E_1933_Zeitung_Nr.048
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Opel 1200, Wanderer 500, Hanomag 500. Im<br />
ersten 'Quartal des Vorjahres wurden in<br />
Deutschland pro Werktag durchschnittlich<br />
88 fabrikneue Personenautomobile und 15<br />
Lastwagen in Verkehr gesetzt, in den ersten<br />
drei Monaten <strong>1933</strong> waren es 115 und 20. In<br />
Italien ist der Verkauf fabrikneuer Personenwagen<br />
im Januar und Februar gegenüber den<br />
zwei ersten Monaten des Vorjahres um über<br />
100 Prozent gestiegen, der Lastwagenverkaui<br />
von 459 auf 497 Stück.<br />
In Fachkreisen erkennt man den Grund des<br />
Absatzrückganges auf dem schweizerischen<br />
Markte in den einschränkenden Vorschriften<br />
der Vollziehungsverordnung zum Automobilgesetz,<br />
die das Gesamtgewicht eines Lastenzuges<br />
auf 16 Tonnen herabsetzt. Da unsere<br />
einheimischen Qualitätserzeugnisse schwerer<br />
sind als die fremdländischen Wagen, geht<br />
jene Herabsetzung bei Schweizer Wagen auf<br />
Kosten der Nutzlast und setzt diese in Nachteil<br />
gegenüber ausländischen Fabrikaten. Ungünstig<br />
wirken sich ferner die hohen Steuern<br />
und Benzinzölle aus. Auch die Befürchtung,<br />
dass der Zoll auf Benzin und Rohöl neuerdings<br />
erhöht werde, macht sich in schwerwiegender<br />
Weise bemerkbar.<br />
Wie erklärt sich demgegenüber das Wiederaufblühen<br />
der Automobilindustrie in Deutschland<br />
und Italien? Im April wurde durch einen<br />
Erlass der Reichsregierung angeordnet, dass<br />
neue Automobile für eine vorläufig nicht bestimmte<br />
Zeit von jeder Besteuerung befreit<br />
sind. Italien gewährt für neue leichte Personenwagen<br />
einen vollständigen Steuererlass<br />
während der Dauer eines Jahres und richtet<br />
für schwere Lastwagen einheimischer Marken<br />
Subventionen aus.<br />
Im Interesse einer bedeutenden Schweizer<br />
Industrie sollte unverzüglich geprüft werden,<br />
welche Massnahmen geeignet sind, einer weiteren<br />
Verschlimmerung der Lage vorzubeugen.<br />
Die anderwärts gemachten Erfahrungen<br />
mit Steuererleichterungen, bei gleichzeitiger<br />
Unterstützung der einheimischen Fabrikation<br />
sind günstige. Soll sich bei uns die Erfahrung<br />
wiederholen, die wir mit der Personenwagen-Industrie<br />
gemacht haben? Wollen wir<br />
warten, bis in Ermangelung von Schutzmassnahmen<br />
auch die Lastwagen-Industrie dem<br />
Untergang entgegengeht? Ein Mittel zur Belebung<br />
der Lastwagen-Industrie wäre die<br />
Herabsetzung der Steuern auf neuen Wagen<br />
schweizerischer Konstruktion. Dass auch<br />
eine Ermässigung der Benzinzölle geeignet<br />
wäre, der Automobilindustrie einen neuen<br />
Impuls zu verleihen, liegt auf der Hand, wenn<br />
schon die derzeitige Lage der Bundesfinanzen<br />
eine solche Massnahme schwerlich ins Auge<br />
fassen lässt.<br />
Im weiteren darf erwartet werden, dass<br />
der Käufer eines Lastwagens die hochwertige<br />
Qualität schweizerischer Erzeugnisse in Rechnung<br />
stelle und sie auch deshalb nach Möglichkeit<br />
bevorzuge, weil einer leistungsfähigen<br />
Landesindustrie geholfen werden muss, aus<br />
ihrer schwierigen Lage herauszukommen und<br />
die entlassenen Arbeiter wieder zu beschäftigen.<br />
Feststellung von Trunkenheit<br />
aus dem Alkohol im Blut.<br />
Wenn Alkohol getrunken wird, gelangt dieser<br />
vom Magendarmkanal aus ins Blut und<br />
muss sich chemisch darin nachweisen lassen.<br />
Auch im Harn erscheint der Alkohol, indem<br />
er von den Nieren abgefiltert und ausgeschieden<br />
wird. Der Nachweis im Blut ist jedoch<br />
genauer als der im Harn.<br />
Durch jahrelange Arbeiten, so schreibt Dr.<br />
med. R. Qoldhahn in der «Umschau >, des<br />
schwedischen Forschers Widmark ist heute<br />
die Blutalkoholbestimmung soweit ausgebaut,<br />
dass sie als ein ganz unentbehrliches Hilfsmittel<br />
zum Trunkenheitsnachweis angesehen<br />
werden muss. Besonders wertvoll ist dabei,<br />
dass die verfeinerte Widmarksche Methodik<br />
zu diesem Nachweis nur ganz kleine Blutmengen<br />
benötigt. Mittels einer kleinen S-<br />
förmig gebogenen Kapillare, die sich infolge<br />
der Kapillarwirkung von selber füllt, wird<br />
aus einer Nadelstichöffnung im Ohrläppchen<br />
oder dem Finger ein Tröpfchen Blut entnommen.<br />
Die Kapillarröhrchen lassen sich<br />
durch Gummihütchen verschliessen und können<br />
zur weiteren chemischen Untersuchung<br />
an das Laboratorium verschickt werden. Noch<br />
nach Tagen ist infolge einer besonderen Vorbereitung<br />
der Röhrchen der Blutalkoholgehalt<br />
unverändert und das Blut noch flüssig.<br />
Durch quantitative Untersuchung lässt<br />
sich der Alkoholgehalt des Blutes bestimmen.<br />
Die Probe ist ausserordentlich empfindlich,<br />
denn schon 5 ccm getrunkenen Alkohols —<br />
das entspricht einem Zehntelliter Bier —<br />
lassen sich nachweisen. Normalerweise findet<br />
sich im Blute als Folge der Stoffwechselvorgänge<br />
eine nur ganz geringe Alkoholmenge,<br />
auch dann, wenn der Untersuchte<br />
zuvor keinen Alkohol getrunken hat, nämlich<br />
0,03 g pro Liter. Nach Alkoholgenuss steigt<br />
jedoch dieser Wert beträchtlich an, und man<br />
hat in Fällen von tödlicher Vergiftung bis zu<br />
6 g im Liter gefunden.<br />
Die gerichtliche Praxis fordert vom untersuchenden<br />
Chemiker ein Urteil über Menge<br />
des Alkoholkonsums und Grad der Trunkenheit.<br />
Widmark vermag diese Frage durch<br />
eine besondere Berechnung zu lösen. Mittels<br />
des Körpergewichtes, das in einer gewissen<br />
Parallele zur Blutmenge steht, und der seit<br />
dem Alkoholkonsum verstrichenen Zeit lässt<br />
sich die genossene absolute Alkoholmenge<br />
errechnen. Unsere Kontrolluntersuchungen<br />
sowie die zahlreichen von Widmark selbst<br />
angegebenen Werte lassen eine ausserordentliche<br />
Sicherheit in der Berechnung erkennen.<br />
Einige Beispiele sollen dies zeigen:<br />
Gemessene Errechnete Grosse dies<br />
Menge Menge Fehlers<br />
42 g 39 g —3g<br />
61 g 63 s 1+ 2 g<br />
95 g 93 g I —2g<br />
38 g 40 g (+ 2 g<br />
25 g 24,3 g — 0,7 %<br />
50 g 47 g —3g<br />
Schwieriger ist auf Grund der Blutalkohol-,<br />
bestimmung die Entscheidung der Prage,,.ob;<br />
ein Alkoholrausch vorlag, denn die individuellen<br />
Verschiedenheiten in der Verträglichkeit<br />
von Alkohol sind sehr gross. Trotzdem<br />
lässt sich aus Reihenuntersuchungen<br />
ein Massstab dafür gewinnen. Wir sehen dabei<br />
von jenen sich ganz entgegen der Regel<br />
verhaltenden Fällen ab, die infolge von Gehirnerkrankungen,<br />
Epilepsie usw. in krankhaft<br />
gesteigerter Weise auf Alkohol ansprechen.<br />
Man kann für normale Verhältnisse<br />
(organgesunde Menschen) folgende Normzahlen<br />
annehmen: Unter 0,7 g Alkohol im<br />
Liter Blut kommt niemals Alkoholbeeinflussung<br />
vor. — Bei 1,3 g zeigt die Hälfte aller<br />
Fälle, und bei 1,7 g 85% deutlichen Alkoholrausch.<br />
— Von 2 g an aufwärts ist Alkoholrausch<br />
immer anzunehmen. Es ergibt sich<br />
eine solche Staffelung aus der Gesetzmässigkeit,<br />
dass, je konzentrierter ein Gift ist, desto<br />
geringer die individuellen Schwankungen<br />
der Giftwirkung bei den Vergifteten sind.<br />
Mit steigender Konzentration wird demnach<br />
die Wirkung mehr und mehr typisiert. — In<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1933</strong> - N°48<br />
voller Bestätigung dieser Tatsache steht die<br />
von Widmark aus Hunderten von Fällen gefundene<br />
Häufigkeitskurve der Alkoholbeeinflussung.<br />
Für das Gericht wird sich sehr häufig die<br />
Frage ergeben, ob ein Motorfahrer soweit<br />
unter Alkoholwirkung stand, dass er zur sicherem<br />
Führung seines Fahrzeuges ausserstande<br />
war. Nach Widmark ist er von 1,6 g<br />
Alkohol im Liter Blut an nicht mehr in der<br />
Lage, sein Fahrzeug sicher zu führen. Dieser<br />
Wert ist nach meinen Erfahrungen sehr<br />
hoch gegriffen und ist vielleicht durch den<br />
in Schweden weit verbreiteten Genuss hochprozentiger<br />
Spirituosen und die Gewöhnung<br />
der Bewohner an diese zu erklären. Auch ist<br />
es wesentlich, ob es sich um Autofahrer oder<br />
Motorradfahrer handelt. Letztere werden<br />
weit mehr als die Autofahrer durch Alkoholbeeinflussung<br />
in der Führung ihres Fahrzeuges<br />
beeinträchtigt.<br />
Mindestens ebenso wichtig ist es, bei den<br />
Opfern eines Verkehrsunfalles durch die<br />
Blutalkoholbestimmung festzustellen, ob sie<br />
berauscht oder nüchtern waren, denn sehr<br />
oft schon ist ein Betrunkener auf einsamer<br />
Ländstrasse einem Auto vor die Räder gelaufen,<br />
ohne dass der Fahrer einen entlastenden<br />
Zeugen hatte, der ihm die Trunkenheit<br />
des Ueberfahrenen vor Gericht bestätigen<br />
konnte. Und selbst wenn Zeugen vorhanden<br />
sind, ist deren Aussage nur mit grösster Vorsicht<br />
zu bewerten. Meine eigenen, ausschliesslich<br />
von Unfallverletzten stammenden Erfahrungen<br />
und Mitteilungen von Widmark<br />
haben immer wieder die grosse Unsicherheit<br />
der Trunkenheitsdiagnose auf Grund der klinischen<br />
Erscheinungen (Prüfung des Gangvermögens,<br />
der Sprache usw.) erwiesen. Ausserdem<br />
aber sind bei Bewusstlosen und<br />
Schwerverletzten alle diese Untersuchungen<br />
ganz oder zum Teil undurchführbar. Dazu<br />
kommt die oft sehr stark ernüchternde Wirkung<br />
des Unfallerlebnisses. Viele Angetrunkene<br />
werden zudem beim Eintreffen des untersuchenden<br />
Arztes die Herrschaft über<br />
sich selbst schon soweit wiedererlangt haben,<br />
dass die klinische Trunkenheitsdiagnose<br />
nicht mehr gestellt werden kann.<br />
Nach den heute vorliegenden Ergebnissen<br />
muss die Anwendung der Blutalkoholbestim- i<br />
mung bei allen Verkehrsunfällen gefordert<br />
werden; aber nicht — wie es in einzelnen<br />
Ländern z. T. geschieht — einseitig auf den<br />
Fahrzeugführer angewandt, sondern in. gleichem<br />
Masse auch auf die bei einem .Unfall<br />
verletzten Personen.<br />
Reorganisation der deutschen<br />
Automobil-Clubs.<br />
Um die Führung im Autosport.<br />
Die bis in die feinsten Verästelungen des<br />
ganzen öffentlichen Lebens in Deutschland<br />
radikal eingreifende Gleichschaltung macht<br />
auch vor den Automobilclubs, wie nicht anders<br />
zu erwarten war, kaum Halt. Die politisch©<br />
Seite dieser Aenderungen hat für uns<br />
kein Interesse. Was jedoch auch für unsere<br />
Leser von Bedeutung sein dürfte, ist die Einstellung<br />
der gegenwärtig führenden Richtung<br />
in Deutschland zu den schon lange bestehenden<br />
Clubs, insbesondere auch zum Automobilsport.<br />
In dieser Hinsicht dürfte auf eine Rede<br />
hingewiesen werden, die kürzlich dex Chef<br />
Schweizerische Rundschau<br />
Reform der Verkehrssignale. In Genf hat<br />
in den Tagen vom 29. Mai bis 1. Juni der Ausschuss<br />
des Völkerbundes für Strassenverkehr<br />
getagt. Unter den von ihm geprüften Fragen<br />
befand sich zunächst die der Niveauübergänge.<br />
Im Anschluss an die Arbeiten des Eisenbahn-<br />
Kongresses in Kairo vom Januar <strong>1933</strong>, der<br />
für einzelne Arten von Niveau-Uebergängen<br />
die Anwendung der automatischen Signalisierung<br />
empfahl, hat der Ausschuss die Auffassung<br />
vertreten, dass dieses System nach<br />
international anerkannten Grundsätzen zu<br />
verwirklichen wäre. Da über diesen Punkt<br />
auch die Vertreter der Eisenbahnen mitzureden<br />
haben, ist die Bildung eines gemischt<br />
ten Komitees beantragt worden. Hinsichtlich<br />
der Lichtsignale ist, nach Kenntnisnahme<br />
der Ergebnisse der europäischen Strassenverkehrskonferenz,<br />
anerkannt worden, dass<br />
die beiden gegenwärtig bei Strassenkreuzungen<br />
angewandten Systeme, nämlich das einfarbige<br />
und das mit den Farben Rot-Gelb-<br />
Grün, die einzigen seien, welche die Regierungen,<br />
um unerwünschte Komplikationen zu<br />
vermeiden, anwenden sollten, und zwar so,<br />
dass sie zum mindesten in jedem Lande einheitlich<br />
wären. Für die Signale zur Kennzeichnung<br />
von zu umfahrenden Hindernissen,<br />
wie Verkehrsinseln, wird der Orangefarbe,<br />
gegenüber allen anderen Farben der Vorzug<br />
gegeben. Dabei wird noch besonders bemerkt,<br />
dass diese Signale in einer massigen Höhe<br />
anzubringen wären, damit sie auch von Fahrern<br />
in den modernen niedrigen Wagen leicht<br />
sichtbar sind. Betreffend die Signale der Verkehrspolizisten<br />
wünscht der Ausschuss die<br />
Aufrechterhaltung des von der europäischen<br />
Strassenverkehrs - Konferenz angenommenen<br />
Systems, wobei noch besonders betont wird,<br />
dass die Aufstellung und Ausrüstung des<br />
Polizisten ihn möglichst gut sichtbar machen<br />
müssen und dass die betreffenden Zeichen in<br />
jedem Lande einheitlich und, bei Beschränkung<br />
ihrer Zahl auf ein Minimum, leicht verständlich<br />
sein sollten. Nur in Ausnahmefällen<br />
wären sie durch ergänzende Signale für besondere<br />
Arten des Verkehrs zu vermehren.<br />
Für die Zeichen, die der Fahrer selbst zu<br />
geben hat, wird die durchgehende Anwendung<br />
mechanischer Vorrichtungen (Richtungszeiger<br />
in Form des Winkers, elektrisches Stopsignal),<br />
statt der leicht missverständlichen Zeichen<br />
mit dem,Arm empfohlen.<br />
Bi.<br />
Sportnachrichten<br />
der Motor S.A. und' des N.S.KJK. (soll heis-><br />
sen: Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps)<br />
Major a. D. Hühnlein anlässlich eines S.A.-<br />
Aufmarsches hielt, und in der Entscheidendes<br />
über die zukünftige Erfassung und Formation<br />
der deutschen Automobilisten geäussert<br />
wurde. Die umfassende Neuorientierung<br />
ist schon deshalb für das Ausland von Bedeutung,<br />
weil zahlreiche Fragen im Automobilismus<br />
nur international gelöst und in der<br />
A.I.A.C.R. und ihren verschiedenen Unterverbänden<br />
behandelt werden können. In seinen<br />
einleitenden Ausführungen stellte der<br />
Redner fest, dass das N.S.K.K. eine Gesamtstärke<br />
von 70,000 Mann aufweise, und damit<br />
an die Spitze aller deutscher Automobilverbände<br />
getreten sei. Seine Stellung zu den<br />
gegenwärtigen deutschen Automob ilclubs<br />
gnädiges Fräulein, ich bin nämlich schuld,<br />
dass Herr Wermstedt nicht pünktlich ist; ich<br />
habe ihn gestern zu einem kräftigen Männertrunk<br />
verführt.»<br />
«Oh, mein prophetisches Gemüt,» lachte<br />
Anni, und zwei reizende Grübchen blühten in<br />
ihren Wangen auf.<br />
«Er wird gleich hier sein. Er hat mir auch<br />
seine Erfindungen gezeigt,» fügte Georg zur<br />
Entschuldigung hinzu, die dargebotene Hand<br />
drückend. «Deshalb hat es etwas länger gedauert<br />
Jedenfalls sind es starke Talentproben.»<br />
«Nicht wahr? Sie glauben auch an ihn?»<br />
fragte Anni, und ihre strahlenden Wunderaugen<br />
sahen ihn mit so viel innerem Leben<br />
an, dass Georg ein Schauer durchrieselte.<br />
Er wusste genug! Das war Liebe! Hüte dich,<br />
so sang die bessere Stimme in ihm... In unbefangenem<br />
Ton, mit leichtem Lächeln den<br />
Kopf wiegend, erwiderte er: «An ihn glauben<br />
— so möchte ich es nicht gerade ausdrücken.<br />
Aber ich bin überzeugt, er wird seinen Weg<br />
machen. Ich wäre nicht abgeneigt, die eine<br />
oder die andere Erfindung von ihm zu finanzieren.<br />
Aber er wird das für schnöden Eigennutz<br />
halten.»<br />
«Oh, das glaube ich nicht,» sagte Anni und<br />
trat aus dem Garten.<br />
«Jedenfalls, gnädiges Fräulein, bitte ich Sie<br />
um eins: seien Sie versichert, dass ich stets<br />
zur Verfügung stehe. Ich habe Ihre Frau<br />
Mutter, die Ihnen aufs Haar glich, einmal sehr<br />
verehrt, ich bin ihr treuester Freund — alles<br />
andere ist unwahr und ein trauriges Miss-<br />
Verständnis. Glauben Sie mir!» In seinem^ Georg blieb stehen. Wie seltsam: trotz<br />
Blick lag so viel Wahrheit und Aufrichtigkeit, aller Bedenken und Sorgen fühlte er sich jetzt<br />
dass Anni warm wurde.<br />
kräftig und unverzagt. War er nicht eingesponnen<br />
in diese Schönheit der Welt, die<br />
«Ich glaube Ihnen,» sagte sie herzlich und<br />
drückte ihm fest die Hand.<br />
selbst im Sterben des Jahres noch lächelte?<br />
In diesem Augenblick klang ein schnell Konnte nicht auch der Herbst noch schenken?<br />
näher kommender Schritt auf der Landstrasse.<br />
Der Nebel, obwohl schon leise von er jetzt, zum Städtchen zurückkehrend, die<br />
Ein Lächeln lag auch in seinen Augen, als<br />
der Sonne durchleuchtet, verbarg den Eiligen<br />
noch. «Da kommt er,» sagte Anni. «Er sog, als brauche er einen Vorrat davon für<br />
selige Ruhe dieser Landschaft in sich hinein-<br />
ist etwas stürmisch.»<br />
die kommenden Tage.<br />
«Ja, weiss Gott, das ist er,» lachte Georg.<br />
19.<br />
Schon von weitem entschuldigte sich Georg gab ein Telegramm nach Doberan<br />
Wermstedt. Anni winkte zur Beruhigung. auf, in dem er sein Kommen auf übermorgen<br />
«Ein Ungeheuer, hat Sie schon entschuldigt,» ankündigte und seine Post nach dem Berliner<br />
warf Georg hin. Er wollte noch etwas sagen, Hotel bestellte. In einem anderen Telegramm<br />
aber der tiefe Blick, den die beiden Liebenden sagte er der Staatsanwaltschaft sein Kommen<br />
austauschten, Hess ihn verstummen. Er verabschiedete<br />
sich nach einigen Worten und Rosenheim, wo er den Berliner D-Zug er-<br />
auf morgen an. Dann fuhr er im Auto nach<br />
ging ins Städtle zurück. Die Sonne brach reichte.<br />
durch die feinen Nebelschleier und leuchtete Die am nächsten Morgen im Berliner Hotel<br />
mit der rührenden Wärme des scheidenden eingelaufene Post war nicht sehr erfreulich.<br />
Herbstes auf Laubgold, Dahlien und Astern. Ein mit Krähenfüssen besäter Brief von Fräulein<br />
Tölsch lautete:<br />
Ein plötzlich aufwogendes Glücksgefühl nahm<br />
in Georg den Kampf auf mit schmerzlicher «Lieber Richard!<br />
Trauer. Er atmete tief und streckte beide Deine werten Zeilen empfangend, falle ich<br />
Arme aus. Vielleicht gab es noch Ziele für direkt vom Stengel. Ich lese wohl nicht, richtig:<br />
Priebenow willst Du versilbern? Das<br />
ihn... Ein Holzhäher schreckte ihn aus seinen<br />
Gedanken auf. Buntschillernd, mit krächzendem<br />
Schrei zog er im Bogenflug von so guter Abnehmer ist? Und deshalb hast<br />
schöne Gut mit die viele Milch, wo Berlin<br />
Wipfel zu Wipfel. Der herbe Duft gärenden Du Dir das Schloss im vorvorigen Frühjahr<br />
Laubes stieg vom Waldboden auf und würzte noch so vom Dach bis zum Keller neu renovieren<br />
lassen, bloss um zu verkloppen? Und<br />
die morgenfrische Herbstluft. Wie verträumt<br />
glitt hie ,und da ein 4 gelbes Blatt durch die bloss wegen dem dämlichen Herz? Entschuldige,<br />
das .dämliche' lief mir so in die Zweige herab.<br />
Feder.<br />
Aber ist es nicht war? Im Mittelgebirge wird,<br />
das Herz auch nicht besser, wenn Du da<br />
täglich Deine zwei Pullen hinter die Binde<br />
giessest, wie hier. Da liegt nämlich der Hase<br />
im Pfeffer, lieber Freund. Trink Du ein halbes<br />
Fläschchen täglich, Sonntags mal ein ganzes<br />
und pass mal auf, wie das Herz auch in<br />
Priebenow sachter puppert.<br />
Nein, lieber Freund, daraus wird nichts.<br />
Das überlege Dir freundlichst noch mal. Und<br />
denn: was soll das heissen, dass ich da in<br />
Stellung bleiben soll? Ich denke ja gar nicht<br />
dran! Hast Du mir nicht versprochen, dass,<br />
wenn unsere Liebe Folgen haben sollte, Du<br />
mich heiraten willst? Im März wird es so<br />
weit sein. Im März! Also was Du Dir da<br />
unter dem Einfluss Deiner sehr geehrten<br />
Frau Mama ausgeheckt hast, die mich, wie<br />
es scheint, noch immer mit ihrem gnädigen<br />
Hass verfolgt, das kommt nicht in Frage.<br />
Solltest Du aber wirklich die Unklugheit<br />
begehen und Priebenow verkaufen, was doch<br />
nur bei einem sehr starken Profit Sinn hätte,<br />
so kann deswegen unmöglich an unserem<br />
Verhältnis etwas geändert werden. Das hast<br />
Du Dir wohl nicht recht überlegt. Ich kann<br />
Dir den Eid zuschieben, dass Du mir die Heirat<br />
versprochen hast, für den Fall, dass ,<br />
Du kannst doch auch ein anständiges Mädchen<br />
nicht um Ehre und Reputation bringen!<br />
Ich weiss ja, Du hast einen öffentlichen Skandal<br />
nicht gern, und auch mit Recht, also,<br />
wenn Du den vermeiden willst, kann da nichts<br />
draus werden.<br />
(Fortsetzung im «Aütler-Feierabend».)