E_1929_Zeitung_Nr.048
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48 - 1029 AUTOMOBIL-REVUE K<br />
Aus den Kantonen<br />
Bernische Verkehrspropaganda. Unter diesem<br />
Titel veröffentlichten wir in Nummer<br />
46 die Aeusserung eines Genfer Automobilisten,<br />
der zufolge unberechtigten Verfahrens<br />
auf der Bern&r Kornhausbrücke eine Busse<br />
zahlen sollte. Wir sprachen die Erwartung<br />
aus, dass in derartigen Fällen auswärtige<br />
Fahrer straflos ausgehen sollten. Kurz nach<br />
Veröffentlichung unserer Zeilen ging uns von<br />
dem betreffenden Automobilisten aus Genf<br />
die Mitteilung zu, dass der Strafanzeige feeine<br />
Folge gegeben werde, er habe soeben von<br />
der Polizeidirektion der Stadt Bern ein<br />
Schreiben erhalten, welche ihm von dem Bestehen<br />
der betreffenden Verordnung Kenntnis<br />
gebe und ein© Verwarnung im Falle det<br />
Wiederholung der Uebertretung in Aussicht<br />
stelle.<br />
Es ist erfreulich, dass dieser Vorfall eine<br />
so glatte Erledigung gefunden hat; damit hat<br />
sich wieder einmal aufs neue der Weitblick<br />
der stadtbernischen Polizei bestätigt. Sie<br />
will auf der Strasse Ordnung schaffen, ohne<br />
zu rigorosen oder schikanösen Mitteln zu<br />
greifen. Die Schlussfolgerungen, welche unser<br />
Genfer Einsender an die Bussandrohung<br />
seinerzeit knüpfte, fallen somit durch die<br />
konziliante Erledigung der bernischen Polizeidirektion<br />
dahin.<br />
Zu Nutz und Frommen zahlreicher Automobilisten,<br />
welche die Bundesstadt öfters be<br />
suchen, lassen wir die betreffende Vorschrift<br />
hier folgen, sie lautet:<br />
«Art. 2. Führer von Motorfahrzeugen und Radfahrer<br />
haben beim Befahren der Kornhausbrücke<br />
jeweilen die rechte Seite der Fahrbahn zu benutzen;<br />
es ist ihnen verboten, auf der Brück8 den<br />
Wagen der Strassenbahnen oder anderen Motorfahrzeugen<br />
vorzufahren. Das Befahren der Mitte<br />
der Fahrbahn ist ihnen nur gestattet, um einem<br />
Pferdefuhrwerk oder einem Handwagen vorzufahren.»<br />
Es wäre zu begrüssen, wenn auch andere<br />
Behörden unseres Landes Automobilisten,<br />
welche in Unkenntnis eine Gesetzesvorschrift<br />
übertreten, zunächst verwarnten; dadurch<br />
würde die vom Gesetzgeber gewollte<br />
Absicht oft besser erreicht als durch Bussen.<br />
Die Strasse im Kanton<br />
Graubünden.<br />
Der Grosse Rat des Kantons Grairoünden<br />
befasste sich in seiner letzten Sitzung mit<br />
dem vom Regierungsrat neu vorgelegten<br />
StrasSenbauprogramm, das di§ ;i Anpassung<br />
der fe^ndnerischen Strassen an den modernen<br />
Verkehr bringen soll.<br />
Es handelt sich allerdings vorerst nur um<br />
die wichtigsten bündnerischen Durchganigsstrassen,<br />
auf denen der gewaltig zunehmende<br />
.Verkehr eine Beschleunigung im<br />
Ausbautempo verlangt. Die Durchführung<br />
des gesamten Bauprojektes wird den<br />
Staat Graubünden auf 4,5 Millionen Franken<br />
zu stehen kommen. Trotz der Erhöhung<br />
des Bundesbeitrages an die Alpenstrassen<br />
von 200,000 auf 400,000 Franken, trotz der<br />
Auszahlung des Benzinzollviertels, trotz der<br />
erhöhten Einnahmen aus dem Automobilverkehr<br />
konnten letztes Jahr erhebliche Uetoerschreitungen<br />
des Budgets nicht umgangen<br />
werden. Aus diesem Grunde hat auch der<br />
Regierungsrat das Programm aufgestellt,<br />
das in den nächsten fünf Jahren zur Ausführung<br />
gelangen soll.<br />
Da 810,000 Franken von den Gemeittden<br />
zu tragen sind, weitere 450,000 Franken<br />
noch zur Verfügung stehen, so muss noch<br />
eine Summe von 3,24 Millionen Franken aufgebracht<br />
werden, die sich aber jedenfalls in<br />
Anbetracht des steigenden Treffnisses aus<br />
dem Benzinzoll noch weiter erniedrigen<br />
dürfte.<br />
Die Amortisation der Bausdhuld soll innerhalb<br />
20 Jahren ermöglicht werden und<br />
aus den das jährliche Budget übersteigenden<br />
Einnahmen erfolgen.<br />
Das Bauprogramm umfasst die wichtigsten<br />
Durchgangsstrassen: St. Galler Landesgrenze-Castasegna<br />
(121 km), Chur-Thusis-<br />
' Splügen-St. Bernhardin-Roveredo (114 km),<br />
Oberalp - Chur - Landquart - Davos - Süs-<br />
Finstermunz (201 km), Silvaplana-St. Moritz-<br />
Süs (45 km), im Total also 481 km, die<br />
Hälfte des gesamten Strassennetzes. Dabei<br />
besteht die Absicht, der wichtigen Ofenbergroute<br />
im Rahmen des ordentlichen Un-<br />
•terhaltunigsprogrammes besondere Beachtung<br />
zu schenken. Zudem ist die Kommis*<br />
sion der Ansicht, dass nach Erfüllung des<br />
•ersten Bauprogrammes nicht etwa ein<br />
•Stillstand eintreten dürfe, sondern dass die<br />
•Kontinuität des Ausbaues des bündnerischen<br />
Strassennetzes unter allen Umständen aufrecht<br />
zu erhalten sei.<br />
Infolge Finanzknappheit konnte der Ausbau<br />
der kommunalen Strassen im Programm<br />
nicht aufgenommen werden. Es fehlt eben<br />
Kerade das Geld, das bei einer Annahme der<br />
Strasseniverkehrsinitiative dem Kanton in<br />
gerechter Weise zugeflossen wäre. Beim<br />
gegenwärtigen Verteilungssystem ist der<br />
Kanton ja bekanntlich bedeutend zu kurz<br />
'gekommen. Immerhin ist zu hoffen, dass die<br />
Regierung auch den kommunalen Strassen<br />
ihr ganzes Interesse entgegenbringe und<br />
dass sie vielleicht zu gegebener Zeit für den<br />
Ausbau dieser Strassen ein ähnliches Projekt<br />
wie für die Durchgangsstrassen einbringen<br />
wird.<br />
Auf alle FäMe hat das bündnerisdhe Bau<br />
departement eine gründliche und grosszü<br />
gige Arbeit geleistet. Es ist ausserordenüich<br />
erfreulich, wie im Kanton Graubünden früher<br />
gehegte Vorurteile und Widerstände gegen<br />
den Automobilismus verschwinden und<br />
•wie die Einsicht sich neuerdings Bahn<br />
bricht, dass nicht zuletzt die gedeihliche<br />
Entwicklung des Kantons von einem Strassenverkehr,<br />
vom Vorhandensein guter<br />
Strassen, abhängt. ^ ^<br />
-*•<br />
Der Schaffhauser Omnibusbetrieb wird<br />
eine ständige Einrichtung. Wie erinnerlich,<br />
wurde auf 1. August letzten Jahres der<br />
Strassenbahnbetrieb auf der Linie Obertor-<br />
Breite, der ständig ein beträchtliches Defizit<br />
ergab, eingestellt und durch einen regelmässigen<br />
Omnibusverkehr ersetzt. Nachdem nun<br />
die Betriebsergebnisse von neun Monaten<br />
vorliegen und alle Erwartungen übertreffen<br />
haben, schlägt der Stadtrat in einer ausführlichen<br />
Botschaft dem Grossen Rat die definitive<br />
Beibehaltung des Autobusdienstes vor<br />
Das seinerzeittge Budget sah für das neue<br />
Verkehrsmittel bei 75,000 km Fahrleistung<br />
und 243,000 beförderten Personen ein Be<br />
triebsdefizit von Fr. 14,000.—, vor. Das Resultat<br />
der verhältnismässig kurzen bisherigen<br />
Berichtperiode ist dagegen folgendes: Bei<br />
rund 80,000 gefahrenen Kilometern wurden<br />
322,000 Passagiere transportiert, wobei das<br />
Defizit auf Fr. 2300.— zusammenschrumpfte<br />
Nach den bisherigen Erfahrungen wird der<br />
Abschluss für ein ganzes Jahr kaum ein<br />
grösseres Defizit als Fr. 5000.— gegenüber<br />
den budgetierten Fr. 14.000 bringen.<br />
Der Betrieb wurde bisher von einem privaten<br />
Unternehmer besorgt, der gegen eine<br />
bestimmte Kilometerentschädigung nach genau<br />
umschriebenem Plan den Verkehr besorgte.<br />
Recht interessant sind die diesbezüglichen<br />
Schlussfolgerungen des Stadtrates,<br />
der feststellt, dass «die verhältnismässig guten<br />
Ergebnisse der Probezeit bei Durchführung<br />
des Betriebes durch die Stadt nicht erzielt<br />
worden wären.» Beim Vergleich des<br />
städtischen und privaten Betriebes fällt nach<br />
dem Bericht in Betracht^ dass «die städttsche<br />
Verwaltung mit höheren Löhnen und<br />
kürzeren Arbeitszeiten zu rechnen hat und<br />
überhaupt in manchen Dingen in ihrer Bewegungsfreiheit<br />
mehr gehemmt ist als ein<br />
Privater. Wenn auch die Theorie, dass ein<br />
privater Betrieb rationeller und billiger arbeite<br />
als ein öffentlicher» nicht durchwegs<br />
mit der Praxis übereinstimme, so doch jedenfalls<br />
für die in Sohaffhausen vorliegenden<br />
Verhältnisse».<br />
Wenn der Autobusbetrieb fallen gelassen<br />
und die Strassenbahn wieder eingeführt würde,<br />
so ergäben sich für die Stadt ganz beträchtliche<br />
Mehrkosten. Der gesamte Unterund<br />
Oberbau sowie die Kontaktleitungen<br />
müssten erneuert werden und umfangreiche<br />
Strassenkorrektionen wären unumgänglich<br />
notwendig. Die städtische Bauverwaltung<br />
hätte demzufolge nur für "die Strassenkorrektion<br />
über Fr. 200,000.-— aufzuwenden, wenn<br />
die Bedürfnisse der wieder einzuführenden<br />
Strassenbahn berücksichtigt werden müssen,<br />
währenddem nur Fr. 160,000.— aufzuwenden<br />
sind, wenn diese Rücksichtnahme wegfällt.<br />
Ein Vergleich der jährlichen Belastung der<br />
städtischen Finanzen bei Wiedereinführung<br />
des Tramverkehrs oder bei Beibehaltung des<br />
jetzigen Verkehrsmittels zeigt, dass für den<br />
Autobus und bei einem reichlich bemessenen<br />
Mehraufwand für den Strassenunterhalt<br />
Fr. 13,000 auszugeben sind, während beim<br />
Strassenbahnverkehr Fr. 16,000.— gerechnet<br />
werden müssen. Dieser für den Autobus<br />
günstigere Ansatz ergibt sich, trotzdem für<br />
den Autobus ein Betriebsdefizit von 10,000<br />
Franken und bei der. Strassenbahn nur ein<br />
solches von Fr. 4000.— in Rechnung gestellt<br />
wurde. Der Bericht kommt deshalb zum<br />
Schlüsse, «das Automobil verdiene unter dem<br />
wirtschaftlichen Gesichtspunkt den Vorzug<br />
vor der Strassenbahn». Das Ergebnis der<br />
Rechnung würde für das Tram übrigens noch<br />
ungünstiger ausfallen, wenn die Strassenbahn<br />
über den früheren Endpunkt hinaus, also bis<br />
zur Endstation des Omnibusverkehrs, ausgebaut<br />
werden müsste.<br />
Es wird übrigens zurzeit von der Stadt<br />
auch noch die im Grossen Rat gefallene Anregung<br />
geprüft, einen Omnibusbetrieb probeweise<br />
auf andere Quartiere als die bisher bedienten,<br />
auszudehnen. Es ist anzunehmen,<br />
dass der Grosse Rat dem Vorschlag des<br />
Stadtrates, den Autobusverkehr auf der bis<br />
anhin versuchsweise betriebenen Strecke<br />
Obertor-Breite-Hohlenbaum auf den frühesten<br />
Termin, der praktisch möglich ist, endgültig<br />
einzuführen und die frühere Strassenbahnlinie<br />
definitiv aufzuheben, zustimmen<br />
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