E_1935_Zeitung_Nr.098
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NO 98<br />
II. Blatt<br />
BERN, 6. Dez. <strong>1935</strong><br />
ScfiienencudeftuMe<br />
Die technische und wirtschaftliche Entwicklung<br />
der letzten Jahre hat die finanzielle<br />
Lage der meisten Bahnunternehmungen in<br />
der ganzen Welt schliesslich derart verschlechtert,<br />
dass die Frage nach Abhilfe heute<br />
zum kategorischen Imperativ geworden ist<br />
Unter den verschiedenen technischen Möglichkeiten<br />
zur Verbesserung der Betriebsergebnisse<br />
der Bahnen steht überall die<br />
Möglichkeit der Einführung von Schienen-<br />
Triebwagen zur Diskussion. Mit diesem<br />
neuen Verkehrsmittel, das sich im Auslande<br />
schon vielfach bewährte, könnte eine Auflockerung<br />
des Bahnverkehrs durch häufigere<br />
Führung schneller Kleinzüge erzielt werden.<br />
Durch gewisse, noch zu besprechende konstruktive<br />
Massnahmen kann bei solchen Fahrzeugen<br />
eine ganz beträchtliche Gewichtsersparnis<br />
erreicht werden, die im Verein mit<br />
den übrigen Verbesserungen einen bedeutend<br />
rentableren Betrieb ermöglicht. Es würde<br />
alsdann vermieden, dass eine schwere Lokomotive<br />
mit einer Leistung von mehreren tausend<br />
PS vor ein Lokalzüglein mit drei bis<br />
vier halbleeren Wagen gespannt wird. Selbst<br />
bei voller Besetzung ergibt sich in solchen<br />
Fällen ein ganz krasses Missverhältnis zwischen<br />
Wagengewicht und Gewicht der beförderten<br />
Personen und Güter. Seit der Strassenverkehr<br />
und in geringerem Masse auch<br />
das Flugzeug mit den Bahnen in eifrigen<br />
Wettbewerb traten, regten sich da und dort<br />
Stimmen, die einer Anschaffung von Schienen-Omnibussen<br />
das Wort redeten.<br />
Die ersten Schienentriebwagen wurden<br />
nach dem Muster gewöhnlicher Eisenbahnwagen<br />
gebaut. Sie waren infolgedessen<br />
' schwer, und da auch ihre Motorleistung im<br />
allgemeinen gering gehalten war, erreichten<br />
sie keine sehr hohen Verkehrsgeschwindigkeiten.<br />
Eine Erhöhung der Geschwindigkeit<br />
auf das Doppelte, z. B. von 60 auf 120 km<br />
pro Stunde, würde eine sehr beträchtliche<br />
Erhöhung der Motorleistung nach sich ziehen.<br />
Der Widerstand, den ein Fahrzeug zu<br />
überwinden hat, setzt sich zusammen aus<br />
dem Rollwiderstand und dem mit dem Quadrate<br />
der Geschwindigkeit anwachsenden<br />
Drehgestell mit 410-pferdigemMaybach-Dieselmotor.<br />
wisse Grenzen setzt Anderseits haben neuere<br />
Versuche und solche älteren Datums zur<br />
Genüge bewiesen, dass das Rollmaterial bei<br />
erhöhten Geschwindigkeiten auch beim Kurvenfahren<br />
zu keinen Bedenken Anlass gibt,<br />
indem selbst bei Geschwindigkeiten bis 170<br />
Luftwiderstand. Nach Versuchen der deutschen<br />
Reichsbahn mit einem Triebwagen älteren<br />
Datums kann geschlossen werden, dass<br />
für die obige Geschwindigkeitserhöhung eine<br />
Vergrösserung der Motorleistung beinahe um<br />
das Sechsfache erforderlich wäre. Eine unbeschränkte<br />
Steigerung der Geschwindigkeit<br />
mit Fahrzeugen der üblichen schweren Eisenbahnkonstruktion<br />
ist schon deshalb nicht zulässig,<br />
weil auch die Schienenanlage hier gereichen,<br />
während eine aerodynamisch günstige<br />
Formgebung sich in einer Verminderung<br />
des Luftwiderstandes auswirkt. Natürlich<br />
können solche Leichttriebwagen nicht in<br />
normalen Zugskomposätionen verwendet werden,<br />
da sie den auftretenden Beanspruchungen<br />
nicht gewachsen wären.<br />
Da ähnliche Leichtbauweisen für Strassetvfahrzeuge<br />
schon längst entwickelt wurden,<br />
ist es weiter nicht erstaunlich, dass gerade<br />
Kilmeter pro Stunde und darüber die Fahreigenschaften<br />
moderner Triebwagen absolute<br />
Betriebssicherheit verbürgen. Allerdings lassen<br />
sich solche Spitzengeschwindigkeiten<br />
vorläufig im regulären Betriebe nicht einführen,<br />
da dies der Aufstellung des Fahrplanes<br />
zu grosse Schwierigkeiten in den Weg<br />
legen würde.<br />
Um eine Erhöhung der Verkehrsgeschwindigkeit<br />
zu erzielen ohne eine übermässige<br />
Vergrösserung der Motoranlage in Kauf zu<br />
nehmen, können nebeneinander zwei Wege<br />
beschritten werden. Eine Beschränkung des<br />
Rollwiderstandes lässt sich durch Einbau von<br />
Rollenlagern und Gewichtsverminderung erdie<br />
im Automobilbau erfahrenen Firmen für<br />
die Entwicklung solcher Wagen prädestiniert<br />
sind. Sowohl im Aufbau des Wagenkastens<br />
als auch im mechanischen Teile lassen sich<br />
heute die Einflüsse des Automobilbaues recht<br />
deutlich erkennen.<br />
f Als Baumaterial für den Wagenkasten, der<br />
zweckmässig als selbsttragende Konstruktion<br />
ausgebildet wird, kommen entweder<br />
rostfreier Stahl oder Leichtmetall in Frage.<br />
Auch gemischte Bauweisen, wobei z. B. die<br />
Aussenverkleidüng in Leichtmetall-Legierungen<br />
ausgeführt wird, haben sich gut bewährt.<br />
'Die Innenausstattung der Schienen-Omnibusse<br />
lehnt sich an die aus dem Omnibusbau<br />
bekannten Ausführungen an. Falls die Motoren<br />
nicht in die Drehgestelle eingebaut sind,<br />
ist eine gute Schall-Isolierung von Wichtigkeit.<br />
Sowohl die Wände als auch die Decke<br />
^werden hiezu mit schällabsorbierenden Tafeln<br />
verkleidet, die dann meist auch eine<br />
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BERN, 6. Dez. <strong>1935</strong><br />
gute Wärme-Isolation bilden. Der, Boden<br />
wird vielfach aus Leichtmetall-Wellblech<br />
hergestellt, wonach die Vertiefungen mit einer<br />
Korkmasse ausgefüllt werden und der ganze<br />
Boden mit dickem Linoleum belegt wird.<br />
Am mechanischen Teile des Triebwagens<br />
interessiert uns in erster Linie die Motoranlage,<br />
die entweder direkt im Drehgestell<br />
(Abb.) oder auch in einem speziellen Abteil<br />
des Wagenkastens untergebracht wird.<br />
Jede der beiden Bauarten hat ihre Vor- und<br />
Nachteile. Zum Beispiel wird durch die Aufhängung<br />
des Motors und Getriebes im Drehgestell<br />
dieses unsymmetrisch belastet, was bei<br />
grossen Geschwindigkeiten zu Unannehmlichkeiten<br />
führt. Ferner wird das Drehgestell bedeutend<br />
schwerer, was seine Führungseigenschaften<br />
beeinträchtigt. Die Motoren sind<br />
weniger gut zugänglich, was Einfluss auf<br />
ihre Wartung hat. Dafür werden Vibrationen<br />
und Lärm vom Wagenkasten ferngehalten,<br />
die Passagiere keiner Rauchbelästigung ausgesetzt,<br />
das Triebwerk vereinfacht und ein<br />
zur Revision vom Wagenkasten trennbares<br />
Antriebsaggregat geschaffen.<br />
Zum Einbau in Triebwagen stehen eine<br />
grosse Auswahl von Motoren zur Verfügung.<br />
Neben normalen Lastwagenmotoren finden<br />
wir auch solche, die zwar im Prinzip gleich<br />
gebaut sind, aber einen grösseren Zylinderinhalt<br />
aufweisen. Gewisse Konstruktionen<br />
sehen den Einbau von zwei oder mehreren<br />
Motoren vor. Bugatti hat in seinem Triebwagen<br />
(siehe Abbildung) nicht weniger als<br />
vier Motoren untergebracht. Zu den Neukonstruktionen<br />
mit grösserem Zylinderinhalt gehört<br />
z. B. auch der Saurer-BZD-Motor, ein<br />
durch Verdoppelung der Zylinderzahl des<br />
BXD-Motors entstandener V-Motor, dessen<br />
schöne Linien am letzten Genfer Salon bewundert<br />
werden konnten. Natürlich sind Dieselmotoren<br />
punkto Wirtschaftlichkeit vorzuziehen.<br />
Der Antrieb erfolgt gewöhnlich über ein<br />
Zahnrädergetriebe und eine Kupplung auf<br />
eine oder mehrere Achsen. Gute Aussichten<br />
verspricht das Getriebe nach System der<br />
Schweiz. Lokomotiv- und Maschinenfabrik<br />
Winterthur, dessen Zähne ständig im Eingriff<br />
stehen und das durch Oeldruck geschaltet<br />
wird. Seine Wirkungsweise geht aus dem<br />
nachstehenden Bild hervor. Der Oeldruck<br />
ist auch für den<br />
ein Hilfsmittel zur Sparsamkeit.<br />
Der wirtschaftliche Wagen bringt<br />
kleine Spesen bei Vorführungen,<br />
der Kunde ist von den Vorteilen des<br />
Wagens schnell Überzeugt, die Einfachheit<br />
und Betriebssicherheit des<br />
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