E_1935_Zeitung_Nr.034
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LUFTFAH<br />
Fallschirmabsprung<br />
aus 8100 Meter Höhe.<br />
Am 16. Juli des letzten Jahres gelang es<br />
dem russischen Fallschirminstrukteur Jewdokimow,<br />
der schon im vorigen Jahr durch<br />
einen Absprung von über 6000 m Höhe ohne<br />
Sauerstoffapparat Aufsehen erregte, die internationale<br />
Höchstleistung in dieser modernen<br />
Sportart zu erzielen. Er sprang in der Nähe<br />
von Leningrad aus einer Höhe von 8100 m,<br />
mit einem räterussischen Sauerstoffapparat<br />
ausgerüstet, aus einem zweimotorigen Militärflugzeug<br />
mit geschlossenem Schirm ab,<br />
und legte im freien Fall 7900 m zurück. Erst<br />
dann, nach 142 Sekunden, zog er am Ring,<br />
der den Fallschirm zum Oeffnen bringt, und<br />
landete glatt. Ueber seinen Rekordsprung<br />
berichtet Jewdokimow selbst folgendes :<br />
«Im April begann ich schon mit dem Training.<br />
Ich begab mich in die Luftdruckkammer,<br />
um festzustellen, wo die Grenzen meiner<br />
Leistungsfähigkeit liegen. In der Kammer<br />
-wurde der Luftinhalt ausgepumpt, und<br />
ich verblieb darin einige Zeit unter Bedingungen,<br />
wie sie in grossen Höhen gegeben<br />
sind. Mit dem zweimotorigen Flugzeug, das<br />
um alle entbehrliche Teile leichter gemacht<br />
wurde, führte ich eine Anzahl Probeflüge<br />
aus. Mit dem Flieger Datzko erreichte ich<br />
zuletzt eine Höhe von 7880 m. Grundlage<br />
für meine Arbeit war nicht einfach Rekordsucht,<br />
sondern ich traf systematische Vorbereitungen.<br />
Ich stellte mir eine mathematische<br />
Tabelle zusammen, nach der ich berechnen<br />
konnte, wieviel Sekunden mein Körper<br />
von bestimmtem Gewicht unter bestimmten<br />
atmosphärischen Bedingungen zum Fall<br />
aus verschiedenen Höhen ;braucht. Am 16.<br />
Juli wurde das Flugzeug instand gesetzt, der<br />
Barograph versiegelt; ich selbst Hess mich<br />
mit kaltem Wasser begiessen, trocken reiben,<br />
und dann schlüpfte ich in meine Pelzkombination.<br />
Während des Fluges sass ich<br />
im Halbdunkel des Flugzeuginnern, stellte<br />
alle 500 m Höhe die Lufttemperatur fest und<br />
berechnete meine Fallgeschwindigkeit. Mit<br />
meinem Flieger konnte ich nur durch Zettel<br />
und Zeichen verkehren.<br />
Auf dem Rumpf gelandet. Anlässlich seiner in Stratosphärenhöhe durchgeführten Dißtanzflüge war<br />
der bekannte amerikanische Flieger Wiley Post zweimal zu Notlandungen gezwungen. Obschon<br />
Post die Flüge mit abgeworfenem Fahrgestell angetreten hatte und das Notlande-Gelände für das<br />
Niedergehen ohne Fahrgestell nicht besonders ausgewählt werden konnte, verliefen die Notlandungen<br />
auf dem Rumpf ohne gröseeren Schaden für die Lookheed-Maschine. Wie da« Bild zeigt, wurden<br />
dabei lediglich der Propeller verbogen und die Motorverscbalung eingedrückt.<br />
Um 1 Uhr 15 hatten wir die Höhengrenze<br />
erreicht. Der Flugplatz war von Wolken verhüllt.<br />
Datzko fürchtete, dass ich vom Wind<br />
in den See abgetrieben würde, ich fühlte<br />
Kopfschwindel. Es mangelte an Sauerstoff.<br />
Schnell nahm ich die Maske mit dem Sauerstoffballon<br />
vor und stellte fest, dass das<br />
Rohr gebrochen war. Ich drückte es mit den<br />
Fingern zusammen. Die Temperatur war<br />
—29 Grad. Zum zweitenmal kam das Signal:<br />
ein Aufleuchten der roten Lampe. Dies bedeutete<br />
für mich, zum Sprung bereit zu sein.<br />
Ich antwortete durch Zeichen: fertig! Das<br />
dritte Signal leuchtete auf: Absprung ! Ich ohne Sauerstoffapparat. Die zweite Wolkendecke<br />
erscheint mir unangenehm tief. Ich<br />
stand an der Luke und Hess mich auf die<br />
Knie sinken, dort fühlte ich die bittere Kälte; komme durch und bringe mich wieder in die<br />
meine linke Hand ruhte am Atmungsrohr, ich rechte Lage. Fortwährend brülle ich und beobachte<br />
die Stoppuhr, da sehe ich eine dritte<br />
hielt mich nur mit der Rechten und hatte ein<br />
unangenehmes Gefühl. Ich drücke die Stoppuhr<br />
und lasse mich hinunterfallen. Der Luft-<br />
drohen Wolken. Ich weiss, dass ich in einer<br />
Wolkenlage, schon bin ich durch, und wieder<br />
strom vom Propeller stellte mich auf denHöhe von 1000 Metern fliege.<br />
Kopf. Die Kälte war fürchterlich. Durch unwillkürliche<br />
Bewegungen gerate ich ins Trudeln,<br />
durch Ausbreiten der Hände versuche<br />
ÄÜTöMOBlt-REVUB 19 35 — N»34<br />
ich eine Stabilisierung und stelle fest, dass<br />
ich jetzt eine Höhe von 5500 m habe. Ich<br />
falle durch eine Wolkenschicht und staune,<br />
dass sie nur zwei Meter Stärke hat. Schnell<br />
gehen die Wolken in die Höhe. Um den<br />
Druck auf das Trommelfell zu verringern,<br />
beginne ich zu singen. Es wird aber nur ein<br />
Geheul. Rundum ist Sonnenschein, und ich<br />
fühle meine Einsamkeit. Dann falle ich in<br />
eine zweite Wolkendecke, die Brillengläser<br />
beschlagen, ich kann die Lage meines Körpers<br />
nicht mehr feststellen und nehme die<br />
Brille von der Maske; jetzt falle ich weiter<br />
den Wolken, erblicke die Erde, ein© Ftasswindung,<br />
ein gelbes Feld, tmd freue mich.<br />
Ich fasse an den Ring, schliesse di© Augen<br />
und drücke auf die Stoppuhr, indem ich am<br />
Ring ziehe. Zugleich schaue ich nach oben:<br />
ist der Schirm auch heil ? Wenn der Schirm<br />
sich in solch einer Höhe entfaltet, so gibt es<br />
einen Stoss von 700 kg. Der Stoss war so<br />
stark, dass ich Tom rechten Fuss den Filzstiefel<br />
verlor. Vor den Augen aber wurde es<br />
mir nicht dunkel, denn ich war gut geübt<br />
Ich stiess auf den Erdboden auf, überschlug<br />
mich und setzte mich hin. Nicht weit arbeiteten<br />
Bauern. Sie liefen herbei und boten mir<br />
Tabak an. Ein guter Alter lieh mir seinen<br />
Bastschuh. Die Bauern freuten sich an der<br />
Seide des Fallschirms. Alles war gut gegangen.<br />
»<br />
Dieser besondern Einzeüeistung Jewdokimows,<br />
der über hundert Absprünge hinter<br />
sich hat und ein Meister seiner Kunst ist,<br />
stehen im Räterussland die zur Alltäglichkeit<br />
gewordenen Fallschirmabsprünge von Hunderten<br />
und Tausenden junger Leute gegenüber,<br />
so dass man dabei von einem richtigen<br />
Volkssport sprechen kann. Liebhaberflieger«.<br />
Organisationen, denen Flugplätze und Flugzeuge<br />
zu Ausbildungszwecken zur Verfügung<br />
stehen, gibt es in allen grössern Städten des<br />
Rätebundes. Zu ihnen gehören die Fallschirmabteilungen,<br />
deren Mitgliederzahl stob<br />
aus jungen Arbeitern und Angestellten beider*<br />
lei Geschlechts rekrutiert An jedem freien<br />
Tag kann man auf den Moskauer Flugplätzen<br />
den Uebungen*der Amateur-Fallschirmabspringer<br />
zuschauen. Ein eigenartiger Anblick<br />
ist es, wenn aus einem Grossflugzeug<br />
zwanzig oder dreissig Fallschirmspringei;<br />
hintereinander wie aus einem Taubenschlag<br />
herausklettern und für Sekunden als Perlenkette<br />
menschlicher Luftballone über den Horizont<br />
schweben.<br />
Der militärische Sinn, der hinter fegfichen<br />
staatlich organisierten Massenbetätigung irri<br />
Rätebund zu finden ist, besteht in der Absicht,<br />
die wehrfähige Jugend auf die Landung<br />
aus der Luft in militärischen Verbänden<br />
bis zur Stärke eines Bataillons vorzubereiten.<br />
An Menschenmaterial und an persönlichem<br />
Schneid fehlt es den Russen nicht<br />
Drei Jahre ist es erst her, seit es gelang, den<br />
ersten Fallschirm aus rätebündischem Material<br />
herzustellen. Die schnelle Entwicklung<br />
der Springerei zum Massensport äst durchaus<br />
bewundernswert und kennzeichnet die<br />
Jetzt kommen Gewitterwolken, und ichEnergie, mit der an der Militarisierung im<br />
werde tüchtig geschüttelt. Die Stoppuhr zeigt Rätebund gearbeitet wird.<br />
140 Sekunden. Nun ist es Zeit, ich falle aus<br />
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