E_1930_Zeitung_Nr.074
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Bern, Dienstag 2. September <strong>1930</strong> HL Blatt der „Automobil-Revue" No. 74<br />
Leiden eines Auto-Verkäufers<br />
Von Gerhard Schake<br />
Frau Meier hat es endlich durchgesetzt,<br />
dass ein Auto angeschafft werden sollte.<br />
Mit «ihm» war sie in ein grosses Autogeschäft<br />
gegangen, wo sie sich Autos vorlegen<br />
zu lassen gedachten, wie in Warenhäusern<br />
Handschuhe oder Zigarettenetuis.<br />
Der Verkäufer, ein eleganter und freundlicher<br />
Herr, fragte nach Meiers Wünschen.<br />
«Ich will 'ne Benzinkutsche. Für sechs<br />
Personen, mit Notsitz und allen Schikanen<br />
der Neuzeit.»<br />
«Einen offenen oder einen geschlossenen<br />
Wagen?»<br />
«Eine — wie heisst das? Ein Gabriolet —»<br />
«Einen kleinen Wagen meinen der Herr,<br />
oder so etwas — eine Limousine?»<br />
«Ja, so 'n Dings da, eine Limousine!»<br />
«Das ist einer der besten Markenwagen.<br />
Mit allen Schikanen, wie Sie wünschen: Vierradbremse,<br />
Stoppschalter, Wechselgetriebe,<br />
Kardanwelle, Beschleunigungspumpe —»<br />
«Wieviel Kilometer?»<br />
«Hundertzwanzig, wenn's darauf ankommt<br />
auch hundertfünfzig.»<br />
«Wo ist der Anzünder?»<br />
Der Verkäufer öffnete die Wagentür und<br />
zeigte auf das elektrische Schaltbrett: «Bitte,<br />
Boschanlage, neuestes Modell —»<br />
«Ich meine den Zigarrenanzünder!»<br />
«Ah so, — dieser Wagen hat keinen Zigarrenanzünder,<br />
wäre aber eine Kleinigkeit<br />
—»<br />
Frau Meier wandte sich dazwischen: «Ist<br />
Waschgelegenheit im Auto?»<br />
«Bedaure, gnädige Frau, in diesem Wagen<br />
nicht!»<br />
«Dann ist es noch nicht das Allerneueste<br />
wo's gibt!» entschied Meier und wandte sich<br />
einem anderen Wagen zu.<br />
«Was ist denn das für einer?»<br />
Ehe der Verkäufer eine Antwort geben<br />
konnte, meinte Frau Meier spitz:<br />
«Oh, der ist ja rot angestrichen, es muss<br />
ein grüner Wagen sein, grün steht meinem<br />
Blond so gut. Haben Sie keinen arsengrünen<br />
Wagen?»<br />
«Momentan nicht, gnädige Frau, aber das<br />
sind alles Kleinigkeiten.»<br />
«Ja, ja!» entgegnete Meier ungeduldig,<br />
«hat der Wagen auch wenigstens 'nen<br />
Blumenbehälter, so 'ne silberne Vase oder<br />
was ähnliches?»<br />
«Qewiss, mein Herr, hier finden Sie auch<br />
einen elektrischen Zigarrenanzünder, der<br />
Wagen hat auch Heizung, bitte überzeugen<br />
Sie sich selbst!»<br />
Meier guckte dahin, wohin ihn der Verkäufer<br />
wies und fragte: «Wo ist die Fussbremse,<br />
die darf doch nicht fehlen!»<br />
Man zeigte ihm die Fussbremse.<br />
«Wie ist das mit dem Gas? Woher bezieht<br />
man das? Kann man das vom Gasautomaten<br />
wegnehmen oder wie macht man das?»<br />
Meier wurde aufgeklärt. Er fragte nach<br />
den PS, dem Zylinder, den Kolben, dem Vergaser.<br />
Frau Meier fiel ein, dass ein Auto<br />
auch eine Zündung, eine Kupplung, eine<br />
Zündkerze und einen Oeltank haben müsse.<br />
Bereitwilligst erklärte der Verkäufer jede<br />
Frage und tat sein bestes, Meiers über ein<br />
modernes Auto zu instruieren.<br />
Nach einer zweistündigen Unterhaltung<br />
über alle diese wichtigen Fragen sagte Meier<br />
ganz nebenbei: «Wir haben noch gar nicht<br />
über den Preis gesprochen, was kostet denn<br />
die Karre?»<br />
«Zwölftausend Franken.»<br />
Meier war starr. «Sie sind wohl 12000mal<br />
verrückt? Für so ein kleines Auto, wo bloss<br />
sechs Personen reingehen?»<br />
Der Verkäufer blieb freundlich. «Wir können<br />
Ihnsn auch andere Wagen zeigen und<br />
vorführen, wenn Ihnen der Preis nicht zusagt.»<br />
«Ich. •will 'ne Benzinkutsche, für sechs Personen,<br />
mit Notsitz und. allen Schikanen der Neuzeit!.. .><br />
«Zeigen Sie mal! Das Teuerste muss ja<br />
nicht immer das Beste sein!»<br />
Der Händler schritt mit Herrn und Frau<br />
Meier durch das grosse Verkaufslager.<br />
«Sehen Sie, das wäre ein eleganter und<br />
fescher Wagen — neuntausend.»<br />
«Die Farbe gefällt mir nicht» — meinte<br />
Frau Meier — «wie ist es denn mit diesem<br />
lila Wagen?»<br />
«Fünftausendzweihundert, gnädige Frau,<br />
ausgezeichneter Gang, wird sehr viel gekauft.»<br />
Meier machte ein ablehnendes Gesicht.<br />
«Zeigen Sie noch mal ein paar andere!»<br />
«Aber gern, Herr Meier, hier haben Sie ein<br />
vorzügliches Modell. Fliessarbeit. Kostet ab<br />
Fabrik viertausenddreihundert. Einer der besten<br />
und billigsten Serienwagen. Zwei Jahre<br />
Garantie —»<br />
«Wo ist der Zigarrenanzünder?»<br />
«Ja, bei diesen Wagen, fehlen diese kleinen<br />
Luxusdinge vollständig. Wir können Ihnen<br />
aber jeden Wunsch prompt erfüllen, wir haben<br />
eine eigene Werkstätte und bauen selbst<br />
die kompliziertesten Dinge in kurzer Zeit<br />
ein.»<br />
«Hm. Aber das Aussehen — wie nennt man<br />
das?»<br />
«Die Karosserie —?»<br />
«Ja, die Karotten gefallen mir nicht. Kann<br />
man nicht eine andere Form kriegen?»<br />
«Wenn Sie Ihre Wünsche äussern, Iässt<br />
sich alles machen, Herr Meier! Woran dachten<br />
Sie zum Beispiel?»<br />
«Sa was wie dahinten! Das wäre was Modernes,<br />
wo die Leute Augen machen!»<br />
«Diese Tropfenlimousine? Ja die Iässt sich<br />
aber nicht bei jedem Wagen verwenden, da<br />
muss das entsprechende Fahrgestell angebracht<br />
werden.»<br />
«Bisschen umständlich!», meckerte Meier.<br />
Seine Frau öffnete die Wagentür: «Womit<br />
sind die Sitze bespannt?»<br />
«Das ist ein guter, haltbarer Cordstoff,<br />
gnädige Frau —»<br />
Meier fiel ein: «Cord — äh, das ist so alltäglich,<br />
mir wäre ein anständiger Gobelinbezug,<br />
wissen Sie, was recht Apartes, lieber<br />
!»<br />
Frau Meier trumpfte auf: «Gobelin, was du<br />
nur immer mit deinem Gobelin hast! Unsere<br />
Speisezimmerstühle sind damit bezogen, an<br />
den Wänden haben wir drei solche Dinger<br />
hängen — wenn du schon was Apartes haben<br />
•willst, dann kann es unter allen Umständen<br />
nur eins sein — Schlangenhaut!»<br />
Der Verkäufer nickte: «Gnädige Frau haben<br />
recht, wir können auch Schlangenhaut<br />
nehmen, nur würde sich der Preis dann ganz<br />
bedeutend erhöhen —»<br />
«Ah das ist ein Wagen!», sagte Herr<br />
Meier, den beflissenen Verkäufer unterbrechend.<br />
«Viersitzer, Serienmodell, stabil, leicht,<br />
präzise gearbeitet, sehr empfehlenswert. Dreitausendachthundert.»<br />
Frau Meier wandte sich zu einem kleinen,<br />
hübschen, lachsfarbenen Zweisitzer: «Oh, der<br />
ist hübsch, so etwas könnte mir viel mehr<br />
gefallen als diese grossen Schinken, diese<br />
sechssitzigen Limousinen. Da denkt man<br />
bloss, man fährt Omnibus.»<br />
«Fescher Sportwagen, hat vorige Woche<br />
am Klausen grossen Preis bekommen —<br />
dreitausensiebenhundert.»<br />
«Verdammt teuer, mein lieber Herr, für so<br />
eine kleine Karrete!»<br />
«Wenn Sie einen einfachen Zweisitzer haben<br />
wollen, bitte, hier sind Serien wagen zu<br />
dreitausend, zweitausendvierhundert, zweitausendeinhundert<br />
und dieses ganz kleine<br />
Wagerl, das Sie allerdings nicht strapazieren<br />
können wie diesen reizenden Sportwagen —<br />
der kostet nur eintausendneunhundert.»<br />
Herr Meier schüttelte missmutig den Kopf:<br />
«Haben Sie keine billigeren Wagen?»<br />
Der Verkäufer sah ihn an und gab ihm dann<br />
eine Karte, die er aus einem Regal nahm:<br />
«Vielleicht bemüht sich der Herr in unsere<br />
Zweigfirma, da werden Sie zweifellos noch<br />
billigere Wagen finden.»<br />
Meier nahm die Karte und las:<br />
1 Städtischer Autofriedhof. Gebrauchte und<br />
gebrauchsfähige Autos werden von zweihundert<br />
Franken an feilgeboten!<br />
Das Unterseeauto<br />
Simon Lakes<br />
Abenteuerliche Forschungsreise eines<br />
Amerikaners auf den Meeresgrund.<br />
In nächster Zeit wird ein Amerikaner, Simon<br />
Lake, eine ganz eigenartige Expedition<br />
unternehmen. Nach langjährigen Vorarbeiten<br />
und mühevollen Studien hat er sich ein Unterseeboot<br />
konstruiert, das in seiner phantastischen<br />
Bauart unwillkürlich an den berühmten<br />
«Nautilus» des Kapitäns Nemo ivon<br />
Jules Verne erinnert. Das Boot ist, nach Berichten<br />
des « N. W. J. », eine merkwürdige<br />
Kombination von Tauchboot und Taucherglocke,<br />
und besitzt, ähnlich dem erträumten<br />
Schiff Jules Vernes, eine Anzahl aus stärkstem<br />
Glas hergestellter Fenster, die den bequemsten<br />
Ausblick in die unergründlichen und<br />
geheimnisvollen Tiefen des Meeres gestatten.<br />
Mächtige Scheinwerfer werden die zu untersuchenden<br />
Steilen bestrahlen und photographische<br />
Aufnahmen ermöglichen. Mit dem auf<br />
der Oberfläche des Wassers schwimmenden<br />
Mutterschiff wird das Booit durch starke Kabel,<br />
Luftschläuche sowie Telephondrähte verbunden<br />
sein und einen ständigen Kontakt ermöglichen.<br />
Auf diese Weise ist die Expedition<br />
in der Lage, gegebenenfalls Tage und Wochen<br />
auf dem Meeresgrund zu verbringen und<br />
das Leben der Tiefsee genau zu erforschen.<br />
Das Boot besitzt auch einige PropelleT, mit<br />
deren Hilfe es sich wie ein gewöhnliches<br />
U-Boot in der Meerestiefe fortbewegen kann.<br />
Natürlich muss es aber vorher seine Kabel<br />
und Drähte, die es mit dem Mutterschiff verbinden,<br />
lösen, um einen freien Aktionsradius<br />
zu erhalten. Das Wunderbarste an dem Boot<br />
Lakes sind jedoch die an der Kielseite angebrachten<br />
Raupenbänder, die das Boot in eine<br />
Art Unterseetank verwandeln und es der Expedition<br />
erlauben, sich auf dem Meeresboden<br />
fortzubewegen. Welch unerhörte Perspektiven<br />
sich dadurch für die Forschung ergeben,<br />
ist leicht vorstellbar. Dieser moderne « Nautilus<br />
» ist ferner so konstruiert, dass er seinen<br />
Passagieren ermöglicht, dem Boot zu<br />
entsteigen und den Meeresboden — selbstverständlich<br />
in Taucherausrüstung — zu betreten,<br />
um nach wissenschaftlichen oder materiellen<br />
Schätzen zu forschen.<br />
Der Amerikaner ist auch voll grosser Pläne<br />
und träumt schon von gewaltigen wissenschaftlichen<br />
und finanziellen Erfolgen, die<br />
ihm beschieden sein werden. Sieben Zehnte!<br />
der Erdoberfläche werden ja ohnehin vom<br />
Wasser bedeckt, und gelingt es dem kühnen<br />
Mann, auch nur einen Bruchteil der versenkten<br />
Schätze zu heben, so hat er wahrlich ausgesorgt.<br />
Die Tiefseelotung hat ergeben, dass<br />
sich am Boden des Atlantischen Ozeans ein<br />
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