E_1933_Zeitung_Nr.062
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N»6S - <strong>1933</strong> 'AUTOMOBIL-REVUE 21<br />
Zwei erinnerangshelle<br />
Bundesfeiern<br />
Hermann Aellen.<br />
Wenn ich aus dem tiefen Schacht der Erinnerung<br />
die zwei hellsten Bundesfeiern meines<br />
Erlebens heraufhole, so komme ich in<br />
dieses frohe Erzählen:<br />
Die eine, auch zeitlich erste, fand mich auf<br />
einer hohen Alp im Saanenland, meiner<br />
engern Heimat des Bürgerbriefes, und es war<br />
so: ich hatte mir und meinen Kindern eine<br />
einsame Höhe ausgesucht und den ganzen<br />
Nachmittag über Tannreis zur Feuerstelle<br />
getragen, um selber einmal, wie die Sennen<br />
es tun, ein Feuermal in der ersten Augustnacht<br />
zu entzünden und für mein Treuebekenntnis<br />
zur angestammten Heimat der<br />
Väter weithin zu zeugen. Ein erhabenes, geheiligtes<br />
Beginnen schien mir das zu sein,<br />
und die Vorfreude daran war hell auch ohne<br />
das aufspringende Feuer danach. Als dann<br />
die Nacht gemach ins Tal sank und die ersten<br />
Feuer auf den Bergen ringsum eins nach<br />
dem andern im feierlichen Kreis auflohten,<br />
setzte ich meinen Holzstoss in Brand. Hoch<br />
auf schoss die Flamme am dürren Holz, wir<br />
alle umstanden das erhöhte Feuerzeichen beglückt<br />
und erwärmt — vom erleuchteten Geburtstagsabend<br />
unserer Nährmutter Helvetia<br />
und vom Feuer, das ihr zu Ehren sein Zeichen<br />
in die Nacht brannte. Drohte der Holzstoss<br />
verzehrt zusammenzufallen, schürten<br />
wir das Feuer mit neuem Bergholz, und es<br />
war ein Eifer sondergleichen, wie um einen<br />
Opferaltar. Dann wieder horchten wir hinaus<br />
in den von so vielen Feuerzeichen erhellten<br />
Abend, vernahmen weither Jodlerrufe von<br />
heimatfreudigen Sennen, und es war mir, als<br />
hätte selbst die Erde aufgehört zu atmen, um<br />
genauer hinhorchen zu können auf die Stimmen<br />
und Seligkeiten, die in diesem hellen<br />
Abend ^schwangen. Der lodernde Holzstoss<br />
vor mir wuchs in diesem Feueraugenblick zu<br />
einem Symbol für alles gute Wollen um die<br />
Heimat auf und in seinem weithin über Abgründe<br />
leuchtenden Licht fand ich auch, wie<br />
mir schien, das rechte Wort für die Bereitschaft<br />
zur Tat dieses Abends:<br />
Den Holzstoss hoch jetzt aufgerichtet!<br />
Darauf den Hass und Neid geschichtet<br />
Und dann den Flammenmund genährt<br />
Und ihm den Giftelrass gewährt.<br />
Aas schwarzer Nacht<br />
Wird rote Glut,<br />
Aus roter Glut<br />
Wird helle Pracht.<br />
Im Feuerrot erlischt die Not!<br />
Es glüht und blüht<br />
Und flieht und sprüht<br />
Aufs Schweizerland der Einigkeit<br />
In alle grosse Ewigkeit.<br />
Meinen Wachtposten verliess ich erst, als<br />
die Nacht völlig hereingesunken war und alle<br />
Feuer in der Runde erloschen. Dafür blieb<br />
eine Helle in mir zurück, als ich den Weg<br />
zu meiner Feriensennhütte zurückschritt und<br />
ein köstlich Wissen um einen Bundesfeierabend,<br />
der mit Weihen mehr denn mit Worten<br />
erfüllt war, so wie er sein soll.<br />
Das anderemal war es im zweiten Kriegsjahr.<br />
Das Tessinervolk strömte in Scharen<br />
auf die Piazza Indipendenza zu Bellinzona,<br />
um der Bundesfeierrede ihres und unseres<br />
Magistraten Giuseppe Motta andächtig zu<br />
lauschen. In diesem schicksalsschweren<br />
Kriegsjahre, das auch den Eintritt Italiens<br />
in den Weltkrieg brachte, bekleidete Motta<br />
zum erstenmal die hohe Würde des Bundespräsidenten.<br />
Lange schon vor Beginn der<br />
Feier hatte sich der weite Platz diszipliniert,<br />
aber von froher Erwartung bewegtem Volk<br />
aller Stände und Klassen.<br />
Auf demselben Platz war es, der mehrmals<br />
stürmische Kundgebungen des Unabhängigkeitswillens<br />
und der Zugehörigkeit zur alten<br />
Eidgenossenschaft gesehen hatte. Nun fand<br />
sich diesmal entschlossener Abwehrwille im<br />
Völkersturm zusammen. Von einem Beifallsorkan<br />
empfangen, trat schliesslich der<br />
Bundespräsident vor sein Tessinervolk auf<br />
einen Balkon hinaus und begann weithin vernehmbar<br />
seine von heller Begeisterung und<br />
freudiger Impulsivität erfüllte freie Rede,<br />
minutenlang unterbrochen von ausbrechendem<br />
Beifall. Eine Heimat, ein Volk, eine<br />
Armee, alle willens zusammenzustehen und<br />
den Krieg von unseren Grenzen fernzuhalten,<br />
Herrlich, solche Ferien!<br />
Faulenzen... Nichts zu<br />
tun o/s sich auf's nächste<br />
Essen freuen ... Es gibt<br />
etwas Feines:<br />
Gebet zur Bundesfeier<br />
Ernst Zahn.<br />
Herr, unser Gott!<br />
Heber der Heimat der Väter war deine<br />
Hand.<br />
In den grauen Nächten des Unglücks stand<br />
dein Licht ob den Bergen, einsam und gross.<br />
Aus deinem heiligen Herzen floss<br />
Kraft in der Männer Arm, heilige Kraft,<br />
die das rettende Schwert errafft,<br />
wenn der Feind steht an den Marken.<br />
Herr, unser Gott, du warst mit den Starken,<br />
warst mit den Vätern in Sturm und<br />
Schlachtl<br />
Herr, unser Gott, halte Wacht, halte Wacht<br />
über Firnen und Talgelände!<br />
Schüre der Freiheit leuchtende Brände,<br />
wie sie gluhn bei des Tages Niedergang,<br />
wann Aveläuten und Herdenglockenklang<br />
sich mischen, — das Rot, das hehre Rot,<br />
das von den Gletschern und Türmen loht<br />
und brennt in des Landes Zeichen!<br />
Lass es nimmer verbleichen, das rote Feld!<br />
Und die Scholle inmitten einer Welt,<br />
die Scholle nur, karg und arm und frei,<br />
schütze mit treuer Hand<br />
sie, unser Heimatland!<br />
Herr Gott, unser Vater, mit uns seil<br />
auf diesen Ton war die mannhafte Rede gestimmt.<br />
Lange genug waren unsere südlichen<br />
Confederati Brüder minderen Rechtes, nun<br />
sie die Freiheiten einer Republik Tessin im<br />
Bundesstaate durch Treue errungen, gaben<br />
sie, Demokraten und Gesinnungsgenossen bis<br />
auf die Knochen, solche Errungenschaften<br />
nicht leichten Kaufes preis. Dem Sprecher<br />
schwoll Zustimmung von Tausenden entflammter<br />
Volksgenossen entgegen. Ich habe<br />
niemals seither eine leidenschaftlicher aufflammende<br />
Kundgebung vaterländischen Treuebekenntnisses<br />
gesehen als damals am Bundesfeiertag<br />
in Bellinzona. Als längst die Reden<br />
verhallt waren, blieb alles auf dem Platz und<br />
staunte in den hellen Abend und in die Höhenfeuer<br />
auf den Bergen und Burgen ringsum.<br />
Dann fand sich an langen Tischen auf der<br />
Strasse ein frohes Volk eines Herzens, der<br />
Consigliere und Regierungsrat neben dem<br />
Maurer und Bergbauer von einer einzigen<br />
Ziege Gnaden, und des Landes Präsident<br />
selbst mischte sich ohne Leibwache unter sie,<br />
ein getreuer Beamter seines Volkes, nichts<br />
m_ehr und nichts weniger.<br />
_ An diesem Abend wusste ich, dass der Tessiner<br />
Losung und Forderung von jeher keine<br />
leere Phrase war, dass sie Blut ist von unserem<br />
Blut und verwachsen wie der hundert<br />
Jahre alte Rebstock im warmen Nährboden<br />
der Tessiner und Schweizer Heimat.- Sie<br />
heisst, damals und heute, für die Eidgenossen<br />
diesseits und jenseits des Qotthard, der etwa<br />
kein Trennungsberg, sondern unverrückbarer<br />
Wachtposten aus Granit oder auch Traualtar<br />
unserer Liebe zueinander ist:<br />
Ticinesi o Bernesi — Zurighesi o Vallesani,<br />
Siam' liberi e Svizzeri!<br />
Und werden es bleiben!<br />
Und nun behaupte einer, ich hätte noch<br />
hellere Bundesfeiertage erleben können!<br />
Die neue Helvetia<br />
E.W. Ich kenne ein hübsches Ding von<br />
zwanzig Jahren, gross, fest, mit braunem<br />
Haar und ausdrucksvollen Augen. Im Geschäft<br />
seiner Eltern, wo ich es zu beobachten<br />
Gelegenheit habe, betätigt es sich flink<br />
und sein Tempo ist dem Winde nah verwandt.<br />
Einer schlanker und leichter gebauten<br />
Geschlechtsgenossin dürfte dieses Mädchen,<br />
was Eile und Aufgeräumtheit angeht,<br />
jederzeit die Stange halten.<br />
Nun aber ist dieses Mädchen in der Lage,<br />
sobald es die Gelegenheit mit sich bringt,<br />
mit einer von Grund auf verspürbaren<br />
Wandlung und Veränderung aufzuwarten,<br />
die sein ganzes bisheriges Wesen nicht nur<br />
in neuem Lichte erscheinen, sondern eben<br />
dieses sonstige Wesen von aussen her und<br />
gleichzeitig von innen heraus auffallend<br />
verändern lässt. Und das geschieht allemal<br />
dann, wenn es französisch spricht. Es spricht<br />
nämlich auf eine Art und Weise französisch,<br />
wie ich bisher nie eine Deutschschweizerin<br />
gehört habe. Und das Wunder dabei: Ihr<br />
Französischsprechen geschieht ohne jegliche<br />
Spur von Affektiertheit, ganz so, als wäre<br />
es einfach seine zweite, andere Natur. Nicht<br />
nur seine Zunge läuft dann noch flinker, weit<br />
behender, nein, auch die Gebärden und Glieder<br />
werden beweglicher, das Spiel der Mienen<br />
lebhafter, das Blitzen der Augensterne<br />
blendender, das ganze Gehaben der jungen<br />
schönen Person zierlicher, quecksilberner,<br />
ein herrliches Geschäume silbriger Anmut<br />
von oben bis unten.<br />
Das Mädchen nimmt dabei zu an Liebreiz<br />
und Anmut. Der Ernst und die Klugheit, die<br />
in ihren Augen wohnen, erhalten einen neuen<br />
Schimmer von Leichtigkeit und Beschwihgtheit.<br />
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