E_1938_Zeitung_Nr.045
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17<br />
Das Drama des Broadway-Königs<br />
Das Opfer der verrückten Laune einer Milliardärin — vom Bergwerk<br />
in den Palast — Vom Palast ins Bergwerk und als Mörder vor Gericht<br />
(Von unserem Korrespondenten.)<br />
(NR) In Kentucky (Amerika) trug sich<br />
dieser Tage eine Tragödie zu, deren Hintergründe<br />
selbst für amerikanische Verhältnisse<br />
ungewöhnlich sind. Das Opfer der<br />
Tragödie, die durch die tollen Launen<br />
einer verwöhnten Milliardärstochter verursacht<br />
wurde, ist John Barclery, der<br />
«Broadway-König» des Jahres 1936.<br />
Das verhängnisvolle Inserat<br />
Als John Barclery, Minenarbeiter im Distrikt<br />
Kentucky, am Tage nach seinem 30. Geburtstag<br />
sein schlichtes Heim betritt, zieht er<br />
nach alter Gewohnheit die <strong>Zeitung</strong> aus der<br />
Tasche, die er sich unterwegs gekauft hat;<br />
während er die Suppe löffelt, die ihm seine<br />
Zimmerwirtin bereitet hat, überfliegt er wie<br />
üblich den über die Textseiten verstreuten Inseratenteil.<br />
Sein Blick bleibt an einer langen,<br />
auffallenden Anzeige haften, die er kopfschüttelnd<br />
liest... Er ist vieles gewöhnt in<br />
seinem Heimatland und hat die tollsten Dinge<br />
über die bizarren Launen reicher Müssiggängerinnen<br />
gehört — aber dies hier übertrifft<br />
alle seine Vorstellungen von der Art,<br />
wie Milliardärstöchter in USA Zeit und Langweile<br />
«totschlagen».<br />
Was steht in dem Inserat, das — zu seinem<br />
Unglück — John Barclerys Aufmerksamkeit<br />
weckt?<br />
Ehemann für ein Jahr!<br />
«Ich habe mich entschlossen, einen Mann<br />
zu heiraten, der aus den Schichten des arbeitenden<br />
Volkes kommt. Er muss vollkommen<br />
unbescholten sein, stets seine Pflicht zur Zufriedenheit<br />
der Vorgesetzten erfüllt haben und<br />
darf nicht über 35 Jahre zählen. Die Ehe soll<br />
ein Jahr dauern und nach dieser Zeit mit<br />
beidseitigem vorherigen Einverständnis wieder<br />
geschieden werden. Während dieses Jahres<br />
wird meinem Gatten alles geboten, was sein<br />
Herz begehrt. Er kann mit mir die herrlichsten<br />
Reisen machen, sich amüsieren, eine unbegrenzte<br />
Summe Geldes steht zu seiner Verfügung.<br />
Doch muss er sich schriftlich verpflichten,<br />
nach diesem Jahr wieder seine bisherige Arbeit<br />
aufzunehmen und dasselbe Leben zu<br />
führen wie vorher. Ersparnisse darf er sich<br />
nicht zurücklegen. Ledige Bewerber, die Interesse<br />
haben, senden ihre Photo mit genauer<br />
Lebensbeschreibung an Hangers Office, 6. Avenue,<br />
N.Y.C., wo die Einsendungen strengstens<br />
geprüft werden. Ich bin auf den Erfolg neugierig.<br />
Maud Kennyod.»<br />
4256 Angebote an die Schein-Ehefrau...<br />
«Es ist doch wohl nicht möglich», meint<br />
der junge Mann zu seiner Wirtin, « dass jemand<br />
diesen Unfug ernst nimmt. Die Frau<br />
will sich nur über unsereinen lustig machen...»<br />
Welch ein Irrtum! 4256 Amerikaner nehmen<br />
das aussergewöhnliche Angebot der Miss<br />
Kennyod, einer 23jährigen, von Reichtum und<br />
Kommende Ereignisse I<br />
(Aenderungen vorbehalten.)<br />
Äsconai Juni bis Oktober: CasaSt.Crtatoforo: Marionetten-Theater<br />
und wechselnde Gemälde-Ausstellungen.<br />
Basel: Ei« 30. Juni: Gemäldeausstellung bekannter Basler Künstler<br />
(Cafe Mercantil).<br />
8. Juni: Galavorstellung des Balletts des Zürcher Stadttheaters<br />
(Kursaal).<br />
Bern: 4. Juni: Aufführung von «Huttens letzte Tage» für Chox und<br />
Orchester von Aeschbacher (Casino).<br />
B./8. Juni: Golfwettspiel.<br />
Dornach: 4. Juni: Eurythmie im Goetheanum.<br />
Einsiedeln: B./6. Juni: Pfingstfest: Fontifikalamt und Pontifikalvesper.<br />
EngelbergI 8. Juni: Eröffnung des heizbaren alpinen Schwimmbades.<br />
Fiauenfelds 6. Juni: Pferdesport: Pfingstrennen.<br />
Genf: Juni bis 10. September: Internat. Ausstellung: «Geneve,<br />
Cite des Parca».<br />
8. Juni: Golfwettspiel, Coupe Naef.<br />
Lausanne: 5. Juni: «Club des Sports»: Schweiz. Wettkampfe.<br />
IiOcarBOi 4., 6. und 6. Juni: Im Rahmen der Kant. Ausstellung und<br />
Messe für Kunstgewerbe: Feuerwerk auf dem See,<br />
Festunvug des Kunstgewerbes. Tessiner Volksfest<br />
und Ende der Ausstellung und Messe.<br />
Luzern l 4.-6. Juni: Internat. Variete-Festspiele (Kursaal).<br />
Montreux: 8. Juni: Schönheitskonkurrenz für Automobile.<br />
Rapperswil: 8. Juni: Pfingstregatte des Jachtklubs Rapperswfl.<br />
Saas-Fee: 6. Juni: Slalomrennen (Ski).<br />
6.-12. Juni: Hochalpine Skikurse.<br />
Sclnds-Tarasp: S./8. Juni: Lischana-Sommerskirennen.<br />
Vevey: B. Juni: Internat. Segel- und Motorbootregatta.<br />
Wengem Anfangs Juni: Eröffnung des Schwimm- und Sonnenbades.<br />
Zürich: 4. Juni: Offene Eegel-Distanzfahrt Zürich-Rapperswü.<br />
Die Zürcher Juni-Festspiele <strong>1938</strong>.<br />
DaB Stadttheater Zürich hat nun das endgültige<br />
Programm der vom 28. Mai bis 19. Juni dauernden<br />
Opern-Festspiele, das vom bisher bekannten Programm<br />
nicht wesentlich abweicht, aufgestellt und<br />
das Engagement zahlreicher bedeutender Künstler<br />
vollzogen, die diesen Festspielwochen internationalen<br />
Rang sichern werden. Als Eröffnungsvorstellung<br />
findet am Samstag, den 28. Mai, die von der<br />
musikalischen Welt mit Spannung erwartete Uraufführung<br />
der Oper «Mathis der Maler», von Paul<br />
Hindemith, statt, die am 6., 11. und IS. Juni wiederholt<br />
wird.<br />
unbeschreiblichem Luxus masslos verwöhnten<br />
Schönheit der oberen Hundert New Yorks,<br />
ernst. 4256 Männer aus allen Gebieten der<br />
Staaten, junge von 20 und 30 und alte von<br />
60 und 70 Jahren legen — trotz der viele<br />
Bewerber von vornherein Bedingungen — der<br />
Schein-Ehefrau für 365 Tage nicht ihr Herz,<br />
aber ihr Heiratsgesuch zu Füssen. Fabrikbesitzer,<br />
Bürodirektoren, hohe Beamte, kleine<br />
Kontorschreiber, Keksverkäufer, Strassenkehrer,<br />
Bergarbeiter unternehmen einen schriftlichen<br />
Wettlauf um die Zufallsgunst der jungen<br />
Broadway-Königin... alle, alle werden<br />
abgewiesen:<br />
Das Glücks- oder Unglückslos zieht der<br />
ahnungslose Minenarbeiter aus Kentucky, der<br />
sich mit Maud Kennyod einen Spass erlauben<br />
wollte und ihr noch am gleichen Abend, an<br />
dem er das Inserat entdeckte, einen Brief<br />
schrieb. Lachend gab er ihn der Wirtin zu<br />
lesen, lachend schloss er mit ihr eine Wette<br />
ab, dass er niemals eine Antwort erhalten<br />
würde. «Es ist ein übler Scherz, eigentlich<br />
schade um das Porto, aber das Mädel soll<br />
sehen, dass ich Sinn für Humor habe.» — Und<br />
nun brechen die Mitglieder der Jury, in deren<br />
Anwesenheit der «Ehemann-Wahlakt» vor sich<br />
ging, in seine Wohnung ein, nun fallen die<br />
Reporter über ihn her, nun kennt ganz Amerika<br />
den Namen John Barclery — berühmt<br />
geworden im November 1935.<br />
„Das war doch nur ein Spass!"<br />
Der junge Arbeiter steht den Ereignissen<br />
bestürzt und verwirrt gegenüber. Am liebsten<br />
möchte er Jury, Reporter, Photographen,<br />
Rundfunkberichterstatter zum Teufel jagen —<br />
da hat er ja was Schönes angerichtet! «Das<br />
war doch nur ein Spass», erklärt er den Leuten,<br />
«ich habe niemals im Ernst daran gedacht,<br />
die Dame zu vheiraten! Ich bin mit meinem<br />
Los sehr zufrieden, bitte, lassen Sie mich in<br />
Ruhe!»<br />
Die anderen lachen. Naiver Junge, dieser<br />
John Barcleryl Wen Maud Kennyod einmal<br />
festhält, den lässt sie nicht mehr los. Ein<br />
Jahr vergehe schnell, reden die Abgesandten<br />
der Milliardärin ihm schmunzelnd zu, und<br />
schliesslich lohne es sich, zwölf Monate den<br />
Ehemann einer der reichsten Töchter des Landes<br />
der unbegrenzten Möglichkeiten zu spielen.<br />
Da gibt John Barclery nach und lässt<br />
alles mit sich geschehen, was seine zukünftige<br />
«Gattin» ihm vorschreibt. Er nimmt Unterricht,<br />
um sich den «Oberen Zehntausend» in<br />
Sprechweise und Umgangsformen anzupassen,<br />
kurz: er lernt den ganzen amerikanischen<br />
Knigge.<br />
Nach sechs Monaten, im Mai 1936, wird<br />
John Barclery mit der Milliardärin Maud<br />
Kennyod getraut, im Juni treten die jungen<br />
«Eheleute» die Reise um die Welt an: Riviera,<br />
Monte Carlo, St. Moritz, Paris, Indien...<br />
Tage, erfüllt vom Rausch der Glückseligkeit,<br />
Lachen und Freude ohne Ende. Unerhörte Erlebnisse<br />
und Erinnerungen, die den jungen<br />
Mann nicht mehr loslassen, als er — nach<br />
Ablauf des unnatürlichen Ehevertrages, nach<br />
erfolgter Scheidung — in sein Bergwerk zurückkehrt.<br />
John Barclery ekelt sich vor der Fahrt in<br />
die Grube — die Fahrt durch Venedigs Wasserstrassen,<br />
über die blaue Adria, ach, all das<br />
Unvergessliche der letzten Monate ersteht vor<br />
seinem Auge. — Er setzt sich auf die Bahn,<br />
fährt nach New York, dringt in den Palast<br />
der Broadway-Königin ein. Maud will ihn hinauswerfen<br />
lassen: da greift der Rasende zum<br />
Revolver und schiesst die Frau nieder. Die<br />
Geschworenen sprechen ihn frei — «es war<br />
frivol, diesen Mann in den Luxus einer ihm<br />
unerreichbaren Welt der Millionen zu verstricken<br />
...», begründen sie ihr Urteil. — 16<br />
Monate hat John Barclery, der entthronte<br />
Broadway-König, sein Dasein als Landstreicher<br />
gefristet — jetzt hat man ihn in der<br />
Nähe von Kentucky aus dem Fluss gezogen.<br />
Eine Verleihansialt für Hunde.<br />
In London hat der frühere Besitzer einer bekannten<br />
zoologischen Handlung, der sein Geschäft hatte<br />
schliessen müssen, «eine Verleihanstalt für Hunde<br />
aufgemacht. Wenn eine Dame für einen Spaziergang<br />
einen besonders schicken Modehund benötigt,<br />
wird er ihr gegen Kaution und Leihgebühr für eine<br />
festgesetzte Zeit zur Verfügung gestellt; gleiches<br />
gilt von Männern, die beispielsweise für eine oder<br />
mehrere Nächte einen Wachhund haben möchten.<br />
Das ganze Geschäft scheint auf den ersten Blick<br />
nicht sehr tierfreundlich; der Besitzer versichert<br />
aber, dass jeder Kunde früher pder später den<br />
Hund, mit dem er leihweise zufrieden gewesen ist,<br />
auch endgültig erwirbt.<br />
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