E_1929_Zeitung_Nr.059
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Bern, Dienstag 9. Juli <strong>1929</strong> ///. Blatt der „Automobil-Revue 44 No. 59<br />
Im heutigen<br />
„Autler-Feierabend":<br />
Die Seite der Frau<br />
Sei vollschlank! 19<br />
Pariser-Modedynastien 19<br />
Der Sport<br />
Schmeling-Paolino 20<br />
Kommende Leichtathleten 20<br />
Gespräch mit einem Freund 21<br />
Das neue Kreuzworträtsel 22<br />
Tourensprechsaal 23<br />
Humor 24<br />
Der gute Ton<br />
Von Frank Smetana.<br />
In einer kleinen Gesellschaft niest eine<br />
Dame und ein Herr wünscht « Gesundheit! »<br />
Meint ein anderer: .«Aber das sagt man<br />
doch nicht!»<br />
Ein dritter ist anderer Meinung : « Warum<br />
nicht? Das ist eine Aufmerksamkeit, ausserdem<br />
eine gute, alte Sitte.»<br />
Ein vierter mischt sich drein : « Papperlapp<br />
*— mag alles gut und schön sein, aber es ist<br />
•unmodern und unfein, abgedroschen. Zu einem<br />
Gähnenden sagt man doch auch nicht<br />
.Gute Nacht!'»<br />
Die ganze Gesellschaft kam in Streit.<br />
Jeder war anderer Meinung, die einen waren<br />
dafür, die andern dagegen, einige halb<br />
dafür und halb dagegen.<br />
Die Debatte dauerte einige Stünden. Es<br />
rückte gegen Mitternacht. Endlich schlug eine<br />
^"Dame vor, Professor Stein, den berühmten<br />
Aesthefen und Kenner des guten Geschmacks,<br />
jenen Verfasser weltberühmter und vielverbreiteter<br />
Lehrbücher über den guten Ton, die<br />
gute Sitte und feines Benehmen telephonisch<br />
zum Richter in dem heissen Meinungskampf<br />
anzurufen.<br />
Alle waren damit einverstanden. *<br />
Und so klingelte bei Professorjstein das<br />
Telephon. Er hatte sich gerade, müde vom<br />
langen Schreibeü, zu Bett geligt. ÄeTgirllcH<br />
über die nächtliche Störung ergriff er den<br />
Hörer.<br />
«Herr Professor», sagte eine feierliche<br />
Der Fall Cranmore<br />
Fortsetzung aue dem Hauptblatt.<br />
Einen Augenblick später fuhren sich kreuzende<br />
Lichtstrahlen ins Zimmer. Zwei triefende<br />
Polizisten erschienen und sprangen<br />
durchs Fenster herein. Als sie Dolores erblickten,<br />
hielten sie ein wenig überrascht an.<br />
«Was gibt's, Miss?» fragte der eine. «Wir<br />
hörten zwei Schüsse . . .»<br />
«Hat scheint's das Licht ausgeschossen,»<br />
erklärte der andere. «Und was hat's denn<br />
da gegeben . . .?»<br />
Er deutete auf den gelben Diwan, der auf<br />
der Seite lag und seine klauenbewehrten<br />
Füsse ins Zimmer streckte.<br />
Eine erschrockene Stimme rief von der<br />
Treppe her, was geschehen sei, und Lettice<br />
Harbury stürzte in einem etwas sonderbaren<br />
Nachtgewand ins Zimmer.<br />
«Dolores!» schrie sie, als sie das junge<br />
Mädchen erkannte.<br />
«Mir ist nichts geschehen, Tante Letty ...<br />
ein Einbrecher . . .<br />
Wie ein Sturmwind schwang sich Boulot<br />
vom Garten her durchs Fenster, nass bis<br />
auf die Haut, beschmutzt bis zu den Knien.<br />
Er schäumte vor Wut, und es bedurfte einer<br />
längern Erklärung, bis sich die feindselige<br />
Haltung der beiden Konstabier in Respekt<br />
und Untertänigkeit verwandelte. Einer wurde<br />
zur nächsten Polizeistation geschickt, um<br />
Stimme, «im Namen einer kleinen Gesellschaft,<br />
die Sie als den tonangebenden Meister<br />
des guten Geschmacks verehrt und schätzt,<br />
möchte ich Sie um die Beantwortung einer<br />
kleinen aber nicht unwesentlichen Streitfrage<br />
Ich bin so aufgeregt, dass ich kaum<br />
schreiben kann. Nun habe ich die grösste<br />
Erfindung des Jahrhunderts gemacht und<br />
... nur natürlich wegen meiner geradezu<br />
grotesken Verliebtheit ist alles wieder.. i<br />
ich hänge mich ja auf. Also, ich bin, wie<br />
gesagt, zu aufgeregt. Muss mal erst einen<br />
Kognak nehmen ... Ja, jetzt geht es besser.<br />
Ich bin ein Radio-Amateur, aber ein<br />
ganz gediegener. Und ich habe zwei Jahre<br />
an einem Apparat gearbeitet, der alles in<br />
den Schatten stellt, was es in dieser Branche<br />
gibt. Ein Amerikaner hat mir hunderttausend<br />
Dollar angeboten ... der Naivling!<br />
Für meinen Apparat, mit dem ich. das<br />
Zehnfache in den nächsten drei Wochen<br />
verdient.<br />
Der Apparat ist so gross wie eine Zigarrenschachtel<br />
für 100 Stück. Die Sache<br />
ist sehr einfach: Wenn jemand die Schachtel<br />
aufmacht, dann kann ich von meinem<br />
Laboratorium aus mit ihm sprechen und..<br />
ja, jetzt kommt's: ich kann ihn auch sehen.<br />
Ist nichts Neues? Doch, in so kleiner Aufmachung<br />
schon was Neues. Ich will noch<br />
mehr verraten, damit die Redaktion nicht<br />
sagt, ich mache den Lesern nur den Mund<br />
wässrig. Ich arbeite mit negativen Wellen.<br />
Sie verstehen: es gibt normale Wellen, und<br />
dann gibt es lange Wellen, und dann gibt<br />
es sogenannte Kurzwellen. Das ist alles<br />
nichts. Da ist so viel los auf jeder Länge,<br />
dass man nichts «Souveränes» mehr für<br />
seinen verliebten Privatgebrauch findet!.<br />
Daher erfand ich die negativen Wellen. Die<br />
also kürzer sind als Null. Z. B., ich; arbeite<br />
mit dem • erfundenen Apparat auf<br />
ötitiüs 867 öder 896 Möter. Ich will mich<br />
Meldung zu machen, der andere begab sich<br />
zum Telephon, um Manderton in seiner<br />
Wohnung anzurufen.<br />
Als sie fort waren, brach Boulots Entrüstung<br />
gegen sich selbst von neuem los.<br />
«Grosser Gott!» jammerte er. «Fort, verschwunden!<br />
Und wenn ich denke, dass ich<br />
ihn schon am Kragen hatte, wenn ich nur<br />
leise eingetreten wäre! Nie hätte er mir entkommen<br />
können! Was für eine Kühnheit und<br />
Geistesgegenwart, Donnerwetter...!»<br />
«Was wollte denn der Mann?» fragteMrs.<br />
Harbury.<br />
«Was für eine Entschlussfähigkeit!» rief<br />
der Franzose, ohne die Frage zu beachten.<br />
«Nicht zwei Sekunden — nicht eine hatte er,<br />
um sich zu entscheiden — und pum! schiesst<br />
er das elektrische Licht aus — und pum !<br />
kauert er sich nieder, um meinen Sohuss zu<br />
vermeiden — und pum! pum! ist er draussen<br />
und fort, wie er sich's schon vorher zurechtgelegt<br />
hatte! Quel type!»<br />
Er brach plötzlich ab, und seine Augen<br />
starrten verblüfft auf den umgelegten Diwan.<br />
«Sie fragen mich, Madame, was der Halunke<br />
wollte. Da haben Sie's ! »<br />
Er deutete mit vor Aufregung zitterndem<br />
Finger erst auf den Diwan, dann auf den Boden.<br />
Dort lag einer der abgeschraubten<br />
Füsse. Mit einer schnellen Bewegung griff er<br />
danach und zeigte ihn den beiden Damen. Er<br />
war hohl. Rund um die Schraube war eine<br />
Höhlung ausgeschnitten, gross genug, um als<br />
Versteck zu dienen.<br />
bitten : Was soll und darf man einem Niesenden<br />
zurufen?»<br />
Der Professor antwortete mit Donnerstimme<br />
: « Rutschen Sie mir den Buckel runter,<br />
Sie Idiot!»<br />
Meine grosse Erfindung<br />
Von Franz Carl Endres.<br />
nicht in Einzelheiten verlieren. '<br />
Als ich fertig war, besuchte mich eine<br />
Zürcherin, in die ich mich rasend verliebte.<br />
Sehr töricht für einen Gelehrten<br />
wie mich, aber, wenn Sie das Bild der<br />
Zürcherin sehen würden... Auch du,<br />
mein Brutus! Aber jetzt ist es zu spät,<br />
denn sie liebt mich auch. Ach, vielleicht<br />
heute nicht mehr! Ich zeigte ihr den Apparat<br />
nicht. Ich wollte sie zu ihrem Geburtstag<br />
damit überraschen. Ich sandte<br />
den Apparat durch einen Freund per Auto<br />
. nach Zürich. Er gab ihn ab. Für Fräulein<br />
... Nein, nein, also den Namen brauche<br />
ich der Redaktion doch wohl nicht zu<br />
nennen? Nicht wahr? Das tut ja schliesslich<br />
nichts zur Sache. Der Freund gibt<br />
den Apparat ab. Ich warte — ich wusste<br />
die Stunde, wann er ihn abgibt — in meinem<br />
Laboratorium vor der Mattscheibe.<br />
Nun musste das süsse Bild der Geliebten<br />
erscheinen, wenn sie den Deckel abhebt.<br />
Nichts erschien! Sollte der Apparat nicht<br />
funktionieren? Das war bei der Grosse<br />
meiner technischen Leistung unmöglich.<br />
Ich warte eine Stunde, noch eine: .'Nichts!<br />
Ein dringendes Telephongespräch nach<br />
Zürich.<br />
Sie ist selbst am Telephon»<br />
«Hast du nicht.... Ist er kaput?<br />
Warum machst du ihn nicht auf?» rufe ich.<br />
«Fehlt Ihnen etwas?» flüstert eine Stimme.<br />
Erst dann erkennt sie mich, als ich deutlich<br />
ihr den Sachverhalt erkläre. Sie hat<br />
ein Paket von mir bekommen. Hat keine<br />
Ahnung, was darin ist, meint Schokolade,<br />
traut sich aber nicht, das Paket in Gegenwart<br />
ihrer auf mich wütenden Elfern zu<br />
öffnen. «Ich habe es in meinem Zimmer<br />
vetgteckt. Ich sehe es erst heute abend" 1 an,<br />
wenn ich im Bett Bin. Vielen Dank einstweilen...<br />
hueh!!!... ich höre Mama...»<br />
Abgehängt. Schluss! '<br />
Da sass ich. Wann geht das Kind zu<br />
Monsieur Boulot schlug sich mit der Hand<br />
vor die Stirn.<br />
«Oh, ich dreifacher Esel!» schrie er. «Ich<br />
Dummkopf. Da haben wir die ganze Erklärung...»<br />
Und wie ein Blitz fegte .er aus dem Zimmer.<br />
In das Licht der Strassenlatnpen mischte<br />
sich schon die Morgendämmerung, als Boulot<br />
in einer engen Gasse, sich vorsichtig nach<br />
rechts und links umschauend, die Tür eines<br />
Barbierladens aufstiess, schnell in einen völlig<br />
finsteren Gang trat und sie wieder hinter<br />
sich zuzog. Sogleich legte sich aus der Dunkelheit<br />
eine Hand auf seinen Arm.<br />
• «Was wollen Sie hier?»<br />
Die Stimme klang wie die eines Ausländers.<br />
«Ich will mich nach Gaston, dem «Eichhörnchen»,<br />
umschauen.»<br />
«Also Freund. Gut! Geh nur bis ans Ende<br />
des Ganges, aber mach keinen Lärm, damit<br />
die verfluchte englische Polizei...»<br />
!<br />
7&h^ytf<br />
glückliches Kästchen! — Bind mit mir plaudert.<br />
«Ich danke dir. Oh, das ist reizend, dass<br />
wir jetzt ganz geheim miteinander sprechen<br />
können...» Sie erzählt mir dies und<br />
jenes. Ich höre kaum. Ich sehe nur auf<br />
der Mattscheibe ihr entzückendes Gesichtchen<br />
und bin verrückt vor Verliebtheit.<br />
Ich sehe, während sie spricht," dass sie<br />
ausser meinem Kästchen auch eine Photographie<br />
in ihr Bett mitgenommen hat. Und<br />
ich sehe, dass sie diese Photographie at<br />
und zu ansieht, während sie mit mii<br />
spricht.<br />
Sommerliche Betrach tung<br />
Man liegt am Strand und badet sich in Sonne,<br />
Betrachtet seinen grossen Zeh. —<br />
Man spielt Diogenes — nur ohne Tonne<br />
Und träumt vom nächsten 5-Uhr-Tee..<br />
Der Regen kommt, wem* wir ihn nicht erwar«<br />
;<br />
ten, - - ''<br />
Er ist ja Stammgast tmd hat alles frei.<br />
Verzweifelt-schreibt man blöde Ansichtskam<br />
ten.<br />
Und auch nach-Haus. Und denkt sich nichts<br />
dabei. - .<br />
(Aus einem Gedicht von M«x Kolpe}!.<br />
Der unsichtbare Aufpasser verschwand<br />
murmelnd, während Boulot mit vorgestreckten<br />
Händen weiterstolperte, bis er zu einer<br />
neuen Tür kam. Dann ging's über einen engen<br />
Hof zu einer dritten, hinter der ein Gewirr<br />
von Stimmen hörbar wurde.<br />
Eine Wolke heisser, tabakdunstgeschwängerter<br />
Luft schlug ihm entgegen, als er in<br />
den schmalen, durch Oellampen erhellten<br />
Kellerraum eintrat, tu. dem einige steile Stufen<br />
hinabführten. An kleinen Tischen sassen<br />
meist einzelne Paare in eifrigem Gespräch.<br />
In der Mitte drehten sich ein halbes<br />
Dutzend Paare* im Tanz. Boulots Blick<br />
streifte über sie hin: eine Auswahl aus dei<br />
Gesellschaft, mit der er in, seinenulangen Be«<br />
rufsleiben zu tun gehabt hatte. Apachen mit<br />
ihren Stierköpfen und schleimigen Augen,<br />
entlassene Sträflinge, an ihrer grauen Gesichtsfarbe<br />
zu erkennen, geschminkte Dirnen<br />
und erfolgreiche Geschäftsveribrecher mii<br />
dicken Zigarren im Mundwinkel und einei<br />
Flasche Champagner neben sich.<br />
An einem Tisch allein sass Gaston, dei<br />
Kellner aus dem kleinen französischen Restaurant.<br />
Boulot klopfte ihm auf die Schulter.<br />
«Ein bisschen spät, aber da bin ich...»<br />
Der andere sah auf und warf ihm einen<br />
misstrauischen Blick zu.<br />
«Was wollen Sie von mir? Ich kenn' Sie<br />
nicht.»<br />
Boulot setzte sich lachend an den Tisch<br />
und nickte wohlgefällig seinem Bild in einem<br />
an-der Wand hängenden Spiegel zu, das ihm<br />
einen schwarzhaarigen, gutmütig aussehenden<br />
Mann von etwa vierzig Jahren zeigte.<br />
«Sie haben doch nicht erwartet, dass ich<br />
mich den Herrschaften so vorführe, wie sie<br />
mich von meinem Amtszimmer her kennen<br />
... ? »<br />
Gaston hieb mit der Hand auf den Tisch.<br />
«Sie sind einer, Patron! Weiss Gott, da<br />
kann man noch immer was lernen. Und jetzt<br />
hören Sie: unser Mann war hier letzte<br />
Nacht...»<br />
INTERNAT. CONCOURS HIPPIQUE 6.-14. JULI<br />
:<br />
(Fortsetzung: folgt.)<br />
AUTOPARK<br />
DIE SENSATION DER SAISON:<br />
DAS NEUE STRANDBAD Ll DO<br />
TANKSTATION