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E_1931_Zeitung_Nr.094

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Herz legen, möglichst rechts zu fahren. Dass<br />

oft ein Signal von hinten nicht gehört wird,<br />

soll nicht als Entschuldigung gelten dürfen,<br />

besonders da nicht, wo Platz genügend vorhanden<br />

ist, um auf der rechten Strassenseite<br />

fahren zu können.<br />

Gutsichtbare Richtungsanzeiger.<br />

Den Richtungsanzeigern dürfte ebenfalls<br />

mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht werden.<br />

Die Autos mit Richtungsanzeiger sind<br />

ja nicht mehr selten. Sehr selten sind aber<br />

diejenigen Fahrzeuge, bei denen der Zeiger<br />

wirklich von hinten und von vorne gut gesehen<br />

werden kann. Besonders bei Lastwagen<br />

kommt es nicht selten vor, dass der<br />

Zeiger von nachfolgenden Wagen gar nicht<br />

gesehen wird, weil die Ladebrücke viel breiter<br />

gebaut ist als der Führersitz. Gerade am<br />

Führersitz sind aber die Zeiger meist befestigt<br />

und somit unsichtbar für den überholenden<br />

Wagen. Wenn nun im Moment des Ueberholens<br />

der Lastwagen gerade über die Strasse<br />

nach links abschwenken will? Ein Zusammenstoss<br />

ist fast unvermeidlich. Kürzlich habe<br />

ich in der Innerschweiz einen solchen Fall<br />

gesehen. Der Lastwagenführer hatte zwar<br />

verlangsamt. Der Zeiger war gerichtet. Nun<br />

hat aber der von hinten kommende Chauffeur<br />

das Verlangsamen als Zeichen zum Anhalten<br />

beurteilt, und schon war die Bescherung da.<br />

Sehr erfreulich ist, dass auch im Kanton<br />

Bern die Orange-Blinklichter erlaubt sind.<br />

Gerade diese Richtungsvorrichtung hat den<br />

Vorteil, gut sichtbar zu sein. Man braucht<br />

die Lämpchen nämlich nicht unbedingt vorne<br />

zu befestigen, sondern kann sie gut auf den<br />

hinteren Kotflügeln oder am Karosseriedach<br />

in der Mitte der Wagenseite anbringen, wo<br />

sie von allen Seiten gut sichtbar sind, ohne<br />

zu weit herauszuragen.<br />

Ein eidgenössisches Strassenverkehrsamt,<br />

das über einheitliche Verkehrsregelung zu<br />

wachen hätte, wäre aber am Platze. Es wäre<br />

aber zu wünschen, dass in einem solchen<br />

Amte keine Bureaukraten sitzen, sondern<br />

Leute mit grosser Praxis auf der Strasse.<br />

Diesem Amte könnten dann auch die oben<br />

angeregten fahrenden Kontrollen unterstellt<br />

werden.<br />

Die Beschaffenheit der Strassen.<br />

Mit Genugtuung stelle ich fest, dass viele<br />

Kantone bemüht sind, wenigstens die Durchgangsstrassen<br />

zu verbessern. Es muss aber<br />

in dieser Hinsicht noch sehr viel geleistet<br />

werden, bis man von einem guten Strassennetz<br />

reden kann. Einen besondern Uebelstand<br />

bilden besonders die zu tief versenkten Dolendeckel.<br />

Oft sind diese Deckel schön mit<br />

Asphält überdeckt, aber das genügt nicht,<br />

wenn das Niveau des Deckels einige Zentimeter<br />

unter dem Niveau der Strassenoberfläche<br />

bleibt. Noch weniger angenehm,<br />

ja sogar gefährlich wirken Wasserabläufe,<br />

wie sie an manchen Strassen zu finden sind.<br />

Vielerorts weist die Strasse eine so geringe<br />

Breite auf, dass man beim Ueberholen oder<br />

auch beim Kreuzen genötigt ist, bis an den<br />

äussersten Strassenrand herauszufahren. Dann<br />

hat man aber auch das zweifelhafte Vergnügen,<br />

mindestens einen Ablaufrost zu<br />

überfahren. Diese Roste sind nun aber nach<br />

unten gewölbt, so dass der Wagen richtig<br />

geschüttelt wird, was sogar zerbrochene<br />

Federn verursachen kann. Leider muss ich<br />

annehmen, dass die Beamten des betr. Baudepartements<br />

keine Kenntnis von der Unmöglichkeit<br />

solcher Dolendeckel haben, da sie<br />

weder als Auto-, noch als Velofahrer<br />

Strassenbenützer sind.<br />

Ich begreife auch jeden Fussgänger, der<br />

lieber auf der Strasse spaziert als auf dem<br />

Trottoir, wenn er auf der Strasse einen glat-<br />

ten Boden findet, ohne Wasserlachen und<br />

Schmutztümpel. Auch auf grobkörnigem Kies<br />

lässt sich weniger gut gehen als auf dem<br />

glatten Strassenbelag! Dasselbe gilt vom<br />

Radfahrer, der lieber in der Mitte der Strasse<br />

fährt als auf dem holperigen Strassenrand.<br />

Dies alles sind Uebelstände, die oft bei den<br />

zuständigen Organen nicht bekannt sind oder<br />

zu wenig beachtet werden, weil, wie bereits<br />

Natlonalratskommlsslon und<br />

Verkehrsgesetz.<br />

Am 13. November hat die nationalrätliche<br />

Kommission in Genf getagt zur Bereinigung<br />

der Differenzen zwischen den Beschlüssen<br />

des Nationalrates und denen des Ständerates.<br />

Das offizielle Communique lautet:<br />

«Die nationalrätliche Kommission für das<br />

Bundesgesetz über den Motorfahrzeug- und<br />

Fahrradverkehr hat am 13. ds. unter dem<br />

Vorsitz von Herrn Pfister (Winterthur) in<br />

Genf Stellung genommen zu den durch die<br />

Beschlüsse des Ständerates geschaffenen<br />

Differenzen. Den Verhandlungen wohnten bei<br />

die Herren Bundespräsident Häberlin und<br />

Dr. Rothmund, Chef der Polizeiabteilung.<br />

Die wesentlichen Beschlüsse der Kommission<br />

sind die folgenden :<br />

Art. 3. Der Ständerat hat beschlossen, die<br />

Vorschrift, wonach dauernde Beschränkungen<br />

auf Nichtdurchgangsstrassen durch die<br />

Kantone dem Bundesrat vorher zu unterbreiten<br />

sind, zu streichen. Die Kommission beantragt,<br />

eine-Bestimmung aufzunehmen, wonach<br />

gegen Verfügungen, die dauernde Beschränkungen<br />

enthalten, innert 30 Tagen beim Bundesrat<br />

Beschwerde erhoben werden kann.<br />

Art. 23. Entgegen dem Beschluss desStänderates,<br />

im Gesetz zu bestimmen, dass die<br />

Verwendung von Anhängewagen nur gestattet<br />

ist, wenn das Gesamtgewicht von Motorfahrzeug,<br />

Anhänger und Ladung 15 Tonnen<br />

nicht übersteigt, beantragt die Kommission,<br />

die Festsetzung des Höchstgewichtes des Lastenzuges<br />

der bundesrätilchen Voüziehungsverordnung<br />

zu überlassen. Ueberdies hat sie<br />

sich für Festhalten auch am Beschluss des<br />

Nationalrates ausgesprochen, wonach der<br />

Bundesrat auf dem Verordnungswege Ausnahmen<br />

für Spezialfahrzeuge bis zum Maximalgewicht<br />

von 13 Tonnen (Ständerat: 12<br />

Tonnen) zulassen kann.<br />

'"'<br />

Art. 25/26. Gemäss Beschluss des Ständerates<br />

hat der Bundesrat für alle Motorfahrzeuge<br />

Höchstgeschwindigkeiten auf demVeTordnungswege<br />

festzusetzen. Demgegenüber<br />

hält die Kommission am Beschluss des Nationalrates<br />

fest: Für schwere Motorwagen<br />

setzt der Bundesrat Höchstgeschwindigkeiten<br />

auf dem Verordnungswege fest. Für andere<br />

Motorfahrzeuge kann er Vorschriften<br />

über die Höchstgeschwindigkeit auf dem<br />

Verordnungswege erlassen.<br />

Im übrigen stimmt die Kommission, mit<br />

Ausnahme von einigen untergeordneten Punkten,<br />

den Beschlüssen des Ständerates zu.<br />

Zu Art. 52bis (besondere Versicherung für<br />

Strolchenfahrten usw.) hat die Kommission<br />

noch nicht Stellung genommen, da er im<br />

Ständerat noch nicht zu Ende beraten worden<br />

ist.<br />

ÄUTOMOBTL-REVUE <strong>1931</strong> — N° 94<br />

gesagt, deren Beamte nicht auf den Strassen<br />

verkehren. Es wäre also sehr angebracht,<br />

Strassenpolizei - Mannschaften entsprechend<br />

auszubilden, welchen nicht nur die Erziehung<br />

der Fahrer und des Publikums obzuliegen<br />

hätte, sondern deren Rapporte über Strassenzustände,<br />

Verkehrshindernisse, Unzulänglichkeiten<br />

und Aehnliches auch entsprechend gewürdigt<br />

werden müssten.<br />

gi.<br />

Beratungen und Eingaben zum Verkehrsgesetz<br />

Ein Vergleich.<br />

Setzt man die Forderungen der Strassenverkehrsliga,<br />

die wir in Nummer 93 veröffentlicht<br />

haben, in Vergleich mit dem Ergebnis<br />

der Differenzenbereinigung durch die<br />

Nationalratskommission, so zeigen sich die<br />

nachstehenden Diskrepanzen: Die Nationalratskommission<br />

schlägt zu Artikel 3 des Verkehrsgesetzes,<br />

der dauernde Beschränkungen<br />

des Verkehres auf Nichtdurchgangsstrassen<br />

einer Genehmigung des Bundesrates unterstellen<br />

will, eine abweichende Fassung vor.<br />

Durch das Rechtsmittel einer Beschwerde<br />

beim Bundesrat, die auf 30 Tage befristet ist,<br />

soll gegen Verfügungen dieser Art angefochten<br />

werden können. Die abweichende Regelung<br />

dürfte nicht die gewünschten Garantien<br />

bieten, dass Verkehrsbeschränkungen nach<br />

einheitlichen Gesichtspunkten durchgeführt<br />

werden müssen.<br />

1<br />

Der durch den Nationalrat eingeführte Absatz<br />

4 zum Artikel 17, der dem Bundesrate<br />

das Recht zum Erlass eines Nachtfahrverbotes<br />

für schwere Motorlastwagen des Gütertransportes<br />

gibt, blieb in seiner unerwünschten<br />

Fassung stehen.<br />

Das in Artikel 23 verordnete Höchstgewicht<br />

des Lastenzuges soll nach dem Antrag der<br />

Kommission der bundesrätlichen Vollziehungsordnung<br />

zu überlassen sein. Im weitern<br />

hält die Kommission an der Festsetzung des<br />

Maximalgewichtes für Spezialfahrzeuge auf<br />

13 Tonnen fest. Diese Regelung entspricht<br />

der Minimalforderung der schweizerischen<br />

Strassenverkehrsliga.<br />

Die nationalrätliche Kommission hat in der<br />

Frage der Höchstgeschwindigkeiten Rückgrat<br />

behalten. Sie hält an. der Formulierung in<br />

den Artikeln 25 und 26 fest, worin für schwere<br />

Motorwagen eine Aufstellung von Höchstgeschwindigkeiten<br />

auf dem Verordnungswege<br />

durch den Bundesrat zu erfolgen hat. Der<br />

Erlass von ziffernmässigen Höchstgeschwindigkeiten<br />

für andere Motorfahrzeuge ist dem<br />

Entscheid des Bundesrates anheimgestellt. Der<br />

Bundesrat kann ziffernmässig die Geschwindigkeiten<br />

begrenzen, wenn triftige Gründe<br />

vorliegen, er muss aber diese Beschränkungen<br />

nicht vornehmen.<br />

Das Communique 1 der Nationalratskommission<br />

erwähnt im weitern, die Kommission<br />

habe im grossen und ganzen den Beschlüssen<br />

des Ständerates zugestimmt, davon ausgenommen<br />

seien nur einige untergeordnete'<br />

Punkte. Wir sind daher verpflichtet, auf jene<br />

Forderungen der Strassenverkehrsliga hinzuweisen,<br />

die während der Bereinigung der<br />

Differenzen nicht zur Behandlung gekommen<br />

sind, oder bei denen die bestehende Fassung<br />

der zugehörigen Artikel in einer ungenügenden<br />

oder unerwünschten Formulierung, die<br />

den Interessen der Strassenbenützer zuwiderläuft,<br />

belassen wurde.<br />

Die schweizerische Strassenverkehrslig;<br />

stellt im Interesse der Unfallverhütung die<br />

Forderung einer Beleuchtungspflicht für alle<br />

Strassenfahrzeuge (Art. 32) auf. Sie erachtete<br />

als notwendig, dass der Fussgänger<br />

auch die Zeichen der Fahrzeugführer (Art. 34,<br />

AI. 2) zu befolgen habe. Im weitern lehnt sie<br />

die Haftung für fremdes Verschulden ab und<br />

sieht in der Eisenbahnhaftpflicht (Sachschaden<br />

inbegriffen) das Maximum der tragbaren<br />

Haftung (Art. 36). Sie stellte das Begehren<br />

nach einer geordneten, gleichmässigen und<br />

raschen Rechtssprechung mit Beschränkung<br />

des Gerichtsstandes auf den Wohnort des Beklagten<br />

(Art. 44). Die Versicherung des<br />

Strolchenfahrers auf Kosten des Motorfahr-<br />

:eughalters lehnt sie als unmoralisches Prinzip<br />

ab (Art. 52 bis). Der Rückgriff der SUVA<br />

will sie auf jene Fälle beschränkt wissen, in<br />

denen der Unfall durch Verschulden des Dritten<br />

herbeigeführt worden ist (Art 53). Die<br />

Einführung einer Fachkommission zur Vorbereitung<br />

und Begutachtung aller Fragen, sowie<br />

der neuen Vorschriften auf dem Gebiet<br />

des Verkehrswesens erachtet die schweizerische<br />

Strassenverkehrsliga als absolute Notwendigkeit<br />

(Art. 65 bis). Schliesslich weisen<br />

wir noch darauf hin, dass das alte Postulat,<br />

es seien die Einnahmen des Bundes aus dem<br />

Motorfahrzeugverkehr für den Ausbau des<br />

Automobilstrassennetzes und für die Anlage<br />

von Fussgängerstreifen und Radfahrwegen<br />

zu verwenden, noch nicht erfüllt ist (Art.<br />

67 bis).<br />

Unser Vergleich ergibt stärke Diskrepanzen<br />

zwischen dem heutigen Stande der Beratungen<br />

des Verkehrsgesetzes und den zwölf Forderungen<br />

der schweizerischen Strassenverkehrsliga.<br />

Wir sehen den Verhandlungen der<br />

eidgen. Räte mit Bangnis entgegen und legen<br />

nachdrücklich unsere Verwahrung ein gegen<br />

weitere Verschlechterungen des Gesetzes,<br />

wie sie besonders bei den Beratungen im<br />

Ständerat eingeschoben werden. lt.<br />

T. C. S. und nationalrätliche<br />

Kommission.<br />

Eine Eingabe.<br />

Der Verwaltungsrat des T. C. S. überreichte<br />

der nationalrätlichen Kommission anlässlich<br />

der Genfer-Tagung eine Eingabe, worin die<br />

Rede ist von den Meinungsverschiedenheiten<br />

der beiden Kammern über das Bundesgesetz<br />

zum Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr. In<br />

seinem Memorandum macht der Verwaltungsrat<br />

des T. C.S. auf jene Punkte aufmerksam,<br />

mit denen er sich nicht einverstanden<br />

erklären könnte. Es wird darauf<br />

hingewiesen, dass der Gesetzesentwurf schon<br />

in der nationalrätlichen Fassung weittragende<br />

Unvollkommenheiten enthalte, die<br />

einen schwerlich annehmbaren Kompromiss<br />

darstellen. Der Ständerat habe dann den<br />

Entwurf in eine unannehmbare Vorlage umgewandelt<br />

und damit eine prekäre Lage geschaffen.<br />

Das Memorandum des T. C. S. spricht sich<br />

dann zu folgenden Artikeln des Nähern aus:<br />

Art. 3 (Strassen, die nicht dem Durchgangsverkehr<br />

geöffnet sind); Art. 23 (Maximalgewicht<br />

der Motorlastwagen); sehr ausführlich<br />

über Art. 25 (Schnelligkeitsgrenzen); Art. 32<br />

(Beleuchhinsrspflicht für Fahrzeuge); Art. 36<br />

(Strolchenfahrten).<br />

Schlussendlich wird betont, die Textfassunsr<br />

des Nationalrates sei ein Kompromiss,<br />

in dem die von den Automobilisten geforderten<br />

Konzessionen bis aufs äusserste getrieben<br />

seien. Der vom Ständerat postulierte Inhalt<br />

sei vollends unannehmbar und würde bei<br />

Annahme die Automobilfahrer zwingen, sich<br />

am Zustandekommen des vorliegenden Entwurfes<br />

zu desinteressieren. Man würde es<br />

vorziehen, sich weiterhin den Unvollkommenheiten<br />

eines veralteten Konkordates zu<br />

unterwerfen. Wir werden auf das Memorandum<br />

zurückkommen<br />

go.<br />

Die Resultate<br />

des Photowettbewerbes der «Illustrierten<br />

Automobil-Revue» sind in Nr. 4 enthalten,<br />

die in wenigen Tagen erscheinen wird.<br />

gebung vielleicht einen Herrn... einen<br />

Herrn...» ich kramte in der Brieftasche.<br />

«Ich kenn' alle Leut' hier.»<br />

' «...einen Herrn Oberst Hans Leopold Freiherr<br />

von Gratt?»<br />

•Ob ich ihn kenn'! Sehen Sie, das ist einer<br />

von denen, der was ein Baron ist, aber<br />

in Wirklichkeit, unter uns gesagt, ist er ein<br />

Schnorrer, wenn Sie wissen, was das ist.<br />

Was lachen Sie? Ein Mensch, der alles billiger<br />

bekommt als wie bei mir, ein Mensch,<br />

der das ganze Jahr von mir kein Geld<br />

braucht, wo ich so billige Zinsen rechne!<br />

Was soll man von solche Leute denken?!<br />

Ich kann Ihnen sagen, da ist der Gyuri bäesi<br />

anders.»<br />

«Na, ich danke schön, Herr Katzenstein.»<br />

«Meine Hochachtung, gnädiger Herr. Ihr<br />

ganz ergebener... meine Verehrung... und<br />

wenn Sie etwas benötigen sollten...» Endlich<br />

war ich allein.<br />

Am Spätnachmittag des kommenden Tages<br />

stand mein Oberzeremonienrneister, Hofmarschall,<br />

Leibkammerdiener, Staatskutsoher,<br />

Kammerdiener, Pferdewärter, Kammerzofe<br />

Jan Szivak, über das ganze Indianergesicht<br />

grinsend, vor meiner angespannten<br />

Staatskarosse. Im ersten Augenblick überlegte<br />

ich, ob das Einsteigen ratsam sei, denn<br />

'dem äusseren Anscheine nach musste der<br />

Kasten unter mir im Niedersetzen in tausend<br />

Scherben gehen. Davor, mit hängenden Köpfen,<br />

zwei dickbauchige, stichelhaarige Ackergäule.<br />

Unwillkürlich dachte ich an die feurigen,<br />

in allen Muskelfasern zitternden Jucker<br />

und den eleganten, federleichten Jagdwagen<br />

des Vizegespans und den Nationalkutscher<br />

mit der unnahbaren Miene eines enterbten<br />

Magnaten, als mich die Stimme Szivaks aus<br />

meinen Gedanken aufschreckte.<br />

«Bitf scheen, gnä' Herr.> Mit abgezogenem<br />

Filz lud er mich mit einem Katzenbuckel<br />

ein in meiner Staatskarosse Platz zu<br />

nehmen. Alles drehte sich mir vor den Augen.<br />

«Stiefel anziehen,» brüllte ich. Jan Szivak<br />

glotzte fassungslos zu mir herüber. «Himmelherrgott!<br />

Stiefel anziehen!»<br />

Jan Szivak traten die Augen wie einem<br />

Strangulierten aus dem Kopf, aber mit dem<br />

ersten Schritt, den ich auf ihn zumachte,<br />

drehte er sich blitzschnell um und rannte<br />

spornstreichs davon, dass die weiten, grauweissen<br />

Leinwandhosen um ihn flogen. Ich<br />

besah noch immer kopfschüttelnd die Bescherung,<br />

als mein Rosselenker wieder erschien.<br />

Er hatte endlich begriffen, aber das<br />

Schuhereinigen schien in dieser Gegend kein<br />

Nationalsport zu sein.<br />

«Ist das unser bestes Fuhrwerk?»<br />

«Bitf scheen, gnä' Herr.»<br />

Mehr war nicht aus ihm herauszubekommen.<br />

Verstört kletterte er auf den Bocksitz<br />

der Arche Noah. Schon einmal war es für<br />

ihn ein schwerer Schlag, als ich ihm vor einigen<br />

Tagen befohlen hatte, bevor er mir<br />

das Essen bringe, sich die Hände zu waschen,<br />

aber nun... seit der Geschichte mit den<br />

Stiefeln war es ihm klar, dass mit mir etwas<br />

nicht richtig sei. Wozu ein vernünftiger<br />

Mensch, wenn er am Kutschbock sass, Stiefel<br />

trug...?<br />

Eine Stunde lang ging es durch staubige<br />

Akazienalleen, querfeldein zwischen Kartoffeln,<br />

Kraut und Kukuruz, und so oft ich<br />

meinen Rosselenker frug, ob es noch weit<br />

sei, antwortete er mit einem freudigen: «Jo.<br />

jo.»<br />

Am Ende eines Dorfes, das wir durchquerten,<br />

rumpelte der Wagen durch ein altertümliches,<br />

portalartiges Tor in eine parkähnliche<br />

Anlage. Jan Szivak drehte sich um<br />

und wies mit der Peitsche auf ein klobiges,<br />

schwerfälliges Gebäude, das zwischen den<br />

Bäumen auftauchte. Das typische ungarische<br />

Herrenhauskastell. Altertümlich, klotzig,<br />

ohne jeden Anspruch auf bauliche Schönheit.<br />

Ein niedriger, einstöckiger, plumper<br />

Steinkasten, dessen mächtige Mauern verrieten,<br />

dass es durch Jahrhunderte den<br />

Menschen mehr Feste als Heim bedeutete.<br />

In dem kleinen Bastiontürmchen lugte man<br />

wohl oft klopfenden Herzen nach den unabsehbaren<br />

Heerscharen der Osmanen, und<br />

wenn die gerade ausblieben, dann waren es<br />

die Slawen aus dem Norden, und schliesslich<br />

der Marschtritt der kaiserlichen Truppen, die<br />

als Befreier das noch auffrassen, was die<br />

anderen aus Versehen übriggelassen hatten.<br />

So manche hatten sich hier an diesen festen<br />

Mauern in den Kriegsstürmen der Zeit die<br />

Köpfe blutig gerannt.<br />

Am Ende des hofartigen Ausbaues, vor<br />

langgestreckten, stallartteen Gebäuden standen<br />

Leute und besichtigten ein wieherndes<br />

Fohlen, das ein halbwüchsiger Bursche...<br />

und da sah ich ihn auch schon freudig die<br />

Arme schwenkend auf mich zukommen, der<br />

blankpolierte Billardkugelkopf mit dem Mongolenschnurrbart<br />

und dem Monokel, den halbhohen<br />

Reitstiefeln und dem unvermeidlichen^"<br />

Reitstock. Mit fast überschwenglicher Herz-'<br />

lichkeit drückte er mir einmal um das andere<br />

Mal die Hand. Die offene Freude sah<br />

ihm aus den Augen.<br />

«Schön, dass Sie kamen. Schön, dass Sie<br />

kamen. Keine Entschuldigung! Ganz überflüssig,<br />

die Hauptsache, dass Sie da sind.»<br />

(Fortsetzung im

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