E_1930_Zeitung_Nr.046
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Bern, Dienstag 27. Mai <strong>1930</strong> III. Blatt der „Automobil-Revue" No. 46<br />
Die Liebe in Wachs<br />
I.<br />
< Meine kleine Brigitte, dies reizend© Kleid,<br />
goldene Seide, mit Rosen bestreut, ist für<br />
dich. Hier ein Sommerhütchen, noch ein<br />
Schal aus schillernder Voile, — wie schön<br />
du nun bist 1 Dorothee und Adelaide erblassen<br />
vor Neid. Stell dich gut in den Vordergrund...<br />
lass einmal schau'n, wie du wirkst! »<br />
Andree trat ein paar Schritte zurück, aufmerksam<br />
betrachtet© er die Gruppe, dann<br />
wandte er sich langsam wieder Brigitte zu.<br />
« Du bist doch die Allerschönste ! Wie lieb<br />
du mich ansiehst! Du verstehst mich, nicht<br />
wahr ? Du ahnst, dass ich oft unglücklich<br />
bin. Aber wir wollen nicht sentimental werden.<br />
Komm, lass dich noch ein wenig zurechtmachen<br />
!...»<br />
• Andree Lapassade ergriff den Staubwedel<br />
und Hess ihn in sanften kleinen Kreisen über<br />
die Wachspuppe gleiten. Die luftigen Federchen<br />
streichelten ihre Schultern-, liebkosten<br />
die rosigen Wangen, lockerten das seidige<br />
Haar.<br />
Seit drei Jahren war Andree in dem Modenhaus<br />
beschäftigt. Er hatte während dieser<br />
Zeit eine besondere Vorliebe und Zärtlichkeit<br />
für die eine der drei Wachspuppen<br />
gefasst, die er Brigitte nannte. Für die beiden<br />
andern wählte er spöttisch die kühleren<br />
Namen Dorothee und Adelaide.<br />
Brigitte umgab er mit der grössten Sorgfalt.<br />
Sie trug die schönsten Kleider, die kostbarst©<br />
Wäsche, die zierlichsten Schuhchen<br />
und der raffinierteste Lichteffekt übergoss<br />
sie im Schaufenster.<br />
Während Andree sie mit flinker Hand ankleidete,<br />
hielt sein Herz lange Zwiesprache<br />
mit ihr. All seine Sorgen, sein© Hoffnungen,<br />
seine Träume vertraute er ihr an und seine<br />
Geständnisse waren umflossen vom sanften<br />
Gleichmut ihres Lächelns.<br />
Diese stille Liebe, diese kalten und doch so<br />
köstlichen Umarmungen beglückten Andree,<br />
und wenn' er abends allein im Kaffeehaus<br />
sass, erträumte er sich eine Gefährtin wie<br />
sie, mit ihrem bezaubernden Lächeln.<br />
II.<br />
Eines Morgens kündete einer der Direktoren<br />
Andree an, dass eine neue Verkäuferin<br />
seinen Dienst hier übernehmen würde.<br />
Dem Automobilisten ins<br />
Stammbach<br />
Anlässlich der Jubiläumsfeier zum 25jährigen<br />
Bestehen der Sektion Bern des A. G. S.<br />
am 17. Mai im Kornhäuskeller, über deren<br />
Verlauf an anderer Stelle bereits eingehend<br />
berichtet wurde, waren auch Scherz und<br />
Humor gut vertreten. Man bemerkte in dem<br />
auf das Prächtigste dekorierten grossen<br />
Saal, der mit Fahnen und Blumen in ein<br />
dem besonderen Anlass würdigen Gewand<br />
gekleidet war, Tafeln und Aufschriften mit<br />
Vierzeilern, die verrieten, dass da irgend ein<br />
Hofpoet seiner dichterischen Ader freien<br />
Lauf gelassen hatte. Das Automobil und sein<br />
Herr mussten dabei weidlich herhalten, und<br />
die Verse waren so witzig und teilweise<br />
schritten sie in einem solchen währschaften<br />
Bärndütsch daher, dass wir als stets bereite<br />
<strong>Zeitung</strong>smenschen, was wir gerade fanden,<br />
dem Notizbuch anvertrauten und hier die<br />
« Sammlung » einem weiteren Leserpublikum<br />
unterbreiten, das an den Versen seine Freude<br />
haben wird...<br />
Mit einem Auto kann man etwa Pech<br />
haben. Es gibt Strassenränder und derartige<br />
Dinge, die für nichts garantieren. Da kann<br />
es passieren, dass nachher folgendes « Marterl<br />
» am Ort das Missgeschick kündet:<br />
« Jawohl, Herr Direktor ! »<br />
« Sie heisst Odette Aubier, lernen Sie sie<br />
gut an.»<br />
Als das junge Mädchen erschien, prallte<br />
Andree überrascht zurück.<br />
Während Andree sie mit flinker Hand ankleidete,<br />
hielt sein Herz lange Zwiesprache mit ihr.<br />
Sie glich Brigitte zum verwechseln. Das<br />
waren ihre goldenen Haare, ihre glänzenden<br />
Augen, ihre roten Lippen, ihre zarten Hände,<br />
ein Blendwerk umgaukelte ihn ! Obgleich<br />
sehr bewegt, bewahrte er doch die Fassung<br />
und war voll stiller Zuvorkommenheit für<br />
die neue Angestellte.<br />
Die Zeit verging. Nach und nach entwikkelte<br />
sich zwischen ihnen Freundschaft, aus<br />
der bald die Liebe aufblüht©. Ach, diese<br />
schlaue Odette wüsste sich mit allen Reizen<br />
der einst so angebeteten Brigitte zu schmükken'<br />
Hier stürzte 150 Meter<br />
Hinab der Autofahrer Peter,<br />
Die. Leiche war recht vielgestaltig<br />
Und ausserdem noch eisenhaltig.<br />
Ein weiteres «Marterl» berichtet von einer<br />
traurigen Historia :<br />
Im Angesicht von Berg and Gemsen<br />
Versagten mir hier meine Bremsen.<br />
0 betet, dass auf diesen Start<br />
Folgt eine sanfte Himmelfahrt.<br />
Von einem ähnlichen Missgeschick kündet<br />
die dritte dieser kleinen Schmerzenstafeln :<br />
Der Autofahrer Aberegg<br />
War eines Tages plötzlich weg.<br />
Er liegt vermutlich hier herunten.<br />
Man hat ihn nämlich nicht gefunden.<br />
Dass der Automobilist bei einer kleinen<br />
Panne -nicht gleich alle Unternehmungslust<br />
verliert, beweist folgender Vers:<br />
Bi so-n-ere Pneumatikpanne -<br />
Da isch nie müngisch übel dranne.<br />
0 tue nid schimpfe, dank diskret:<br />
We mime z'Gmüet ke Nagel het!<br />
Von ähnlichem Geiste kündet dieser<br />
Spruch :<br />
Was sy vor füfezwänzig Jahre<br />
Für primitivi Auto g'fahre!<br />
Tue mir nid spotte! Dank derby:<br />
's isch wäge dam glych lustig gsy!<br />
Arme Brigitte ! Vorbei nun der beste Platz<br />
im Schaufenster, vorbei die duftigsten Kleider,<br />
die Tüllschals, die schönsten Bänder,<br />
die elegantesten Urnhänge, vorbei, vorbei<br />
! Brigitte war verraten wie eine gewöhnliche<br />
Sterbliche !<br />
Es dauerte nicht lange und die Angestellten<br />
des Hauses erfuhren die Heirat von<br />
Herrn Andree Lapassade und Fräulein Odett©<br />
Aubier. Niemand war darüber erstaunt!<br />
III.<br />
Sechs Monate waren verstrichen. Da gingen<br />
allerlei Gerüchte in den verschiedenen<br />
Abteilungen des Modehauses um.<br />
Herr Lapassade sei geschieden und würde<br />
wieder seinen alten Platz einnehmen.<br />
« Hätten Sie das geglaubt ? Ein© anscheinend<br />
so glückliche Ehe ! »<br />
« Diese Odette war auch zu hochnäsig ! »<br />
« Ja, ja, diese Liebesheiraten ! »<br />
« Wisst ihr den Grund ihrer Scheidung ? »<br />
Das Lied von den Wolkenkratzern.<br />
Bestaunt, verspottet gehasst streben sie in die<br />
Höhe, Felswänden gleich Kerkermauern den einen<br />
und Schluchten der Trostlosigkeit, Zeichen des<br />
Triumphes und des Sieges den »ndern, Kathedralen<br />
unserer Zeit. Zweihundert Meter hoch und höher.<br />
Sie holton die Vorbilder in allen Euochen, au3<br />
allen Ländern. Sie holten sie bei den ägyptischen<br />
Pyramiden, den griechischen Säulenhallen, den<br />
gotischen Domen. Sie liebten es. Eisen. Backsteine<br />
und Zement in eine historische Form zu kleiden,<br />
mit Säulen zu beginnen, mit Säulen zu enden, und<br />
dort, wo sie sich gar nicht genug tun konnten mit<br />
babylonischer Herrlichkeit, noch eine Pyramide<br />
darüber zu stülpen, aus deren Spitze der Rauch<br />
der Zentralheizung kräuselt.<br />
Ueberwunden ist heute diese lügenhafte Fassade,<br />
deutlich das Wesen, das neue eigene Wesen.<br />
Klar und siegreich beginnt sich ihre besondere,<br />
kubisch gestufte Form herauszuarbeiten, die keinen<br />
spielerischen Schmuck mehr braucht. Man<br />
glaubte, Verzicrui^n an die Fassade kleben zu<br />
miisäen; tim gotisch zir sein. Nun weiss man, dass<br />
man in der reinen Erfüllung der strebenden Höhe<br />
im schönsten Sinne gotisch ist...<br />
Man hat die Masslosigkeit der Wolkenkratzer<br />
mit Geschäftsgeist und Geldgier und Bodenpreisen<br />
erklären wollen. Doch mit Materialismus als Erklärung<br />
kommt man nicht aus. Ohne Leidenschaft<br />
und Sehnsucht wären sie nicht erstanden.<br />
Aber auch ein wenig Belehrung spenden<br />
die Verse. Hier wendet sich einer mahnend<br />
an den Automobilisten:<br />
Gsesch Chinder spiele uf dr Strass,<br />
50 lüpf der Fuess e chly vom Gas<br />
U fahr chly süferly dervo,<br />
51 fahre vilicht später o!<br />
Auch hier wird ein kleiner Rat erteilt:<br />
E schöne neue Autowage,<br />
U o dr Möntsch mit Harz u Magc,<br />
Vertreit e jede e sy Putsch.<br />
Häb e chly Sorg, süsch geit er futsch!<br />
Nochmals zwei mahnende Sprüche ins<br />
Stammbuch:<br />
Fahr nid so unerchant dervo,<br />
Dank immer es chönnt öppis cho,<br />
Abgseh vom Polizist näbst Buess<br />
Gö o no ander Möntsche z'Fuess.<br />
h-n-alte Wage u-ne-neue Wage<br />
Isch ganz oder verheit.<br />
Tue nid piagiere u o nid chlage,<br />
We's nume luschtig geit!<br />
Es soll auch ein Rezept gegen Aerger und<br />
Unzufriedenheit geben. Um zu verhindern,<br />
dass sich diese am Wagen auswirken, wird<br />
einein geraten:<br />
Hesch Erger, Täubi u Verdruss,<br />
So la das nid am Wage us,<br />
Trink e chli Wy u de häb's glieim,<br />
E Flasche, zwo, u blyb daheim!<br />
« Noch nicht, aber wir werden ihn bald<br />
erfahren.»<br />
0 nein, sie erfahren ihn nie.<br />
Nur eine einzige erfuhr ihn und hütete das<br />
Geheimnis, Brigitte!<br />
Ihr vertraute Andree alles an, nachdem er<br />
seinen Dienst wieder aufgenommen hatte.<br />
Alle sein© Enttäuschungen breitet© er vor<br />
ihr aus.<br />
« Ja, ja, meine Brigitte, nun bin ich wieder<br />
da. Kannst du mir verzeihen ? Ja ! Ich lese<br />
es in deinen Augen. Wie gut du bist! Ach,<br />
diese schrecklichen Monate seither, ich<br />
war ein Narr! Aber schliesslich geschah altes<br />
nur, weil sie dir glich, glaube mir! Ich<br />
war ja so unglücklich, doch jetzt bin ich<br />
wieder bei dir. Wie ich dich verwöhnen<br />
will! Nur dir und deiner Schönheit will ich<br />
dienen ! Meine kleine Brigitte ! Du süsseste,<br />
du beste, du allertreueste der Frauen ! »<br />
(Uebersetzt aus dem Französischen.)<br />
Amerika vom Auto aus<br />
20,000 Kilometer U. S. A. Von Felix Moeschlin.<br />
Acussorungen der amerikanischen Romantik •unserer<br />
Zeit, der grössten Romantik der Erde. Wahnwitz<br />
meinetwegen, aber hinreissender Wahnwitz.<br />
Brennende Sehnsucht, iu die Höhe zu bauen, nicht<br />
aus Platzmangel, sondern weil es so herrlich und<br />
berauschend ist, in den Himmel hinaufzubauen.<br />
Wir taten es auch zur Zeit der mittelalterlichen<br />
Dome. Seitdem haben wir es vorlernt.<br />
Zu ihren Füssen, auf ihren Zinnen empfindet<br />
man sie als etwas ganz natürlich Gewachsenes,<br />
Selbstverständliches. Das ist nicht fremder Geist,<br />
das ist unser Geist, entfesselt im amerikanischen<br />
Klima.<br />
Menschenfriedhöfe und Autofriedhöfe.<br />
Ein Friedhof, offen unter freiem Himmel.<br />
Ohne Zaun, ohne Gitter. Kein Baum, kein Strauch.<br />
Fabriken dahinter. "Wie lange noch wird hier ein<br />
Friedhof sein ? Man scheint keine Zeit für Tote zu<br />
haften. Die Fabriken werden morgen über diesen<br />
Friedhof hinwegwachsen, so wie heute Unkraut<br />
und Gras von allen Seiten hereinwächst. Lasst die<br />
Toten ihre Toten begraben.<br />
Wir sind zwar an einem Bcgrä'tmiswagen .vorbeigefahren,<br />
einer •pompösen, weissen Angelegen^<br />
heit von höchster Pracht, einer fahrenden Kapelle.<br />
Man kann beides nicht recht zusammenreimen.<br />
Doch warum soll man auch alles zusammenreimen.<br />
Das eine ist, und das andere ist. Vielleicht soviel<br />
Pracht, weil ein Mensch noch nicht recht tot ist,<br />
solange er noch nicht im Grabe liegt.<br />
Friedhöfe für Automobile ..: Man sei mir nicht<br />
Auf den Unterschied von anno dazumal,<br />
vor 25 Jahren, und heute weist folgender<br />
Vers hin :<br />
0 alti Zyt! 0 neui Zyt!<br />
Wie syt dir so verschiede!<br />
Glych isch dr Erger « dr Stryt,<br />
Syt luschtig hütt u z'friede!<br />
Ganz lakonisch :<br />
Vom viele Rede gits dr Chischter,<br />
Im Wächseltrieb isch's meistens fyschier,<br />
U z'gröschte Glafer nützt en Drück:<br />
Im Lärlouf chunt me nid vom Fläck!<br />
Beinahe in lyrische Regionen schweift der<br />
folgende Spruch ab :<br />
Der A. C. S. cha sclio bestall,<br />
Hütt si-n-es fast gar tusig Ma.<br />
Dank dene wo-ne g'gründet hei!<br />
0 schöni Strass! 0 Bluescht im Mai!<br />
Und nun noch der Automobilist, der sich<br />
in viel langsamerem Tempo ändert als die<br />
Modelle der Wagen. Hier zwei ganz resignierte<br />
Verse :<br />
Z'ersch Luxus u de Occasion,<br />
E Chischte druff als Camion,<br />
U de ganz z'letscht vilicht e Blachc..,<br />
O Möntsch du glychisch dam hienache.<br />
E neue Wage fahrt famos,<br />
Die alte, die hei bocket.<br />
Doch z'glych Modäll blybt usnahmslos<br />
Dr Möntsch wo drinne hocket.<br />
Und mit dieser Schlusskonstaticrung gehen<br />
wir alle einig...<br />
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