E_1930_Zeitung_Nr.090
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N° 90 - <strong>1930</strong> AUTOMOBIL-REVUE<br />
Luftfahrt<br />
Flugzeugbau <strong>1930</strong> und 1903.<br />
Wir laufen manchmal Gefahr, uns einzubilden,<br />
«das Flugzeug» sei ein gelöstes Problem.<br />
Schauen wir zurück, dann kann es diesen Anschein<br />
haben. Wenden wir uns aber den Möglichkeiten<br />
zu, die noch auszunützen sind, dann<br />
wird das Urteil bedeutend bescheidener ausfallen.<br />
Man bedenke auch, dass ein anderes<br />
Verkehrsmittel, die Eisenbahn, hundert Jahre<br />
Entwicklung hinter sich hat, ohne deswegen<br />
heute schon «vollkommen» zu sein. Wohl<br />
war die Technik damals noch unbeholfen; auf<br />
der andern Seite war die Aufgabe aber auch<br />
viel leichter.<br />
So seltsam es klingt: man kann heute noch<br />
vom Flugzeug der Gebrüder Wright lernen-<br />
Sehen wir uns einmal den Motor in dem Doppeldecker<br />
der Gebrüder Wright an. Er wurde<br />
von den Brüdern selbst hergestellt. Da steht<br />
er, als ob er nur so zufällig dahin käme, nackt<br />
und bloss auf der unteren Tragfläche. Er<br />
nimmt auf nichts irgendwie Rücksicht, geschweige<br />
denn, dass er sich irgendwo organisch<br />
anpasst. Es war gerade genug, dass<br />
er lief und bei annehmbarem Gewicht — die<br />
•Ansprüche waren damals sehr gering — das<br />
Nötige leistete. Zuerst 12 PS, später 17, 19<br />
und 20 PS. Das war in den Jahren 1903, 1904<br />
und 1905. Damit wurde im ersten Jahre eine<br />
Geschwindigkeit von 48 km/Std. erreicht, im<br />
zweiten Jahre 54 und im dritten 61 km/Std.<br />
Die genannten 17 PS leistete der Motor übrigens,<br />
wie Aufzeichnungen melden, nur in der<br />
ersten Minute nach dem Ingangsetzen, dann<br />
fiel er auf. 13 bis 14 PS zurück. Sein Gewicht<br />
betrug dabei 90 kg, also rund 6 kg/PS.<br />
Das Gesamtgewicht des Flugzeuges vom<br />
[Jahre 1903 war ungefähr 320 kg, so dass die<br />
Belastung pro PS rund 21 kg betrug, für<br />
heutige Begriffe eine unmögliche Zahl. Allerdings<br />
muss die Flächenbelastung, nach der<br />
geringen Geschwindigkeit zu schätzen, sehr<br />
klein, und zwar ungefähr 7 kg/qm, gewesen<br />
sein- Und doch flog dieses Drahtgestell mit<br />
den ungeheuer grossen Stirnwiderständen —<br />
aber eben sehr langsam.<br />
Vergleichen wir damit einmal den Rohr-<br />
6ach-«Romar> mit seinen rund 2000 PS und<br />
19,000 Kilogramm Fluggewicht. Er hat eine<br />
Belastung pro PS von rund 5 kg — gegen 21<br />
bei Wright — und von rund 112 kg pro Quadratmeter<br />
Tragfläche gegen die 7 kg/qm bei<br />
Wright. Die Geschwindigkeit der «Romar»<br />
liegt mit 200 km/Std. nicht viel höher als die<br />
aller modernen Verkehrsflugzeuge. Immerhin<br />
ein Fortschritt gegenüber den 48 km/Std.<br />
des klassischen Wright - Apparates. Fortschritte,<br />
die auf völlig veränderter Grundlage<br />
zustande kamen und sie zur Voraussetzung<br />
hatten. Eine Frage der Motorenentwicklung,<br />
der Verringerung der Widerstände, die nicht<br />
Auftrieb erzeugen und mit der dritten Potenz<br />
der Geschwindigkeit wachsen, und schliesslich<br />
des sehr viel verbesserten Tragflächenprofils.<br />
Was es dennoch zu lernen gibt ? Z. B. die<br />
Uebertragung der Motorleistung auf zwei<br />
grosse Luftschrauben. Gewiss primitiv gelöst,<br />
aber dem damaligen Stande der Technik entsprechend.<br />
Aero-dynamisch ausserordentlich<br />
günstig, sowohl was die erfasste Luftmenge<br />
anbetrifft, wie auch die ungestörten Arbeitsverhältnisse.<br />
Wir hängen mit merkwürdiger<br />
Zähigkeit seit vielen Jahren an Zugschrauben<br />
von hoher Umdrehungszahl mit kleinem<br />
Durchmesser, wenigstens bei den kleineren<br />
Flugzeugen, und lassen sie ausserdem noch<br />
gegen einen dicken Rumpf anarbeiten. In der<br />
Tat, man muss sich fragen, ob wir nichts<br />
dazugelernt haben. Zugegeben, dass die «moderne»<br />
Anordnung einfach und zuverlässig<br />
ist, wenigstens zuverlässiger, als ein Antrieb<br />
mit gekreuzter Kette, wie die Wrights ihn anwandten.<br />
Aber die Maschinenelemente für<br />
solche Uebertragungen sind heute zahlreicher<br />
und ausgezeichnet durchgearbeitet-<br />
Und dann: das erste Motorflugzeug der<br />
Wrights hatte das Höhensteuer vor der Tragfläche.<br />
Ist das etwas anders als der in der<br />
letzten Zeit so viel genannte Ententyp, den<br />
man so gern eine neue Flugzeugform nennt?<br />
In Vergessenheit geraten ist auch die Startart<br />
der Wxights. Sie hatten damals kein Fahrgestell<br />
an ihren Flugzeugen, sondern eine Art<br />
Schlittenkufe und landeten darauf ausgezeichnet<br />
und auf jedem schlechten Gelände mit<br />
sehr kurzem Auslauf. Sie starteten mit einer<br />
Schleudervorrichtung. Dieser Start mit einer<br />
auf dem Boden fest montierten Schleudervor-<br />
Klettertouren um eine der Motorgondeln des Do. X, drei Stockwerke über dem Boden. Jede Gondel<br />
ist nun mit zwei wassergehühlten Curtiss-12-ZyIindermotoTen von je 600 PS ausgerüstet. Im ganzen<br />
verfügt somit Do. X um eine Motorleistung von 7200 PS. Nachdem das Flugschiff nun behördlich<br />
«abgenommen > ist, wird es in den nächsten Tagen zu Langstiecken-Versuchsflügen starten, die<br />
schliesslich jenseits des Ozeans enden sollen.<br />
richtung ging ausgezeichnet, und auf kürzester<br />
Strecke, nach 20 Meter Anlauf, war man<br />
schon in der Luft. Wachsen nicht bei uns die<br />
Startschwierigkeiten von Tag zu Tag, je höher<br />
wir aus Wirtschaftlichkeitsgründen unsere<br />
Flugzeuge belasten oder die Geschwindigkeit<br />
treiben? Warum nicht zurückkehren<br />
zum Schleuderstart?<br />
Die Flugplätze, die so unendlich viel Geld<br />
ZUT Unterhaltung kosten, könnten viel kleiner<br />
sein. Als Fahrgestell könnte ein Gerät genügen,<br />
das nur in Tätigkeit tritt, um das Flugzeug<br />
vom Ort der Landung zum Katapult,<br />
zur Schleudervorrichtung, zum Start zu fahren.<br />
Das ist auch die Lösung für Ozeanflugzeuge<br />
mit ihren grossen Lasten: kein Fahroder<br />
Schwimmergestell, Start mit Katapult<br />
und was das Wichtigste ist, ein Motor mit<br />
solcher Leistungsreserve, dass er durchschnittlich<br />
nur mit der Hälfte oder noch weniger<br />
in Anspruch genommen wird, nicht aber<br />
mit 100 Prozent, wie heute üblich, der Grund<br />
zu seiner Betriebsunsicherheit.<br />
Eine Lärmsteuer.<br />
In der Frankfurter technischen und wissenschaftlichen<br />
Wochenschrift «Die Umschau><br />
schlägt Dr. Eisenberg, ein bekannter deutscher<br />
Hygieniker, die Einführung von Lärmsteuern<br />
vor. Er verspricht sich daraus eine<br />
wirksame Bekämpfung des immer mehr überhandnehmenden<br />
Strassenlärms in den Städten.<br />
Durch Aufstellen eines Mikrophons ist<br />
es nämlich möglich, sich ein gewisses «Hörbild<br />
» von der Stärke und der Häufigkeit der<br />
durch das Kreischen der Strasisenbahn, durch<br />
das Hupen der Automobile, durch das Knattern<br />
der Lastwagen, überhaupt aller regelmässig<br />
auf der Strasse erzeugten Laute zu<br />
machen. Das Mikrophon wird am besten nicht<br />
direkt auf der Strasse, sondern in die Fenster<br />
von Eckhäusern, die nicht unter zwei<br />
und nicht über fünf Meter über der Strassenfläche<br />
liegen sollen, angebracht. Aus den aus<br />
den Beobachtungen erstellten Kurven mit den<br />
verschieden hohen und zahlreichen Lärmspitzen<br />
lässt sich für jede Geräuschquelle eine<br />
durchschnittliche Lärmerzeugung berechnen.<br />
Dr- Eisenberg hat festgestellt, dass die<br />
durchschnittliche Stärke des im Grossstadtverkehr<br />
erzeugten Lärmes, selbst in den ruhigen<br />
Tagesstunden, nicht unter vier «Phon*<br />
(das ist die Masseinheit für Geräuschmeneen)<br />
sinkt. Auch in der Nacht nehme die<br />
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