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E_1936_Zeitung_Nr.086

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N" 86 — Automobil-Revue<br />

In meinem Garten<br />

Von Peter Pee<br />

Es ist schlimm und peinlich, wenn ein Automobil<br />

nicht mehr will und der Fahrer nur zwei<br />

Sachen tun kann: Kopfschüttelnd dastehen oder<br />

aber einer Reparaturwerkstätte telephonieren.<br />

Das Dastehen und Kopfschütteln ist vollbracht.<br />

Der vorbeifahrenden Automobilisten<br />

wegen habe ich ächzend und, mir der Sinnlosigkeit<br />

meines Tuns absolut bewusst, die<br />

linke Seite der Motorhaube geöffnet. Dann<br />

blicke ich hinein und beschliesse sofort, und<br />

zwar energisch, den zweiten Weg einzuschlagen:<br />

Reparaturwerkstätte.<br />

Die Motorhaube wird geschlossen. Ich mache<br />

mich auf die Telephonsuche.<br />

Es ist schönes Wetter, aber noch nicht sehr<br />

heiss: Frühling. Die Strasse ist nicht staubig<br />

und dort vorne steht schon ein Haus, von welchem<br />

freundlicherweise eine Telephonleitung<br />

ausgeht. Alles wäre an und für sich nett und<br />

gut, ich habe sogar genügend Zeit zur Verfügung.<br />

Nur allein das Gefühl: Dort hinten<br />

steht ein Wagen und kann nicht mehr<br />

das ist unangenehm.<br />

Wie in einem Film unter erstklassiger Regie<br />

klappt alles: Kaum bin ich vor dem Haus,<br />

kommt auch schon ein freundlicher Mann unter<br />

die Türe, erfasst sofort die Situation und<br />

führt mich zum Telephon. Nicht nur das, nein,<br />

er sucht mir sogar noch die Telephonnummer<br />

der Garage heraus und zieht sich dann, etwas<br />

vor sich hin murmelnd, zurück.<br />

Ein Angestellter der Garage komme in einer<br />

halben Stunde, heisst es am Telephon. Ich<br />

hänge ein und suche den Hausbesitzer, um<br />

mich zu bedanken und zu bezahlen.<br />

Plötzlich, nachdem ich das Auto und mich<br />

wohlversorgt weiss, überlege ich: Was brummte<br />

der Mann, während ich die Nummer verlangte?<br />

Und mein treues Unterbewusstsein lässt mich<br />

nicht im Stich, sondern wiederholt brav:<br />

«Auto! Fahrt durchs Landl Ziellos! Ohne<br />

Heim, ohne Ruhe! Auto-Blödsinn! »<br />

Aha, denke ich mir, ein Fussgänger. Ist vielleicht<br />

einmal angefahren worden. Oder auch<br />

nur erschreckt von einem Auto.<br />

Der Film dreht sich weiter. Eine Türe geht<br />

auf. Der Mann steht freundlich vor mir, nimmt<br />

ohne Umstände die Bezahlung und den Dank<br />

an und erkundigt sich, wann der Mechaniker<br />

komme. In etwa einer halben Stunde.<br />

« Ja, » nickt der Mann, « ja, die Herren<br />

Automobilisten haben's eilig. Jetzt verlieren<br />

Sie eine ganze halbe Stunde. Eine halbe Stunde<br />

Verlust in Ihrem Leben, die Sie selbst mit der<br />

höchsten Geschwindigkeit nicht mehr einholen<br />

können. »<br />

« Aber ich bitte Sie, im Gegenteil: Ich habe<br />

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Hauptziehung: 20. Dez. <strong>1936</strong><br />

Zwischenziehung: 14a KOVi<br />

alle Zeit. Niemand erwartet mich und ob ich<br />

jetzt eine halbe Stunde früher oder später nach<br />

Hause komme, ist doch einerlei.»<br />

Ein Zufall, dass der Mann grösser ist als ich.<br />

Durch diese Schicksalsfügung jedoch kann er<br />

mich von oben herab sehr mitleidig und etwas<br />

erniedrigend ansehen: « Nach Hause? Sie reden<br />

von einem Zuhause. Ihr Zuhause ist ja<br />

nur eine Station und kein Bleiben. Morgen<br />

fahren Sie wieder weiter. Da spricht einer von<br />

Zuhause, der sicherlich nicht einmal einen<br />

Garten besitzt. » Er schüttelt den Kopf.<br />

« Nein, allerdings besitze ich keinen Garten.<br />

Dafür leiste ich mir ein Auto. »<br />

« Ein Auto! Das ist es ja eben! », fährt der<br />

Alte auf und hat plötzlich zwei böse Aeuglein,<br />

die mich gehässig anfunkeln. Er ballt die<br />

Fäuste, hält sie in Kopf höhe und tobt: « Was<br />

habt Ihr von 'em modernen Zeugs? Welchen<br />

Lebensinhalt kann Euch etwas geben, das gar<br />

kein Leben in sich hat? »<br />

« Aber erlauben Sie, » unterbreche ich ihn,<br />

«ein Motor ist doch lebendig. Er läuft, er<br />

dreht sich, er dröhnt! »<br />

« Ja, » lacht der Alte, « wenn der Mensch<br />

ihn laufen lässt. Motor, Metall, zusammengesetzte<br />

Teile: Mein Herr, das ist kein Leben.<br />

Aber da draussen ist Leben. Da draussen ist<br />

ein Zuhause und das ist der Grund, warum ich<br />

mehr vom Leben habe als alle Automobilisten<br />

zusammen. Kommen Sie in meinen Garten.<br />

Dann verstehen Sie, warum ihr durch die Natur<br />

fährt, ohne etwas von der Natur zu haben<br />

und wieso ein Mensch innig mit der Natur zusammenlebt,<br />

ohne je aus seinem Garten herausgekommen<br />

zu sein. »<br />

Ein komischer Kauz. Er stapft schwer durch<br />

den Hausgang hinaus. Ich habe ja Zeit, ich<br />

geh' mal mit. Vielleicht hat er in seinen Ansichten<br />

nicht so unrecht — wahrscheinlich aber<br />

ist er in seinen Garten verliebt und verdammt<br />

aus diesem Grunde alles, was nicht damit zusammenhängt.<br />

Und hier der Garten.<br />

Der -alte Mann stellt sich in Positur, räuspert<br />

und blickt über seine Prärie, die, gut geschätzt,<br />

den Umfang von 6X8 Meter hat. Es<br />

sind auf diesen paar Quadratmetern einige<br />

saubere Beete, aus denen dürftiges Grünzeug<br />

die Köpfchen hervorstreckt; irgendwo in einer<br />

Ecke sind zwei, drei Sträucher, und am Rand<br />

blüht etwas. Das ist dem Herrn sein Garten.<br />

Der alte Mann blickt mich mit einem Ausdruck<br />

an, wie wenn er sagen wollte: «Na,<br />

mein Lieber, jetzt bist du aber geschlagen! »<br />

Er schnuppert mit seiner Nase, die er möglichst<br />

vorstreckt, seine Gartenluft ein, dass die aus<br />

9Cumac im 9ioiel<br />

Ein Gast wischt sich in<br />

einem Gasthaus Messer<br />

und Gabel am Tischtuch<br />

ab. «Ist das bei Ihnen zu<br />

Hause Sitte?» fährt ihn der<br />

Wirt an. — «Nein,» antwortet<br />

der andere, «bei<br />

uns zu Hause kommen<br />

nur reine Bestecke auf<br />

den Tisch!»<br />

Es war sein erster Besuch<br />

in Amerika, und er<br />

wurde ärgerlich, als man<br />

immer wieder seine Papiere<br />

zu sehen wünschte.<br />

Der Hotelbesitzer erklärte:<br />

«Wie soll ich sonst feststellen,<br />

dass die Dame<br />

wirklich mit Ihnen verheiratet<br />

ist.» — Tourist:<br />

«Wundervoll. Ich gebe<br />

Ihnen hundert Dollar,<br />

wenn Sie beweisen können,<br />

dass sie es nicht ist.»<br />

I<br />

«Dafür leiste ich mir ein Auto» könnte auch der Korber sagen, der in diesem vorsintflutlichen Taxi<br />

Quartier hezogen hat. Wo er nur die Hafersäcke des Bundes gemaust haben mag, die ihm als Fenstervorhänge<br />

dienen? — Auch eine Art des «neuen Wohnens».<br />

(Photo Gattiker, Bern.)<br />

den Nasenlöchern wuchernden Haare zittern:<br />

« Das ist Landluft, » bemerkt er stolz, « so<br />

riecht nur mein Garten! Aber setzen wir uns,<br />

dort ist die Bank. »<br />

Die Bank ist selbst' verfertigt, unter einem<br />

Kirschbaum. Es gibt Nägel darin, die nicht<br />

ganz eingeschlagen wurden. Man kann sich<br />

die Kleider zerreissen. Aber das spielt doch<br />

keine Rolle, im eigenen Garten!<br />

Der Cicerone beginnt:<br />

«Hier ist Schnittlauch. Dort drüben Kressen.<br />

Nebenan im Beet Rettiche und Blumenkohl.<br />

Lauch ist links, dort beim Spinat. Im<br />

letzten Beet dort kommt Sellerie und Rübkohl.<br />

Kopfsalat säe ich das nächste Jahr.»<br />

Ich bin erschüttert. Wer hätte das gedacht?!<br />

Diese kleinen Unkräuterchen sind richtiges Ge-<br />

Smüse in jugendlichem Stadium. Um nicht zu<br />

'unwissend zu erscheinen, setze ich eine ganz<br />

ernste Miene auf, lobe vorerst das angepflanzte<br />

Gemüse und bemerke dann leichthin<br />

aber fachkundig:<br />

«Und dort, unter dem Mist, werden wohl<br />

die Kartoffeln sein? » „<br />

« Dummes Zeug, Kartoffeln! Das sieht man<br />

doch, dass das keine Kartoffeln sind. Das<br />

wächst doch schon! Aber ein Automobilist<br />

kennt natürlich Zwiebelblätter nicht! »<br />

Es will mir mit dem besten Willen nicht gelingen,<br />

länger als eine Minute die noch sozusagen<br />

leeren Beete zu bewundern. Ich komme<br />

daher auf « Allgemeines » zu reden: « Braucht<br />

ein solcher Garten wirklich so viel Pflege und,<br />

was mich eigentlich noch mehr interessiert, ersetzt<br />

Ihnen der Garten die Freuden, welche<br />

uns die weite Welt bietet? »<br />

Ich hätte dies nicht sagen sollen. Der alte<br />

Mann wird bleich und röchelt asthmatisch. Ich<br />

befürchte einen Schlagahfall. Doch er umfasst<br />

mit zitternder Hand seinen Kirschbaum und<br />

hält seine R«de. Die Rede war wohlvorbereitet.<br />

Er muss sie schon hundertmal gedacht haben.<br />

Beim Säen der Kressen und beim Pflanzen des<br />

Spinats — oder wird vielleicht Spinat gesetzt?<br />

— immer, bei allen Arbeiten in seinem Garten,<br />

wird er an der Rede herumgefeilt haben. Genau<br />

erinnere ich mich nicht mehr. Ungefähr<br />

lautete sie so:<br />

" « Mein Herr! Ich gab Ihnen Einblick in meinen<br />

Garten. Doch haben Sie erst die Hälfte<br />

gesehen, dort drüben ist der Blumenpark mit<br />

Stiefmütterchen, Primeln, Buchs, Goldregen<br />

und Vergissmeinnicht und zwei Rosenstöcken.<br />

Mein Herr! Sie glauben auf Ihre Art das Leben<br />

geniessen zu können — ein wahrer Genuss<br />

ist nur, einen Garten zu besitzen, Vater zu sein<br />

von so vielen lebenden Pflanzen, sie zu betreuen,<br />

zu pflegen, ihnen Wasser zu geben — »<br />

Ich unterbrach rasch halblaut: « Und sie zu<br />

essen! » Er überhörte den Einwurf geflissentlich<br />

und fuhr fort:<br />

« Die Freude zu haben, ihr Wachstum beobachten<br />

zu dürfen und stolz sein zu können<br />

auf den eigenen Grund und Boden, der so<br />

Wunderbares von sich gibt. Ein Gärtner, mein<br />

Herr, hat wohl zugleich den verantwortungsvollsten<br />

und erfreulichsten Beruf. Mein Leben<br />

ist mein Garten! »<br />

Wie erwartet, kommt -nun ein gelbliches<br />

Schnupftuch zum Vorschein, das an die Augen<br />

geführt wird, obwohl diese keineswegs tränen.<br />

Um jedoch den tragischen Moment im Garten<br />

des Herrn abzukürzen, erlaube ich mir einige<br />

Fragen zu stellen:<br />

« Ihr Garten ist herrlich. Daran - gibt es<br />

nichts zu tippen. Aber schliesslich und endlich<br />

sind Sie doch auch ein Mensch, der in der<br />

Zeit lebt, der mit der Zeit geht, der also <strong>Zeitung</strong>en<br />

liest — »<br />

« <strong>Zeitung</strong>en! Ich werde schon <strong>Zeitung</strong>en lesen!<br />

Während ihr in den <strong>Zeitung</strong>en herumschnüffelt,<br />

schneide ich meine Rosen! Für <strong>Zeitung</strong>en<br />

habe ich keine Zeit! »<br />

« Aber Sie werden doch einmal abends in<br />

einen Kino gehen oder Sie haben bestimmt<br />

einen Radio oder vielleicht einen Grammophon?<br />

» ,,<br />

«Was kann mir ein Kino bieten? Und<br />

Radio? Da ist mir mein Kopfsalat wichtiger,<br />

und allein die Ueberlegung, wohin ich nächstes<br />

Jahr die grünen Erbsen pflanze, gibt mir manchen<br />

Abend zu tun. »<br />

« Na ja, da werden Sie somit wohl abends<br />

bei einem Glas Wein mit Ihrer Frau alles<br />

mögliche über Ihren schönen Garten besprechen.<br />

»<br />

«Wein? Habe ich etwa Wein in meinem<br />

Garten gepflanzt? Ich pflanze keinen und<br />

mache mir auch nichts daraus. Und mit Frauen<br />

lassen Sie mich gefälligst in Ruhe. Frauen<br />

bringen Unruhe in das Leben, sie füllen den<br />

Kopf mit dummen Gedanken und wenn man<br />

sie pflegen will, wie man seinen Garten pflegt,<br />

dann werden sie frech, weil man sie verwöhnt.<br />

Mein Garten aber bleibt immer freundlich und<br />

gütig spendend. »<br />

Es liegen mir noch einige Fragen auf der<br />

Zunge: Bücher — Reisen — andere Leute und<br />

Länder kennen lernen — vielleicht nur einmal<br />

in einem grossen fremden Wald spazieren gehen.<br />

Aber ich wage nicht zu fragen.<br />

« Der Mechaniker ist da, » sagt der Mann<br />

freundlich und weist auf die Strasse.<br />

Der Film dreht: Wir drücken uns die Hand.<br />

Er stapft in seinen Garten zurück, ich gehe zu<br />

meinem Auto. Der Schaden ist, wie erwartet,<br />

in wenigen Minuten behoben.<br />

Beim Vorbeifahren sehe ich den Mann in<br />

seinem Garten, gebeugt, und heute noch überlege<br />

ich mir:<br />

« Hat er damals wohl seine Rettiche gestochen?<br />

Oder sticht man nur Spargeln und Rettiche<br />

nicht? »<br />

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