E_1933_Zeitung_Nr.084
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Bern, Dienstag, 10. Oktober <strong>1933</strong><br />
HL Blatt der „Automobil-Revue" No.84<br />
Dem im Verlag Francke, A.-G., Bein, erschienenen<br />
interessanten Buche von Arnold<br />
Hagenbach «Intimes Amerika» entnehmen wir<br />
im Folgenden zwei die amerikanische Wesensart<br />
besonders kennzeichnende Stellen.<br />
Das Auto In U.S.A.<br />
Wir fahren in dem einst freien, zügellosen<br />
Land der U. S. A. alle unsere Automobile<br />
nach den gleichen Vorschriften im ganzen<br />
Lande herum. Wir fahren alle auf den gleichen<br />
Automobilstrassen — das Fenster am<br />
Führersitz vorschriftsgemäss an allen Wagen<br />
offen, weil wir alle Signale mit dem linken<br />
Arm geben — und sehen an ihren Rändern<br />
überall die gleichen Benzinpumpen,<br />
gleichgekleidete Aufwartende mit scheelem<br />
Blick für alles, das weniger als acht<br />
Zylinder hat; Oelbehälter, «Soft-Drinks»-<br />
Stände, an denen man nicht nur « weiche »,<br />
sondern auch sehr «harte» Getränke erhält,<br />
Kewpie-Puppen, wie sie auf Jahrmärkten<br />
verkauft werden; wir fahren an «Hamburger-Ständen<br />
(Sandwich mit zerhacktem<br />
Fleisch), «Wienies» (Wienerwürstchen),<br />
Rapid-Lunch-Restaurants vorbei. Ueberall<br />
das gleiche Bild, ganz gleichgültig, wo man<br />
in den Staaten ist.<br />
Wir sprechen mit den andern auf den Automobilstrassen<br />
nicht viel. Tun wir es aber<br />
gelegentlich beim Auffüllen des Benzintanks<br />
in einer Pumpstation, so rühmen wir ganz<br />
nwillkürlich, dafür aber ganz bestimmt die<br />
Jferke unseres Autos, das wir führen. Die<br />
Gespräche gehen auch ziemlich schematisch<br />
vor sich, so wie- es sich für ein Land der<br />
Massenproduktion, Spezialisierung und Organisation<br />
geziemt. Eine solche Unterhaltung<br />
lautet ziemlich genau so:<br />
«Hallo Bruder!» (oder Nachbar. Die erste<br />
Bezeichnung wird besonders im Westen<br />
sehr häufig, und zwar ohne Standesunterschiede<br />
gebraucht, da wir auf der<br />
Strasse keine Komplimente machen.) «Gehen<br />
Sie nach Frisco?»<br />
•«Yeah! Sobald ich Gas erhalte!» antwortet<br />
der Gefragte.<br />
«Gute Strasse?» erkundigt sich der andere<br />
weiter.<br />
«Yeah, gute Strasse! Aber ein wenig<br />
feucht und schlüpfrig! Der Nebel vom Ozean,<br />
wissen Sie!»<br />
«Feucht und schlüpfrig?» meint dieser verächtlich.<br />
«Yeah! Manchmal auch etwas sandig!»<br />
«Sand, ja?» wiederholt et mit einem listigen<br />
Blick.<br />
«Yeah, viel Sand! Und sehr schlüpfrig in<br />
den Venturabergen!» klärt ihn der andere<br />
weiter auf.<br />
«Schlüpfrige Strasse tut diesem Wagen<br />
nichts!» brüstet sich der eine.<br />
F E U I L L E T O N<br />
Der geheime Kampf<br />
Intimes Amerika<br />
Arnold Hagenbach.<br />
Von Philipp Klein.<br />
(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)<br />
Mit einem leisen Seufzer sah der Major das<br />
Paar durch die Tür verschwinden. «Diese<br />
Französinnen!» Dann wandte er sich dem<br />
nächsten Reisenden zu.<br />
Als «Andre Pigeot und seine Frau» den<br />
Bahnhof verlassen hatten, gefolgt von einem<br />
Dienstmann, der ihr nicht allzu grosses Gepäck<br />
trug, nahmen sie einen Wagen und fuhren<br />
über die Alexanderbrücke, den Litejny-<br />
Prospekt entlang, an der Preobraschenskijkaserne<br />
vorüber, kreuzten den Newskij-<br />
Prospekt und landeten schliesslich im Hotel<br />
Moskwa am Wladimirplatz, wo Eberhard<br />
noch von der Reise aus telegraphisch zwei<br />
Zimmer bestellt hatte.<br />
Im Hotel Moskwa wohnte der Oberst<br />
von Mjassojedow.<br />
Das Hotel Moskwa war ein älteres Haus<br />
mit sehr dicken Mauern, nicht gerade besonders<br />
komfortabel, aber verhältnismässig reinlich<br />
und auf keinen Fall von Ausländern über-<br />
»Nein? — — Meinem Wagen auch nicht!»<br />
versichert der andere.<br />
«Mein Auto ist grossartig auf schlüpfriger<br />
Strasse!» sagt dieser in einem Ton, als sei<br />
es die grösste Selbstverständlichkeit der<br />
Welt.<br />
«Meines auch bergauf!» versucht ihn der<br />
andere zu übertrumpfen.<br />
«So ist meines! Geht so schnell und ruhig<br />
im direkten Gang bergauf wie hinunter! Sie<br />
wissen ja, wie schnell ein Auto einen BeTg<br />
hinuntergehen kann, nicht wahr? Nun drehen<br />
Sie das einfach um! So schnell, wie andere<br />
Wagen den Berg hinuntergehen, so<br />
schnell geht meines hinauf! Yes Sir! Ich<br />
überholte seths Wagen beim letzten Berg !<br />
Ganz spielend, wissen Sie!»<br />
«Ich weiss, wie das ist!» versichert der<br />
andere. «Mit meinem Auto geht es genau<br />
gleich! Ich brauche kaum die Gaspedale zu<br />
berühren, dann lasse ich aber auch sofort<br />
ein Dutzend Wagen hinter mir! Jawohl Mister,<br />
ein Dutzend Wagen bleiben hinter mir,<br />
wenn ich mit diesem Baby komme! Freilich!»<br />
— entschuldigt er die unglaublichen<br />
Eigenschaften seines Wagens, «um ein solches<br />
Resultat zu erzielen, da ist es allerdings<br />
schon nötig, dass ich persönlich am Lenkrad<br />
sitze!»<br />
Trotzdem der andere ein überlegenes Lächeln<br />
zeigt, geht er auf ein anderes Thema<br />
über. «Meine Reifen haben schon zehntausend<br />
Meilen gemacht. Sind aber noch so gut<br />
wie neu! Gar nichts abgelaufen!»<br />
«Oh yeah? Meine haben schon achtzehntausend<br />
Meilen gemacht! Sind aber noch<br />
immer nicht am Kautschuk abgelaufen!»<br />
«Mein Motor ist ganz unglaublich sparsam!<br />
Ich mache regelmässig zweiundzwanzig<br />
Meilen per Gallone!»<br />
«Der arme Kerl!» denkt sich der andere.<br />
Dann sagt er laut: «Hier führe ich den sparsamsten<br />
Motor, den ich jemals hatte! Und<br />
ich habe doch einen der ersten Wagen von<br />
Henry Ford gekauft, seither habe ich immer<br />
ein Auto besessen. Fünfundzwanzig bis<br />
achtundzwanzig Meilen pro Gallone gibt mir<br />
aber dieses Baby! Fast gar dreissig auf offener<br />
Strasse!?<br />
«Oh yeah?» brummt der andere etwas ungläubig.<br />
«Goodbye, Nachbar! Werde mir mal<br />
eure schlüpfrige, sandige Strasse ansehen !»<br />
Er betont jedes Wort verächtlich und grinst<br />
übers ganze Gesicht, seine Augen haben einen<br />
ganz unheimlich listigen Blick.<br />
«O.K. (sehr gut!) Mister! Mein Wagen<br />
machte diese ganze Strasse und alle ihre<br />
lausigen Berge im direkten Gang »<br />
Für Uneingeweihte riechen solche Gespräche<br />
nach Prahlerei. Sie sind es aber nicht,<br />
denn im Grunde genommen preisen beide ei-<br />
schwemmt. Die beiden Zimmer im zweiten<br />
Stock, die für «Monsieur et Madame Pigeot»<br />
reserviert waren, gingen ineinander. Die<br />
Fenster gaben steinumrahmte Aussicht auf<br />
das Massiv der Wladimirkathedrale. Zum<br />
Korridor führten Doppeltüren — das Haus<br />
schien sehr auf Diskretion eingerichtet zu<br />
sein.<br />
«Der Herr Major scheint wohl neugierig<br />
gewesen zu sein,» sagte Mercedes, nachdem<br />
sie sich vom Staub der Reise gereinigt hatte.<br />
«O ja. Er scheint dich auch in ein richtiges<br />
Kreuzverhör genommen zu haben.»<br />
«Jedenfalls hat er mir genug Fragen gestellt.<br />
Aber es war merkwürdig: ich hatte<br />
nicht einen Augenblick die Befürchtung, dass<br />
uns hier etwas geschehen könnte.»<br />
«Ich auch nicht!»<br />
«Aber wenn man dir nun nachforscht, ob<br />
du dich bei den Putilowwerken gemeldet<br />
hast?»<br />
«Ich werde mich bei den Putilowwerken<br />
melden!»<br />
«Du — ist das nicht doch allzu gefährlich?»<br />
«Nicht gefährlicher, als sich .beschäftigungslos'<br />
in Petersburg herumzutreiben.»<br />
«Verstehst du denn etwas von der Munitionsfabrikation?»<br />
gentlich nicht ihre Automobile. Die Wagen<br />
gehen trotz ihren guten Motoren, die mit<br />
vielen neuen automatischen Einrichtungen<br />
versehen sind, nicht ohne einen guten Führer.<br />
Wir lieben es, unsere persönlichen Werte<br />
nach unseren Kenntnissen einer sachgemässen<br />
Automobilführung zu bemessen. Das ist<br />
kein Jägerlatein, auf den Automobilismus<br />
übertragen. Es ist vielmehr zähe Individualität,<br />
die sich durchzusetzen versucht, die<br />
auch jede Gelegenheit benützt, um ihre Kräfte<br />
zu messen. Jeder vertraut auf sich selbst.<br />
Die Motoren springen an, Zahnräder sind<br />
eingeschaltet, rasselnd gehen sie in verschiedenen<br />
Richtungen los. Weshalb sollten<br />
sie ihre Maschinen nicht rühmen? Sie haben<br />
meist kindische Freude daran und nennen<br />
ihre Wagen mit Vorliebe «Baby». Was<br />
tut's übrigen, dass sie sich eine Viertelstunde<br />
nach ihrer Renommiererei in der Pumpstation<br />
mit zurückgestülpten Hemdärmeln über<br />
russige, ölige und rauchende Motoren beugen<br />
müssen, verärgert einem Draht nachgehen,<br />
der so durchgerieben ist, dass er Kurzschluss<br />
machen muss?<br />
Die Presse.<br />
«Der König ist tot es lebe der König!»<br />
Da wir in Amerika die Staatsform einer<br />
demokratischen Republik haben, so besitzen<br />
wir keinen gekrönten König, der jemals aus<br />
der Konstitution geboren oder sonstwie aus<br />
ihr emporgestiegen wäre.<br />
Volksphantasie — ihr Drang nach Superlativen,<br />
ihre Verherrlichung von allem, was<br />
Geldmacht besitzt, oder die so beliebte Publizität<br />
erfand jedoch eine ganze Anzahl<br />
«Könige»: Stahlkönig, Petroleumkönig, Finanzkönig,<br />
Kinokönig, Holzkönig, Autokönig,<br />
Butter- und Eierkönig, Konservenkönig,<br />
und was sich sonst noch gerne einen<br />
«König» anhängen lässt.<br />
Und doch ist ein jeder von ihnen ein win-<br />
zig kleiner König in einem verhältnismässig<br />
engumschlossenen Bereich; denn über ihnen<br />
steht machtvoll und scharf bewachend, draufgängerisch<br />
und immer kampflustig, aber,<br />
wenn der richtige Draht gezogen wird, auch<br />
treu zur Seite stehend, der König über sie<br />
alle: «Her Majesty, the Press!» — Ihre Majestät,<br />
die Presse! Ungekrönt, und doch mit<br />
tausend Kronen.<br />
Das Imposante ihrer Tätigkeit besteht<br />
nicht so sehr in den grossen Ausmassen der<br />
Blätter, die uns beispielsweise in Sonntagsausgaben<br />
von 180 bis 200 Seiten stark —<br />
und mehr — gegeben werden. Jeder einzelnen<br />
Ausgabe haftet etwas Machtvolles an,<br />
das sich wiederum, je nach der <strong>Zeitung</strong>, auf<br />
irgendein Feld spezialisiert. Wollten wir<br />
uns bloss durch das Können, das Druckvermögen<br />
von <strong>Zeitung</strong>en imponieren lassen, so<br />
würde unser Respekt von der Chicago* Tribüne»<br />
beansprucht, denn sie vollbrachte in<br />
dieser Beziehung dermassen Eindrucksvol-<br />
les, dass es sich sehr wohl lohnt, dies hier<br />
festzuhalten. Die «Tribüne», bekannt als<br />
«die gfösste <strong>Zeitung</strong> der Welt», druckte in<br />
einer einzigen Ausgabe das vollständige Neue<br />
Testament, welches damals gerade revidiert<br />
wurde!<br />
Was aber am meisten imponiert, ist nicht<br />
nur das Druckvermögen oder die unheimliche<br />
Schnelligkeit, mit der uns Geschehnisse<br />
oder Neuigkeiten, die vor kaum einer Stunde<br />
sich abspielten, vermittelt werden, und von<br />
denen die ersten Bilder in der nächsten Ausgabe<br />
erscheinen. Es sind auch nicht die detaililerten<br />
Angaben von Sensationen, kriminellen<br />
Geschehnissen oder der neueste Skandal,<br />
die uns dermassen imponieren können,<br />
wie der ungeheure Druck, den die amerikanische<br />
Presse — sehr oft auch ohne Druckerschwärze<br />
zu verwenden — auf das ganze<br />
Volksleben, Belehrung, Politik, Beamte, öffentliche<br />
Betriebe, Industrie, Handel und<br />
Massenpsychologie auszuüben vermag.<br />
Im Gegensatz zur europäischen Presse, die<br />
sich dem Publikum durch sorgfältig auserlesene<br />
Qualität präsentiert, ist die amerikanische<br />
völlig auf Quantität eingestellt. In<br />
der Zeit vor der Radioreklame waren 200<br />
Seiten starke Ausgaben keine Seltenheit. Infolge<br />
der Reklameabwanderung zum Radio<br />
sind allerdings viele <strong>Zeitung</strong>en etwas weniger<br />
umfangreich geworden, und haben oft<br />
bloss noch 110 bis 180 Seiten, einige Ausnahmen<br />
gehen in Sonntagsausgaben höher;<br />
Wochenausgaben haben meist täglich zweimal<br />
48 Seiten.<br />
«Wer vieles bringt, wird manchem etwas<br />
bringen *)!»<br />
Die Organisation der amerikanischen <strong>Zeitung</strong><br />
ist mindestens so eindrucksvoll wie<br />
ihr Druckvermögen, das ganze Neue Testament<br />
in einer einzigen Ausgabe zu bringen.<br />
Dem Radio wirkt die moderne Presse durch<br />
Bau von eigenen Sendestationen entgegen,<br />
so dass ihre in <strong>Zeitung</strong>en erscheinenden Inserate<br />
auch noch «an die Luft» kommen.<br />
«Dem Ohr den Lautsprecher, den Augen das<br />
gedruckte Wort!» ist zu ihrer Parole geworden.<br />
Die amerikanische Presse machte in den<br />
letzten Jahrzehnten gewaltige organisatorische<br />
Veränderungen durch. Die grössten Exponenten<br />
ihrer Modernisierung sind Adolph<br />
S. Ochs, Verleger der New York «Times »,<br />
die als «wertvollster <strong>Zeitung</strong>sbesitz der<br />
Welt» gilt, und William Randolph Hearst,<br />
der heute 27 <strong>Zeitung</strong>en und etwa 50 verschiedene,<br />
meist illustrierte Zeitschriften besitzt,<br />
von denen auch in England erscheinen.<br />
Neben diesen gibt es natürlich noch viele prominente<br />
Verleger, aber die beiden Obgenannten<br />
haben eine neue, tonangebende<br />
Journalistik geschaffen, die von den andern<br />
nachgeahmt werden muss, sofern sie sich<br />
konkurrenzfähig erhalten wollen.<br />
Ochs spezialisiert in Information, Hearst<br />
) Direktor in Goethes Faust.<br />
«Soviel sicher wie der General Bobrikoff.»<br />
«Aber wenn man nun in Paris rückfragt,<br />
ob das mit deiner Sendung stimmt?»<br />
«Liebes Kind, ich habe ein unbegrenztes<br />
Vertrauen zu der russischen Schlamperei.<br />
Und wenn — lieber Gott, vielleicht hat eben<br />
die französische Regierung kein Interesse<br />
daran, etwas von einer offiziellen Sendung<br />
zu wissen. Einen Andre Pigeot gibt es —<br />
dass er sich in deutscher Kriegsgefangenschaft<br />
befindet, ist ja vielleicht nicht ganz<br />
unwichtig. Uebrigens: die vielen Bedenken<br />
stehen dir gar nicht gut an, Liebste!»<br />
«Du hast recht — Bedenken sind nicht unsere<br />
Sache. Nun sind wir da: Allons!»<br />
Im Hotel erfuhr Eberhard, dass der Oberst<br />
von Mjassojedow verreist sei, aber am Abend<br />
zurückerwartet werde.<br />
Am Nachmittag sahen Eberhard und Mercedes<br />
sich ein wenig in den Strassen von<br />
Petersburg um. Die Stadt bot keinen erfreulichen<br />
Anblick. Ueberall die Spuren der Verwahrlosung.<br />
Ein Riesenaufgebot von Polizei;<br />
die Passanten scheu und gedrückt. Dazu war<br />
es in diesen Junitagen schon rechtschaffen<br />
heiss, und der Wind, der von Süden herstrich,<br />
brachte keine Kühlung, sondern nur<br />
Unmengen von Staub, die das Atmen erschwerten.<br />
Petersburg, aus dem Willen eines<br />
Machthabers heraus entstanden, war nie eine<br />
schöne Stadt gewesen, trotz der barbarischprunkvollen<br />
Gebäude und Schlösser, jetzt, im<br />
Kriege war es hässlich und traurig. Beinahe<br />
wie eine vom Feinde belagerte Stadt. Der<br />
Russe, so gern bereit zu singen und fröhlich<br />
zu sein, hatte das Lachen und Singen verlernt.<br />
Niederlagen auf den Kriegsschauplätzen,<br />
dazu die Knechtung und Bespitzelung<br />
zu Hause, und eine Knappheit der wichtigsten<br />
Lebensmittel, die dem Mangel an<br />
Organisation zuzuschreiben war — auf solchem<br />
Boden konnten natürlich die Freude<br />
und der Frohsinn nicht gedeihen. Dazu kam,<br />
dass in Zarskoje Selo ein Zar ohne Energie<br />
und Tatkraft «herrschte». Die Bevölkerung,<br />
soweit sie überhaupt über solche Dinge nachdachte,<br />
wusste ihn in den Händen einer Frau,<br />
der man misstraute, weil sie eine Deutsche<br />
war. Und diese Frau wiederum Hess sich<br />
leiten von einem mystischen Bauern, einem<br />
«Wundertäter», dessen hauptsächlichste Tätigkeit<br />
darin bestand, sich bis zur Sinnlosigkeit<br />
zu betrinken und mit Frauen zusammen<br />
zu sein, die ihm gleich Hörigen nachliefen.<br />
Das alles drückte selbstverständlich auf die<br />
Petersburger Bevölkerung, die nicht ganz so<br />
__<br />
Die Nachahmung ist nicht das Original