E_1928_Zeitung_Nr.071
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16 AUTOMOBIL-REVUE <strong>1928</strong> — n<br />
Zur Unterhaltung<br />
DER AUTOLOTSE<br />
Schwere Nebelschwaden schoben sich überder grossen Stadt fortdauernd wie närrischerFox wehrte sich aber entschieden gegen die<br />
die Hügel. Wie Gespenster schlichen sie herbei,<br />
ballten sich, rannten gegen das Auto an, Bauen war längst Feierabend.<br />
Spuk äffte. Sonst regte sich nichts. An den<br />
äfften den Führer.<br />
«Es ist zum Verzweifeln», ächzte der Mann<br />
am Steuer und bohrte seine Augen in das<br />
graue Gewoge.<br />
«Bummeln Sie nicht so, Tom*, fauchte es<br />
hinter dem Wagenführer. Eine gallige Stimme.<br />
Sie trieb den Mann am Steuer an. Er schaltete<br />
das Licht ein. Der Scheinwerfer frass<br />
sich ins Nebelgrau. Der schwere Wagen schob<br />
sich, wie im Kampf mit der graunassen, zähen<br />
Masse, vorwärts.<br />
«Tom, höchste;. Geschwindigkeit!*<br />
«Geht nicht, Mister Fox. Nebel zu dicht.<br />
Nichts zu sehen.»<br />
Der Wagenführer bremste. Ein Bauzaun<br />
stand plötzlich vor ihm quer über die Strosse.<br />
«Was ist los?»<br />
«Falsche Strasse. Muss umkehren.»<br />
Im Wagen fluchte es. Aeffte nicht ein helles<br />
Lachen als Echo aus der unwirklichen Tiefe<br />
des Grau?<br />
«Lachen Sie nicht, Tom!»<br />
«Lache nicht, Mister Fox!»<br />
Der Wagen schob sich die Strasse rückwärts.<br />
Schritt um Schritt. Mit widerwilligen<br />
Rucks. Aeffte nicht wieder ein helles Lachen<br />
zu dem Takt des nervösen Motors?<br />
«Sie sollen nicht lachen, Mensch», krächzte<br />
die gallige Stimme des dickverpackten Mr.<br />
Fox aus dem Wageninnern.<br />
Tom, der Wagenlenker, antwortete nichts<br />
Mit Wutgrimmasse wendete er den schweren<br />
Wagen. Er tastete mit den Augen die Strasse<br />
ab. Er glaubte die grosse Fahrstrasse, die in<br />
die Stadt hineinführte, wieder unter den Rädern<br />
seines Autos zu haben.<br />
Das Signal gellte durch den Nebel. Er hielt<br />
scharf rechts. Der Wagen glitt an Bauzäunen<br />
vorbei, tastete sich über schlüpfrige Asphaltstrassen,<br />
wich Baukarren aus und stand<br />
plötzlich wieder vor einem Hindernis.<br />
«Zum Verzweifeln», ächzte Tom. Er bremste<br />
und sprang vom Führersitz. Schwer fiel<br />
die Tür hinter ihm ins Schloss.<br />
»He? Hallo!!» rief er in den Nebel<br />
Ein helles Lachen zwitscherte höhnisch<br />
Lachen, das sie vor den Toren<br />
Das Fenster des Wagens flog herunter.<br />
«Was ist mit Ihnen los, Tom? Haben Sie<br />
zu viel getrunken?»<br />
«Der Weg ist im Nebel nicht zu finden,<br />
Mister Fox. Es ist wie verhext.»<br />
Der Kopf des Amerikaners stach aus dem<br />
Fenster. Ein breiter, kantiger Schädel wurde<br />
sichtbar. Haar sprosste auf ihm wie Gras.<br />
Die Lippen zogen sich verächtlich breit.<br />
«Sie passen nicht auf, Tom. Und wissen,<br />
dass ich Eile habe, aus dem Lande herauszukommen!<br />
Fahren Sie weiter!»<br />
Das Fenster schnellte drohend empor. Tom<br />
sprang auf den Führersitz. Der Wagen zog<br />
Ruck um Ruck zurück.<br />
«Halt!» rief plötzlich eine helle, klare<br />
Stimme. Tom durchfuhr es: Das Lachen! Eine<br />
Hexe! Anders war es nicht zu erklären, dass<br />
er sich vor dieser Stadt dauernd verfuhr.<br />
Er fingerte an dem kleinen Fenster in seinem<br />
Rücken, wendete sich.<br />
Zumutung von einer Frau geführt zu werden.<br />
Aber Tom hatte alle Sicherheit verloren. Er<br />
wagte sich bei dem Nebel in dieser entlegenen<br />
Baugegend nicht weiter.<br />
Die Nebelballen wurden immer dreister.<br />
Man sah kaum zwei Schritt voraus.<br />
«Es bleibt nichts anderes übrig, Mister Fox,<br />
Sie verlieren viel Zeit!»<br />
Das entschied bei dem Amerikaner. Eine<br />
wütende Geste. Der Wagenführer öffnete den<br />
Schlag. Die Frau schlüpfte behende auf den<br />
Platz an seiner Seite.<br />
Sie sprach kein Wort. Sie gab nur die Richtung<br />
an. Mit staunenswerter Sicherheit. Im<br />
Nu war man in grossen Strassen mit sacht<br />
flutendem Verkehr. Licht um Licht glitt gespenstisch<br />
im Nebelgrau an ihm vorüber. Sie<br />
fuhren an Reihen Lichtern vorbei, hinter denen<br />
die Hauptstrasse der Stadt sich aufbauen<br />
musste. Lange Vorstadtstrassen mit abgeschwächten,<br />
minder wichtigen Lichtzeilen<br />
folgten. Der Verkehr Haute ab. Hier draussen<br />
hatte man keine Eile. Die grosse Stadt schlief<br />
hier schon. Die Schatten des Abends waren<br />
mittlerweile in die Strassenengen eingebrochen.<br />
Tom hielt.<br />
«Warum?» fragte die Frau.<br />
«Wieviel sind wir schuldig?»<br />
Im Wageninnern zückte Mr. Fox die Brieftasche.<br />
Ein Schein-schob sich zum Fenster.<br />
Tom ergriff ihn. Ein grosser Schein. Mr. Fox<br />
schien also zufrieden mit dem Lotsen gewesen<br />
zu sein.<br />
«Mister Fox — die Hexe! Haben Sie das<br />
Lachen gehört?»<br />
Ein Finger klopfte ans Fenster. Mr. Fox'<br />
Schädel wendete sich.<br />
*Hallo?»<br />
«Oeffnen Sie», forderte die- helle Stimme.<br />
Eine Frau stand im Nebel. Ein junges, hübsches<br />
Weib, im engem Rock, Lederkappe<br />
über dem Kopf und Aktentasche unterm Arm.<br />
Die Lippen Mr. Fox liefen breit aus vor Verachtung,<br />
als er die Frau erblickte.<br />
«Fragen Sie, was die Belästigung bedeu-<br />
«Bitte», drängte Tom.<br />
tet!», fuhr er den Wagenführer an. Er sprach Die Frau verbarg den Schein in ihrer Tasche.<br />
Aber vom Sitz regte sie sich nicht,<br />
nicht mit Frauen. Er hatte besseres zu tun.<br />
Tom bog sich vom Führersitz herunter. «Tom, kein unnützer Aufenthalt!»<br />
«Wie kommt man auf die grosse Strasse? «Fahren Sie weiter», forderte die Frau.<br />
Hab' mich verfahren?»<br />
«Nur kein unnützer Aufenthalt!»<br />
«Nicht so leicht, Bester! Die Strassen sind Der Amerikaner klopfte ans Fenster. Seine<br />
hier draussen gesperrt. Durch die Umleitungen<br />
kommen Sie immer wieder ab im Nebel. «Tom, energisch Los. Wir haben Eile!»<br />
Zähne fletschten. Vor Zorn röchelte er,<br />
Die Lichter brennen noch nicht. Nehmen Sie «Ich auch, Tom! Fahren Sie los!» fiel die<br />
mich mit. Ich lotse Sie durch die Stadt!» Frau ein. Es lag Entschiedenheit in ihrer<br />
Tom bog sich misstrauisch weiter herab, Stimme. Und Drohung.<br />
»Wissen Sie gut Bescheid?»<br />
Achselzuckend bog sich Tom zurück, gab<br />
«Sie kommen glatt durch die Stadt!»<br />
Gas. Der Wagen zog an. Die grosse Land'<br />
Tom wandte sich zum kleinen Fenster: Mrä) strasse öffnete ihre Arme im Nebel.<br />
«Wie weit?» fragte er und schob sich naher,<br />
zur wohligen Wärme des schlanken Frauen"<br />
körpers hin. Das wütende Klopfen des Amerikaners<br />
überhörte er.<br />
«Oh, weit, Freund», antwortete sehnsüchtig<br />
die Frau.<br />
Der Motor ging auffallend laut. Schlug sein<br />
Herz so stark? Sprang auf ihn die Unruhe<br />
über, die von der Frau ausging?<br />
Berge türmten sich. Die Strasse stieg in<br />
Kehren. Wie wohlig war die Wärme, die die<br />
Frau gab! Der Motor ging immer lauter. Tief<br />
blieb die Beklemmung des Nebels. Ganz klar<br />
war die Nacht. Das weisse Band der Land"<br />
strasse lief hier oben wie mit dem Lineal<br />
gezogen durchs Land. Dörfer kamen und gingen.<br />
Die Nacht stand schwer und stumpf über<br />
der Welt.<br />
Mr. Fox merkte, wie Tom an die Frau sich<br />
schob. Bisher hatte er das Dunkel beobachtet,<br />
wie es gestört wurde durch Lichter aus Häusern<br />
oder Autos oder dem lichthellen Lärm<br />
eilfertig rasselnder Eisenbahnzüge.<br />
Ueber das Breit seiner kantigen Stirn liefen<br />
Zornrunzeln. Oder war es Neid, dass der da<br />
vorn nicht allein sass in der Dumpfheit der<br />
Nacht?<br />
Ä<br />
Nie hatte bisher Mr. Fox die Nacht so qu2^<br />
lend empfunden. Hatte er überhaupt je die<br />
Nacht gekannt? Waren es Nächte, da er am<br />
Schreibtisch vor Bergen Arbeit sass und Dollars<br />
heimste? Merkwürdig gingen die Gedanken,<br />
seit er in diesem Lande fuhr, das ihm<br />
nichts als neue Anregungen für seine Arbeit<br />
geben sollte. Nun floh er das Land. Der Süden<br />
lockte ihn. Für ein paar Tage Ausspan*<br />
nung. Dann heim. Arbeit!<br />
Wieder sprang ihn Neid an. Die Köpfe da<br />
vorn bogen zueinander. Lachen schwoll<br />
durch das Fenster. Wie konnte man lachen?<br />
Was war zu lachen?<br />
Er klopfte ans Fenster. Beim zweitenmal<br />
hörte es Tom. Er stoppte ab, wendete sich.<br />
«Anhalten, Tom!»<br />
Der Wagen stand am Strassenrand. Still<br />
war die Nacht. Mr. Fox riss die Kappe herunter.<br />
Sein struppiges Haar flatterte, als er aus<br />
dem Wagen sprang. -^<br />
Die Frau neben dem Führer wappnete 6, h.<br />
Ruhig ging ihr Blick über das graue, breite<br />
Gesicht des Amerikaners.<br />
«Nur noch eine Wefle», bat sie weicher,<br />
als sie zu fordern beschlossen hatte.<br />
«Steigen Sie zu mir — ist bequemer!»<br />
Wo war das Gallige in der Summe Mr m<br />
Fox*? Tom bekam ganz grosse runde Augefh<br />
vor Verwunderung. i><br />
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