygge“<br />

verspricht genau das.<br />

VON ANNA WITTICH<br />

Egal ob in Lifestyle-Magazinen, Tageszeitungen, sozialen Medien oder Ratgebern:<br />

Die dänische Lebensphilosophie Hygge ist weltweit in aller Munde und wird mit<br />

„Gemütlichkeit“ übersetzt. Doch warum boomt ein Lebensstil, der seit<br />

Jahrzehnten zum Kulturgut der Dänen gehört, genau jetzt? Ein Grund sind sicher<br />

die Entwicklungen der vergangene Jahre. In einer Welt, die immer nur höher,<br />

schneller und weiter will, die von Terror und Kriegen erschüttert wird, bedient Hygge die<br />

Sehnsucht vieler nach einem stabilen Zufluchtsort, an dem die schönen und einfachen<br />

Dinge zählen. Das Leben soll in vollen Zügen genossen werden, am besten mit Freunden<br />

und Familie. Dass diese Philosophie funktioniert machte spätestens der<br />

World-Happiness-Report 2016 klar, der Dänemark als das glücklichste Land der Welt führt.<br />

Doch kann man Glück und Gemütlichkeit lernen? Von heute auf morgen ist das natürlich<br />

schwer, erste Inspirationen für mehr Gemütlichkeit können aber die unten stehenden<br />

Ideen liefern. Diese lesen sich natürlich am besten auf der Couch, eingepackt in eine<br />

warme Decke und mit einer Tasse heißem Kakao.<br />

ude<br />

Draußen<br />

udstyr<br />

Einrichtung<br />

Spätestens nach einem Urlaub in Dänemark merkt man, dass die Dänen in<br />

Stilfragen gutes Gespür beweisen. Auf eine moderne und zugleich<br />

gemütliche Einrichtung wird viel Wert gelegt – man soll sich schließlich in<br />

den eigenen vier Wänden wohl fühlen. Dafür werden schlichte<br />

Möbel-Klassiker von Arne Jacobsen oder Louis Poulsen zu Decken, Kissen<br />

und Teppichen aus natürlichen Materialien kombiniert. Eine wichtige<br />

Rolle bei der Einrichtung spielt auch das Licht. Gerade an den dunklen<br />

Wintertagen schaffen unterschiedliche Lichtquellen, wie Kerzen,<br />

verschiedene Leuchten oder ein Kaminfeuer eine hyggelige, warme<br />

Atmosphäre in die man nach einem langen Tag gerne ankommt.<br />

Nicht nur die Dänen wissen: Frische Luft tut jedem gut, vor allem wenn<br />

man dabei den Alltagsstress hinter sich lassen kann. Die langen dänischen<br />

Sommertage werden daher vor allem für ein gemeinsames<br />

Familien-Picknick im Park oder eine ausgedehnte Radtour durch die Natur<br />

genutzt. Der Abend wird zusammen mit Freunden am Lagerfeuer oder auf<br />

Open-Air-Konzerten unter dem Sternenhimmel verbracht. Doch auch<br />

kalte Tage schrecken die Dänen nicht ab: die Natur bei einer<br />

Schneeballschlacht oder beim Schlittenfahren in vollen Zügen zu<br />

genießen, ist ebenfalls ein Teil von Hygge.


2/2018 LIFESTYLE<br />

<strong>23</strong><br />

fælles<br />

Gemeinsam<br />

Zusammenhalt, Dankbarkeit und Leichtigkeit sind drei Schlagworte, die<br />

für das Lebensgefühl Hygge stehen. Und wie kann man diese besser<br />

zelebrieren als mit Freunden und Familie. Diese wertvolle Zeit genießt man<br />

dann bei gemeinsamen Essen mit guten Gesprächen oder Ausflügen in die<br />

Natur. Um den Moment voll und ganz zu genießen sollte dabei das<br />

Smartphone auch einmal ausgeschaltet werden. Ernste Themen spielen in<br />

dieser Zeit eher keine Rolle – man besinnt sich auf die schönen Dinge des<br />

Lebens.<br />

nydelse<br />

Genuss<br />

Alle, die beim Essen gerne auch einmal sündigen, können dank der<br />

dänischen Glücksphilosophie aufatmen – denn Hygge feiert den Genuss.<br />

Egal ob Kuchen, heiße Schokolade, Zimtschnecken oder ein üppiges<br />

Abendessen, alles ist erlaubt. Nur selbst gemacht sollte es sein. Am Besten<br />

schmecken den Dänen die selbst gemachten Köstlichkeiten dann mit<br />

einem Glas Wein oder einer Tasse Kaffee im Kreise der Familie oder<br />

Freunden<br />

juletid<br />

Weihnachtszeit<br />

Wenn Plätzchen gebacken, die ersten Kerzen am Adventskranz angezündet<br />

werden oder der erste Gløgg auf dem Weihnachtsmarkt getrunken wird, ist<br />

klar: Die Weihnachtszeit ist die Hochsaison von Hygge. Hier kommt man<br />

zusammen, macht es sich auf dem Sofa gemütlich und genießt die<br />

gemeinsame Zeit. Alle alltäglichen Probleme lässt man in dieser besinnlichen<br />

Zeit hinter sich und ist dankbar für das, was man hat.<br />

Bilder: pixabay.com / pexels.com


24<br />

LIFESTYLE<br />

mediakompakt<br />

Bild: pixabay.com / StockSnap<br />

Box dich raus!<br />

Boxkämpfe sind geplante Schlägereien mit Zuschauern. Die Vereine sind<br />

zwielichtig, bilden aggressive Mitmenschen aus und alle Boxer sind<br />

vorbestraft wegen Körperverletzung. Es gibt viele Vorurteile.<br />

Aber Boxen kann mehr sein. Es befreit von negativen Gedanken.<br />

VON ALINA HAHN


2/2018<br />

LIFESTYLE<br />

25<br />

Stundenlang liege ich wach. Die<br />

Gedanken kreisen. Kein Schlaf. Keine<br />

Konzentration. Morgen krieg‘ ich wieder<br />

nichts erledigt. Und dann? Noch mehr<br />

Stress. Die Gedankenspirale hält mich<br />

gefangen, zieht mich immer tiefer. Box dich frei,<br />

sagt eine Freundin, das fördert die mentale Stärke<br />

und hilft dir, raus aus der Abwärtsspirale zu<br />

kommen. Boxen? Sofort fallen mir Veilchen,<br />

krumme Nasen und tätowierte Muskelprotze ein.<br />

Ich soll das ausprobieren? Niemals! Nein. Schon<br />

wieder dieses negative Denken<br />

Negative Gedanken wirken für den Körper wie<br />

eine äußere Bedrohung und setzen das Hormon<br />

Cortisol frei, um den Menschen auf die Flucht<br />

vorzubereiten. Oder auf den Kampf. Wie im<br />

Boxen. Fördert das dann nicht die Produktion des<br />

Stresshormons? Dieses wird vom Körper selbst<br />

sehr langsam abgebaut. Es kann schneller<br />

abgebaut werden durch Ausdauersport, aber auch<br />

durch Boxtraining?<br />

Zu Beginn Seilspringen, mindestens zehn<br />

Minuten. Ganz schön anstrengend. Dann wird die<br />

Technik einstudiert: Schläge üben und abwehren.<br />

Klingt nicht gerade nach Pause. Danach eine<br />

Krafteinheit, damit die Schläge noch stärker<br />

werden. Ist Boxen ein Ganzkörpertraining? Die<br />

Kraft beim Schlagen kommt ja nicht von<br />

irgendwo.<br />

Liegestützen, Sit-Ups und Zirkeltraining<br />

gehören zu jeder Boxstunde dazu. Du wirst<br />

belastbarer und kräftiger. Auch deine Gedanken<br />

werden stärker und du selbstbewusst. Einen<br />

Gegner durch Kraft und Technik außer Gefecht<br />

setzen zu können, führt zu einer selbstbewussten<br />

Haltung. Innerlich wie äußerlich.<br />

Wer austeilt, muss aber auch einstecken<br />

können. So müssen Schläge ertragen und<br />

Niederlagen überwunden werden. Box-Profi<br />

Wladimir Klitschko sagt, dass Verlieren<br />

dazu gehört. Damit umzugehen,<br />

lässt sich lernen. Wenn das<br />

gelingt, macht es einen<br />

sogar stärker. Es geht<br />

nicht darum, nicht zu<br />

verlieren, sondern<br />

durch Niederlagen<br />

zu gewinnen. Ist das<br />

vielleicht eine<br />

Aufwärtsspirale?<br />

Und Boxen tut<br />

dem Kopf gut. Alle<br />

aufgestauten<br />

Emotionen werden auf<br />

den Boxsack losgelassen.<br />

Wenn du auf ihn<br />

einprügelst, denkst du an<br />

nichts anderes. Deine negativen<br />

Gedanken haben Sendepause.<br />

Konzentration brauchst du auch bei den<br />

Technikübungen. Denn auch wenn du kein<br />

wirkliches Sparring betreiben willst (und das wird<br />

in jedem guten Boxstudio kommentarlos<br />

akzeptiert), gehören Übungen am Partner zum<br />

Boxen dazu. Linke Gerade, rechte Gerade, linker<br />

Haken. Ausweichen. Aus der Bewegung eine<br />

rechte Gerade direkt in die Deckung des Gegners.<br />

Und Wechsel. Eine Koordinations- und<br />

Konzentrationsaufgabe. Das schult psychisch und<br />

physisch. Macht Boxen dich zum Allrounder?<br />

Mehr als das. Im Training wird das<br />

Glückshormon Dopamin ausgeschüttet, du fühlst<br />

dich stark, du bist wach und fokussiert. Wie<br />

im Rausch. Es treibt dich zu<br />

Höchstleistungen, die dich<br />

noch stärker machen.<br />

Und stolz. Wenn der<br />

Dopaminspiegel nach<br />

dem Training langsam<br />

sinkt, wird das<br />

Wohlfühlhormon<br />

Serotonin<br />

ausgeschüttet.<br />

Es steuert den<br />

Schlaf-Wach-Rhythmus<br />

und kontrolliert<br />

den Appetit. Am Ende<br />

bist du ausgeglichen und<br />

zufrieden.<br />

Wie sollen deine negativen<br />

Gedanken überleben wenn du<br />

selbstbewusster bist, eine starke innere<br />

Haltung annimmst und aus Niederlagen Chancen<br />

werden?<br />

Wenn die Hormone für dich spielen, dein<br />

Körper stark und kraftvoll wird und du weißt, wie<br />

du ihn steuern kannst. Du kannst dich besser<br />

konzentrieren, wirst mental fit.<br />

Box dich raus!<br />

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26<br />

GESELLSCHAFT<br />

mediakompakt<br />

Über Brexiteers<br />

Brexit – Großbritannien verlässt die EU. Was bedeutet diese<br />

drastische Entscheidung konkret?<br />

Europa ist und bleibt ein Gebiet der<br />

räumlichen Nähe. Auf einer Fläche von<br />

<strong>23</strong> Millionen Quadratkilometern<br />

tummeln sich 47 unabhängige Staaten.<br />

Die Fläche der 28 Mitgliedstaaten der EU<br />

beläuft sich auf etwa 4,5 Millionen<br />

Quadratkilometern, das ist nicht einmal halb so<br />

groß wie die USA. Und doch ist, durch die Masse<br />

an Mitgliedstaaten, die Gemeinschaft in der Lage,<br />

gegen Giganten wie die USA und Russland<br />

Stellung zu nehmen. Den Ursprung nahm die EU<br />

nach dem zweiten Weltkrieg und seiner<br />

verehrenden Folgen. Die Stimmung des<br />

Kontinents war angespannt, die Angst vor einem<br />

weiteren großen Krieg schwebte in der Luft. Als<br />

Gegenentwurf dazu entschieden sich die sechs<br />

Gründungsländer (Belgien, Deutschland,<br />

Frankreich, Italien, Luxemburg und die<br />

Niederlande), eine Gemeinschaft zu gründen, die<br />

heute als Europäische Union (EU) bekannt ist.<br />

Seitdem stieg die Mitgliederzahl auf 28 Staaten.<br />

Neben politischen Vorteilen der EU ergeben sich<br />

wirtschaftliche. Nicht nur war es möglich, in der<br />

EU zollfreien Handel zu treiben, auch konnten die<br />

Staaten als Einheit gegenüber anderen Ländern<br />

auftreten. Den Bürgern der Mitgliedstaaten ist es<br />

möglich, frei in die anderen Staaten zu reisen und<br />

dort zu arbeiten.<br />

Ein schneller Einkauf in Frankreich?<br />

Kein Problem.<br />

Spontan-Urlaub in den Niederlande?<br />

Nichts wie los.<br />

Jobangebot in Italien?<br />

Größtes Problem: Wohnungssuche.<br />

Doch die Zeiten änderten sich. Verschiedene<br />

Staaten warben darum, in die EU aufgenommen<br />

zu werden, doch in Großbritannien gab es eine<br />

Abstimmung über den Verbleib in der EU. Mit<br />

einem überraschenden Ergebnis. Im EU-Votum<br />

am <strong>23</strong> Juni 2016 nahmen 72 Prozent der<br />

Wahlberechtigen Engländer teil. Die Gesamtzahl<br />

beruft sich auf fast 30 Millionen Bürger, mehr als<br />

bei der letzten „General Election“. 51,9 Prozent<br />

stimmten für den Austritt aus der EU, 48,1 Prozent<br />

dagegen. Das Land war gespalten, genau wie das<br />

Votum waren die Reaktionen im Internet geteilt.<br />

Unter dem Twitter-Kürzel #Brexit ließ sich eine<br />

Nation und der Rest der Welt über das<br />

Referendum aus. Neben Glückwünschen wie: „I<br />

am so happy and proud of the British citizens for<br />

deciding to vacate the EU. You are a proud and<br />

noble Country w/culture to be preserved.” (Ich<br />

bin so stolz auf die britische Bevölkerung, für die<br />

Entscheidung die EU zu verlassen. Ihr seid ein<br />

stolzes, nobles Land mit Kultur, die bewahrt<br />

VON PAULA WÄCHTER<br />

werden muss.) von @clinchmtn316, kamen auch<br />

anderen Stimmen zu Wort. So echauffierte sich<br />

zum Beispiel @JordanTracey17, mit den Briten<br />

müssten auch Irland und Schottland aus der EU<br />

austreten. Obwohl in Schottland eine deutliche<br />

Mehrheit für den Verbleib in der EU gestimmt<br />

hatte: „An Englishman, a Scotsman and an<br />

Irishman went to a bar. They all had to leave<br />

because the Englishman wanted to go.” (Ein<br />

Engländer, ein Schotte und ein Ire gehen in eine<br />

Bar. Alle mussten gehen, weil der Engländer keine<br />

Lust mehr hatte).<br />

Schnell bildeten sich zwei Fronten. Die<br />

Brexitteers (Befürworter des Brexits) und die<br />

Brexitrebels, die den Austritt zu verhindern<br />

versuchen.<br />

Das Votum schlug hohe Wellen. In mehreren<br />

englischen Städten gab es Protestläufe. Das Pfund<br />

sank in der Folge auf ein Rekordtief, noch am<br />

selben Nachmittag trat Premierminister David<br />

Cameron von den Tories zurück. An seiner Stelle<br />

führte die neue Premierministerin Theresa May<br />

die Verhandlungen um die Brexit-Konditionen.<br />

Genau wie Cameron war May vor der Wahl gegen<br />

den Austritt aus der Europäischen Union, anders<br />

als Cameron änderte sie Ihren Standpunkt nach<br />

der Wahl. Ihr neues Ziel: Die Wünsche der


2/2018 GESELLSCHAFT<br />

27<br />

und Brexitrebels<br />

Wir haben mit einem Befürworter und einem Gegner des<br />

Ausstiegs gesprochen.<br />

Bevölkerung respektieren und einen vorteilhaften<br />

Ausstieg für Großbritannien aus der EU.<br />

Seit Mai 2017 laufen die Verhandlungen. In<br />

mehreren Runden soll vor allem über die drei<br />

Hauptaspekte entscheiden werden:<br />

Welche Rechte hat die Bevölkerung, sowohl<br />

die, der EU oder auch die des Vereinigten<br />

Königreichs? Wie kann der Dialog zwischen Nordund<br />

Südirland erhalten werden? Welche Summe<br />

muss die UK als Abfindung an die EU zahlen?<br />

Noch ist unklar, wie die Verhandlungen<br />

letztlich ausgehen. Für Großbritannien, so viel<br />

scheint klar, kann der Brexit schwerwiegende<br />

Folgen haben. Die Frage, wie es weiter gehen soll,<br />

beschäftigt die Bevölkerung fast zwei Jahre nach<br />

dem Referendum umso mehr. Was wird sich<br />

ändern? Was bleibt?<br />

Neben den Briten sind eine weitere Gruppe<br />

von dem Votum stark beeinträchtigt –<br />

Internationale Bürger, die in England leben und<br />

arbeiten. Wie Louisa Müller. Ihr Studium führte<br />

sie vor einigen Jahren nach London. Mittlerweile<br />

hat sie sich in der britischen Hauptstadt ein<br />

eigenes Leben aufgebaut und selbständig<br />

gemacht. Das Ergebnis des Brexit- Votums<br />

beschreibt sie so: „Schock, Traurigkeit, Gefühl der<br />

Ohnmacht.“ Ihr Motto: „Luft anhalten und<br />

durch“. Aus persönlichen Gründen war es ihr<br />

nicht möglich, London nach dem Votum zu<br />

verlassen, aber immer häufiger hört sie von<br />

anderen Europäern, die in ihre Heimat zurück<br />

kehren. Sie hat andere Pläne: „Ich lerne gerade für<br />

den Life-in-the-UK-Test, sodass ich englische<br />

Staatsangehörigkeit beantragen kann (und meine<br />

deutsche behalten)“. Was würde sie Menschen<br />

raten, die in England arbeiten wollen, momentan<br />

raten? „Nicht nach England kommen, bis sich die<br />

Wogen geglättet haben und das alles durch ist.“<br />

Für Louisa und ihre britischen Freundeskreis<br />

ist der Brexit ein Desaster, das die Briten bereuen<br />

werden, wie sie sagt. Doch genug Briten sehen in<br />

der Entscheidung die Möglichkeit wieder die<br />

Kontrolle über ihr Handeln zurückzugewinnen.<br />

Vermeintliche Probleme mit Migration war für<br />

viele Briten, ein Grund ihre Stimme für den<br />

Ausstieg zu geben. Die Vorteile andere<br />

Mitgliedstaaten empfinden die Brexiteers als<br />

Nachteil. Auch im Handel sehen sich einige Briten<br />

durch die EU benachteiligt. Als unabhängiger<br />

Staat könnten Briten bessere Handelsabkommen<br />

mit anderen schnell wachsenden Ländern<br />

vereinbaren, so hofft man, und dadurch<br />

wirtschaftliche Vorteil erhalten. Als dritten<br />

Motivation Grund nannte einige Wähler, so auch<br />

Martin Brooker, den Einfluss der EU auf die<br />

Gesetzeslage seiner Mitgliedstaaten: „Currently<br />

the EU make 70 per cent of our laws – how can this<br />

be correct“ („Momentan erlässt die EU 70 Prozent<br />

unser Gesetzte, wie kann das nur richtig sein?“).<br />

Nachteile die der Brexit mit sich bringen<br />

könnte sieht er nur wenige: „Some job losses likely<br />

in financial sector – likely slower growth during<br />

transition phase as uncertainty slows demand.“<br />

(„Im Finanzsektor könnte es zu Arbeitslosigkeit<br />

kommen, vermutlich wird währende der<br />

Transaktions-Phase ein geringeres Wachstum<br />

vorliegen, da Ungewissheit die Nachfrage<br />

verringert.“)<br />

Doch Ungewissheit bleibt auf beiden Seiten.<br />

Wohin wird der Brexit eine Nation mit viel<br />

Geschichte führen und welche Auswirkungen<br />

wird der Ausstieg schlussendlich auf die EU<br />

haben? Werden weitere Länder die EU verlassen?<br />

Bis ein Vertrag zwischen Brüssel und<br />

Großbritannien steht, bleibt den EU Bürgern<br />

nichts anderes übrig als abzuwarten und Tee zu<br />

trinken.


28<br />

GESELLSCHAFT<br />

mediakompakt<br />

Kein Kaffee-Klatsch<br />

Bild: Sarah Fuchs<br />

Wer als Flüchtling in<br />

Stuttgart ankommt, hat es<br />

oft nicht leicht. Das Café<br />

Nachbarschafft im<br />

Generationenhaus Heslach<br />

ist ein idealer Treffpunkt,<br />

an dem Ehrenamtliche<br />

den Flüchtlingen helfen.<br />

VON SARAH FUCHS<br />

Draußen ist es dämmrig, als sich die Tür<br />

zum Café Nachbarschafft öffnet. Der<br />

Raum ist hell erleuchtet, es herrscht<br />

angenehmes Gemurmel. Doch die<br />

Stimmung ist nicht ausgelassen wie in<br />

einem normalen Café, sondern konzentriert. Hier<br />

wird gearbeitet, nicht Kaffeeklatsch gehalten. An<br />

vielen Tischen sitzen zwei bis drei Personen und<br />

unterhalten sich, auf manchen sind Unterlagen<br />

ausgebreitet. Ein Mann mit dunkler Haut beugt<br />

sich über ein Buch und fährt mit dem Finger über<br />

die Zeilen, die er vorliest. Eine ältere Frau<br />

verbessert ihn: „Neujahr. Das ist der erste Januar,<br />

und das ist ein Feiertag.“ Auf der anderen Seite des<br />

Raumes steht eine Theke, dahinter sitzt ein junger<br />

Mann und unterhält sich mit einer zierlichen Frau<br />

mit Kopftuch. Die Frau trägt ein Namensschild an<br />

der Brust, „Renate, Gastgeberin“ steht darauf.<br />

Renate Vischer ist für die Organisation des<br />

Cafés zuständig und seit März im Freundeskreis<br />

Flüchtlinge Süd aktiv. Mittlerweile gibt es zu jeder<br />

Flüchtlingsunterkunft in Stuttgart einen<br />

Freundeskreis, in dem ehrenamtlich engagierte<br />

Bürgern aktiv sind. An jedem geöffneten Tag des<br />

Café Nachbarschafft übernimmt der Freundeskreis<br />

Süd von 17 bis 20 Uhr den Thekendienst.<br />

In dieser Zeit sind insbesondere Flüchtlinge<br />

willkommen. Ehrenamtliche des Freundeskreises<br />

oder auch andere Freiwillige kümmern sich dann<br />

um Flüchtlinge. Tagsüber ist jeder Besucher<br />

herzlich willkommen. „Der Thekendienst ist in<br />

Teams eingeteilt. Insgesamt sind das 30 bis 35<br />

Ehrenamtliche. Dazu kommen noch sechs<br />

Personen für Sprachunterricht“, erklärt Renate<br />

Vischer. Wenn die Flüchtlinge in Deutschland<br />

ankommen, müssen sie eine Sprachschule<br />

besuchen. Oftmals vermittelt der Unterricht aber<br />

nur Basiswissen, es bleibt wenig Zeit für Übungen.<br />

Um die Lücke zu schließen, kommen die<br />

Flüchtlinge ins Café. Sie bringen die Unterlagen<br />

aus dem Kurs mit. Die Ehrenamtlichen gehen mit<br />

ihnen die Aufgaben durch.<br />

An einem Tisch in der Mitte des Raumes sitzt<br />

eine fröhliche junge Frau mit blonden Locken<br />

und einem strahlenden Lächeln, umringt von<br />

zwei jungen Männern. Sarah ist eigentlich<br />

Lehrerin für Geschichte und Englisch an einem<br />

Gymnasium und engagiert sich seit zwei Jahren<br />

im Café. „Die Sprachhilfe hier mit Flüchtlingen ist<br />

etwas ganz anderes als Schulunterricht“, sagt sie.<br />

„Ich finde es regelrecht entspannend, das ist ein<br />

guter Ausgleich.“ Heute hilft sie Ryad und<br />

Tekeleab bei einigen Aufgaben. Ryad ist ein sehr<br />

kontaktfreudiger Syrer und schreibt prompt<br />

seinen vollen Namen in schönen Druckbuchstaben<br />

auf ein Blatt Papier. Die Worte<br />

sprudeln nur so aus ihm heraus: „Ich lebe seit über<br />

zwei Jahren in Deutschland. Ich will viel Deutsch<br />

lernen und brauche Übung. Und ich brauche<br />

noch Frau. Sind Sie frei?“ Er lacht herzlich und<br />

notiert sofort seine Handynummer auf dem Blatt.<br />

In seiner Heimat war Ryad Krankenpfleger<br />

und er möchte seinen Beruf auch in Deutschland<br />

ausüben. Wenn er den B2-Kurs besteht, darf er ein<br />

Praktikum beginnen. „Es ist nicht einfach mit den<br />

Deutschkursen. Ich musste über ein Jahr warten,<br />

bevor ich einen Kurs machen durfte. Da habe ich<br />

mir im Internet etwas Deutsch beigebracht“,<br />

erzählt Ryad. Mit Sarah geht Ryad ein Heft mit<br />

Fragen für einen Einbürgerungstest durch. Das<br />

Heft trägt den Titel „Leben in Deutschland“ und<br />

umfasst 300 Fragen. Dann steht Sarah auf und sagt<br />

zu Ryad und Tekeleab: „Wir spielen jetzt ein<br />

Spiel.“ Sie geht an die Theke und kommt mit einer<br />

Kiste Papierkarten zurück. Es ist ein<br />

Memory-Spiel. Sarah verteilt die Karten auf dem<br />

ganzen Tisch. Es gibt Karten mit Bildern und<br />

Karten mit Wörtern. Tekeleab ist ziemlich fix bei<br />

dem Spiel und findet schnell den passenden<br />

Begriff zum jeweiligen Bild.<br />

Inzwischen ist der Geräuschpegel im Café<br />

deutlich angestiegen. „Jeder ist willkommen“,<br />

sagt Renate Vischer. „Aber besonders im Winter<br />

haben wir etwas Probleme mit den Obdachlosen.<br />

Da muss man mit Nachdruck die Leute zum<br />

Gehen bitten.“ Nicht nur bei Sprachübungen<br />

helfen die Ehrenamtlichen gerne. Auch wenn es<br />

um Behördengänge oder Wohnungssuche geht.<br />

„Für diese Angelegenheiten gibt es Mitarbeiter,<br />

die sich damit besser auskennen.“<br />

Einige im Café haben mit dem Lernen<br />

aufgehört und unterhalten sich. Sarah versucht<br />

mit unermüdlicher Fröhlichkeit Tekeleab das<br />

Wort „verkaufen“ zu erklären: „Du hast das Wort<br />

kaufen. Vor dem Wort gibt es nur einen einzigen<br />

Parkplatz. Wenn du ver davor stellst, ist der<br />

Parkplatz voll. Du kannst nicht ge-ver-kaufen<br />

machen.“ Alle am Tisch lachen herzlich und Ryad<br />

sagt begeistert: „Ah, so ist das.“<br />

Bild: Sarah Fuchs


2/2018 GESELLSCHAFT<br />

29<br />

Von Frauen für Frauen<br />

2017 feierte der Verein „Frauen helfen Frauen e.V.“ in Stuttgart sein 40-jähriges Jubiläum. Im<br />

vorangegangen Jahr haben in Stuttgart insgesamt 50 Frauen und 47 Kinder im Frauenhaus<br />

Schutz vor häuslicher Gewalt gefunden. Ein Besuch.<br />

VON LISA WARTH<br />

Nicht nur in Hollywood, am<br />

Arbeitsplatz oder in einem zwielichtigen<br />

Club in der Stadt: Vor allem<br />

viele Frauen und Kinder werden<br />

zuhause Opfer von physischer,<br />

psychischer oder sexualisierter Gewalt, ausgehend<br />

von einem Familienmitglied oder einem<br />

Menschen, der dem Opfer doch eigentlich sehr<br />

nahe steht. Laut Bundesministerium für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend erlebt jede vierte<br />

Frau in ihrem Leben häusliche Gewalt – treffen<br />

kann es jede, unabhängig von Kultur oder<br />

Gesellschaftsschicht. Die meisten Opfer befinden<br />

sich in einer Gewaltspirale, der Ausbruch<br />

scheint unmöglich. Da ist das Versprechen des<br />

Täters, dass es „nie wieder“ passieren wird,<br />

schwindendes Selbstvertrauen und die Angst<br />

vor den Folgen. Hier setzt die Arbeit von<br />

Frauenhäusern an: Frauen, die sich in einer<br />

scheinbar ausweglosen Krisensituation befinden,<br />

werden unterstützt bei dem schweren Weg aus<br />

der Gewalt und in ein neues Leben.<br />

In Stuttgart hat sich der Verein „Frauen<br />

helfen Frauen e.V.“ diesem Ziel verschrieben:<br />

Seit 40 Jahren ist der Verein Träger des<br />

autonomen Frauenhauses Stuttgart und betreibt<br />

zwei Beratungsstellen, um den Opfern von<br />

häuslicher Gewalt zu helfen. In Deutschland<br />

gibt es insgesamt 350 Frauenhäuser. „In<br />

Stuttgart haben wir Platz für 18 Frauen und<br />

22 Kinder, das ist damit das<br />

größte Frauenhaus Baden-Württembergs“,<br />

so Anna Feistritzer, die als Sozialarbeiterin,<br />

gemeinsam mit 10 Kolleginnen, Familien<br />

während ihres Aufenthaltes im Frauenhaus<br />

betreut. In den beiden Beratungsstellen<br />

beschäftigt der Verein noch weitere<br />

Mitarbeiterinnen. „Dennoch können nicht<br />

alle Frauen, die sich an den Verein wenden, ins<br />

Frauenhaus einziehen: In ganz Deutschland gibt<br />

es zu wenig Frauenhaus-Plätze, um allen Frauen<br />

und Kindern Schutz und Unterkunft zu bieten.“,<br />

erklärt Anna Feistritzer.<br />

„Frauen helfen Frauen“ bietet persönliche<br />

oder telefonische Beratung. Seit 2016<br />

gibt es die Möglichkeit einer anonymen<br />

Online-Beratung, um den veränderten<br />

Lebensbedingungen und neuen Bedürfnissen<br />

gerecht zu werden. Bei der Beratung<br />

wird darüber gesprochen, wie eine Frau den<br />

Weg aus der Gewalt bewältigt, ob und wie<br />

ein Einzug ins Frauenhaus möglich ist.<br />

„Manchmal, bei einer akuten Bedrohungssituation,<br />

muss alles ganz schnell gehen. Die Frau<br />

zieht über Nacht zuhause aus und wird ins<br />

Bild: Pexels.com / Kat Smith<br />

Frauenhaus vermittelt. In anderen Fällen wird eine<br />

Flucht mit unserer Unterstützung über Wochen<br />

geplant, bis der richtige Zeitpunkt<br />

da ist, um den ersten Schritt in ein neues<br />

Leben zu gehen“, so Feistritzer. Oberste Regel ist<br />

die Anonymität: Die Adresse des Frauen- hauses ist<br />

geheim, da- mit die Frauen und Kinder<br />

vom<br />

Täter<br />

nicht gefunden werden können. Viele Frauen<br />

kommen gar nicht aus Stuttgart, sie sind<br />

hergekommen, um ein neues Leben aufzubauen.<br />

Wenn alles geklärt ist, wird ein Treffpunkt<br />

vereinbart, an dem eine Mitarbeiterin die Frauen<br />

zum Frauenhaus bringt. Die Bewohnerinnen<br />

leben in einer Art Wohngemeinschaft: Jede hat<br />

ihr eigenes Zimmer, Küche und Bad werden<br />

geteilt, außerdem gibt es einen Gemeinschaftsraum.<br />

Die Bewohnerinnen leben<br />

selbstständig im Haus. In einer Hausversammlung<br />

werden Fragen geklärt und bestimmte<br />

Tätigkeiten untereinander aufgeteilt. 64 Prozent<br />

der Frauen bleiben bis zu einem halben Jahr im<br />

Frauenhaus, 36 Prozent länger. Die<br />

Mitarbeiterinnen begleiten die Frauen durch<br />

regelmäßige Beratungsgespräche auf dem Weg in<br />

ein neues Leben. Die Frauen werden bei der<br />

Verarbeitung des Erlebten ebenso unterstützt wie<br />

bei Gerichtsverfahren und der Suche nach einem<br />

neuen Job und einer Wohnung. „Wir begleiten<br />

die Frauen auch zu wichtigen Terminen und<br />

vermitteln Kontakte zum Beispiel zu Rechtsanwältinnen“,<br />

erklärt Anna Feistritzer. Der Alltag<br />

läuft so normal wie möglich ab: Die Kinder gehen<br />

zur Schule oder zum Kindergarten, die Frauen,<br />

wenn sie einen Job haben, zur Arbeit. Es werden<br />

Ausflüge und ein gemeinsamer Urlaub<br />

organisiert, um Ablenkung zu bieten. Die<br />

meisten Frauen schaffen es, sich in dieser Zeit<br />

ein eigenes neues Leben aufzubauen, aber<br />

immerhin 20 Prozent gehen trotzdem<br />

wieder zurück in das Gewaltumfeld.<br />

Für den Verein ist die Aufklärung eine<br />

weitere wichtige Aufgabe. Das Thema<br />

häusliche Gewalt soll in den Fokus der<br />

Öffentlichkeit gerückt werden, um die<br />

Situation von Frauen, die häusliche Gewalt<br />

erleben mussten, zu verbessern. So<br />

finden jedes Jahr Veranstaltungen und Aktionen<br />

statt, etwa Benefizkonzerte, Aktionen zum<br />

Weltfrauentag, aber auch die regelmäßige<br />

Zusammenarbeit mit Schulen und Universitäten,<br />

um Kinder und Jugendliche<br />

frühzeitig für das Thema zu sensibilisieren.<br />

Ein großes Projekt für die Zukunft ist die<br />

Suche nach einer neuen Immobilie. Da in<br />

Zeiten der Digitalisierung die Geheimhaltung<br />

der Adresse immer schwieriger wird, soll das<br />

neue Haus durch eine 24 Stunden besetzte<br />

Pforte geschützt sein. Dadurch soll die Last der<br />

Geheimhaltung, die gerade für die Kinder sehr<br />

schwer ist, vermindert werden. Ein immer<br />

aktuelles Problem ist es, die Finanzierung zu<br />

sichern, damit alle Frauen Schutz finden können.


30<br />

GESELLSCHAFT<br />

mediakompakt<br />

Endstation Grab?<br />

Die Totenruhe stören, um einen<br />

menschlichen Körper nach dem<br />

<strong>Exit</strong>us für Geld zu verkaufen –<br />

das ist eine Praxis mit<br />

historischen Wurzeln, die auch<br />

heute noch ausgeübt wird. Ein<br />

Beitrag über „Knochenjobs”<br />

und unfreiwillige Spender.<br />

VON LAURA DIEMAND<br />

Bild: Pexels.com / Skitterphoto<br />

Ein Gerichtsaal in New Jersey, 2008. Der<br />

Angeklagte im khakifarbenen Hemd hat<br />

soeben auf schuldig plädiert. Er kommt<br />

für mindestens 18 Jahre ins Gefängnis.<br />

Sein Verbrechen? Der frühere Zahnarzt<br />

Michael Mastromarino handelte von 2001 bis<br />

2005 mit Gewebe und Knochen toter Menschen –<br />

ohne dass deren Verwandte zugestimmt hatten.<br />

Versteckt hinter einer bürgerlichen Fassade, hatte<br />

er über Jahre ein millionenschweres Unternehmen<br />

aufgebaut, das sich auf ein Netzwerk<br />

kooperierender Leichenhäuser stützte. Darunter<br />

waren Körperteile von HIV-Infizierten und<br />

Krebs-Toten.<br />

2012 wurde in der Ukraine ein ähnlicher Fall<br />

durch den inländischen Geheimdienst aufgedeckt.<br />

In einem Auto fand man unzählige,<br />

illegal entnommene Leichenteile. Zum Leidwesen<br />

der Angehörigen, sie hatten nur eingewilligt, eine<br />

Achillessehne oder die Hornhaut der Augen zu<br />

spenden. Die damit im Zusammenhang stehende<br />

Firma Tutogen Medical GmbH hat bis heute einen<br />

Sitz in Deutschland. Das Geschäft mit menschlichem<br />

Gewebe verspricht große Gewinne. Laut<br />

dem Magazin „Stern“ betrug der Umsatz 2008<br />

bereits mehr als eine Milliarde Dollar pro Jahr in<br />

den USA. Dies verlockt dazu, auch unlautere Wege<br />

zu gehen.<br />

Diese spektakulären Einzelfälle sind Beispiele<br />

für die wirtschaftliche Nutzung von Leichen. Es<br />

Bild: Pixabay.com / kasperfeyring<br />

gab Zeiten, in denen das Plündern von Toten<br />

geradezu grassierte und noch weitaus<br />

organisierter stattfand. Blicken wir dazu zurück<br />

ins Europa im Zeitalter der Aufklärung.<br />

Tiefe Nacht. Ein Friedhof in einem Städtchen<br />

nahe London, 17. Jahrhundert. Ein schlichter<br />

Holzsarg wird von zwei Männern langsam in die<br />

vorbereitete Grube abgesenkt. Kleine Atemwölkchen<br />

erheben sich vom dunklen Schleier der<br />

stark schluchzenden Frau im mittleren Alter. Das<br />

Grab wird gefüllt. Sie ist die einzige Trauernde am<br />

Grab. Dunkelheit senkt sich über die Friedhofsmauern<br />

auf die Siedlungen. Im Schein des<br />

Mondes ein Rascheln. Dieselbe Frau, nun<br />

ungleich flinker, huscht an Gräbern vorbei über<br />

das Gelände. Gefolgt von zwei kräftigen Gestalten<br />

bleibt sie am frischen Grab stehen, sofort wird d<br />

beginnen die anderen mit höchster Geschwindigkeit<br />

zu graben. Der Sarg kommt zum<br />

Vorschein, wird mit einem dumpfen Knacken<br />

aufgebrochen, ein schlaffer Körper in einen<br />

Leinensack geschoben. Bepackt mit der Last wird<br />

das Trio vom schwarzen Umriss des angrenzenden<br />

Waldes verschluckt.<br />

So oder ähnlich könnte sich ein Leichenraub<br />

in England damals abgespielt haben. Der tote,<br />

noch nicht zu stark verweste Körper eines<br />

verstorbenen Menschen war zu der Zeit sehr<br />

gefragt. Sowohl in den neuen Kolonien als auch in<br />

Europa machte die Medizin und damit die<br />

Chirurgie stetig Fortschritte. Die wachsende<br />

Anzahl an Lehrinstitutionen war mit einem<br />

Mangel an Kadavern fürs Sezieren konfrontiert.<br />

Zu dieser Zeit stammten Körperspenden meist<br />

von Mördern oder anderen Kriminellen. Den<br />

„Sündern“ sollte so die letzte Ruhe verwehrt<br />

werden. Freiwillige Spender unter der gläubigen<br />

Bevölkerung waren selten. Gleichzeitig verwesten<br />

die wenigen Körper viel zu schnell und wurden so<br />

unbrauchbar für die Lehre. Es mangelte an<br />

Mitteln für die Kühlung. Auch die Konservierungsmethoden<br />

waren noch nicht weit genug<br />

fortgeschritten, um den Verfall zu verlangsamen.<br />

In diese makabre Marktlücke traten Leichendiebe,<br />

im alten England auch „Resurrectionists”<br />

oder „Bodysnatchers” genannt. Sie<br />

stahlen Körper aus Friedhöfen und anonymen<br />

Massengräbern der Armen, die sich keine<br />

Bestattung leisten konnten. Die Lehrstühle der<br />

Mediziner zahlten einen guten Preis. Teilweise<br />

wurden Toten zuvor die Haare geschoren und die<br />

Zähne entnommen, um diese an Perückenmacher<br />

und Zahnärzte für Gebisse zu verkaufen.<br />

Manche unglückliche Menschen fanden ihre<br />

letzte Ruhe auf dem Seziertisch, noch bevor man<br />

sie bestattet hatte. Die schottischen Serienmörder<br />

Willliam Burke und William Hare etwa zählen zu<br />

den berüchtigtsten Beispielen für Leichendiebe,<br />

die vom Ausgraben zum Töten übergingen, um<br />

sich die Körper zu verschaffen. Innerhalb des<br />

Jahres 1828 verkauften sie ganze 16 Mordopfer an<br />

einen Lehrenden der Anatomie, bevor man sie<br />

fassen konnte und zum Tode verurteilte.<br />

In der Öffentlichkeit schürten solche Vorfälle<br />

vor allem die Angst unter den Armen. Es<br />

entwickelten sich Methoden zur Abwehr der<br />

Leichendiebe. Wer es sich leisten konnte und<br />

besonders misstrauisch war, ließ in einen eisernen<br />

Gitterkäfig über der Grabstätte des verstorbenen<br />

Familienmitglieds installieren. Für weniger Geld<br />

gab es die Möglichkeit, Wache zu stehen oder die<br />

Körper vor der Bestattung planmäßig soweit<br />

verwesen zu lassen, sodass sich der Diebstahl<br />

nicht mehr lohnen würde.<br />

Anfang des 19. Jahrhunderts schließlich<br />

reagierte die Politik, es wurden Gesetze erlassen,<br />

die es Familien erleichterten, die Körper ihrer<br />

Verwandten der Wissenschaft zu überlassen.<br />

Außerdem wurde es legal für Mediziner und<br />

Lehrende der Anatomie, Leichen, die niemand zu<br />

seiner Familie zugehörig erklärte, für das Sezieren<br />

zu nutzen. Die Nachfrage nahm ab.<br />

Leichendiebstähle wurden seltener. Durch den<br />

laufenden Fortschritt in der Konservierung von<br />

Körpern konnten in späteren Jahrzenten Subjekte<br />

immer länger für die Lehre genutzt werden.<br />

Wie jedoch die moderne Zeit zeigt, ist es nicht<br />

vollständig zu Ende mit dem Handwerk der<br />

Leichenfledderer. Ein Grab ist immer noch nicht<br />

für alle die Endstation.


2/2018 GESELLSCHAFT<br />

31<br />

Youth Revolt<br />

Die sechziger Jahre in London. Die Gesellschaft ist an Konformitäten gewöhnt, an perfekten<br />

Glam-Rock von David Bowie und den Beatles. Die Hippie-Bewegung ist auf ihrem Zenit. Stellen<br />

wir uns vor, man ist ein Teenager aus einer Familie der unteren Mittelschicht, will unbedingt<br />

dazugehören, doch das Establishment verweigert einem all das. Diese Frustration war der<br />

zündende Funke des Punks.<br />

VON HANNAH DÜSER<br />

Der Grundstein<br />

in Form der ersten<br />

Bands wurde<br />

in New York gelegt<br />

(The Sonics,<br />

Patti Smith Group), erst in<br />

London wurde Punk zu der<br />

Bewegung, die wir heute<br />

kennen. Der englische Begriff<br />

Punk bedeutet wörtlich<br />

„faulendes Holz“ und bezeichnete<br />

bei Shakespeare Prostituierte<br />

und Homosexuelle. Es<br />

sollte das Unnütze ausdrücken,<br />

das die Jugendlichen in sich<br />

sahen. In der Musikszene erlangte<br />

der Begriff an Bedeutung,<br />

als der Gitarrist der Patti Smith<br />

Group den amerikanischen<br />

Garagen-Rock der 1960er damit<br />

beschrieb.<br />

In der britischen Musikszene<br />

taucht der Begriff dank der<br />

Journalistin Caroline Coon auf,<br />

die die jungen englischen Rockbands<br />

wie die Sex Pistols, The Clash<br />

und The Damned so bezeichnete. Bands,<br />

deren Musik vielen Teenagern aus der Seele<br />

sprach. Denn diese hegten einen Groll gegen<br />

Institutionen aller Art und das Klassensystem in<br />

England. Pop und Rock waren gesellschaftlich<br />

akzeptiert, es gab kaum Alternativen, mit denen<br />

sich Jugendliche identifizieren konnten. Die<br />

Antwort darauf: Von der Szene für die Szene.<br />

Eigenkreation lautete die Devise. Aller<br />

Konformismus wurde verachtet, Dilettantismus<br />

wurde gefeiert. Qualität war nicht mehr gefragt,<br />

sogar unerwünscht.<br />

Unvollkommene, beinahe dreckige Ausführung<br />

war die Essenz der Punk-Bewegung.<br />

Rebellion hieß, sich abzugrenzen, deshalb wurde<br />

das eigene Leiden und der Zustand der Welt zum<br />

zentralen Inhalt des Gegenstatements. Kritik am<br />

System musste nicht mehr konstruktiv sein, der<br />

Ausschluss aus der Gesellschaft war Grund genug<br />

sich zu äußern. Hässlichkeit war die Antwort auf<br />

den elitären Lebensstil, inklusive exzessivem<br />

Drogen- und Alkoholkonsum. Auf den Konzerten<br />

wurde nicht friedlich mitgeklatscht, sondern<br />

wütend Pogo getanzt, das Publikum verwandelte<br />

sich in einen eingeschworenen Mob, der seinen<br />

Cover des Albums „Never Mind the Bollocks, Here‘s the Sex Pistols“ (1977)<br />

Frust gemeinsam loswerden wollte.<br />

Punk-Bands, das Sprachrohr der Szene,<br />

mussten sich bald einem Interessenkonflikt<br />

stellen. Die Anti-Alles-Einstellung ließ sich<br />

schlecht mit dem kommerziellen Interesse<br />

vereinen, Musik zu verkaufen und Gewinn zu<br />

machen. Der Erfolg machte es vor allem den Sex<br />

Pistols unter ihrem Manager Malcolm McLaren<br />

schwer. Dass sie zu Idolen wurden, war so gar<br />

nicht mit dem Nonkonformismus des Punk zu<br />

kombinieren. Ihre Songs „Anarchy In The UK“<br />

und „God Save The Queen“ rückten Punk in den<br />

Blick der Öffentlichkeit. Neue Punk-Bands<br />

wurden gegründet (The Clash, Stiff Little Fingers).<br />

In der zweiten Hälfte der 1970er entwickelten sich<br />

erste Subgenres des Punks: Anarcho Punk (Cross,<br />

Conflict), Streetpunk (Sham96, Blitz) und<br />

Horrorpunk (Misfits).<br />

Die Siebziger Jahre<br />

Während in den 70er Jahren New Wave noch<br />

ein Synonym für Punk Rock war, wurden daraus<br />

später unterschiedliche Musikstile. Es war die<br />

weniger radikale Alternative für Mitglieder der<br />

Szene, die nicht nur brachiale Drei-<br />

Akkorde-Songs hören wollten, die den<br />

Weltschmerz beklagten. Punk Rock<br />

wurde in Groß- britannien (Joy Division,<br />

The Cure), in Amerika (Blondie, Suicide)<br />

und hierzulande als „Neue Deutsche<br />

Welle“ bekannt (Fehlfarben, Einstürzende<br />

Neubauten). New Wave machte<br />

Punk, zum Missfallen der Szene,<br />

salonfähig. In den 90er Jahren begann<br />

das einende Fundament gemeinsamen<br />

Frusts Risse zu zeigen und<br />

letztendlich fast zu zerbrechen. Der<br />

Stil der Punk-Szene wurde zur<br />

Jugendmode, die politischen<br />

Forderungen und krassen Statements<br />

wurden weniger, Bands wie<br />

The Offspring wanderten vom<br />

Untergrund in den Mainstream.<br />

Aktive oder Ex-Punks fühlten sich<br />

der Szene nicht mehr zugehörig<br />

und suchten deshalb Zugehörigkeit<br />

bei anderen Gruppen, wie<br />

den Autonomen oder der Antifa.<br />

Punk verkam zu einer Art<br />

Dachmarke neuer Stile, denen die alte<br />

Radikalität abhan- dengekommen war. Beispiele<br />

dafür sind Grunge (Nirvana, Pearl Jam), aber auch<br />

Stile aus der Surfer- und Skater-Szene (Green Day,<br />

The Offspring). Heutzutage bezeichnet man<br />

Musik ab Ende der 90er Jahere etwas umstritten als<br />

Pop-Punk, darunter fallen neben blink182 auch<br />

Green Day und Paramore.<br />

Zeitloses Konzept der Unangepasstheit<br />

Dieses Phänomen der Vermischung ist auch<br />

heute immer noch aktuell in der Punk-Szene. Sie<br />

gehören zum Straßenbild der europäischen<br />

Großstädte und die Straßenpunks sind den<br />

Wurzeln der Szene noch am nächsten. Doch das<br />

jugendliche Unverstandensein und der Wunsch<br />

sich abzugrenzen, finden sich mittlerweile bei so<br />

vielen Subkulturen, dass eine Zusammenführung<br />

der verschiedenen Lager beinahe unvermeidbar<br />

ist. Den Kern des Punks findet man in jeder dieser<br />

Subkulturen: das sagen zu dürfen, was<br />

man sagen will.<br />

„Punk Rock should mean freedom, liking and<br />

accepting anything that you like. Playing<br />

whatever you want. As sloppy as you want. As<br />

long as it‘s good and it has passion.”<br />

– Kurt Cobain


32<br />

GESELLSCHAFT<br />

mediakompakt<br />

Abflug von<br />

der Erde!<br />

Der Weltraum fasziniert Menschen seit Jahrhunderten. Im<br />

Laufe der Geschichte haben wir vieles darüber gelernt und<br />

sogar das einst undenkbare geschafft: Wir haben Menschen<br />

auf den Mond gebracht. Jetzt, fast 50 Jahre später, denken<br />

einige an eine Rückkehr und wollen sogar noch viel weiter<br />

hinaus: zum Mars!<br />

VON ANA KARLOVCE<br />

Bild: Stuttgarter Nachrichten<br />

Trotz aller Entdeckungen und Leistungen<br />

in der Raumfahrt der vergangenen<br />

Jahrzehnte, gibt es Unzähliges, das wir<br />

nicht verstehen und uns weiter vor Rätsel<br />

stellt. Wie die zentrale Frage „Gibt es<br />

neben uns noch weiteres Leben im All?“. Bei<br />

dieser Fragestellung ist in den vergangenen Jahren<br />

vor allem eines in den Schwerpunkt gerückt: die<br />

intensivere Erforschung des Mars. Als erdnächster<br />

Planet ist er ein bevorzugtes Forschungsziel,<br />

allerdings ist der Himmelskörper aus mehreren<br />

Aspekten für die Frage nach außerirdischem<br />

Leben wichtig geworden: Zum einen ist Forschern<br />

seit einiger Zeit bekannt, dass es auf dem Mars<br />

früher eine große Menge an flüssigem Wasser<br />

gegeben haben muss, da die Struktur seiner<br />

Oberfläche auf ehemalige Seen, Flüsse und<br />

Gletscher schließen lässt. Zum anderen haben<br />

neuere Erkenntnisse durch den Mars Rover<br />

„Curiosity“ der amerikanische Raumfahrtbehörde<br />

NASA (National Aeronautics and Space<br />

Administration) zu der Annahme beigetragen,<br />

dass es dort wahrscheinlich noch immer Wasser<br />

gibt. Das würde bedeuten, es hat dort möglicherweise<br />

Lebensformen gegeben oder es gibt sie<br />

noch. Ein weiterer Grund ist, dass wir vom Mars<br />

viel über die Entstehung und Entwicklung von<br />

erdähnlichen Planeten lernen können, was ein<br />

besseres Verständnis über die Erde liefern kann.<br />

Die weltweiten Raumfahrtagenturen operieren<br />

momentan mit mehreren Marsmissionen auf der<br />

Suche nach aktuellem oder vergangenem Leben,<br />

wie beispielsweise die bereits genannte Mission<br />

„Curiosity“ der NASA, sowie das Raumsondenprojekt<br />

ExoMars, an dem die europäische ESA<br />

(European Space Agency) gemeinsam mit der<br />

russischen Raumfahrtagentur Roskosmos arbeitet.<br />

Doch das soll nicht alles bleiben! Es bestehen<br />

seit langem Überlegungen, Astronauten zum Mars<br />

zu schicken, doch nun gibt es konkrete Pläne für<br />

bemannte Flüge. Die ersten bemannten Missio-<br />

nen sind in den 2030-er Jahren geplant, sowohl<br />

von Seiten der USA, wie auch von Europa in<br />

Kooperation mit Russland. Auf der offiziellen<br />

Webseite der NASA gibt diese in einer „Journey to<br />

Mars Overview“ einen Einblick über die geplanten<br />

Schritte. Sie bestehen zunächst aus verschiedenen<br />

Tests hier auf der Erde, um notwendige Systeme<br />

und Vorgehensweisen zu entwickeln. Die entwickelten<br />

Systeme sollen dann in Mondnähe<br />

getestet werden. In der letzten Phase werden<br />

Vorbereitungen für die Landung getroffen, um<br />

das Eintreffen und Überleben der Astronauten auf<br />

dem Mars zu gewährleisten. Die ESA hat ebenfalls<br />

als Langzeitziel eine bemannte Mission zu Mars.<br />

Allerdings plant die europäische Raumfahrtagentur<br />

zunächst eine Rückkehr zum Mond. Und<br />

zwar in einem globalen Projekt namens „Moon<br />

Village“. Die Vision stammt von dem Generaldirektor<br />

der ESA, Jan Wörner. Die Idee dahinter<br />

ist, die weltweiten Weltraumnationen in einem<br />

Projekt zu vereinen und von deren verschieden


2/2018 GESELLSCHAFT<br />

33<br />

Fähigkeiten zu profitieren, sei es im Bereich der<br />

Robotik oder in Form von Astronauten. Ein<br />

Projekt auf dem Erdtrabanten würde ganz neue<br />

Perspektiven und Herausforderungen schaffen.<br />

Menschen würden gemeinsam auf dem Mond<br />

leben und arbeiten. Die Bewohner dieser permanenten<br />

Basis könnten in verschiedenen Feldern<br />

tätig werden, nicht nur in der Wissen- schaft und<br />

Grundlagenforschung, sondern auch in kommerziellen<br />

Aspekten wie Rohstoffge- winnung oder<br />

gar Tourismus. Vorteile dafür sieht Jan Wörner auf<br />

jeden Fall: Wenn wir in der Lage sind, dass<br />

Menschen auf dem Mond überleben können, sind<br />

wir auf dem besten Weg, das auch auf dem Mars<br />

umsetzen zu können. Somit wäre er der ideale<br />

„Trainingsplatz“. Des Weiteren wissen wir bei<br />

Weitem noch nicht alles über den Mond. Sollte<br />

dieses Projekt in den nächsten Jahren umgesetzt<br />

werden, hätten wir zudem noch einen weiteren<br />

Nutzen: Ein sogenanntes „Deep Space Gate“ –<br />

einen Startpunkt vom Mond aus, um noch weiter<br />

ins All vorzudringen als jemals zuvor! Lässt man<br />

diesen Gedanken einmal Revue passieren, klingt<br />

das nahezu unglaublich und viel mehr nach<br />

einem Science-Fiction-Roman, als der Realität.<br />

Aber nicht nur die Raumfahrtagenturen der<br />

einzelnen Nationen haben den Mars ins Visier<br />

genommen. Auch private Unternehmen haben es<br />

sich zum Ziel gemacht, den Menschen auf den<br />

Mars zu bringen und planen sogar das ehrgeizige<br />

Vorhaben, den Mars zu kolonialisieren. Beispielsweise<br />

das von Elon Musk, dem Chef des Elektro-<br />

Automobilherstellers Tesla, gegründete Raumfahrtunternehmen<br />

SpaceX. Er hat sich zum Ziel<br />

gemacht, Technologien zu entwickeln, die es<br />

ermöglichen sollen, Raketen wie Flugzeuge wiederzuverwenden.<br />

Seiner Aussage nach würden<br />

damit die Kosten von Raketenmissionen um ein<br />

Vielfaches sinken und die Möglichkeit eröffnen,<br />

auch privaten Personen die Gelegenheit auf einen<br />

Flug in den Weltraum zu bieten. Sein Konzept ist,<br />

einen konstanten Transfer von der Erde zu etwa<br />

dem Mars und wieder zurück zu ermöglichen. Der<br />

Clou an dieser Geschichte? Es funktioniert! Zwar<br />

noch nicht zum Mars, aber immerhin in den<br />

Orbit. SpaceX arbeitet seit einiger Zeit eng mit der<br />

US-Regierung zusammen und hat erst kürzlich<br />

Satelliten erfolgreich in die Erdumlaufbahn gebracht.<br />

Seinen Plan, den Mars zu besiedeln, hat<br />

Musk detailliert auf dem diesjährigen Internationalen<br />

Astronauten-Kongress im australischen<br />

Adelaide präsentiert und lässt sich unter den<br />

Namen „Making Life Multiplanetary“ als Video<br />

auf YouTube verfolgen. Klar ist jedoch, dass<br />

SpaceX das konkrete Ziel verfolgt, im Jahr 2022<br />

den ersten unbemannten Flug zum Mars zu<br />

starten, zwei Jahre später sollen die ersten<br />

Menschen folgen.<br />

Missionsplan war es, eine Crew von 40<br />

Freiwilligen zu finden, die über ein Online-<br />

Auswahlverfahren ausgewählt werden sollten, um<br />

dann anschließend über mehrere Jahre hinweg<br />

ein besonderes Mars-Trainingsprogramm zu<br />

absolvieren. Einen Medienhype hat dieses<br />

Vorhaben nicht nur wegen des Ansatzes bereits im<br />

Jahr 2022 zum Mars zu starten ausgelöst, sondern<br />

2024 sollen die<br />

ersten Menschen<br />

auf den Mars<br />

reisen!<br />

vor allem wegen der Tatsache, dass die Freiwilligen<br />

keine Möglichkeit mehr haben würden,<br />

auf die Erde zurück zu kehren. Mars One ist also<br />

im wahrsten Sinne ein One-Way-Ticket zum Mars!<br />

Klingt abgespaced? Ist es auch! Vor allem aber<br />

unmoralisch und gefährlich, wie Experten wie<br />

Professor Dr. Tilman Spohn, ehemaliger Leiter des<br />

Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt<br />

betonen: „Ein solches Unternehmen kann man<br />

im Grunde mit unserer jetzigen Technik nicht<br />

verantworten. Wer behauptet, Menschen unbeschadet<br />

auf den Mars bringen und dort auch auf<br />

Dauer dafür sorgen zu können, dass sie überleben,<br />

der irrt.“. Allein der Flug zum Mars dauert<br />

mindestens sechs Monate und ist nur dann<br />

möglich, wenn Mars und Erde in einer idealen<br />

Konstellation zueinanderstehen. Eine Rückreise<br />

wäre ebenfalls von dieser Konstellation abhängig,<br />

allerdings erst wieder 16 Monate später. Das<br />

bedeutet, die Astronauten wären etwas mehr als<br />

zwei Jahre im All. Die längste bisher durchgeführte<br />

Weltraummission liegt bei sechs Monaten!<br />

Davon abgesehen, dass man bei einer so<br />

langen Reise, nicht einfach wieder umkehren<br />

kann, wenn Probleme oder Notfälle auftreten<br />

sollten, sind vor allem die langzeitlichen Folgen<br />

eines so langen Aufenthalts im Weltraum noch<br />

nicht absehbar. Ganz zu schweigen von der<br />

Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit auf dem<br />

Mars über längere Zeit zu überleben, im Moment<br />

zwar rein theoretisch möglich, aber praktisch<br />

noch nicht bewiesen ist.<br />

Das Unterfangen Mars One ist also alles andere<br />

als unumstritten. Die Frage ist auch, ob es<br />

tatsächlich umgesetzt wird. Der Startzeitpunkt des<br />

Starts zum Mars wurde vor einiger Zeit nun auf das<br />

Jahr 2032 verschoben — ob es überhaupt dazu<br />

kommt, bleibt abzuwarten. Alles in allem lässt<br />

sich sagen, dass viele Szenarien, die wir bisher nur<br />

aus Romanen oder Filme kannten, in eine<br />

vielleicht nähere Zukunft gerückt wurden, als wir<br />

bisher geglaubt haben. Wer weiß, vielleicht<br />

machen wir in 30 Jahren doch einen Abflug als<br />

Tourist auf den Mond … oder den Mars.<br />

Noch einen Schritt weiter geht eine private<br />

Stiftung aus den Niederlanden unter dem Namen<br />

Mars One. Diese hat sich, unter der Leitung des<br />

Unternehmers Bas Lansdorp, dem Gründer der<br />

Stiftung, zum Ziel gemacht, im Jahr 2022 erstmals<br />

Menschen auf den Mars laden zu lassen und eine<br />

auf Dauer bewohnbare Siedlung zu bauen. Um das<br />

Projekt finanzieren zu können, sollte es als<br />

Live-Reality-TV-Show übertragen werden.<br />

Bild: Stuttgarter Nachrichten


34<br />

GESELLSCHAFT<br />

mediakompakt<br />

Bild: Anna Donnerstag<br />

Komm mit mir ins Wunderland ...<br />

Die Tür öffnete sich — und<br />

dahinter fand sie eine Welt<br />

voller Fantasie!<br />

Eine andere Welt erwartete<br />

sie, umschloss sie mit ihren<br />

Armen und lud sie ein, völlig<br />

in sie zu versinken…<br />

VON ANNA DONNERSTAG<br />

Wer kennt dieses Gefühl nicht, man<br />

hat ein Buch gelesen und kehrt aus<br />

einer ganz anderen Welt in die<br />

Wirklichkeit zurück — nicht selten<br />

mit Melancholie und Wehmut im<br />

Gefühl. Wer war nicht traurig, als der siebte<br />

Harry-Potter-Teil fertig gelesen war, man<br />

Hogwarts für immer verlassen und in die Realität<br />

zurück kehren musste? Oder als Frodo und seine<br />

Truppe den Ring endgültig vernichtet hatten und<br />

endlich in Frieden leben konnten? Man verlässt<br />

Helden, die zu Freunden geworden sind und mit<br />

denen man gekämpft und gelebt hat.<br />

Verständlich, dass man um sie trauert.<br />

Es gibt für jedes Interesse und jede Vorliebe ein<br />

Buch. Sei es die nervenzerreißende Jagd eines<br />

Serienkillers, die Erkundung des fantasievollen<br />

Auenlands oder einem Ausflug in die ungewisse<br />

Zukunft. Nichts ist unmöglich. Viele Leser<br />

entfliehen so dem Alltag. In der anderen Welt<br />

erwarten einen neue Freunde, ein ganzes Leben<br />

wird in nur wenigen Stunden durchschritten. Der<br />

Genuss des Lesens wird manchmal sogar zur Qual,<br />

wenn man dem Täter dicht auf der Spur ist und<br />

ihn fast gefasst hat. Ein Leiden, wenn die<br />

Lieblingsfigur Liebeskummer leidet. Ein fast<br />

physischer Schmerz, wenn einer der Charaktere<br />

stirbt (wir erinnern uns an den armen kleinen<br />

Dobby, bei dem sich wohl fast jeder die Tränen<br />

verkneifen musste). Und doch lesen wir immer<br />

weiter, bauen Beziehungen auf und sind traurig,<br />

wenn ein Abenteuer zu Ende geht. Weil wir<br />

entführt werden wollen, weil Welten und Bilder<br />

im Kopfkino entstehen. Wie fesselnd eine<br />

Geschichte sein kann, zeigt das Beispiel Harry<br />

Potter. Bei der Veröffentlichung des siebten und<br />

Dobby, bei dem sich wohl fast jeder die Tränen<br />

verkneifen musste). Und doch lesen wir immer<br />

weiter, bauen Beziehungen auf und sind traurig,<br />

wenn ein Abenteuer zu Ende geht. Weil wir<br />

entführt werden wollen, weil Welten und Bilder<br />

im Kopfkino entstehen. Wie fesselnd eine letzten<br />

Bandes campierten ganz besonders über- zeugte<br />

Anhänger mehr als 24 Stunden vor<br />

Buchhandlungen, um ja eines der begehrten<br />

Exemplare zu ergattern. Doch im Alltag bleibt den<br />

meisten Menschen wenig Zeit, Bücher zu lesen.<br />

Gerade einmal 12 Millionen Menschen in<br />

Deutschland gaben in einer Umfrage zum<br />

Leserverhalten an, mehrmals die Woche zum<br />

Buch zu greifen. Im täglichen Alltagsstress findet<br />

sich offenbar dafür wenig Zeit. Im Urlaub<br />

hingegen fliehen viele Menschen vor der<br />

ständigen Erreichbarkeit durch Handys oder<br />

Tablets und nehmen sich Zeit fürs Lesen. Das<br />

Lese-Interesse wandelt sich im Laufe der Zeit.<br />

Joanne K. Rowlings Bestseller sind beliebter als<br />

Goethes „Faust“. Warum das so ist? Die Vorlieben,<br />

die Sprache, auch die Grammatik passen sich dem<br />

jeweiligen Zeitalter an. Vermutlich fühlen wir uns<br />

deshalb beim Lesen von „Vom Winde verweht“,<br />

als würden wir an der Seite von Scarlett O’Hara im<br />

Amerika des 18. Jahrhunderts kämpfen. Eine aus<br />

heutiger Sicht ungewöhnliche Sprache<br />

katapultiert uns zurück in die jeweilige Epoche<br />

und bringt uns – nach einer kurzen<br />

Gewöhnungszeit – den Charakteren näher denn<br />

je. Ob in der Zukunft wohl auch Bücher in der<br />

heutigen Jugendsprache verfasst werden? Hallo, I<br />

bims, dein Vater vong Geburt her. Auf diese<br />

sprachliche Fehlleistung können wir getrost<br />

verzichten. Obwohl es Alternativen (etwa das<br />

E-Book) gibt, haben gedruckte Bücher noch<br />

immer einen hohen Stellenwert in der<br />

Gesellschaft. Auch digitale Angebote<br />

überschwemmen den Markt, doch in keinem<br />

anderen Medienbereich ist so viel Raum für<br />

Fantasie und Gedankenspiele. Während des<br />

Lesens entstehen Welten und -figuren, die in Film<br />

oder im Fernsehen nie so schillernd dargestellt<br />

werden können. Enttäuscht sind wir, wenn<br />

Figuren in einer Literaturverfilmung nicht so<br />

aussehen, wie wir sie uns vorgestellt haben. Da<br />

bleiben wir doch lieber beim Buch, erfinden uns<br />

die Welt und Charaktere selbst und lassen alles so<br />

aussehen, wie es uns am besten gefällt. Während<br />

des Lesen entflieht man seinen Problemen<br />

zuhause, sie scheinen zu verblassen, wirken nicht<br />

mehr so schlimm wie in der Realität.<br />

Die Charaktere werden zur Ersatz-Familie und<br />

geben Ratschläge für das eigene Leben. Man hat<br />

plötzlich das Gefühl, als wüsste das Buch genau,<br />

was es einem sagen muss. Man lernt so viel. Güte,<br />

Vergebung, Freundschaft, Wertschätzung und<br />

Liebe.<br />

Also, kommen Sie mit in ein neues Land und<br />

lassen Sie uns gemeinsam Abenteuer erleben.


1/2018 GESELLSCHAFT<br />

35<br />

Einmal Start-up und zurück<br />

Sein Start-Up schafft es bis<br />

nach Indonesien, dennoch<br />

kein Durchbruch!<br />

Manuel Schulze berichtet<br />

über das Scheitern seines<br />

Start-Ups „hoomn“<br />

Manuel Schulze führt durch die<br />

Stuttgarter Büros, in denen alles<br />

begann. „Diesen Raum haben wir<br />

an ein neues Start-Up vermietet“,<br />

sagt er. Manuel Schulze, ein großer,<br />

schlanker Typ, Ende 20, beginnt zu erzählen.<br />

„Drei Jahre Herzblut haben wir reingesteckt. Sehr<br />

schade, dass alles vorbei ist“. Er erinnert sich an<br />

den Tag an dem sein Vater Tobias Schulze,<br />

Inhaber der IT-Consultant Incedo AG, ihm von<br />

seiner Idee erzählte. Auf der Suche nach anderen<br />

Menschen mit gleichem Interesse, kam ihm der<br />

Gedanke, sein Anliegen in einer standortgebundenen<br />

App zu posten. Andere Leute im<br />

Umkreis sollten so die Möglichkeit haben, sich<br />

mit ihm in Verbindung zu setzen. In seiner<br />

Freizeit fing der erfahrene Softwareentwickler an,<br />

einen ersten Prototyp zu entwickeln. Abgeleitet<br />

von „Human“, also Mensch, kam die Marke<br />

„hoomn“ zustande. Manuel Schulze hatte 2015<br />

seinen Master in Volkswirtschaftslehre absolviert.<br />

2014, zum Zeitpunkt der Gründung war er für<br />

Rocket Internet in Manila tätig. „hoomn funktioniert<br />

wie ein Schwarzes Brett, egal worum es<br />

geht: Job, Wohnung, Auto, Beziehung oder die<br />

nächste Party. Mit hoomn erreichst du Menschen<br />

in deiner Nähe“ – so lautete der Werbespruch.<br />

Ohne Registrierung konnten User Kleinanzeigen,<br />

Foren, Stellenausschreibungen sowie soziale<br />

Kontakte in der App finden. In Indonesien erzielte<br />

die App in kurzer Zeit eine Downloadzahl im<br />

fünfstelligen Bereich.<br />

Expansion nach Indonesien und dann der Relaunch<br />

Bald fanden sich Investoren, welche die<br />

Gründung der „Find Local GmbH“ mit Sitz in<br />

Jakarta ermöglichten. Parallel dazu eröffnete ein<br />

Büro in Berlin. Von dort aus wurde die nächste<br />

Finanzierungsrunde vorbereitet sowie ein<br />

Relaunch der App unter dem Namen „Saya“<br />

umgesetzt. Denn der Name hoomn stellte sich<br />

wegen der schwierigen Aussprache als Nachteil<br />

heraus. In Indonesien wurde die App zur<br />

Kommunikationsförderung für die Menschen<br />

eingesetzt. In Deutschland richtete sich das<br />

Augenmerk auf die Steigerung von Kooperationen<br />

mit Dienstleistern, etwa mit einfachen Verlinkungen<br />

auf die Partner bis hin zu direkten<br />

Transaktionsabschlüssen über „Saya“. Die<br />

Download-Zahlen im deutschsprachigen Raum<br />

waren trotz allen Bemühungen zu niedrig. Unter<br />

Schulzes Leitung wollte man sich voll und ganz<br />

auf Indonesien konzentrieren. Obwohl die<br />

Gründer rund 500.000 Nachrichten pro Tag und<br />

50.000 Nutzer vorweisen konnten, reichte dies<br />

nicht, neue Investoren anzulocken, die App<br />

wurde eingestellt. „Das Produkt war nicht<br />

attraktiv genug, um ein organisches Wachstum zu<br />

erreichen“, sagt Schulze heute.<br />

Eingehende Nutzeranalyse als Schlüssel zum Erfolg<br />

Eine gute Idee für ein Produkt reicht heute<br />

nicht mehr, um erfolgreich zu werden. Schulze<br />

empfiehlt, sich im ersten Schritt intensiv mit den<br />

Kunden auseinanderzusetzen. Dabei solle man<br />

sich auf die Bedürfnisse konzentrieren und genau<br />

analysieren, auf welche Probleme Kunden im<br />

Alltag stoßen. Danach müsse sich ein Start-Up<br />

intensiv mit einer praktikablen Lösung des<br />

Problems auseinandersetzen. Ein Musterbeispiel<br />

dafür ist MyTaxi. In Sekundenschnelle kann man<br />

mit der App das nächstgelegene Taxi ordern und<br />

bezahlen. Die Gründer Niclaus Mewes und Sven<br />

Külper revolution- ierten damit vor sechs Jahren<br />

den Markt. Das Start-Up arbeite- te in der Entwicklung<br />

eng mit Taxifahrern<br />

zusammen. Jeder erhielt<br />

zwei Woch- en lang ein<br />

Smart- phone mit der<br />

insta- llierten App, im<br />

Austausch mit den<br />

Passagieren konnte die<br />

App entwickelt werden,<br />

die inzwi- schen über 10<br />

Millionen Downloads<br />

verzeichnet, 100.000<br />

Taxis einbindet und in<br />

mehr als 50 Städten<br />

verfügbar ist.<br />

„Ein neues Produkt<br />

macht nur Sinn, wenn es<br />

ein Bedürfnis wesentlich<br />

besser löst als existierende<br />

und größeren<br />

Mehrwert bietet“, sagt<br />

Schulze. Sein Start-Up war mit einem fertigen<br />

Prototyp gestartet. Die Zielgruppe wurde viel zu<br />

spät genauer analysiert, sagt er heute selbstkritisch.<br />

Passend dazu zitiert er Albert Einstein:<br />

„Wenn ich eine Stunde Zeit hätte, die Welt zu<br />

retten, würde ich 55 Minuten auf die<br />

Beschreibung des Problems verwenden und 5<br />

Minuten auf die Lösung“.<br />

Design Thinking, der Schlüssel zum Erfolg?<br />

Schulze vermutet, dass er mithilfe von Design<br />

Thinking die komplexe Problemphase besser<br />

bewältigt hätte. Design Thinking ist ein kreativer<br />

Prozess zur Ideenfindung, aus dem Innovationen<br />

entstehen. Im Zentrum stehen Nutzerbedürfnisse<br />

sowie die nutzerorientierte Ideengenerierung.<br />

Wurde eine Lösung gefunden, wird sie in Form<br />

eines Prototyps umgesetzt. „Bei der nächsten<br />

Start-Up Idee würde ich den Fokus auf den<br />

Kunden, sein Bedürfnis und das Problem richten.“<br />

Heute arbeitet Manuel für die Incedo AG. Die<br />

gewonnenen Erkenntnisse werden für neue<br />

Kunden genutzt. Sie entwickeln Softwarelösungen<br />

und wenden dabei Methoden wie<br />

Design Thinking und Scrum an.


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