E_1929_Zeitung_Nr.077
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N° 77 —• <strong>1929</strong> AUTOMOBIL-REVUE<br />
Eine Serie neuer Rekorde hat, wie wir<br />
schon meldeten, der Amerikaner Duray mit<br />
einem Packard Cable-Rennwagen in Mont-<br />
Ih6ry aufgestellt. Der Champion fuhr die<br />
fünf Kilometer Lance innert l'20"15, was einem<br />
Stundenmittel von 224,578 km entspricht.<br />
Seine weiteren Rekordzeiten lauten:<br />
für fünf Meilen Lance 2'9"29, Stundenmittel<br />
224,053 km; für zehn Kilometer Lance<br />
2'41"02, Stundenmittel 223,574 km.<br />
Eine Geländefahrt hat der Berchtesgademer<br />
A. C, am letzten Sonntag erfolgreich<br />
durchgeführt. Die Veranstaltung war ausschliesslich<br />
für Tourenwagen gedacht und<br />
hauptsächlich auf Amateure eingestellt. Bei<br />
einer Geländefahrt im Lattengebirge wurde<br />
bei verdecktem Tachometer den Fahrern auf<br />
den Durchschnittsgeschwindigkeits-Nerv gefühlt,<br />
wobei kitzlige Steigungen, Stopp- und<br />
Bremsprüfungen etc. die gestellte Aufgabe<br />
erschwerten. Wenn auch die Veranstaltung<br />
keinen Publikumserfolg im Grossen erzielte,<br />
so brachte sie doch Organisatoren, Fahrern<br />
und nicht zuletzt der Technik wertvolle Fin-<br />
, gerzeige.<br />
Auf die Findigkeit stellte der Karten-Orientierungs-Wettbewerb<br />
der Ortsgruppe München<br />
des Deutschen Touring-Clubs ab, bei<br />
dem es versteckte Punkte in einem Umkreise<br />
von 10—15 km anhand der Karte aufzufinden<br />
galt. Auch hier ein schöner Erfolg, der<br />
bewies, dass der Autosport nicht ausschliesslich<br />
auf Geschwindigkeitsrennen angewiesen<br />
zu sein braucht.<br />
Pontedecimo-Giovl-Bergrennen. Das Bergrennen<br />
der Genueser, ein© Lokalangelegenheit,<br />
die zum sechsten Male ausgetragen<br />
wurde, sah 40 Wagen am Start. Der grosse<br />
Erfolg war Biondettis Fahrt auf Bugatti, der<br />
den bestehenden absoluten Rekord um beinahe<br />
zwei Minuten unterbot. Seine Zeit ist<br />
mit T2i%" (79,277 Stundenkilometer) in das<br />
goldene Buch des Rennens eingetragen. Hinter<br />
Biondetti placierte sich Pietro Ghersi auf<br />
Alfa Romeo mit 7'31". In der Sportkategorie<br />
verwies di Vecchio auf Salmson seilten<br />
in der Schweiz vom Klausen und der<br />
^ernina her bekannten Markengenossen<br />
Clerici auf den zweiten Platz. In der 1500-<br />
ccm-Klasse der gleichen Kategorie siegte<br />
Pratolongo auf Ceirano, in der 2000-cem-<br />
Klasse Baron Sartorio auf Alfa Romeo und<br />
in der über 2000-ccm-Klasse — immer der<br />
Sportwagen — Balestrero auf La Salle, während<br />
Signora Pozzo auf Alfa Romeo den Damenpreis<br />
erhielt.<br />
Vom Euphrat nach St. Moritz.<br />
Chefredaktor Buchli "erzählt uns nachstehend<br />
seine phantastische, 73stündige Parforce-Sternfahrt<br />
von Biredjik am Euphrat<br />
über den Taurus, bei höllischer Hitze durch<br />
die Salzwüste nach Konstantinopel und von<br />
dort aus via Adrianopel, Sofia, Belgrad,<br />
-Maribor, Meran nach St. Moritz.<br />
Diesmal hat sich die Pressestelle, welche<br />
meldete, wir seien stecken geblieben, in die<br />
Finger geschnitten! Ich in Rumänien stecken<br />
geblieben? Einmal war ich gar nicht in Rumänien,<br />
und ausserdem ist die Lockung, wieder<br />
einmal ein paar Tage in den Bergen meiner<br />
Heimat zu verbringen, doch zu gross gewesen.<br />
Nein, die Losung meiner Reise war<br />
ein unentwegtes «Vorwärts».<br />
Reisen in der Türkei, insbesondere in der<br />
anatolischen, und noch mehr südlich des<br />
Taurus, ist nicht einfach. Trotz der erstaunlichen<br />
Energie der neuen Regierung ist Monsieur<br />
le Bureau dort noch nicht ausgestorben<br />
und amtet mit einer Kompliziertheit,<br />
welche einen modern eingestellter Europäer<br />
zum Platzen bringen kann. Wer niemals<br />
durch das Fegefeuer türkischer Formalitäten<br />
durchgegangen ist, wer niemals mit<br />
freundlichem Gesicht bei türkischem Kaffee<br />
die Faust in der Tasche ballte, der kennt<br />
den. Orient- nicht. Eile ist immer noch ein<br />
unbekannter Begriff.<br />
Und doch reizte das Neue. Mal dahin kommen,<br />
wo nicht der Strom der Reisebureau-<br />
Karawanen flutet, in den Orient! Leider<br />
musste ich zwar den Plan einer Durchquerung<br />
von ganz Kurdistan und damit auch die<br />
Absicht, nach Bagdad durchzustossen.auf später<br />
verschieben. Die von militärischer Seite<br />
zu erlangenden Bewilligungen bekommt man<br />
nicht leicht. So nahm ich mir denn die<br />
Spritztour an den Euphrat vor.<br />
Für Fettleibige, welche gerne auf asphaltierten<br />
Strassen von einer kulinarischen Kulturstätte<br />
zur andern reisen, ist solcher Tourismus<br />
nichts. Schon der Balkan ist kein<br />
Leckerbissen: Gute bis mittelmässige Strassen<br />
in Kroatien und Slowenien, eine Renommierstrasse<br />
von Belgrad bis Kragujevac,<br />
dann ists aus mit dem Tempo, denn schon<br />
die Strasse nach Nisch und von dort nach<br />
Sofia, ist grausig. In Bulgarien kommt man<br />
wenigstens vorwärts. Dann aber, wenn du<br />
Fremdling türkischen Boden betrittst, lass<br />
alle Hoffnung fahren.<br />
Wir erreichten Konstantinopel relativ<br />
rasch über Graz, Maribor, Belgrad, Sofia<br />
und Adrianopel. In Sofia bereitete uns Seine<br />
Der Amerikaner Duray, der mit seinem Packard-Cable-Wagen am Arpajoner Rekordtag über 230 km<br />
erzielte hat sich für den Grossen Preis von Monza eingeschrieben.<br />
Majestät, König Borius von Bulgarien, einen<br />
überaus genussreichen Tag. Abends sausten<br />
wir noch ein Stück weiter südöstlich und<br />
überschritten dann die türkische Grenze. Sie<br />
wird uns ewig unvergesslich bleiben, denn<br />
sie kostete uns einen Tag mit Zollformalitäten,<br />
trotzdem wir nichts bei uns hatten, als<br />
was eine normal ausgerüstete Orientexpedition<br />
eben mit sich führen muss.<br />
In Istambul begann der Run nach den Pässen<br />
und Visas, die für jede Stadt besonders<br />
gegeben werden. Nach viertägigem Aufenthalt<br />
betraten wir den Boden Asiens. Die<br />
Fahrt nach Angora, der neuen Hauptstadt<br />
der Türkei, gab uns einen Begriff dessen*<br />
was uns erwartete. Am besten waren die<br />
Wüstenstrassen, weil man dort fuhr, wo es<br />
einem einfiel. Die übrigen waren eher Steinbrüche<br />
als Strassen. 10 und 15 Kilometer<br />
Durchschnitt pro Stunde waren dasUebliche.<br />
Abends musste man erst- seine Knochen<br />
sortieren, so wurden wir geschüttelt. Von<br />
Angora stiessen wir nach Kaisar je vor,<br />
mussten allerdings die geplante Besteigung<br />
des Erdjas-Dagh bleiben lassen, da uns tags<br />
zuvor der von uns gemietete -Lieferwagen<br />
mit dem Grossteil des Gepäcks und den<br />
sämtlichen Gegenständen für das Lager, Zelten,<br />
Schlafsäcken, Küche usw., abhanden gekommen<br />
war und bis heute nicht wieder<br />
aufgefunden werden konnte. Wir reisten<br />
fortan mit dem reduzierten Gepäck eines<br />
Handwerksburschen. Nur gut, dass uns unsere<br />
hervorragenden Adler-Favorit-Wagen,<br />
die kleinen 8/35 PS Vierzylinder, keine Sorgen<br />
bereiteten; sonst wären wir ohne Ersatzteile<br />
bös aufgesessen. Von Kaisarje drangen<br />
wir südwärts über Nigde ,zum Taurus<br />
vor und überquerten denselben bei der Porta<br />
Cyliciae. Die 70 km des eigentlichen Ueberganges<br />
bewältigten wir in 9 Stunden. Es<br />
war eine Bergtour und eine Geländefahrt,<br />
die man in Europa für unmöglich hielte.<br />
In tiefer Nacht erreichten wir Adana. Die<br />
Hitze war hier bereits erheblich geworden,<br />
60 und mehr Grad am Schatten waren an<br />
der Tagesordnung; leicht war es nicht.<br />
Denn schon in Kaisarje hatten wir festgestellt,<br />
dass es inskünftig wohl nicht mehr<br />
möglich sein werde im Hotel zu wohnen.<br />
Die Wanzen, und was dergleichen Haustiere<br />
mehr sind, setzten uns zu arg zu. So kampierten<br />
wir mit einem wehmütigen Gedanken<br />
an unsere Zelte und Feldbetten in den Wagen<br />
ausserhalb der Stadt und erreichten am<br />
folgenden Tag nach einer neuen, nicht leichtten<br />
Passfahrt die Stadt Aintab, um von dort<br />
noch in der Nacht zum Euphrat durchzustossen,<br />
diesmal unter militärischer Bedeckung<br />
und mit entsicherter Wafle. Aber wir kamen<br />
sicher und gut in Biredjik am Euphrat an.<br />
War die Reise bisher eine Studienfahrt<br />
gewesen, begann nunmehr der Ernst. Am 12.<br />
August früh starteten wir zur Zielfahrt nach<br />
St. Moritz. Im Mondschein floss der Europus<br />
träge dahin, als am westlichen Horizont<br />
unser Adler-Trupp .verschwand.' Die erste<br />
Etappe führte in brennender Hitze von Biredjik<br />
über Aintal nach Adana, das wir<br />
nachts um 12 Uhr nach einer einzigen kur-<br />
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zen Mahlzeit erreichten. Nach zweistündiger<br />
Ruhe brachen wir nach Tharsus auf und<br />
überquerten zum zweiten Mal den Taurus,<br />
um abends 8 Uhr U'u-Kischla zu durchfahren<br />
und sofort unsern Weg nach der uns<br />
von' Konia trennenden Salzwüste zu nehmen.<br />
In eine dick© Sandwolke gehüllt passierten<br />
wir sie. Schlaf wurde durch stramme Haltung<br />
ersetzt. Die Nahrung bestand seit dem<br />
ersten Tag aus Tee, Brot und Schweizer<br />
Schachtelkäse, denn die türkische Nahrung<br />
bekam uns nicht. Ich traf früh 9 Uhr' in<br />
Konia ein, meine Kameraden folgten drei!<br />
Stunden später. Schon am Mittag zogen wir<br />
in nördlicher Richtung weiter, um Erskishehir<br />
zu erreichen, um von dort in einer neuen Tagereise<br />
die Küste zu erreichen. Auch von<br />
Konia bis zur Küste waren wir Tag und Nacht<br />
durchgefahren. An der Küste kam wieder<br />
einmal eine unliebsame Ueberraschung: Unmöglich,<br />
über den Meeresarm nach Konstantinopel<br />
zu kommen. Langwierige Verhandlungen<br />
führten zu nichts. Wir blieben<br />
sitzen, zunächst bis zum nächsten Mittag.<br />
Dann gab es endlich Leben, und um 8 Uhr<br />
abends endlich, nach einem Verlust von vollen<br />
26 Stunden, konnten wir die Weiterreise<br />
von Konstantinopel aus antreten. Nun galt<br />
es zu eilen. Adrianopel erreichten wir am<br />
Morgen des folgenden Tages. Wieder gingen<br />
drei Stunden mit Zollgeschichten verloren.<br />
Mittags gings im 'Eilmarsch Sofia zu, das ich<br />
8 Uhr abends erreichte. Meine Teamkameraden,<br />
welche mit besonders zahlreichen<br />
Reifenschäden zu kämpfen hatten, kamen um.<br />
11 Uhr nachts. Ich entschloss mich deshalb,<br />
die Reise allein fortzusetzen und vorauszufahren,<br />
um nicht noch mehr wertvolle Zeit<br />
einzubüssen. Nach den nötigen Anordnungen<br />
für meine Kameraden schied ich Sonntag,<br />
den 18. August, früh um 1 Uhr, von ihnen<br />
und erreichte um 3 Uhr die bulgarische<br />
Grenze, kam nach Nisch und um 3 Uhr nachmittags<br />
nach Belgrad. Nach einem Tankhalt<br />
trat ich die Nachtfahrt nach Osijek, Varazdin,<br />
nach Maribor an, das Montag früh<br />
vor mir lag. Nun war keine Zeit mehr zu<br />
verlieren. Ueber Drauburg passierten wir<br />
die österreichische Grenze, kamen überKlagenfurth<br />
nach Spital, Wo uns ungeheure<br />
Wolkenbrüche überraschten, und dann war<br />
unser Geschick besiegelt, als wir dort neuerdings<br />
zwei Stunden Zwangsaufenthalt zudiktiert<br />
bekamen. Wohl versuchten wir noch<br />
in gefährlichem Eilmarsch auf den durchnässten,<br />
glitschigen Strassen zu retten was<br />
zu retten war, kamen um 5 Uhr nach Merani<br />
und um 6.30 Uhr an die schweizerische<br />
Grenze. Aber der Glockenschlag 7 Uhr er-*<br />
reichte uns noch unter der Passhöhe des<br />
Ofenbergs. Die ganze ausserordentlich Anstrengung,<br />
alle Entbehrung war umsonst gewesen.<br />
Das war trübe. Aber die Freude an<br />
der Leistung, an dem Ueberwinden von Gefahren,<br />
und das Bewusstsein, noch nicht zum<br />
alten Eisen zu gehören, tröstete einigermassen.<br />
Als unser treuer Adler nach St. Moritz<br />
hereinbrummte, empfingen uns Freunde,<br />
deren Zuneigung uns über die ersten Momente<br />
hinweghalfen. Dann sanken wir nach:<br />
neun Tagen zum ersten Mal wieder in ein :<br />
richtiges Bett. Wir haben die Strecke von<br />
Biredjik nach Konstantinopel, ich mit meinem<br />
Kameraden, in 59 Stunden, mit zwei Stunden<br />
Ruhe, durchfahren. Von Konstantinopel erreichte<br />
ich St. Moritz in 73 Stunden, ohno<br />
jeden Ruhehalt.<br />
Gegen die neue Indianapolis-Rennformel.<br />
Mr. Friedrich Moskovics, der seit 25 Jahren<br />
im amerikanischen Automobilismus an führender<br />
Stelle steht und unter anderem auch<br />
an der Konstruktion des 16-Zylinder-Rennwagens<br />
für Frank Lockhart Anteii hatte,<br />
sprach sich unlängst, anlässlich eines Interviews,<br />
sehr entschieden gegen die neue<br />
Rennformel von Indianapolis aus. Er erklärte,<br />
die neuen Bestimmungen würden allen<br />
möglichen und unmöglichen «Freak-Konstruktionen»<br />
Tür und Tor öffnen. Abgesehen<br />
davon müsse auch der Preis der künftigen<br />
Rennwagen für Indianapolis bedeutend höher<br />
sein als" je zuvor. Mr. Moskovics schätzt<br />
die Auslagen für ein aus zwei Wagen bestehendes<br />
Team der 1930er-Type auf 150.000<br />
Dollar. Nach seiner Ansicht könnte der Rekordwagen<br />
«Bluebird» des Capt. Malcolm<br />
Campbell, ohne die Bestimmungen zu verletzen,<br />
in Indianapolis mitgehen. Verwunderlich<br />
nennt Mr. Moskovics ferner auch die<br />
Ausschaltung mehrerer Ventile pro Zylinder,<br />
des Kompressors, den er für die weitesttragende<br />
Neueinführung der letzten Jahre hält.<br />
Nach der Meinung des bekannten Sportsmannes<br />
und Konstrukteurs hätte der Rennwagenmotor<br />
für Indianapolis 1930 folgende<br />
Charakteristika: Sechzehnzylinder in V-<br />
Form, d. h. zweimal acht Zylinder, beide<br />
Kurbelwellen zentral über ein Zahnrad gekuppelt,<br />
mit einer Leistung von 200 bis 250<br />
Pferdestärken, ohne Kompressor. Die Wagenform<br />
wäre ferner so weit als möglich der<br />
Stromlinie anzupassen. Das alles sei aber<br />
nicht das, was mit Rücksicht' auf die Nutzanwendung<br />
im Serienwagenbau angestrebt<br />
werden müsse.