E_1931_Zeitung_Nr.036
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Bern, Dienstag, 28. April <strong>1931</strong> ///. Blatt der 9A^mMUReoae^No^X<br />
Wie Defoe seinen<br />
Robinson schrieb<br />
25um 200. Todestag des Verfassers von<br />
«Robinson Krusoe» am 26. April <strong>1931</strong>.<br />
Name Daniel Defoes wäre wohl<br />
schon längst vergessen, wenn ihm nicht<br />
ein Wurf geglückt wäre, der seinen Namen<br />
für immer der Nachwelt erhalten<br />
wird. Er ist der Verfasser des berühmtesten<br />
Jugendbuches geworden, er schrieb<br />
den «Robinson Krusoe» — dieses Buch,<br />
das in der Jugend fast jedes Knaben einmal<br />
eine gewaltige Rolle spielte.<br />
Daniel Defoe war ein Kind der Weltstadt<br />
London. Hier erblickte er um 1661 als<br />
Sohn eines wohlhabenden Fleischermeisters<br />
im Kirchspiel Saint Giles das Licht<br />
der Welt. Seine hervorragende Begabung<br />
liess ihn schon früh für die Gelehrtenlaufbahn<br />
ausersehen erscheinen, und auf einer<br />
«Akademie» erwarb er sich neben der<br />
Kenntnis von fünf Sprachen dasjenige<br />
Wissen, das ihn zur Bekleidung eines öffentlichen<br />
Amtes befähigte. Dass er ein<br />
solches aber nicht erhielt, hatte er einzig<br />
der Tatsache zuzuschreiben, dass er sich<br />
schon mit 21 Jahren auf das allzeit gefährliche<br />
Gebiet der politischen Schriftstellerei<br />
begab und der Regierung freimütig<br />
ihre Fehler entgegenzuhalten begann.<br />
Da nun seine Jugend und seine<br />
ersten Mannesjahre in einen sehr bewegten<br />
Abschnitt englischer Geschichte fielen,<br />
so ist klar, dass sich Daniel Defoe damit<br />
nicht nur eine Staatsstellung verßcherzte,<br />
sondern sich obendrein eine<br />
grosse Zahl hochgestellter politischer<br />
Feinde schuf.<br />
Um sein Leben zu fristen, versuchte er<br />
neben der Schriftstellerei einen sogenannten<br />
bürgerlichen Beruf zu ergreifen.<br />
Zunächst betätigte er sich als Strumpfwarenhändler<br />
und knüpfte dabei in ganz<br />
Südengland geschäftliche Beziehungen<br />
an. Er scheint aber dabei nichts verdient<br />
zu haben als den hämischen Spott schriftstellernder<br />
Gegner, denen seine nach und<br />
nach wachsenden literarischen Erfolge ein<br />
Dorn im Auge waren. Ebenso erging es<br />
ihm mit einem zweiten Versuch, sich als<br />
Ziegelbrenner eine Existenz zu gründen.<br />
Auch dieser schlug fehl.<br />
Blitz;<br />
Der Roman eines WoHfhundes.<br />
Von H. G. Evarts.<br />
(Verlag Georg Müller, München.)<br />
(Fortsetzung ans dem Hauptblatt.)<br />
Er trottete zu Moran zurück, überzeugte<br />
sich, dass alles in Ordnung sei und eilte sofort<br />
wieder hinab, das Lager dieser Menschen<br />
aufzuspüren. Immer wieder blieb er<br />
stehen und schnupperte; plötzlich war der<br />
Geruch verschwunden. Im Osten begann es<br />
Kurz nach 1700 flüchtete er ans dem<br />
London, das ihm kein Glück brachte. Er<br />
wandte sich dabei nach Bristol, der lebhaften<br />
Handelsstadt am Atlantischen<br />
Ozean, die er aus seinen Strumpfwarenzeiten<br />
kennen mochte, und tauchte dort<br />
unter. Er fürchtete, er könnte seiner unbeglichenen<br />
Schulden wegen gefasst werden<br />
und ging selten aus. Aber wenn er<br />
sich einmal zeigte, dann geschah es stets<br />
in «grosser» Tracht: mit Perücke, Spitzenkrause<br />
und Säbel.<br />
Bei Frau Damaris Daniell weilte Defoe<br />
sehr viel, und hier nun traf er seinen «Robinson»,<br />
einen weitgereisten schottischen<br />
Seefahrer aus Largo gegenüber Edinburg,<br />
namens Alexander Selkirk, der gern in<br />
einer Kleidung aus Ziegenfellen herumspazierte<br />
und überall grosstat mit seinen<br />
Abenteuern. Alexander Selkirk hatte<br />
jahrelang als Matrose auf dem Schiff eines<br />
gewissen Dampier die Südsee gekreuzt.<br />
Er hatte sich dabei mit seinem<br />
Vorgesetzten überworfen und schliesslich<br />
trotzig verlangt, auf einer unbewohnten<br />
Felseninsel westlich von Chile ausgesetzt<br />
zu. werden. Als der Kapitän mit der Erfüllung<br />
dieses Wunsches Ernst machte,<br />
wurde ihm Angst. Aber jener, der ihn<br />
gern los war, gab nicht mehr nach und<br />
hiess ihn aussetzen. So verbrachte Alexander<br />
Selkirk, dem man nur das Aliernotwendigste<br />
mitgegeben hatte, über vier<br />
Jahre auf der Insel Juan Fernandez, bis<br />
ihn ein zufällig vorüberfahrendes Schiff<br />
abholte und nach England zurückbrachte.<br />
Es ist wahrscheinlich, dass Selkirk sogar<br />
seine Aufzeichnungen an Daniel Defoe<br />
übergeben hat. Dieser aber, der nach<br />
einiger Zeit sich wieder nach London zurückwagen<br />
konnte, war töricht genug, den<br />
prachtvollen Stoff zunächst ungenutzt zu<br />
lassen, da ihn die politische Schriftstellerei<br />
immer noch reizte. Erst als ihm eine<br />
derbe Satire wider Regierung und Staatskirche<br />
eine empfindliche Geldstrafe und<br />
drei Tage Prangerstehen eingebracht<br />
hatte, liess er das dornige Gebiet endgültig<br />
sein und beschloss, das Volk durch<br />
die Herausgabe eines «Familienlehrers»<br />
zu ergötzen und zu bilden. Er veröffentlichte<br />
unter diesem Titel nach und nach<br />
eine ganze Anzahl erzählender Schriften,<br />
die aber alle der Vergessenheit anheimgefallen<br />
sind, bis auf den zweiten Band,<br />
grau zu werden. Da erhaschte sein Ohr<br />
von neuem einen Laut, jetzt von oben. Er<br />
kauerte sich nieder und lugte aufmerksam<br />
durch die Bäume, hinauf nach der Höhe. Das<br />
Summen der Stimmen wurde deutlicher und<br />
ein Ton mischte sich darunter — er kannte<br />
ihn. Es war keine Zeit zum Ueberlegen,<br />
sein Herr musste bereits wach und marschbereit<br />
sein; er eilte zurück.<br />
Moran bemerkte des Hundes Unruhe. Während<br />
er frühstückte, die Pferde sattelte und<br />
aufpackte, lief Blitz wiederholt davon.<br />
« Was ist denn los, Bursche? » fragte Moran.<br />
«Ist vielleicht ein Grizzly in der Nähe?<br />
Hast sie doch zur Genüge kennen gelernt,<br />
um zu wissen, dass sie uns nichts tun. •»<br />
Erst als sie ein halbes Dutzend Meilen zurückgelegt<br />
hatten, wich des Hundes Unruhe.<br />
Aber auch dann noch hielt er an allen<br />
beherrschenden Punkten still und blickte<br />
nach dem früheren Lager zurück.<br />
Moran vermutete, dass Blitz in der Nacht<br />
einen Elch oder eine Hirschkuh erlegt und<br />
dass ein Grizzly dazugekommen und ihn<br />
von seiner Beute vertrieben habe.<br />
Doch er täuschte sich.<br />
Fünftes Kapitel.<br />
«Der kurze blaue Mond» — so nannten<br />
die Shoshonen, die einst das « Land der vielen<br />
Flüsse» bevölkert hatten, diese Jahreszeit.<br />
Es ist die Zeit, da der Schwarzschwanzbock<br />
Vorbereitungen trifft, die Bekanntschaft<br />
mit seinem Weibchen zu erneuern<br />
und sich schön macht. Der langhaarige, verblichene<br />
Winterpelz vom Vorjahr ist verschwunden<br />
und der neue hat noch nicht das<br />
Dunkelgrau des Frühwinters. In dieser<br />
Zwischenzeit zeigt sein kurzes neues Haar<br />
ein glitzerndes Blaugrau.<br />
Die gefährliche<br />
Von Guarnerius.<br />
«Ich habe ein« Kaffeemaschine gekauft»,<br />
sagte mein Freund Paul. «Ich bitte dich und<br />
Heinz und Felix für heute Mittag zum<br />
•Kaffee.»<br />
«Oh, vielen Dank>, sagte ich. «Ich mag<br />
Kaffee sehr gern.»<br />
Als ich hinkam, waren Heinz und Fel'x<br />
schon da. Heinz sah gesund und rosig aus<br />
Wahrscheinlich hatte er stark gegessen, uti<br />
die Wohltaten des Kaffees besser geniessen<br />
•zu können). Felix ist etwas kränklich. Auch<br />
•trägt er immer rote Krawatten. Ich mag das<br />
nicht.<br />
Wir sassen im Kreis und rauchten.<br />
«Freunde«, hub Paul an, «dies ist gewisser-<br />
•massen eine Feierstunde in euerm Leben. Vor<br />
euern masslos erstaunten Augen werde ich<br />
jetzt einen Kaffee herstellen, der seinesgleichen<br />
in Bessarabien nicht findet.»<br />
(Wir husteten und nickten. Paul studiert<br />
Theologie, drum spricht er immer so viel).<br />
Die Maschine erschien. Es war ein Metailgestell<br />
mit zwei Glaskugeln; das obere Geiäss<br />
hatte einen Trichter, verlängert bis auf<br />
den Grund der untern Kugel. Ein Filter in<br />
der obern Kugel über dem Trichter trug den<br />
Kaffee. Ich hatte dergleichen schon vom<br />
Chemieunterricht in der Schule her in schlechter<br />
Erinnerung, und traute der Sache von<br />
vornherein nicht.<br />
Paul entzündete eine blaue, gefährlich flakkernde<br />
Flamme unter der untern Kugel, und<br />
löschte zugleich das elektrische Licht aus.<br />
In die andern goss er abwechselnd Kaffee,<br />
Wasser, Salz und Zucker, indem er vorgab,<br />
Moran wies nach einer kleinen Lichtung,<br />
in der ein Bock friedlich äste. « Das Rotwild<br />
ist im .kurzen Blauen'», sagte er. « Es<br />
ist die beste Zeit des Jahres, Blitz, die Zeit<br />
der Liebe. Wart nur, bis all die alten Elchbullen<br />
ihr Konzert beginnen. Wir sollten<br />
zwar schon längst weiter sein, aber es lohnt<br />
sich, noch eine Woche zu verweilen, um das<br />
mit anzuhören. Wirst staunen, wenn diese<br />
alten Burschen zu blasen beginnen!»<br />
Blitz hob den Kopf, urn einem fernen Ruf<br />
zu lauschen. Keine Tierstimme ist so eigenartig,<br />
so schwierig zu beschreiben oder<br />
nachzuahmen, wie der silberhelle Trompetenruf<br />
des Elchbullen.<br />
«Da hast du's! » rief Moran. «Wie gefällt<br />
dir das? Das ist ein junger Herr, ein<br />
Fünfender, der es sehr eilig hat. Er steigt<br />
schon jetzt den Damen nach, denn er wetes<br />
wohl, dass in wenigen Tagen die alten Herdenbullen<br />
aus ihren Junggesellenwinkeln<br />
herunterkommen und dass dann für ihn kein<br />
Platz mehr ist.»<br />
Von Tag zu Tag wurde das Trompetengedröhne<br />
der jüngeren Bullen stürmischer,<br />
bis eines Tages die vollere, rundere Stimme<br />
der alten Herrn, der grossen Sechsender,<br />
erklang. Jede Gruppe von Kühen hatte nun<br />
der 1719 erschien und «Leben und Abenteuer<br />
Robinson Krusoes» zum Inhalt<br />
hatte. Hierin brachte er in losester Anlehnung<br />
an Selkirks Abenteuer den unverwüstlichsten<br />
Stoff aller Jugendbücher<br />
zur Darstellung und hatte damit von allem<br />
Anfang an den grössten Erfolg. Das<br />
Buch erlebte Auflage auf Auflage und<br />
Uebersetzung auf Uebersetzung, und gab<br />
seinem Verfasser endlich die Mittel, alte<br />
Schulden abzuzahlen.<br />
Daniel Defoe konnte nun einem ruhigen<br />
Lebensabend entgegensehen, der nur<br />
durch den Undank eines missratenen<br />
Sohnes und durch Gicht und Gallensteinleiden<br />
getrübt wurde. Er erwarb ein geräumiges<br />
Anwesen im nördlichen London,<br />
und in diesem starb er auch vor jetzt 200<br />
Jahren: am 26. April 1731. Auf dem<br />
Friedhof Tindall oder Bunhills Field fand<br />
er sein Grab. Heute jedoch fiebern noch<br />
Tausende von Knaben bei der herrlichen<br />
Erzählung von dem seltsamen Schicksal<br />
Robinsons.<br />
Karl Friedrich.<br />
Kaffeemaschine<br />
•das alles sei zur Erzielüng des echt arabischen<br />
Kaffeebouquets so angebracht.<br />
(Wir husteten und nickten.)<br />
Heinz versuchte zu reden, aber wir brachten<br />
ihn zum Schweigen. Gespannt blickten<br />
wir auf den Apparat. Anfangs geschah wenig.<br />
Das Lämpchen erlosch. Paul goss neuen<br />
Spiritus zu und verschüttete die Hälfte. (Das<br />
Tischtuch war ein Geschenk seiner Braut.)<br />
Dann brachte er die Lampe wieder zum<br />
Brennen. Das Tischtuch brannte auch. Wir<br />
zogen es vorsichtig weg und erstickten die<br />
Flamme. Auf dem braüH polierten Tisch<br />
brannte unterdessen ein Lagerfeuer.<br />
Endlich war alles in Ordnung. Das Lämpchen<br />
erhitzte die unterste Kugel. Ein leises<br />
Sausen hub an.<br />
«Es kommt», sagte ich.<br />
Das Sausen wurde stärker, und das Wasser<br />
stieg in der Kugel.<br />
«Sehr interessant, deine Maschine», sagten<br />
wir. «Und so unterhaltend.»<br />
Das Wasser stieg, das Wasser schwoll.<br />
Es kam in die obere Kugel. Dort war der<br />
Kaffee. Das Getränk sollte wohl sehr stark<br />
zubereitet werden. Diese Kugel war ganz<br />
voll.<br />
Das Wasser stieg. Der Kaffee, sich ausdehnend,<br />
beanspruchte seinen Platz.<br />
«Es scheint mir», sagte Felix — und schon<br />
riss er an dem Apparat. Der Kaffee bekam<br />
Platz zu entweichen und rann auf das Tischtuch.<br />
«Nein», sagte Felix sehr laut, «hier bleibe<br />
ich nicht länger».<br />
Wir husteten. Paul erklärte den Apparat.<br />
ihren tyrannischen Gebieter, der sie eifersüchtig<br />
bewachte und der die weniger<br />
glücklichen Bullen mit einem herausfordernden<br />
Trompetenstoss begrüsste, wenn sie etwa<br />
versuchten, sich an einige Nachzügler<br />
seines Harems heranzumachen.<br />
Widder mit grossen, gewundenen Hörnern<br />
ziehen mit ihren Mutterschafen auf<br />
den schroffen Gipfeln oberhalb der Baumgrenze<br />
hin.<br />
Eines Nachts — die We'rbezeit hatte ihren<br />
stürmischen Höhepunkt erreicht — lag Blitz<br />
wach und lauschte den fernen Trompetenrufen.<br />
Da witterte seine Nase, zum erstenmal<br />
seit jener Nacht auf dem Two-Ocean-<br />
Pass, die Nähe von Menschen.<br />
Zweimal lief er dem Wind entgegen, der<br />
ihm diese Meldung brachte, dann kam er zu<br />
Moran zurück.<br />
«Du alter Spitzbube,» begrüsste ihn sein<br />
Herr. «Planst einen mitternächtigen Ausflug<br />
und wartest, bis ich eingeschlafen bin,<br />
um dann wegzuschleichen und einen alten<br />
Bullen in seinen Zärtlichkeiten zu stören?<br />
Bist eine wunderliche Mischung, Blitz, aber<br />
doch mehr-Wolf als Hund.»<br />
(Fortsetzung folgt.)