E_1928_Zeitung_Nr.070
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fjo 70 — <strong>1928</strong><br />
Der E)ullm«an*>&u4ol»us<br />
Die bisher im Verkehr stehenden Gesellschaftswagen<br />
sind in der Hauptsache recht<br />
bequem und zweckentsprechend ausgerüstet;<br />
sie genügen für die üblichen ein- oder mehrtägigen<br />
Touren durchaus, entsprechen mindestens<br />
der Bequemlichkeit der Drittklass-<br />
B ahn wagen.<br />
Mit der Erweiterung des Aktionskreises,<br />
[vor allem mit den zunehmenden grossen<br />
lUeberland-Fahrten, wachsen die Ansprüche<br />
an Bequemlichkeit und Komfort der Gesellschaftsreise<br />
wagen; ausserdem macht sich die<br />
im Bahn- und Schiffsverkehr längst bestehende<br />
Teilung in Reiseklassen geltend, so<br />
dass wir ziemlich rasch neben den bisherigen<br />
Gesellschaftsreisewagen, die — wie gesagt —<br />
etwa der 3. Bahnldasse entsprechen, zweitklassigen,<br />
erstklassigen und ausgesprochenen<br />
Luxusfahrzeugen begegnen werden.<br />
Die Freizügigkeit des Reise-Autobus, die<br />
Tatsache, dass man in demselben unabhängig<br />
von Fahrplan und starrem Schienenstrang<br />
seinen Reiseplan nach Belieben einteilen<br />
kann, vor allem aber die Tatsache, dass Reisen<br />
im Automobil es ermöglichen, die Eigenart<br />
einer Landschaft viel gründlicher auszukosten,<br />
als mittels der Fahrt im Bahnwagen,<br />
leistet der Ausdehnung dieser Verkehrsart<br />
mächtig Vorschub.<br />
In den Vereinigten Staaten existieren längst<br />
regelrechte kursartige Automobil-Reisegelegenheiten<br />
über Tausende von Kilometern<br />
nach allen Richtungen; in der Schweiz tauchen<br />
Autobusse aus Frankreich, England, Italien,<br />
Deutschland, Holland etc. auf, schweizerischen<br />
Gesellschaftswagen begegnen wir<br />
in Maialnd, Riviera, München und Heidelberg.<br />
Bisher waren es Fahrzeuge mit einfacher<br />
Bequemlichkeit, bereits aber tauchen die Pullman<br />
auf der Landstrasse auf. Wir sahen<br />
dieser Tage ein derartiges Fahrzeug holländischer<br />
Herkunft in grosser Dimension. Auf<br />
Bereifung, Federung, geräuschlosen und ruhigen<br />
Gang war besondere Sorgfalt verwendet,<br />
die Karosserie besass ausgesprochenen<br />
Luxus-Charakter; nicht nur grosse Sichtfenster,<br />
wobei der Wagen ohne Umstände<br />
sowohl offen als geschlossen gefahren werden<br />
kann, breite Einsteigtüren, vor allem aber<br />
die Anordnung der Sitzgelegenheit stand vollständig<br />
unter dem Stichwort: Wie reise ich<br />
bequem?<br />
Der gleiche Räum, den sonst 30-—40 Personen<br />
einnehmen, ist mit nur 12—-15 Plätzen<br />
bestuhlt. Die fauteuilartigen, drehbaren Sitze.<br />
die Tischlein vor denselben, kurz alles war<br />
auf grösste Bequemlichkeit eingestellt. Die<br />
Reisenden führten nur ihr kleines Handgepäck<br />
bei sich, in einem besonderen Gepäckwagen<br />
wird das grössere Gepäck nachgeführt;<br />
den Reisenden steht also ohne weiteres<br />
in jeder Etappe, wo sie sich einige Zeit<br />
aufhalten, ihr Gepäck zur Verfügung.<br />
Es ist einleuchtend, dass der touristische<br />
Automobil-Verkehr in derartigen Pullman-<br />
Cars noch mächtig zunehmen wird; die<br />
Schweiz, als schönstes europäisches Alpenund<br />
Reiseland hat alle Veranlassung, diese<br />
Bewegung zu fördern, derselben alle Aufmerksamkeit<br />
zu schenken; diese Art Reise-<br />
Fahrzeuge werden uns in den nächsten Jahren<br />
neben dem Einzelautos Tausende von Gästen<br />
zuführen, die sich in Beschaulichkeit und<br />
Müsse unser schönes Land ansehen wollen.<br />
Eine andere Art von Pullmanni-Gesellschaftswagen<br />
ist dieser Tage in England dem<br />
Verkehr übergeben worden, es ist der Autobus-Schlafwagen.<br />
Zwischen London und Liverpool<br />
zirkuliert seit dem 15. August regelmässig<br />
ein täglicher Schlafwagen auf der<br />
Landstrasse, und zwar in beiden Richtungen.<br />
Man legt sich in London kurz vor Mitternacht<br />
ins Bett des komfortablen Autobus, um 8 Uhr<br />
früh kann man in Liverpool vollständig ausgeruht<br />
den Sleepimg-Motorcar verlassen.<br />
Die Engländer verstehen bekanntlich das<br />
bequeme Reisen aus dem ff; sie haben ihrem<br />
Strassen-Schlafwagen einige recht wertvolle<br />
Gesichtspunkte abgewonnen, die beträchtliche<br />
Vorzüge gegenüber dem Bahn-Schlafwagen<br />
bedeuten. Hinsichtlich Geräuschlosigkeit<br />
und erschütterungsfreiem Gang ist der<br />
neuartige Schlafwagen seinem grösseren Bruder,<br />
der nächtlicherweile über Stahlschienen,<br />
Weichen und Bahnstationen tost, entschieden<br />
überlegen. Trotzdem in den Bettkabinen<br />
der neuen. Fahrzuge 12 Reisende Platz finden,<br />
ist man in denselben ganz ausgezeichnet<br />
untergebracht; die eingeladenen Presse-Vertreter,<br />
die sich in den neuen Schlafwagen<br />
erstmals auf das Ohr liegten, rühmen die<br />
sanfte, stossfreie, ruhige Fahrt.<br />
Eines aber ist unabweisbare Vorbedingung<br />
für den neuzeitlichen Ausbau dieser Art<br />
Reiseverkehr — eine gute Strasse. England<br />
ist bekanntlich in dieser Hinsicht hors conoours,<br />
seine Landstrassen wurden in allen<br />
AUTOMOBIL-REVUE<br />
Teilen dem Automobilverkehr angepasst;<br />
glatt wie ein Billard, breit angelegt, mit sorgfältig<br />
ausgebauten Kurven, einem vorbildlichem<br />
Signaldienst und unübertreffbarer<br />
Disziplin sämtlicher Strassenbenützer hat es<br />
die engliche Landstrasse fertiggebracht, im<br />
Laufe eines Jahrzehntes einen Reiseverkehr<br />
aufzuziehen, eine gewaltige Automobil-Industrie<br />
zu schaffen und Wirtschaftswerte zu<br />
fördern, die ohne die gute Strasse nie und<br />
nimmer zu Tage getreten wären.<br />
In der Schweiz müssen wir ängstlich dairauf<br />
bedacht sein, unsere Vorzugsstellung<br />
als erstes internationales Reiseland beizubehalten;<br />
in unseren Nachbarländen, die zum<br />
Teil ebenso schöne Alpengebiete besitzen,<br />
deren Hotel-Industrie sich mächtig in die<br />
Höhe arbeitet, sind wichtige Triebkrätfe am<br />
Ruder, um den Reisendenstrom unserem Verkehr<br />
abzufangen und auf ihre Mühle zu leiten.<br />
Vor einigen Jahrzehnten hätten wir ohne<br />
bequeme und sichere Bahnen keinen Reiseverkehr<br />
nach unserm Lande ziehen können;<br />
wenn wir unsere Vorzugsstellung in den<br />
kommenden Jahrzehnten behaupten wollen,<br />
so müssen wir erstklassige Strassen herstellen.<br />
A<br />
Der T. C. S.-Hllfsdlenst am<br />
Lysbüchel.<br />
Wie wir bereits kurz meldeten, hat der<br />
Touring-Ciub der Schweiz letzten Mittwoch<br />
seine zweite Auskunfts- und Hilfsstelle für<br />
durchreisende Automobilisten am Lysbüchel<br />
eröffnet und, wenn auch ohne besondere<br />
Feierlichkeiten, dem Betriebe übergeben. Neben<br />
den bereits bekannten und vielleicht gar<br />
gefürchteten hölzernen Zollhäuschen steht<br />
nun ein schmuckes, neues, hellbraun gestrichenes<br />
Berner Chalet en miniature* ein getreues<br />
Abbild der ersten Station in Perly bei<br />
Genf, die am 15. Juli durch den T. C. S.<br />
eröffnet wurde und der nun sukzessive weitere<br />
folgen sollen. Drinnen im Chalet hängen<br />
Distanz- und Landkarten von Europa und der<br />
Schweiz, stehen die offiziellen Führerausgaben<br />
des T. C. S. «CH Touring» und «Europa-<br />
Touring» zur Verfügung. Formulare und<br />
Nachschlagsbücher dienen weitgehendster<br />
Unterrichtung der Automobilisten, und nun<br />
lernen wir auch die zwei neuen Agenten des<br />
T. C. S. kennen. In nagelneuen Uniformen,<br />
sprachen- und umgangsgewandt, präsentieren<br />
sie sich und lauschen zugleich aufmerksam<br />
den Erklärungen des anwesenden Generalsekretärs<br />
des T. C. S., Herrn Quinclet, der<br />
zusammen mit dem Präsidenten der Basler<br />
Sektion, Herrn Rene Levaillant, die :«Einweihung»<br />
vornifnmt, t ; .<br />
Von morgens 9 Uhr bis abends 7 Ütir wird<br />
nun also die Hilfsstelle während des ganzen<br />
Sommers und eventuell auch bis in den Spät^<br />
herbst hinein ununterbrochen geöffnet sein.<br />
In erster Linie dient die Einrichtung den Mu><br />
gliedern des T. C. S. selbst; doch werden<br />
daneben sämtliche Automobilisten ohne Ausnahme<br />
bedient und ihnen das gesamte Material<br />
zur Verfügung gestellt. Die Auskünfte<br />
werden völlig kostenlos erteilt; den Agenten<br />
ist es überdies strengstens untersagt, Trink-*<br />
gelder oder Geschenke von Automobilisten<br />
anzunehmen.<br />
Speziell für des Landes Unkundige ist die<br />
Einrichtung naturgemäss von grosser Wichtigkeit,<br />
denn hier kann jeder die besten Routen,<br />
die Distanzen zwischen einzelnen Städten,<br />
die Zoll-, Triptyk- und Passformalitäten<br />
bis ins kleinste Detail erfahren und sich über<br />
alles ihn Interessierende erkundigen. Die<br />
Agenten stehen überdies in direkter Verbindung<br />
mit den schweizerischen Zollorganen,<br />
mit deren Einverständnis die Hilfsstelle auch<br />
errichtet wurde. Sprachenunkundige werden<br />
unterstützt und durch beide Grenzstellen geleitet<br />
und ihnen in grösstmöglichster Weise<br />
an die Hand gegangen. Daneben ist die Station<br />
auch für den Geldwechsel eingerichtet,<br />
ein Umstand, den sicherlich viele noch werden<br />
zu schätzen wissen.<br />
Und nun ist also das schmucke Häuschen<br />
in Betrieb, die gewandten Agenten harren<br />
der Beschäftigung, die unter Umständen<br />
recht ausgiebig werden kann, wenn man annimmt,<br />
dass die Station in Perly beispiels-*<br />
weise während des yergangenen Sonntags<br />
über sechshundert durchfahrende Autos .mit<br />
Rat und Tat unterstützte! Dem Schweiz.<br />
Touring-Club aber werden durch diese Neueinrichtung<br />
sicherlich wieder viele neue<br />
Freunde und Mitglieder zugeführt werden. ,<br />
Die Reussbrücke in Mellingen.<br />
R. Die neue Reussbrücke ist Eigentum der Ge-i<br />
meinde Meilingen, die nalch der Kollaudation auch<br />
für den Unterhalt derselben aufzukommen hat. Dio<br />
Brücke kommt auf rund 342.000 Franken zu stehen.<br />
Die erstellte Notbrücke, die bisher benützt<br />
wurde und die sich auch in Zeiten des Spitzenverkehrs<br />
gut bewährt hat, soll nun demnächst abgebrochen<br />
werden. Die neue Brücke präsentiert sich<br />
als gesundes Werk und das Stadtbild Mellingen3<br />
gewinnt durch sie bedeutend. Auch das Brückentor<br />
ißt schön. Die Einweihung, die mit einem Jugendfest<br />
verbunden wird, soll voraussichtlich am 19..<br />
August nächsthin stattfinden.<br />
Nachfolgend noch einige auf den Bau bezügliche<br />
Taten: Am 5. Oktober 1927 wurde mit dem<br />
Abbruch der hölzernen Brücke begonnen, am 2-L<br />
gl, M. mit den ; Widerlagern. Am 10. März <strong>1928</strong><br />
wurde mit der Eisenkonstruktion angefangen, die<br />
rasch VQtrwäftssßhritV so dass am 21. Mai bereits<br />
die Fahrbahn in Angriff genommen werden konnte.<br />
Internationale<br />
Schönheits -Konkurrenz<br />
Luzern<br />
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