E_1930_Zeitung_Nr.012
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N» 12 — <strong>1930</strong> AUTOMOBIL-REVUE 13<br />
Stehlen als Krankheit<br />
Die Frau und die Kleptomanie<br />
Zu den dunklen Rätseln der Menschenseele,<br />
*üe dem Kriminalisten und Psychiater immer<br />
wieder entgegentreten, gehört auch jene seltsame<br />
Triebverirrung, die als « Kleptomanie »<br />
bezeichnet wird. Es ist dies ein krankhafter<br />
Drang zum Stehlen, der stärker ist als jede<br />
Erwägung der Vernunft und jede sittliche<br />
Hemmung. Professor Dr. Sträussler, einer<br />
der bekanntesten Psychiater, äusserte sich<br />
über dieses Problem im «Neuen Wiener<br />
Journal » in folgender Weise :<br />
«Es ist durchaus kein vereinzelter Fall,<br />
dass ein Angeklagter, der wegen Diebstahls<br />
vor Gericht steht, von einem übermächtigen<br />
Zwang erzählt, der ihn zu seiner Tat getrieben<br />
haben soll. Nur in den seltensten Fällen<br />
wird aber dieser Hinweis zu einem Freispruch<br />
führen. Man müsste ja klipp und klar beweisen<br />
können, dass der Diebstahl ausschliesslich<br />
auf eine Triebstörung des Beschuldigten<br />
zurückzuführen ist. Nun ist es aber so<br />
schwer, alle anderen Motive auszuschalten,<br />
dass das Gericht die behauptete Kleptomanie<br />
fast nie als Strafausschliessungsgrund anerkennen<br />
wird.<br />
Die Kleptomanie in der Strassenbahn.<br />
Damit ist natürlich nicht gesagt, dass die<br />
Möglichkeit einer kleptomanischen Veranlagung<br />
von vornherein auszuschalten ist. Es<br />
gibt Diebstähle, die so unmotiviert und in der<br />
Art ihrer Ausführung so durchsichtig sind,<br />
dass sie deutlich auf eine krankhafte Triebverirrung<br />
hinweisen. In meiner eigenen Praxis<br />
sind mir wiederholt solche Fälle untergekommen,<br />
die besonders krass dann wirkten,<br />
wenn es sich um Personen aus begüterten<br />
Gesellschaftsschichten handelte. Einen dieser<br />
Fälle habe ich noch in deutlicher Erinnerung.<br />
Es handelte sich um ein Mädchen aus<br />
sehr gutem Hause, das in der Strassenbahn<br />
bei einem sonderbaren Diebstahl ertappt<br />
wurde. Die Fahrgäste bemerkten, wie eine<br />
junge, sehr elegant gekleidete Dame plötzlich<br />
in die Ledertasche des Schaffners griff,<br />
in der dieser sein Geld verwahrt hielt. Der<br />
erste Versuch misslang und sie wiederholte<br />
ihn zweimal, bis sie genügend Geld erbeuten<br />
konnte. Natürlich wurde sie sofort festgenommen<br />
und einem Wachmann übergeben. Die<br />
psychiatrische Untersuchung ergab, dass es<br />
sich hier um richtige Kleptomanie handelte.<br />
Schon das ganze Gehaben des Mädchens, das<br />
instinktmässige Zupacken ohne jeden Grund<br />
und ohne jede Vorsichtsmassrege] wiesen darauf<br />
hin. Die Sache endete auch mit einer<br />
Einstellung des Strafverfahrens und das<br />
Mädchen kam in eine Heilanstalt.<br />
« Einbruch » bei der guten Freundin.<br />
In einem zweiten Fall handelt es sich um<br />
eine junge Dame der Gesellschaft, die bei<br />
guten Bekannten zu Gaste weilte. Während<br />
der Abwesenheit ihrer Freundin entwendete<br />
sie aus einem versperrten Kasten einen bedeutenden<br />
Geldbetrag und um die Spuren des<br />
Diebstahls zu verwischen, täuschte sie einen<br />
Einbruch vor. Man kam aber bald darauf,<br />
dass die ganze Räubergeschichte erfunden<br />
war und das Gericht erhob gegen die Täterin<br />
die Anklage. Familie, Verteidigung und die<br />
Beschuldigte selbst führten den ganzen Vorfall<br />
auf einen kleptomanischen Trieb zurück.<br />
Das Gericht war jedoch anderer Auffassung;<br />
die sorgfältige Beseitigung jeder Spur wurde<br />
als Beweis dafür gewertet, dass hier ein<br />
ganz gewöhnlicher vorbedachter Diebstahl<br />
vorlag. Das Mädchen wurde auch zu einer<br />
Kerkerstrafe verurteilt.<br />
Schwieriger lag der Fall bei einem Kirchendieb,<br />
der ebenfalls einer begüterten Familie<br />
entstammte. Er stahl im Gotteshaus eine Anzahl<br />
Kostbarkeiten, wobei er ein ausgezeichnetes<br />
Verständnis für ihren künstlerischen<br />
Wert bewies. Seine Verantwortung, dass er<br />
aus einem seelischen Zwang heraus die Diebstähle<br />
beging, hätte vielleicht Glauben gefunden,<br />
wenn er die gestohlenen Gegenstände<br />
nicht verwertet hätte. Damit« war<br />
aber auch das materielle Motiv seiner Tat<br />
erwiesen und er musste eine empfindliche<br />
Bestrafung in den Kauf nehmen.<br />
Erotische Kleptomanie.<br />
Von ähnlichen Gesichtspunkten aus werden<br />
auch die Handlungen jener Ladendiebinnen<br />
beurteilt, die sich bei ihrer Festnahme<br />
auf Kleptomanie auszureden versuchen. Es<br />
fällt gewöhnlich nicht schwer, ihnen ein gewinnsüchtiges<br />
Motiv nachzuweisen. Oft finden<br />
sich unter den Ladendiebinnen Angehörige<br />
der bessern Gesellschaftsschichten, die<br />
sich den gestohlenen Gegenstand ohne weiteres<br />
hätten kaufen können. Manchmal stellt<br />
es sich heraus, dass die Täterin zur Zeit des<br />
Diebstahls von gewissen funktioneilen Vorgängen<br />
in ihrem Körper beeinflusst war, dass<br />
yOftlDJ<br />
sie ihre Delikte in einer Art erotischer Erregung<br />
verübt hat. Auch sonst spielen erotische<br />
Motive bei der Kleptomanie häufig eine wesentliche<br />
Rolle; so sind die Diebstähle eines<br />
Fetischisten oder Verliebten, der einen seiner<br />
Angebetenen gehörigen Gegenstand entwendet,<br />
stets durch erotische Momente bestimmt.<br />
Das Gericht zieht solche Umstände, wie<br />
konstitutionelle Einflüsse bei der Frau usw.<br />
gewöhnlich als Milderungsgrund in Erwägung.<br />
Die Grenze zwischen dorn Krankhaft-Anormalen<br />
und dem Noch-Normalen ist freilich<br />
hier sehr schwer zu ziehen. Der Besitz eines<br />
Paares schöner Seidenstrümpfe oder eines<br />
kostbaren Kleidungsstückes löst ja auch bei<br />
einer nicht gerade kleptomanisch veranlagten<br />
Frau ein Gefühl aus, das man am besten als<br />
die Lust am Besitz bezeichnen könnte. Für<br />
das Gericht gilt aber dieses Moment nicht<br />
als strafbefreiend, ebensowenig wie die Tatsache,<br />
dass jemand einen Gegenstand aus<br />
Liebhaberei stiehlt. Die Leidenschaft des<br />
Sammlers für begehrte Stücke ist bekannt<br />
und Diebstähle durch solche Leute sind gar<br />
nicht selten. Sie gehen dabei oft sehr raffiniert<br />
zu Werke und da ihre Handlungsweise<br />
nicht rein triebsmässlg bedingt ist, kann natürlich<br />
auch bei ihnen nicht von Kleptomanie<br />
gesprochen werden.<br />
Die geschmuggelten<br />
Modellkleider<br />
Die grossen Modehäuser von Paris, deren<br />
neue Kreationen alljährlich viele Millionen<br />
aus dem Ausland nach Frankreich bringen,<br />
sind immer grossen Verlusten durch das vorzeitige<br />
Kopieren ihrer Modelle ausgesetzt<br />
gewesen. Obwohl diese in Kassenschränken<br />
verschlossen sind, die nur durch Geheimschlüssel<br />
zu öffnen sind, gab es immer findige<br />
Köpfe, welche Mittel und Wege fanden,<br />
vorzeitig Kopien zu liefern. Diesem Unfug<br />
zu steuern, haben sich vor kurzem die grossen<br />
Modefirmen zusammengeschlossen und<br />
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Der modische Fröhjahrshut <strong>1930</strong>.<br />
Turbanartijje Hüte sind für <strong>1930</strong> wieder die beliebte Kopfbedeckung. Unsere Abbildung zeist drei Formen<br />
des Strassen- und Abendhutes. Charakteristisch ist das Herunterziehen der Seitenteile über<br />
Ohr und Wange.<br />
eine Detektivzentrale geschaffen, die jedem<br />
Modehaus seinen eigenen Detektiv zuerteilt.<br />
.Einem dieser Aufpasser ist es nun gelungen,<br />
aufzuklären, auf welche Weise in dem seiner<br />
Bewachung unterstellten Hause die Modelle<br />
hinaus kamen. Er stellte fest, dass die jungen<br />
Mädchen, die in diesem Atelier arbeiteten,<br />
eine grosse Vorliebe für die lange so beliebten<br />
Puppen hatten, die man vielfach in Autos<br />
als Maskottchen sieht. Die jungen Damen<br />
nahmen die Puppen regelmässig mit in das<br />
Atelier und ebenso am Abend in ihr Heim.<br />
Besonders als Japanerinnen gekleidete Puppen<br />
wurden bevorzugt. Der schlaue Detektiv<br />
Hess nun die Puppen entkleiden, obgleich<br />
deren Kleider auf den Puppenleib festgenäht<br />
waren, und es ergab sich, dass unter den zur<br />
Schau getragenen Puppenkleidern jedesmal<br />
ein anderes Kleid, ein Modell, verborgen war,<br />
das auf der nächsten Modeschau brillieren<br />
sollte. Man wird also einen neuen Trick ausdenken<br />
müssen, um die Modelle, für die<br />
grosse Summen bezahlt wurden, unbefugt zu<br />
kopieren.<br />
werden dem abgearbeiteten und nervösen Menschen<br />
in sinnfälliger Form durch appetiterweckende, auserlesene<br />
Gerichte zugeführt. Einen köstlichen Schatz<br />
an Rezepten der einheimischen und der ausländischen<br />
Küche finden Ihre Damen im Kochbuch der Feinschmecker<br />
„234 fini Plättli" von Elsa Raaflaub, ihrer<br />
kulinarischen Kunst wird es bald gelingen, durch ein<br />
herrliches Delikatess- Plättli die Geruchs-, Gesichtsund<br />
Geschmacksnerven anzuregen und gesunkenes<br />
Lebensgefühl aufs neue zu wecken. Diese Rezeptnach<br />
ihr zubereitete Gerichte finden den Beifall aller<br />
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1 Expl. Rezeptsammlung „234 fini Plättli<br />
Die junge Piratin<br />
Der abenteuerlichste und gewagteste Piratenüberfall,<br />
der sich je in chinesischen Gewässern<br />
abgespielt hat, war der Ueberiall<br />
auf den japanischen Dampfer «Deli Maru»<br />
zwischen Swatau und Hongkong in Südchina.<br />
Da war unter den Passagieren ein schlankes,<br />
entzückendes junges kantonesisches Mädchen,<br />
das eines Tages früh im Morgengrauen,<br />
die Hände tief in die Taschen ihrer schwarzseidenen<br />
Hosen vergraben, mit einer Zigarette<br />
im Mund auf Deck sass. Bedächtig zog sie<br />
ein letztes Mal an ihrer Zigarette, warf sie<br />
über Bord, erhob sich langsam und schlenderte<br />
gemächlich der Schiffstreppe zu, bei<br />
der zwei indische Polizisten Wache hielten.<br />
Die beiden Inder waren wie üblich bewaffnet<br />
und sassen mit den Händen auf den Knien<br />
gemütlich da. Sie wechselten einen bewundernden<br />
Blick, als sie die Kantonesin sahen,<br />
und waren nicht wenig erfreut, als diese direkt<br />
auf sie zuging und ihnen auffordernd in<br />
die Augen blickte. Da aber zog dieses reizende<br />
Mädchen plötzlich zwei Revolver aus der<br />
Tasche und schoss den einen, der noch ganz<br />
in Bewunderung versunken dasass, mit einer<br />
raschen Bewegung über den Haufen. Dann<br />
machte die hübsche Kantonesin auch noch<br />
den andern kampfunfähig.<br />
Die beiden Schüsse waren jedoch nur ein<br />
Signal gewesen. Etwa zwölf junge Leute von<br />
den vielleicht 120 Personen zählenden Passagieren<br />
zogen plötzlich gleichfalls ihre Revolver<br />
und hielten die Mannschaft und die<br />
übrigen Passagiere in Schach. Die Kantonesin<br />
war auf die Kommandobrücke gestiegen<br />
und schrie von da in kantonesischem Dialekt<br />
ihre Anordnungen über das Schiff, genau<br />
so ruhig und wohlüberlegt wie eine<br />
Schullehrerin, die ihre Anweisungen gibt.<br />
Einer der Räuber musste zuerst in den Funkraum<br />
laufen und den Funker festbinden, andere<br />
wurden zum Kapitän und den übrigen<br />
Offizieren geschickt, um sie festzunehmen.<br />
Als der Kapitän im Pyjama aus seiner Kajüte<br />
kam und auf der Kommandobrücke ein hübsches<br />
junges Mädchen sah, das zwei Revolver<br />
nachlässig in den Händen hielt, war er<br />
völlig perplex und verschwand mit erstaunlicher<br />
Geschwindigkeit wieder in sein Loch,<br />
denn als Japaner konnte er eine hübsche<br />
Frau nicht ernst nehmen. Bald wurde er<br />
aber eines bessern belehrt und auf Befehl<br />
des Mädchens wieder aus seiner Kajüte geholt.<br />
Der erste Offizier war völlig konsterniert,<br />
als er sich dieser schlanken, eleganten<br />
Chinesin gegenübersah — bis sie ihm mit ihrem<br />
Revolver einen Stoss in die Rippen gab,<br />
dass er fast vornüber stürzte, und ihm befahl,<br />
das Schiff in die Honghoi-Bai zu fahren.<br />
So brachte die Kantonesin in wenigen Minuten<br />
das ganze Schiff unter ihre Herrschaft.<br />
Sie Hess es von unten bis oben durchsuchen<br />
und wählte mit sicherem Griff alles aus, was<br />
ihr verwertbar und zweckmässig schien. Die<br />
übrigen Passagiere, die sich zum Teit sehr<br />
lächerlich benahmen, strafte sie aber mit völliger<br />
Verachtung. Schliesslich bootete s'e<br />
sich mit ihren Komplizen, ihrer Beute und<br />
vier Gefangenen aus und überliess das Schiff<br />
seinem Schicksal. Mat hat seither nie wieder<br />
etwas von ihr gehört.<br />
Die zweite Ehe ist dauerhafter.<br />
Wie aus einer vom statistischen Bureau in<br />
Washington veröffentlichten Aufstellung hervorgeht,<br />
dauern in den Vereinigten Staaten<br />
die zum zweiten Mal geschlossenen Ehen am<br />
längsten. Nur etwa drei Prozent der Ehegatten<br />
verfallen in der zweiten Ehe in denselben<br />
Fehler, auf Grund dessen die erste<br />
Ehe geschieden wurde. Aus der gleichen Aufstellung<br />
geht hervor, dass in New York fünj<br />
Paare leben, von denen jeder Teil übei<br />
zwölfmal geschieden worden ist.