E_1938_Zeitung_Nr.045
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,Der Wasservogel", ein Pfingstbrauch im Bayerischen Wald<br />
Der Wasservogel wird ausstaffiert. Er zieht, von Schon haben sie den Wasservogel in die kühlen<br />
Burschen begleitet, am Pfingstsamstag von Haus Fluten gestossen. Dieser uralte Volksbrauch verzu<br />
Haus, trägt lustige Lieder vor und empfängt sinnbildlicht den Sieg des Frühlings über die Däals<br />
Lohn zunächst ein paar Eier und unmittelbar<br />
monen des Winters,<br />
darauf vom Hausherrn einen Kübel Wasser über<br />
seinen vermummten Körper.<br />
Von Pfingstbräuchen in Süddeutschland.<br />
Pfingsten, das christliche Fest, hat wie alle<br />
unsere grossen Feste, eine heidnische Wurzel,<br />
die noch da und dort in den Bräuchen<br />
zu erkennen ist. In manchen Gegenden Süddeutschlands<br />
haben sich Pfingstbräuche erhalten,<br />
von denen wir den «Wasservogel» im-<br />
Bilde festhalten. Ein anderer Pfingstbrauch<br />
ist der Pfingstritt zu Kötzing in Bayern, oder<br />
die Pfingsthochzeit im bayrischen Vorwalde.<br />
In manchen Gegenden wählt man statt der<br />
Pfingstbraut einen Maikönig oder Maigrafen,<br />
der mit Blumen und frischem Laub geschmückt,<br />
durch den Ort geführt wird. Zu<br />
diesen Maikönigen gehören zweifellos auch<br />
der «Blumengraf» und viele andere blumengeschmückte<br />
Frühlingsgestalten, die bei den<br />
Maifeiern eine Rolle spielen.<br />
Sehr schön hat der Dichter Logau den uralten<br />
Frühlingsmythus von der Vermählung<br />
des Himmels mit der Erde in Worte gekleidet:<br />
«Dieser Monat ist ein Kuss,<br />
den der Himmel gibt der Erde,<br />
Dass sie — jetzo eine Braut —-<br />
künftig eine Mutter werde.»<br />
Ein anderer deutscher Pfingstbrauch, wahrscheinlich<br />
ein Ueberbleibsel jener heidnischen<br />
Feste, ist die Schmückung der Dorfbrunnen,<br />
wie dies im Thüringer Wald geschah oder<br />
noch geschieht. Die Mädchen winden tags<br />
vorher Kränze und Girlanden und machen<br />
lange Ketten aus ausgeblasenen, farbigen<br />
Eiern Und Buntpapier, während die Burschen<br />
einen Hain von Zierbäumen um den Brunnen<br />
errichten. Die Girlanden werden nun von den<br />
Bäumen zu dem Brunnen hingezogen, dieser<br />
bekränzt und dann das ganze Dorf festlich geschmückt.<br />
Lustig tanzt dann am Pfingsttag<br />
die Jugend um das munter fliessende Wasser.<br />
Auch der Hostienschutz, der in Oberdorf<br />
an der Salzach nicht weit von Salzburg ausgeübt<br />
wird, ist weiter nichts als ein ursprünglich<br />
heidnisches Flutopfer. Am Sonntag nach<br />
Fronleichnam veranstalten die Schiffer von<br />
Oberndorf einen festlichen Umzug auf ihren<br />
Kähnen. Während der Prozession werden von<br />
dem den Zug begleitenden geistlichen Hostien<br />
in die wilde Salzach geschleudert. Ebenso<br />
warf man früher in die grössten und gefährlichsten<br />
bayrischen Seen (Walchensee, Ammersee,<br />
etc.) Ringe als Opfer, um das umliegende<br />
Land vor Ueberschwemmungen zu<br />
bewahren.<br />
Viele Maibräuche stammen auch aus dem<br />
Hirtenleben. So nennen die Hütbuben im Fichtelgebirge<br />
den, der am Pfingstfest sich verschläft<br />
und zuletzt austreibt, spottend einen<br />
«Pfingstlümmel» oder «Pfingstschwanz». Und<br />
die Dorfhirten in Niederbayern pflegen am<br />
Pfingsttag der faulsten Dirne im Ort gern<br />
«eins anzuhängen». Wenn mittags das Vieh<br />
herausgelassen wird, hängen sie einer alten<br />
Kuh aus dem Stalle des Hofes, zu dem die<br />
Magd gehört, einen Spottkranz, um.<br />
Zwei<br />
Was sich bei Erschaffung der Erde<br />
begeben hat<br />
Dem Volksmunde nacherzählt von Max MM.<br />
Bevor der Herr die Erde erschaffen hatte,<br />
rief er die Tiere zusammen und fragte sie,<br />
wie er sie wohl machen sollte.<br />
^ «Mache sie recht eben und weit, dass sie<br />
nicht aufhört!» rief das Pferd und wieherte<br />
mutig.<br />
«Mache sie recht dick und weich», sagte<br />
der Maulwurf, «dass ich überall durchkomme.»<br />
«Wenn sie nicht ganz voll Wasser und flüssig<br />
ist», meinte der Fisch, «so habe ich wenig<br />
Freude daran.»<br />
«Ich will, dass sie voll hoher spitziger<br />
Berge ist!» sagte der Adler. «Ich will noch<br />
über ihnen fliegen und hinunterschauen und<br />
thronen auf ihnen.»<br />
«.Mache .sie ,nur nicht zu klein», bat die<br />
Mücke. «Recht gross lass sie sein, damit viele<br />
Mücken auf ihr Platz haben.»<br />
Der Herr hatte ihnen zugehört und da er<br />
sie alle gleich liebte, gross wie klein, erfüllte<br />
er jedem einzelnen den Wunsch; und so wie<br />
er es tat, waren sie zufrieden. Er machte die<br />
Erde eben und weit für das Pferd und dich<br />
und weich für den Maulwurf, dass er überall<br />
durchkam; machte genug Wasser auf ihr, dass<br />
die Fische Freude hatten, und machte sie auch<br />
voll spitziger Berge wie sie der Adler liebte;<br />
und gross genug, dass die Mücken Raum hatten<br />
zu spielen.<br />
Der Mensch aber sah, dass die Erde für<br />
sie alle gemacht war, er aber nicht gefragt<br />
worden war, wie er sie wünschte. Da wandte<br />
er sich mit Klagen an den Herrn und sprach:<br />
«Alle Geschöpfe hast du gefragt, wie die Erde<br />
ihnen taugen soll, nur mich nicht. Da darfst<br />
du auch nicht erwarten, dass ich mit ihr zufrieden<br />
bin, da du sie. doch gemacht hast,<br />
wie die alle sie wollen und nicht wie ich sie<br />
will!»<br />
Der Herr aber entgegnete: «Du bist auch<br />
nicht gemacht worden, um an ihr dein Genüge<br />
zu haben. Hast du wie die Tiere die Augen<br />
zur Erde gewendet ? Du sollst auf ihr zu<br />
Hause sein, aber der anderen Heimat, die du<br />
hast, gedenken. Dazu bist du da.»<br />
Und seit damals geht der Mensch aufrecht.<br />
Das ewige Elend<br />
Unter einem leichten Himmel von frühlingshafter<br />
Lauheit kamen die Bäuerinnen aus der<br />
Stadt zurück, als sich zu ihnen zwei sonderliche<br />
Pilgrime gesellten. Es waren staubige<br />
Männer mit struppigen Barten, Menschen, die<br />
des vielen Wanderns müde schienen und<br />
schweigend fürbass schritten. Die Bäuerinnen<br />
tuschelten untereinander, wer diese seltsamen<br />
Männer wohl sein könnten, denn aus der Gegend<br />
stammten sie kaum, sonst wären sie sicherlich<br />
erkannt worden, auch war ihr ganzes<br />
Benehmen von fremdländischer Art. In den<br />
Gleichnisse<br />
Automobfl-BevTio — 15<br />
Wäldern blühten blassviolette Anemonen, die<br />
im Schatten der grossen Baumstämme und<br />
vom Schneeschmelzwasser der Bäche zu frösteln<br />
schienen. Der Kuckuck sah aus wie eine<br />
dumme Taube und guckte die komischen<br />
Wanderer verdutzt an. Plötzlich hörte man<br />
ein ernstes «Ku» und drei Zeiten später ein<br />
zweiter «Ku». Nur diese zwei Töne flogen<br />
durch den Wald, aber sie waren trotz der Einförmigkeit<br />
wie die Melodie einer Schalmei.<br />
Später lag eine zarte und goldschimmernde<br />
Dämmerung über den noch braunen Aeckern,<br />
ein leichter Dunst schwellte zwischen den<br />
Aesten der Bäume, deren Wurzelsaft ins Gezweige<br />
sprang. Längst waren die Bauernfrauen<br />
in ihren Gehöften angelangt und silberne<br />
Rauchfahnen, welche über dem Dorf<br />
lagerten, kündeten die Zeit des Nachtmahles<br />
an.<br />
Da gingen die wandermatten Männer von!<br />
Haus zu Haus und fragten nach Unterkunft<br />
für die noch kühler werdende Nacht, denn<br />
Geld hätten sie keines. Aber die Einwohner<br />
des Dorfes hatten schon etliche Male mit<br />
solch herumziehenden Vaganten, welchen sie<br />
Herberge gaben, schlechte Erfahrungen gemacht,<br />
und so war es nicht verwunderlich,<br />
dass die beiden nirgends eine gastfreundliche<br />
Türe fanden. Erst ganz aussen, am Rande des<br />
Dorfes, erblickten sie ein Haus, das schon in<br />
tiefes Dunkel getaucht war. Es war eine<br />
elende Hütte und die Dörfler nannten die Bewohnerin,<br />
ein altes verhutzeltes Weiblein,<br />
«'s ewig Eländ».<br />
Allein gerade diese Frau öffnete den beiden<br />
die Pforte, teilte mit den Wandergesellen ihr<br />
spärliches Nachtmahl und bereitete den Müden<br />
hernach ein Lager auf Stroh.<br />
Am Morgen dankten die bärtigen Gäste<br />
dem «Elend» und der jüngere sprach: « Du<br />
hast wenig mit gutem Herzen gegeben, zum<br />
Dank soll dir ein Wunsch erfüllt werden.»<br />
«Gut», sagte-das Weiblein, «dann seid so<br />
gut und sorgt dafür, dass jeder, der in meinem<br />
Gärtchen vom Baume ein paar Aepfel<br />
holen will, nicht mehr heruntersteigen kann.»<br />
«Das ist ein bescheidener Wunsch, jeder,<br />
der den Baum ersteigt und die Aepfel stehlen<br />
will, den kannst du künftighin bannen.»<br />
Viele Jahrzehnte später, das «Elend» war<br />
noch runzeliger und hagerer geworden, da<br />
kam schliesslich der Tod zu der alten Frau.<br />
« Ich komme schon, meinte das ,Elend', aber<br />
ihr müsst mir zuvor noch einen Gefallen tun,<br />
und mir einen Apfel von dem Baume holen.»<br />
Weil der Tod damals noch jedem Sterbenden<br />
einen letzten Wunsch erfüllte, so stieg der<br />
Knochenmann auf den Baum. Aber trotz seines<br />
Zähnegeklappers konnte er nicht mehr<br />
heruntersteigen, und erst nach langem Bitten<br />
und Betteln und dem Versprechen, er wolle<br />
das «ewige Elend» bis zum jüngsten Tage in<br />
Ruhe lassen, erlaubte ihm die Alte den Abstieg.<br />
Und weil das « ewige Elend» damals<br />
nicht gestorben ist, so lebt es heute noch und<br />
viele Leute kennen's gut.<br />
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