E_1933_Zeitung_Nr.013
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Luftfahrt<br />
Aus meinem Bordbuch.<br />
Notlandung.<br />
Von Walther Ackermann.<br />
(Fortsetzung aus No. 12 und Schluss)<br />
Die Motoren wurden mit Blachen abgedeckt.<br />
Dann gab ich bekannt, dass ich für alle, die<br />
sich flurgeschädigt glaubten, in einer Stunde<br />
im Gasthof zu sprechen sei. Der Bordmonteur<br />
blieb bei der Maschine, bis ich beim Ortsvorsteher<br />
Ablösung beschafft hatte. .Ich nahm<br />
die Postsäcke unter den Arm und trollte mich,<br />
die halbe Gemeinde auf den Fersen, ins Dorf.<br />
Auf dem Postamt war grosse Aufregung, der<br />
Postmeister suchte sich in vergilbten Reglementen<br />
über die Aufnahme von Luftpost in<br />
normalen Postverkehr zurechtzufinden, bis<br />
ich ihm mit meiner Erfahrung zu Hilfe kam.<br />
Mit dem Bordbuch unter dem Arm begab<br />
ich mich auf die nächste Station des Leidensweges<br />
eines notgelandeten Piloten: auf die<br />
Gendarmerie, zur Protokollaufnahme. Umsonst<br />
wollte ich dem pflichteifrigen Beamten<br />
einiges aus dem Schatze meiner beträchtlichen<br />
Notlande-Erfahrungen zugute kommen<br />
lassen. Er Hess sich nicht davon abhalten,<br />
nach eigenem Schema vorzugehen. Nachdem<br />
sämtliche den Luftverkehr betreffenden Polizeivorschriften<br />
samt nachträglich herausgekommenen<br />
Zusatzbestirnmungen aus den<br />
verstaubten Akten hervorgesucht worden<br />
waren, sassen wir eine gute Stunde in der<br />
kalten Amtsstube, bei kratzender Feder, vor<br />
dem aufgeschlagenen Bordbuch, dessen Angaben<br />
ich für den diensttuenden Obergendarmen<br />
vorzu aus dem Chinesischen übersetzen<br />
musste.<br />
Als ich auch noch beim Ortsvorsteher meinen<br />
Besuch gemacht hatte und die Wachen<br />
für das Flugzeug sichergestellt waren, begab<br />
ich mich unter dem immer noch strömenden<br />
Regen in den einzigen Gasthof des Dorfes.<br />
In der niedrigen Wirtsstube sassen an rundem<br />
Tisch die flurgeschädigten Bauern. Während<br />
sie unter erwartungsvollem Schweigen ihren<br />
Knaster pafften, streifte ich mir die vor Nässe<br />
quietschenden Schuhe von den Füssen und<br />
schälte mich aus meinem triefenden Lederzeug.<br />
Dann führte ich mir etwas Warmes<br />
zu Leibe, um mich gekräftigt in den schwersten<br />
Kampf des Tages zu begeben.<br />
Flurschaden sollen, wenn immer möglich,<br />
gleich an Ort und Stelle geregelt werden.<br />
Es war erstaunlich, was mein Fokker für<br />
Schaden angerichtet zu haben schien. Es<br />
stellte sich heraus, dass er bei der Landung<br />
über fünf verschiedene Grundstücke gerollt<br />
war. Wo der Schwanzsporn nur eine Ackerfurche<br />
gekitzelt hatte, war eine Forderung<br />
zur Stelle. Ich nahm mir die Leute einzeln<br />
vor, redete ihnen gut zu und marktete wie<br />
ein alter Rosshändler. Schliesslich gab ich<br />
da sieben Mark, dort fünf, dort drei — bis<br />
alle sich brummend einverstanden erklärten<br />
und ihren neuen Schoppen bestellt hatten.<br />
Nur der Besitzer des Feldes, das ich zum<br />
Start brauchte und das in aller Frühe gemäht<br />
werden musste, machte Schwierigkeiten. Es<br />
war ein ganz hartnäckiger Bursche. Er verlangte<br />
rundweg hundert Mark. Und ich bot<br />
fünfzig, was mit dröhnendem Gelächter quittiert<br />
wurde. Ich versuchte, ihn von allen Seiten<br />
zu nehmen, bot sechzig Mark, drohte<br />
schliesslich mit Polizei, Reichsverkehrsministerium<br />
und zwangsweisem Schnitt des<br />
Streifens. Er wand und drehte sich, ging auf<br />
neunzig, auf achtzig Mark und machte gewaltigen<br />
Spektakel. Er führte alle erdenklichen<br />
Argumente zur Unterstützung seiner<br />
Forderung ins Feuer. Kein Mensch wolle um<br />
diese Jahreszeit halbgewachsene Luzernen<br />
kaufen, sie müssten ihm am Haufen verfaulen.<br />
«Un dann soll i no morgeds um fimfe mei<br />
Gaul zum Stall nausreisse un 's Weib zum<br />
Nascht nausjaage — ha no — isch des vieloicht<br />
koine hundert Markel wert? »<br />
Endlich einigten wir uns auf 70 Mark.<br />
Als ich darauf bei Kerzenlicht die knarrende<br />
Stiege zu meiner Schlafkammer hinauftappte,<br />
glaubte ich, hinter meinem Rücken<br />
das Gelächter über den hereingelegten<br />
« fremden Depp » zu hören.<br />
Als ich am nächsten Morgen aufs Feld hinauskam,<br />
stand trotz des immer noch fallenden<br />
Regens bereits wieder eine Menge Leute<br />
um die Maschine. Das Ereignis hatte sich<br />
herumgesprochen und nun waren auch die<br />
Anwohner der umliegenden Dörfer zu Besuch<br />
gekommen. Das Startfeld war erst zur Hälfte<br />
geschnitten. Aber vor zwei Stunden konnte<br />
ich bei diesem Wetter doch noch nicht weg.<br />
Ich schritt die improvisierte Piste noch einmal<br />
ab und prüfte den Boden auf seine Festigkeit.<br />
Mit der leeren Kiste musste es gehen.<br />
Ich rechnete damit, dass wir etwa 30 Meter<br />
vor einer Sumpfgrube vom Boden wegkämen.<br />
Wenn allerdings einer der Motoren nicht<br />
durchzog, so erlebten wir in dem Loch einen<br />
Ueberschlag, bei dem unsere Knochen kaum<br />
ganz, blieben.<br />
AUTOMOBIL-REVUE 193$ - N»<br />
Der neueste Versuch zur Verminderung der Luftwiderstände. Propellerring der Amerikaner H*fl<br />
und Dixon, durch den die Wirbelbildunz im PropeUerLuftstrom vermindert werden BOIL<br />
Mit Hilfe einiger starker Männer wurde<br />
das Flugzeug hinten herumgehoben und in<br />
die entgegengesetzte Richtung gestellt. Es<br />
kostete eine Riesenmühe, die kalten Motoren<br />
in Gang zu bringen. Als schliesslich alle drei<br />
drehten, rollte ich den auf dem unebenen<br />
Boden schwerfällig humpelnden Kahn an den<br />
Anfang des Startplatzes. Dort Hessen wir die<br />
Motoren eine Viertelstunde warmlaufen.<br />
Der Luzernen-Bauer war inzwischen mit<br />
seiner Arbeit fertig geworden. Kaum zwei<br />
Meter zur Seite der Räder zogen sich der<br />
Piste entlang die Schnitthaufen. Ich musste<br />
schnurgerade starten. Wenn ich nur weniges<br />
abdrehte und ins hohe Gras hinauslief, kollerten<br />
wir über eine meterhohe Geländestufe<br />
hinunter.<br />
Als ich meinen Bauern auszahlte und die<br />
Leute bares Geld sahen, kam der und jener<br />
hinzu und glaubte, noch etwas abbekommen<br />
zu müssen: die Motorfahrer,, welche gestern<br />
unseren Passagier zur Bahn gebracht hatten<br />
— ein Bauer, dem wir heute früh über die<br />
Wiese gerollt waren' — der Landjäger, welcher<br />
etwas von vielerlei Bemühungen murmelte<br />
— schliesslich war ich bis auf den<br />
letzten Pfennig ausgeplündert<br />
Wir waren längst startbereit, als der Monteur<br />
noch zweimal aussteigen musste, um die<br />
Piste frei zu machen, in deren Nähe sich<br />
immer wieder allzu Neugierige drängten.<br />
Erst als er eindringlich von herumfliegenden<br />
Köpfen sprach, blieb man in respektvoller<br />
Entfernung.<br />
Endlich konnte ich Gas geben. Die Maschine<br />
versuchte anfangs auf dem unebenen<br />
Boden zu tänzeln, lief dann aber gerade.<br />
Nach halb durchlaufener Piste sah es so air"<br />
als ob wir nie wegkommen würden. W|7<br />
schienen direkt in das Loch am Ende des<br />
Platzes hineinzusausen. Kurz davor aber<br />
wurde der Steuerdruck besser und die Kiste<br />
Hess sich glatt abheben. Wir atmeten auf,<br />
zogen noch eine Schleife über dem Notlandeplatz<br />
und flogen dann am wolkenverhangenen<br />
Hohentwil vorbei südwärts, unserem Heimathafen<br />
zu.<br />
Justizkommission des Kantons Schwyz<br />
Beschluss vom 19. November 1932<br />
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