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E_1936_Zeitung_Nr.071

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W 71 « DIENSTAG. T. SEPTEMBER 1938 AUTOMOBIL-REVUE . - 7<br />

E U I L L E T O N<br />

Musik der Nacht.<br />

Roman von Joe Lederer.<br />

6. Fortsetzung.<br />

Aber nein! Dann begann ja erst die Unordnung...<br />

Konstantin fing an, von unglücklichen<br />

Bhen und tödlichem Zwang zu sprechen.<br />

,Qut, das sind Tatsachen, sogar betrübende<br />

-Tatsachen — aber ich verstand nicht<br />

recht, warum er gerade in unserer Situation<br />

solche Themen erörterte. Jedenfalls war es<br />

nicht, sehr taktvoll. Und noch dazu passte es<br />

gar nicht auf uns : wir hatten uns doch lieb.<br />

Konstantin wehrte sich also gegen unsere<br />

heirat. Es gibt Männer, die ihre Bequemlichkeit'<br />

nicht durch eine Frau stören lassen<br />

wollen. Und andere, die keine andere Leidenschaft<br />

haben als Freiheit. Aber für Konstantin:<br />

kam r das-alles nicht in Betracht. Er hatte<br />

einfach theoretische Bedenken. Dass er seit<br />

Sechs Wochen die ganze Theorie vergessen<br />

hat, dass sie unwichtig geworden ist, und<br />

wir jetzt doch heiraten...<br />

^Grosses Rätsel..,>, sagte SybiL «Ich<br />

fürchte den Tag, an dem ich es lösen muss! »<br />

r Eine Weile blickte sie in den Nachthimmel.<br />

Dann sagte sie :<br />

J.,« Ich werde trotzdem sehr glücklich sein!<br />

Icjv bin fest entschlossen, glücklich zu sein,<br />

deinn ich hab es mir verdient. In der schlimmsten<br />

Zeit dachte ich einmal,'dies ganze Fremdbleiben<br />

käme nur daher, weil ich nichts von<br />

Konstantins Beruf verstehe. Er lachte mich<br />

au?,* aber ich fing trotzdem an, zu lernen.<br />

Auf meinem Schreibtisch waren ganze Stapj^l<br />

Bücher, Meine Freundinnen wollten nicht<br />

zurückbleiben, sie legten Keanes ,Ethymology\<br />

,Die Reise nach Lhassa' auf ihre Tische<br />

und fanden, ich wäre sehr chic. Aber ich<br />

war gar nicht ,chic', ich habe alle Bücher<br />

durchstudiert. Und jede Zeile sofort vergesc<br />

en. Ich weis? nicht, wieso das kam. ich<br />

atte doch grosses Interesse, aber... Bitte,<br />

geben Sie mir eine Zigarette ! »<br />

• Sybil atmete hastig den Rauch ein und erhärte<br />

:<br />

r< Ich habe heute noch immer keine Ahnung<br />

von diesen Dingen. Es tut mir bitter<br />

leid— aber ich kann nichts dafür. Häuserbaüen<br />

ist mir viel, viel klarer! Ich verstehe<br />

sjcher mehr von einem Wolkenkratzer als<br />

von den Kulturparallelen zwischen Osterinsel<br />

ind^Sudari'.vZ > - '•••>• •••'" • = - -" -"•'•••• '• '<br />

Die Stimme brach ab, jäh, als wäre sie in<br />

einen Abgrund gefallen.<br />

Erst nach ein paar Sekunden sprach Sybil<br />

weiter:<br />

« Architektur oder jeder andere Beruf...<br />

Sie verstehen: jeder beliebige Beruf scheint<br />

mir eben leichter fassbar als Naturhistorie! »<br />

Sie richtete sich auf und sah Lukas an.<br />

Ihre Augen schimmerten kalt und drohend.<br />

« Nun...», murmelte Lukas, aber er<br />

brachte den Satz nicht zu Ende. Er sass da,<br />

geduckt wie ein Schuljunge, der die Prüfung<br />

nicht bestanden hatte. Er fuhr sich verlegen<br />

mit der Hand übers Haar — eine starke, gutgefügte<br />

Hand, starkes, dunkles Haar, das an<br />

den Schläfen grau schimmerte. Jahrzehntelang<br />

hatte das Leben dies Gesicht zurechtgehämmert,<br />

einen kühnen starken Männerschädel<br />

geformt. Aber jetzt verschwammen die<br />

harten Winkel und Linien, lösten sich und<br />

machten Platz. Ein trotziges, verletztes Kindergesicht<br />

stieg auf, mit zusammengebissenen<br />

Lippen und wehrlosen Augen.<br />

«Zanken Sie mich lieber aus!» sagte<br />

Sybil.<br />

«War ich gereizt? Hab ich Sie gekränkt? »<br />

Sie lächelte und zeigte ihre blanken, feuchten<br />

Zähne.<br />

« Ich glaube, es ist mein Schicksal, andere<br />

Menschen zu kränken und mir dann meine<br />

Sünden verzeihen zu lassen 1 »<br />

Das war gelogen, denn Sybil verzieh sich<br />

ihre Sünden immer selbst. Die Absolution des<br />

anderen war angenehme, aber unwichtige<br />

Beigabe. Aber jetzt fügte sie ernst hinzu :<br />

« Ja, so ist es !» und war beinahe davon<br />

überzeugt.<br />

Lukas äusserte ein halbes Dutzend törichter<br />

Höflichkeiten. Sybil hörte freundlich zu,<br />

aber dann sagte sie heftig:<br />

« Wenn es wenigstens grosse Sünden wären<br />

— nicht immer diese kleinen, fahrplanmässigen<br />

Vergehen! »<br />

«Fahrplanmässig...», wiederholte sie ein<br />

paarmal. Das Wort schien ihr zu gefallen.<br />

« 0 Gott, der Fahrplan kann einen .Menschen<br />

zugrunde richten! Diese Verschwörung<br />

von geraden Schienensträngen und unerbittlichen<br />

Minuten! Von A nach B sind es<br />

860 Kilometer, um 3 Uhr 40 fährt man ab von<br />

A, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit<br />

von 90 Kilometer die Stunde, und erreicht B<br />

zur vorgeschriebenen Zeit... Rechts und<br />

links vom Fahrplan ist die Welt ausgebreitet,<br />

unbegrenzt und herrlich, aber man darf es<br />

nicht beachten. Man hat von A nach B zu<br />

reisen...»<br />

• •<br />

! - ' -•• < ^<br />

Sie warf den Kopf zurück, kindlich-triumphierende<br />

Geste : (<br />

...ich habe immer versucht, auf einer anderen<br />

Station auszusteigen! Geht es Ihnen<br />

auch so ?...»<br />

«Nein. Aber ich kann verstehen, dass<br />

Sie...»<br />

Lukas, der sein Leben mit Arbeit ausgemessen<br />

und mit Pflicht begrenzt hatte, der<br />

beglückt war, seine Zukunft vor sich zu<br />

sehen wie eine schnurgerade Landstrasse<br />

mit Meilensteinen, Kilometerzahlen und einem<br />

Ziel — für Sybil begann er zu träumen!<br />

Keine Landstrassen für Sybrl, keine Schienenstränge<br />

! Die Unendlichkeit der Wälder für<br />

sie, Ebenen, die sich erst am Horizont verlieren.<br />

Keinen Fahrplan, der knarrend die<br />

Minuten ausschreit — das Schweigen der<br />

Prärie für Sybil!<br />

Ach, dass man seine Hand nicht auf alles<br />

Grosse und Berauschende dieser Erde legen<br />

konnte und zupacken und rufen : Für Sybil!<br />

Viertes Kapitel.<br />

Um zehn Uhr fuhren zwei Automobile bei<br />

der Schlösslrampe vor, ein blitzend neuer<br />

Mercedes und ein klappriges Taxi. Es war<br />

eine heitere Gesellschaft, Gelächter schwirrte,<br />

alles schwatzte durcheinander. Breitrandige<br />

Hüte wippten, zarte Schuhe tasteten sich<br />

vom Wagentrittbrett zum Kiesweg hinunter.<br />

c Vorsicht, Lilli! Hier ist eine Stufe ! »<br />

« Und wo ist Tibor ? Tibor ! »<br />

« Hier bin ich », sagte Tibor und fuhr sich<br />

mit dem Taschentuch über die Stirn. «Gott<br />

verdamm mich, ich hab diesen Sommer<br />

satt!»<br />

Im Saal klirrte die Jazzband auf, durch die<br />

offene Tür sah man die Musiker, ihre grellen<br />

Uniformen.<br />

« Wir werden tanzen ! » rief Baby. Sie<br />

riss begeistert den Hut herunter und schüttelte<br />

sich, dass ihr die Locken in die Stirn<br />

flogen.<br />

« Tanzen und trinken ! Es ist göttlich ! »<br />

« Zum Ersticken ist es », zischte ihr Mann.<br />

«In einem geschlossenen Saal tanzen ! Warum<br />

nicht gleich die Nacht in einem Backofen<br />

zubringen ? »<br />

«Wenn du geruhen würdest hinzusehen,<br />

könntest du bemerken, dass alle Fenster offen<br />

sind! ><br />

< Ach was — Fenster. Wir hätten an die<br />

Donau fahren sollen und baden. Aber wenn<br />

ich etwas vorschlage...»<br />

jDiese Kinder, sie tranken nicht mehr aus<br />

einem GlSs^wie vor zwei Jahren im Tabarin.<br />

Sie flüsterten nicht mehr, sondern zankten<br />

laut vor allen Leuten.<br />

- « Ruhe, Baby ! Ruhe, Paul. Relsst sie auseinander<br />

! »<br />

« Benehmt euch, bitte >, kommandierte ;Catherina.<br />

«Paul, Sie kommen, zu mir. »• Sie<br />

ging eilig Voran, ihr helles Spitzencape flatterte<br />

wie ein Segel.<br />

Baby beschloss den Zug, von Tibor" und<br />

dem Rechtsanwalt Tony geleitet, zorniges<br />

Tigerweibchen zwischen höflichen Dompteuren.<br />

*<br />

«... und Lilli, diese Komödiantin! Glaubt<br />

ihr, ich hab nicht bemerkt, dass sie Paul die<br />

ganze Zeit Augen macht ? Letztens hat er<br />

sie im CafShaus getroffen. Zufällig... Was<br />

für ein Paragraph ist das, Tony ? ><br />

« Es kann ein Fünfhundertfünfundzwanziger<br />

sein. Ehestörung », sagte Tony automatisch.<br />

Tibor trabte nebenher und pfiff leise den<br />

Blues mit: Madeleine.<br />

« Deine roten Lippen will ich küssen,<br />

Madeleine...»<br />

Jedes, Madeleine' dichtete er in ,SybU' um.<br />

« Dich umarmen, eh wir scheiden müssen...»<br />

Blind und melancholisch stieg er die Treppe<br />

zur Balustrade hinauf, in den Saal.<br />

« Baby, was ist mit Sybil ? »<br />

«Ich weiss nicht. Ist sie nicht schon in<br />

Zürich ? Tony, bitte, was versteht man eigentlich<br />

unter Ehestörung ? »<br />

Tibor seufzte und betrachtete sein schmales<br />

Gesicht in dem Kristallspiegel.<br />

Frisur, Krawatte — alles in Ordnung. June<br />

war man, schön, blass vor Gram — und<br />

Sybil war verloren, für alle Ewigkeit verloren<br />

an diesen Trottel Konstantin!<br />

« Wie gewöhnlich, Herr Baron ? » erkundigte<br />

sich der Kellner.<br />

«Ja », sagte Tibor, ohne sich von seinem<br />

Soiegelbild zu trennen. «Einen doppelten<br />

Whisky.»<br />

«Kann ich die Handtasche haben ? Nein,<br />

ich lese den Brief nicht— ich will nur die<br />

Puderdose...><br />

Sybil bekam das Täschchen. Als sie die<br />

schmale Dose suchte, streifte sie das zerknitterte<br />

Kuvert. Sie tastete mit den Fingerspitzen<br />

darüber hin, vorsichtig und bereit,<br />

die Hand schnell zurückzuziehen, wenn elek-:<br />

trische Funken aufzucken sollten. Aber es<br />

geschah nichts. Sie griff fester zu, das Papier<br />

bog sich ein wenig, das war alles. Merkwürdig,<br />

dieser Brief unterschied sich durch<br />

nichts von andern Briefen.<br />

(Fortsetzung folgt.)" "<br />

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