E_1934_Zeitung_Nr.055
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18 AUTOMOBIL-REVUE <strong>1934</strong> - N« 55<br />
ist. Dann kommen auch Perlmutterfalter,<br />
fuchsrot, die Unterseite metallisch schimmernd,<br />
wie kleine, mit Grünspan überzogene<br />
Münzen, und vom nahen Bergsee schwirrt<br />
kriegerisch und überschnell eine viel zu<br />
schöne Libelle her. Smaragdgrün und türkisblau<br />
ist ihr kleiner Leib.<br />
Ich will aufstehen und den Pfad weitergehen;<br />
weich und elastisch ist der Boden<br />
unter meiner Sohle, schwarze Erde, von feinem<br />
weissen Sand überzuckert. Im Kraut<br />
stehn Heidelbeeren und Preisselbeersträucher,<br />
Millionen kleiner gestanzter Blätter, die Beeren<br />
gerade so gross wie die Blätter, blauschwarz<br />
und hellrot lackiert, wobei die eine<br />
Seite, die Schattenseite, immer vergessen<br />
worden ist. Nun senkt sich der Pfad und<br />
führt in den Wald; ein Gefühl von Gesundheit<br />
und unendlichem Wohlbehagen durchströmt<br />
dich, du fühlst dich stark, jung und<br />
voll Tatendrang.<br />
Glatter Nadelboden, Moospolster, am Wegrand<br />
hohe Adlerfarren. Und die vielen, geraden<br />
Baumstämme; zwischen jedem nur<br />
gerade Platz genug, damit das Einhorn mit<br />
der lässig und verträumt reitenden Frau<br />
durchstapfen kann, — du alter Böcklin,<br />
du heilige Waldeinsamkeit! Bin ich einsam?<br />
Nein, nur weltentrückt einer kostbaren<br />
Stimmung hingegeben, die den flimmernden<br />
Wald mit Fabelgeschöpfen bevölkert und urzeitliches<br />
im Gegenwärtigen sieht: Kleiner<br />
Feuermolch, verkrochen unter Wurzeln und<br />
Moos sehe ich dich Harmlosen, und du bist<br />
mir Ueberbleibsel der feuerspeienden Drachen,<br />
.die in Höhlen der Vorzeit hausten. Von<br />
den riesigen Sauriern hast du noch die Gestalt,<br />
wenn auch nicht mehr die Grosse und<br />
das Grauen.<br />
Wie ein blondes Schemen geistern Sonnenstrahlen<br />
durch das Blätterdach auf den<br />
Waldboden und gleiten zwischen den Stämmen<br />
hin... schritt nicht Jung-Siegfried durch<br />
den dunklen Tann, hellhörig, vogelsprachekundig<br />
?... und trug sein Sehnen nach der<br />
toten Mutter und nach einer herrlichen Frau<br />
in der Brust... und 1 verliess die selige Oede,<br />
weil Abenteuer ihn in die Ferne lockten. —<br />
Verliess sie, wie wir alle sie immer wieder<br />
verlassen, weil das Leben ruft.<br />
Sieh, schon lichtet sich der Wald, der<br />
Pfad wird breiter und ebener. Die Verzauberung<br />
weicht. Grüne weite Wiesen, sonnenüberstrahlt,<br />
sehe ich durch die letzten<br />
Stämme im Mittagsglast liegen. Am Waldrand<br />
stehen Bänke. Ich habe noch Zeit, ein<br />
bischen auszuruhen, ehe die Glocke des einfachen<br />
Kurhauses zum Essen ruft. Heute ist<br />
Sonntag und es gibt Forellen, dunkelblaue,<br />
kleine Schwarzwaldforellen, die sich auf der<br />
Platte, zwischen der krausen Petersilie noch<br />
ringeln wie zum WellenspieL Auf meinem<br />
Teller werde ich mir eine geniesserisch zerlegen,<br />
die frische Butter zergeht auf dem<br />
nicht unähnlich, herauszusaugen und es sauber<br />
geputzt meiner kleinen fünfjährigen der Kugel. Die Kurven stimmen völlig ganze Seite in sich aufnimmt.<br />
Sie legen sich in einem Gürtel um die Pole Blick einen ganzen Satz und sogar eine<br />
Nachbarin zu präsentieren: « Sieh mal, das mit den magnetischen Störungen überein, Es gibt auch für den Durchschnittsleser<br />
schöne Schweinchen! » So ganz entspannt,<br />
so kindererinnerungsselig, so reif für der Sonne ausgehenden elektrischen Strah-<br />
und zwar soll man dazu eine Fibel nehmen,<br />
und damit war erwiesen, dass sich die von eine Möglichkeit, sein Lesetempo zu steigern,<br />
ein Schläfchen in der Hängematte ist man. len in das Magnetfeld der Erde auf, die die sehr grossen Druck und nur wenige<br />
Nach all diesem habe ich grosse heimliche gleiche Weise einsaugten. Wiederholte<br />
Wörter auf jeder Seite hat. Man blickt auf<br />
Sehnsucht!<br />
Messungen, die in Norwegen, Semalja<br />
die erste Seite und schreibt nieder, was man<br />
Semla, Spitzbergen und Island an den<br />
Das Wunder des Nordlichts. magnetischen Strömungen vorgenommen<br />
wurden, bestärkten seine Annahmen, und<br />
Das Nordlicht klar und leuchtend aus es gelang ihm, den rein mathematischen<br />
dem tiefblauen nordischen Himmel erstrahlen<br />
zu sehen, gehört zu dem Unver-<br />
Man vermochte hierauf den geographi-<br />
Beweis für seine Annahme zu erbringen.<br />
gesslichen, das der Mensch erleben, und schen Ort genau festzustellen und war<br />
das eine Nordlandreise bieten kann. sieh darüber klar, dass die Sonne zwar<br />
Die Wissenschaft versucht seit geraumer<br />
Zeit, das Wesen dieses Naturphäno-<br />
das physikalische Phänomen damit noch<br />
die Quelle des Nordlichtes war, doch war<br />
nicht erklärt.<br />
mens zu ergründen, und namhafte Gelehrte<br />
stellen ihre Forschungen in den<br />
Dienst dieser eigenartigen Erscheinung.<br />
Als der bedeutendste Gelehrte auf diesem<br />
Gebiete gilt Professor Lars Vegard, Oslo.<br />
Anlässlich eines unlängst gehaltenen<br />
"Vortrages in Göteborg sprach dieser Wissenschafter<br />
zuerst über den Bau und die<br />
Konstruktion der Sonne und über die<br />
Phänomene, die im Zusammenhang mit<br />
den Sonnenflecken und Sonnenfackeln<br />
stehen. Er erklärte, die Sonne sei kein<br />
fester Körper, denn ihre Temperatur sei<br />
so hoch, dass sich keine Materien in gewöhnlicher<br />
Form vorfinden können. Der<br />
Forscher berechnet die Temperatur der<br />
Sonne an ihrer Oberfläche auf 5000—6000<br />
Grad Celsius, der wahrscheinlich mehrere<br />
Millionen Grade im Innern entsprechen,<br />
wobei er annimmt, dass die Materie aus<br />
einem elektrischen Gas besteht. Durch<br />
die Teilung der Atome im Innern der<br />
Sonne in positive und negative Elektrone,<br />
sowie durch deren Zurückleitung %v. den<br />
Atomen der Oberfläche, entstehen gewaltige<br />
Energien. Diese strömt durch die<br />
Sonnenkrater in das Weltall aus. Die Krater<br />
(Sonnenflecke) haben einen dunklen<br />
Grund, wenn die Ausstrahlungen aus dem<br />
Sonneninnern eine zu kurze Wellenlänge<br />
besitzen, um wahrgenommen werden zu<br />
können. Diese Sonnenflecke liegen in zwei<br />
Gürteln um den Aequator der Sonne. Sie<br />
treten in elfjährigen Perioden auf und<br />
verursachen gleichzeitig auf unserer Erde<br />
starke magnetische Störungen, wobei sie<br />
besonders häufig Nordlichterscheinungen<br />
hervorrufen.<br />
Bei den Messungen, durch welche man<br />
die Lage des Nordlichtes konstatieren<br />
wollte, stellte es sich heraus, dass dieses<br />
in einer Höhe von 100—150 km am häufigsten<br />
auftritt. Es liegt in einem Kreis,<br />
dessen Mittelpunkt mit der magnetischen<br />
Achse, nicht mit den magnetischen Polen,<br />
zusammenfällt. Einen ähnlichen Gürtel<br />
findet man am Südpol. Den Zusammenhang<br />
zwischen den Sonnenflecken, den<br />
zartrosigen Fleisch, auf der blauen, rotgesprenkelten<br />
Haut; und trotzdem sie mirmagnetischen Störungen und dem Nordlicht,<br />
hatte man bereits lange Zeit hin-<br />
sehr, sehr gut schmeckt, und überhaupt der<br />
hehre Tatendrang, der im Walde meine Brust durch beobachtet. Mit der Entdeckung<br />
schwellte, sich in ganz gemeinen Hunger gewandelt<br />
hat, kann ich nicht umhin, aus der schung weiter. Seit 1896 gelang es Pro-<br />
der Kathodenstrahlen schritt die For-<br />
Zunge meines kleinen Bergfisches das Knorpelstückchen,<br />
einem Borstentier in der Form einem magnetischen Feld zu<br />
fessor Birkeland, die Kathodenstrahlen in<br />
entwickeln.<br />
Professor Vegard legte nun den Beweis<br />
für seine Theorie vor und erklärte, dass<br />
in höheren Luftschichten bei ungefähr<br />
800 km über der Erdoberfläche, Stickstoff<br />
in fester Form vorhanden ist. Zu diesem<br />
Resultat gelangte Vegard durch das intensive<br />
Studium des Nordlichtes, des Zodiakallichtes<br />
und der Meteore, deren<br />
Spektra der Gegenstand der Analyse war.<br />
Hierbei ergab es sich, dass die höheren<br />
Luftschichten kein Helium, sondern andere<br />
leichte Gase enthalten, und dass der<br />
Stickstoff durch die elektrischen Strömungen<br />
in jener Lage festgehalten wird,<br />
Sonnenlicht absorbiert und dadurch das<br />
merkwürdige Leuchten hervorbringt.<br />
Das Spektrum dieses Nordlichts ist das<br />
gleiche, wie es sich bei den Stickstoffkristallen<br />
ergibt, die der Forscher in seinem<br />
Laboratorium hervorgebracht hatte. Dies<br />
erklärt nach Vegard ebenfalls den blauen<br />
Nachthimmel und das Flimmern der Fixsterne.<br />
Das Leuchten des Nachthimmels<br />
erzeugt eine positive, elektrische Ausstrahlung,<br />
die in niedrigen Lagen sichtbar und<br />
das eine Art Nachleuchten des eigentlichen<br />
Nordlichtes ist. Dieses Lichtphänomen<br />
kann ebenfalls durch Stickstoff in<br />
sehr niedriger Temperatur hervorgebracht<br />
werden. J. T.<br />
Bunte Chronik<br />
Schnellese-Künste.<br />
Manche Leute vermögen mit einer geradezu<br />
überraschenden Schnelligkeit zu lesen.<br />
Ein bekannter Verleger und Schriftstellter<br />
gibt an, er könne in einer halben Stunde<br />
ein Buch im Umfange von 20.000 Wörtern<br />
lesen und sei hinterher imstande, Fragen,<br />
das Buch betreffend, zu beantworten und<br />
auch Stellen daraus zu zitieren. Den Rekord<br />
im schneiten Lesen hat aber wohl ein irischer<br />
Professor inne, der mit einer Geschwindigkeit<br />
von 4200 Worten in einer Minute<br />
liest. Er kann einen Roman in 24 Minuten<br />
lesen. Eine Zeitschrift beschäftigt ihn<br />
nicht länger als neun Minuten. Das Geheimnis<br />
dieser Schnelligkeit liegt nicht darin, dass<br />
er das Auge mit überraschender Geschwindigkeit<br />
die Zeilen entlanggleiten lassen kann,<br />
sondern darin, dass er mit einem einzigen<br />
bei dem einen Blick im Gedächtnis behalten<br />
hat. Dann nimmt man die nächste Seite vor<br />
und setzt diese Uebungen fort, bis man wirklich<br />
mit einem Blick den Inhalt einer ganzen<br />
Seite übersieht. Hierauf nimmt man sich ein<br />
Buch mit kleinerem Druck und wiederholt<br />
das Verfahren. Schliesslich geht man dann<br />
zu den gewöhnlichen Büchern über und wird<br />
finden, dass man wirklich den Inhalt einer<br />
ganzen Seite mit einem einzigen Blick übersehen<br />
kann. Das ist für den beruflich Lesenden<br />
und Lernenden von grosser Wichtigkeit,<br />
während einer, der nur zu seiner Unterhaltung<br />
liest, natürlich kein Interesse daran hat,<br />
so schnell lesen zu können.<br />
Ein Papierhote!.<br />
In einem New-Yorker Hotel, das Anfang<br />
Januar <strong>1934</strong> eröffnet wu-de, ist, abgesehen<br />
von den Fensterscheiben, nicht ein Stück<br />
Glas oder Porzellan. Sämtliches Geschirr,<br />
alle Bettücher usw. bestehen aus Papier, das<br />
nach einmaliger Benützung vernichtet wird.<br />
Die Hoteldirektion weist darauf hin, dass Papier<br />
hygienischer sei. Uebrigens ist es billiger,<br />
da der Schaden, der durch zerbrochenes<br />
Geschirr und das Unbrauchbarwerden von<br />
Wäsche entsteht, jährlich in die Tausende<br />
von Dollar geht.<br />
Der letzte päpstliche Kutscher,<br />
Dieser Tage feierte der letzte päpstliche<br />
Kutscher seinen 85. Geburtstag. Rinaldo Jacchini,<br />
so ist der Name des Kutschers, hat den<br />
letzten fünf Päpsten gedient bis zum Jahre<br />
1929. Seitdem ist er unter Belassung seines<br />
vollen Gehalts im Alter von 80 Jahren in<br />
den Ruhestand gesetzt worden. Gleichzeitig<br />
damit sind auch die Kutschpferde des Vatikans<br />
abgeschafft und die Kutschen für immer<br />
als Museumsstücke in den Marstall geschoben<br />
worden. Die Kurie fährt nur noch Automobil,<br />
Der alte. Kutscher ist einst durch<br />
Verwendung eines Kardinals in den päpstlichen<br />
Marstall gekommen. Sein Vater nämlich<br />
war bereits Kutscher bei diesem Kardinal.<br />
Vom Stalljungen und Reitknecht bis zum<br />
Nobelkutscher, einem Grad in seiner- Laufbahn,<br />
die er unter Papst Leo XIII. erreichte,<br />
ist Jacchini Stufe für Stufe emporgestiegen.<br />
Von all seinen Erinnerungen, die er in gutem<br />
Gedächtnis bewahrt hat, und allen fünf Päpsten,<br />
denen er diente, blieb dem alten Kutscher<br />
besonders Pius X. in lebendigem Gedächtnis,<br />
weil dieser eines Tages, als er aus<br />
der Karosse stieg, zu ihm sagte : Rinaldo,<br />
komm mal rauf, ich will dir was geben. •»<br />
Rinaldo ging auch hinauf in die päpstliche<br />
Bibliothek, wo Pius X. ihm entgegenkam und<br />
etwas mit der Hand verdeckte, das er seinem<br />
Kutscher überreichte. « Nimm das zum<br />
Andenken an mich! » Es war eine wertvolle<br />
Uhr mit den Insignien des Papstes.<br />
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