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E_1938_Zeitung_Nr.022

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BERN, Freitag, 11. März <strong>1938</strong><br />

Automobil-Revue - II. Blatt, Nr. 22<br />

Der Feldherr und die kleine Gräfin<br />

Liebesbriefe Napoleon!<br />

Eine Blütenlese aus dem aufschlussreichen Werk „Napoleon I. Bnefe an Frauen",<br />

Delphi-Verlag A.-G., Ölten—Leipzig—Wien<br />

Aus der Vorrede<br />

Aue diese Briefe sind in deutscher Bearbeitung<br />

bisher unbekannt und auch den Franzosen nur in<br />

wissenschaftlichen Sammlungen oder den Gelehrten<br />

in Archiven und Privatsammlungen zugänglich.<br />

Ich habe sie hier zum erstenmal mit den<br />

Briefen an Josephine geschlossen herausgegeben,<br />

denn gerade diese, an so verschiedene Frauen<br />

gerichteten Briefe sind es, die uns den Menschen<br />

Napoleon in seiner ganzen Entwicklung, von seiner<br />

Jugend bis zu seinem Sturz von der Höhe<br />

nahebringen. Es sind Dokumente, die das Leben<br />

geschrieben, das Leben eines Mannes, das von<br />

Leidenschaften, Stürmen, politischen und seelischen,<br />

geschüttelt wird, in dem der Herrscher- und<br />

Machtgedanke schon im Knaben gärt, im Jüngling<br />

weiterschreitet und im Mann zum vollen Ausdruck<br />

kommt. Daneben aber verzehrt den Mann der Tat<br />

und des Willens die Liebe und Leidenschaft zur<br />

Frau, stehen Weichheit und Güte eines Vaters, die<br />

Besorgtheit eines im Familienglück schwelgenden<br />

Gatten, die Achtung'und Verehrung für die Mutter,<br />

brüderliche Zuneigung oder auch Bevormundung<br />

für die eigenwilligen Schwestern, und die<br />

unerschütterlichen Gefühle des Freundes, der nie<br />

im Unglück und in der Not versagt<br />

„Wie es eigentlich war"<br />

Auf einem Ball in Warschau (1807) lernte<br />

Napoleon die Frau kennen, die er wohl neben<br />

Josephine am meisten geliebt hat: Gräfin<br />

Marie Walewska. Sie ist achtzehn Jahre alt,<br />

zart, blond, mit sanften blauen Augen. Als er<br />

sie am Arme ihres siebzigjährigen Gatten, des<br />

Grafen Walewski, durch den Ballsaal schreiten<br />

sieht, hält er sie für ein junges Mädchen,<br />

vielleicht des Grafen Enkelin oder Nichte. Sie<br />

hat ein weisses duftiges Tüllkleid an und<br />

Blumen im Haar. Keinen Schmuck, keine Diamanten.<br />

Ihre Bescheidenheit fällt Napoleon<br />

besonders auf. Sein Blick hängt wie festgebannt<br />

an dieser jungen Mädchenerscheinung.<br />

Er muss wissen wer sie ist. Und so bittet er<br />

seinen Grossmarschall und Vertrauten, den<br />

General Duroc, sich über sie zu erkundigen.<br />

Als Napoleon erfährt, dass dieses Kind mit<br />

dem alten Herrn verheiratet ist, wird er nachdenklich.<br />

Dann bittet er den Fürsten Poniatowski,<br />

die junge Gräfin zu ihm zu führen und<br />

sie ihm vorzustellen. Marie Walewska ist so<br />

schüchtern, dass sie kaum wagt, zu dem Kaiser<br />

aufzublicken, als er sie um einen Tanz bittet,<br />

und auf seine Fragen über ihre Familie und<br />

ihre Ehe vermag sie kaum zu antworten. Aber<br />

als Napoleon sie während des Tanzes fragt,<br />

ob er ihr irgendeinen Wunsch erfüllen könne,<br />

erwacht plötzlich die Patriotin in Marie Walewska.<br />

Sie denkt an die Freiheit Polens. Der<br />

Kaiser ist mächtig. Er vermag Polen zu einem<br />

freien Königreich zu erheben. Und so sagt sie<br />

ihm das. Napoleon lächelt, doch er bindet sich<br />

durch kein Versprechen. Er lässt sie nur hoffen.<br />

Als er sie nach dem Kontertanz zu den<br />

Ihrigen zurückführt, denkt Napoleon nur daran,<br />

das« Marie Walewska ihm ausserordentlich<br />

gut gefällt. Aber an diesem Abend tanzt er nicht<br />

wieder mit ihr. Als er den Ballsaal, seiner<br />

Gewohnheit nach, früher verlässt als alle andern,<br />

verabschiedet er sich noch einmal von<br />

der jungen Gräfin und sagt: «Seit ich in Warschau<br />

bin, Madame, weiss ich, dass ich etwas<br />

für Polen tun muss. Und Sie haben mich darin<br />

bestärkt. Ich werde Sie morgen wiedersehen.»<br />

Warschau, im Januar 1807.<br />

Gräfin,<br />

ich habe nur Sie gesehen, nur Sie bewundert,<br />

nur Sie begehrt. Geben Sie mir rasch<br />

eine Antwort, die das Feuer zu löschen vermag,<br />

das mich verzehrt. N.<br />

Dieser seltsame Liebesbrief des Kaisers<br />

steckte an einem wundervollen Rosenstrauss<br />

und enthält gleichzeitig eine Einladung zum<br />

Diner für den Abend. Die Gräfin ist natürlich<br />

über diese unumwundene Erklärung nicht nur<br />

erstaunt, sondern entrüstet. Sie schickt Blumen<br />

und Brief sofort wieder zurück, und Duroc<br />

muss unverrichteter Sache zu seinem Gebieter<br />

zurückkehren. Aber Napoleon gibt die<br />

Hoffnung nicht auf. Die Einladung zum Diner<br />

ist offiziell. Gräfin Walewska kann sie nicht<br />

ausschlagen. Poniatowski und ihre Freunde<br />

raten ihr dringend hinzugehen, denn sie allein<br />

hat Einfluss auf den Kaiser der Franzosen.<br />

Als Patriotin ist sie das ihren Landsleuten<br />

schuldig. Und so geht Marie in der Obhut der<br />

Schwester Poniatowski zu der Tafel des Kaisers.<br />

Bei Tisch sind Napoleons Blicke beständig<br />

auf Marie Walewska gerichtet. Für ihn<br />

existiert an jenem Abend nur diese junge<br />

Frau, die seinen Brief unbeantwortet gelassen<br />

hat. Die aber doch gekommen ist, unj eine<br />

Fürbitte für die Polen anzubringen. Doch es<br />

kommt zu keiner Unterhaltung zwischen ihnen.<br />

Nur seine Augen sprechen. Sie versteht die<br />

Blicke nicht zu deuten. Er aber denkt, sie ist<br />

nur schüchtern. Er kann sich nicht vorstellen,<br />

dass sie seine Gefühle nicht sofort erwidert.<br />

Ihm, dem Kaiser, hat sich noch keine Frau<br />

verweigert. Sie war doch so begeistert, als<br />

er das erstemal mit ihr gesprochen hatte! Am<br />

Tage nach diesem Diner schreibt er daher<br />

nochmals. Diesmal fleht er fast wie ein wirklich<br />

Liebender. Er weiss, er muss einen anderen<br />

Ton anschlagen, wenn er das Herz Maries<br />

gewinnen will.<br />

Palais Poniatowski, Januar 1807.<br />

Gräfin,<br />

habe ich Ihnen missfallen? Ich hatte indes<br />

das Recht, das Gegenteil zu hoffen. Sollte<br />

Ihr Gefühl für mich schwächer geworden sein?<br />

Das meinige ist nur noch stärker geworden.<br />

Sie rauben mir alle Ruhe. Ach, verschaffen<br />

Sie einem armen Herzen, das bereit ist, Sie<br />

anzubeten, ein wenig Freude, ein wenig Glück.<br />

Ist es denn so schwer, eine Antwort zu geben?<br />

Nun sind Sie mir schon zwei schuldig. N.<br />

Auch dieser zweite Brief bleibt unbeantwortet<br />

— nicht ungelesen. Erst ein dritter<br />

macht tieferen Eindruck auf die Gräfin Walewska.<br />

Es ist nicht die Sprache des Herrschers,<br />

der befiehlt, sondern es ist das sehnsüchtige<br />

Verlangen nach der geliebten Frau,<br />

ohne die er nicht mehr sein kann. Er spricht<br />

zu ihrem Herzen, und dann lässt er das Wort<br />

«Vaterland» fallen, dieses für die Polin magische<br />

Wort, das alle Schranken plötzlich<br />

niederreisst.<br />

Palais Poniatowski, Januar 1807.<br />

Gräfin,<br />

es gibt im Leben Augenblicke, in denen eine<br />

zu hohe Stellung zentnerschwer auf einem<br />

lastet. Das empfinde ich jetzt bitter. Wie kann<br />

ein liebendes Herz, das sich Ihnen zu Fassen<br />

werfen möchte, doch von höheren lähmenden<br />

Umständen in seinen heissesten Wünschen gehemmt<br />

ist, verstanden werden? O, wenn Sie<br />

wollten! — Nur Sie allein vermögen die Hindernisse<br />

aus dem Wege zu räumen, die uns<br />

noch trennen. Mein Freund Duroc soll dazu<br />

beitragen, Ihnen dieses zu erleichtern.<br />

von Gertrude Aretz<br />

^fr^-v- if!-*j«fffc<br />

O, kommen Sie, kommen Sie! Alle Ihre<br />

Wünsche sollen erfüllt werden. Ihr Vaterland<br />

wird mir noch teurer sein, wenn Sie Mitleid<br />

mit meinem armen Herzen haben. N.<br />

Die junge Gräfin ist besiegt. Sie geht zu Napoleon,<br />

zwar in Tränen schwimmend, aber sie<br />

geht. Und sie lernt den Mann kennen, vor<br />

dem ihr gebangt hat, weil man ihr sägte, er<br />

sei rücksichtslos und brutal. Sie lernt ihn kennen<br />

als zärtlich besorgten Freund Und Geliebten.<br />

Als sie ihn nach diesen Stunden verlässt,<br />

sind ihre Tränen versiegt. Und sein Brief am<br />

nächsten Morgen überzeugt sie noch vollends,<br />

dass Napoleon sie wirklich liebt. Blumen begleiten<br />

seine Liebesworte. Er schreibt:<br />

Palais Poniatowski, Januar 1807.<br />

Marie, meine süsse Marie,<br />

mein erster Gedanke gehört Dir. Mein einziger<br />

Wunsch ist, Dich wiederzusehen. Nicht<br />

wahr, Du kommst wieder? Du hast es mir<br />

versprochen. Wenn Du nicht kommst, dann<br />

(liegt der Adler zu Dir. Ich werde Dich beim<br />

Diner sehen. Der Freund (Duroc) sagt es.<br />

Nimm, ich bitte Dich flehentlich, diese Blumen<br />

an. Sie sollen die geheimen Vermittler unserer<br />

Gefühle sein, wenn uns die Menge umgibt. Den<br />

Blicken der Menschen ausgesetzt, werden wir<br />

uns doch verständigen können. Wenn ich<br />

Im Film «Gräfin Walewtka».<br />

Photo M. G. M.<br />

meine Hand auf mein Herz lege, dann weisii<br />

Du, dass es allein für Dich schlägt. Als Antwort<br />

drückst Du Deine Blumen an Dich.<br />

Ach, liebe mich, meine reizende Marie.<br />

Möchte Deine Hand niemals die Blumen verlassen.<br />

' N.<br />

Liebe Marie,<br />

ich werde nur noch kurze Zeit hier tein. Di*<br />

Ereignisse machen reissende Fortschritte.<br />

Trotz aller Arbeit aber bist Du täglich mehr<br />

in meinen Gedanken und in meinem Herzen.<br />

Lass mich heute Abend bei Dir in Deinem<br />

kleinen Boudoir speisen. Wenn ich nicht* anderes<br />

von Dir höre, komme ich. N.<br />

Eylau, im Februar 1807.<br />

Meine Hebe Marie,<br />

diese Zeilen werden lange unterwegs sein,<br />

ehe sie Dich erreichen. Wenn Deine Finger<br />

das Siegel erbrechen, wirst Du wahrscheinlich<br />

mehr über das wissen, was sich ereignet bat,<br />

als ich Dir jetzt schreiben kann. Wir haben eine<br />

grosse Schlacht geschlagen. Sie hat zwei Tage<br />

gedauert. Wir bleiben Herren des Schlacht-

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