E_1938_Zeitung_Nr.051
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um eine Expertise über meine aflsotrc normal arleitenden<br />
Bremsen vornehmen zu lassen tind mir<br />
damit einen Gegenbeweis- und Verteidigungsmittel<br />
zu sichern. Bei einer Anzeige einen oder zwei Tage<br />
nach dem Vorfall wäre mir diese noch möglich gewesen;<br />
eine Bussenverfiigung nach 24 Tagen stellt Auf die Märzsession der eidg. Räte hatte<br />
mich vor ein fait accompli.<br />
der Schaffhauser Ständeherr und Litrapräsident<br />
ein Postulat eingereicht, das, als ge-<br />
Für meinen «Fall» wie auch für andere, die<br />
regelmässig und periodisch aus dem Kanton Bern tarnter Rückzieher gegenüber der Gütertransportinitiative<br />
gedacht, dem Bundesrat<br />
gemeldet werden, gibt es offenbar nur zwei plausible<br />
Erklärungen: entweder müssen die Automobilisten<br />
auf diese »einnehmönde Art» gewisse Gemeindekassen<br />
speisen helfen oder dann handelt es « so rasch als möglich darüber zu berichten,<br />
nahelegte,<br />
sich um eine allerdings schwer verständliche Animosität<br />
gegenüber den Motorfahrzeugbesitzern. Der sätze und berechtigter Interessen der Eisen-<br />
wie unter Wahrung volkswirtschaftlicher Grund-<br />
Kanton Bern lebt zu einem nicht geringen Teil aus bahnen die ungenügende Zahl der im Lande<br />
dem Tourismus und seine vielen Hotels sind gegen-<br />
vorhandenen militärtauglichen Motorlastwagen<br />
wärtig stark auf die schweizerische Kundschaft<br />
angewiesen. Wo bleibt aber da die Logik, wenn<br />
weite Bevölkerungskreise sich mühen, den Gästen<br />
ihren Aufenthalt so angenehm als möglich zu gestalten,<br />
"währenddem die Behörden, repräsentiert<br />
durch junge, unerfahrene, technisch nicht beschlagene<br />
Polizisten, die von Umgangsformen herzlich<br />
wenig zu wissen scheinen, diese Anstrengungen<br />
unterminieren mit dem Erfolg, dass sich die Kundschaft,<br />
angewidert ob solcher Ungerechtigkeiten,<br />
nach andern Gegenden abwendet? Denn eine Ungerechtigkeit<br />
ist es, einer Kleinigkeit wegen derart<br />
übersetzte Bussen auszufällen. Die Schönheit einer<br />
Gegend schafft's nicht allein, den Gast zum Bleiben<br />
zu veranlassen. Besondern in Genf wird die<br />
Versuchung, über die Grenze «auszuwandern»,<br />
durch zahlreiche Gründe und Ueberlegungen genährt<br />
_ Vor drei Wochen wurde ich in Bourg (Frankreich)<br />
Zeuge folgenden Vorkommnisses: ein Engländer<br />
unterliess es, Signal zu geben. Mit einem<br />
Lächeln wandte sich der Polizist an ihn und...<br />
gab ihm die Adresse einer Firma für elektrische<br />
Ausrüstungen an. Das ist eine Parallele, die zu Vergleichen<br />
herausfordert<br />
Ich begrüsse Sie etc.<br />
M. Wt.<br />
In diesem Zusammenhang gewinnt die Mitteilung<br />
des ACS besonders aktuelle Bedeutung,<br />
er habe soeben die zuständigen Behörden<br />
auf die Gefahren hingewiesen, die dem<br />
Autotourismus in der Schweiz durch die<br />
neuerdings in Erscheinung tretende Bussenpraxis<br />
(Bussenfallen) droht, und die seinerzeit<br />
beinahe einen Boykott der Schweiz<br />
durch die internationalen Automobilverbände<br />
hervorrief.<br />
AWK dU»n Kanfonen<br />
Graubünden und der Ausbau<br />
der Alpenstrassen.<br />
Das Bekanntwerden des bundesrätlichen<br />
Programms für den Ausbau der Landesverteidigung<br />
und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit,<br />
in dessen Rahmen bekanntlich auch<br />
die Anlage neuer und der Ausbau bestehender<br />
Strassenverbindungen zwischen Glarus<br />
und Graubünden projektiert ist, hat einen<br />
Teil der politischen Parteien Alt Fry Rätiens<br />
auf den Plan gerufen und sie bewogen, mit<br />
Resolutionen an die Oeffentlichkeit zu treten.<br />
Wir enthalten uns für heute eines Kommentars<br />
dazu und lassen den Wortlaut dieser<br />
Entschliessungen, welche den Betrachtungen<br />
unseres Leitartikels in Nr. 48 erst recht ihr<br />
Relief verleihen, für sich sprechen :<br />
Der freisinnige Parteitag Graubündens hiess<br />
einstimmig folgende Resolution gut:<br />
«Der freisinnig-demokratische Parteitag hat mit<br />
Genugtuung von dem in der bundesrätlichen Botschaft<br />
vom 7 Juni enthaltenen Arbeitsbeschaffungsprogramm<br />
Kenntnis genommen und gibt der Hoffnung<br />
Ausdruck, dass aus den bezüglichen Kredi-<br />
Blatt im Wind.<br />
Von Joe Lederer.<br />
46. Fortsetzung.<br />
Er ging weiter durch das Schlafzimmer,<br />
ruckweise, wie eine Marionette. Er bückte<br />
sich und hob die zerfetzten Schuhe vom<br />
Fussboden auf, das Nachthemd, er hatte<br />
beide Hände voll von seidenen Lumpen.<br />
Cary, die Ehe, Europa, der Traum. Eine<br />
Handvoll Seidenlumpen.<br />
Er Hess die Fetzen auf die Bettdecke fallen.<br />
Sie ist nichts wert. Sie ist so, wie alte<br />
Frauen. Ein Abbild, eine Figur, eine Attrappe,<br />
ein wertloses Stück Nichts. Oh, komm<br />
zurück ! Komm zurück und leb wieder neben<br />
mir her, so wie du bist, nur komm zurück.<br />
Ich gebe ihr die Scheidung nicht, dachte er.<br />
Er ging die Treppe hinunter, das Haar hing<br />
ihm ins Gesicht, der Anzug war zerknittert.<br />
Er wusste nicht, wie er aussah.<br />
Im Salon stand Cheng und sagte :<br />
« Trink ein Glas Whisky. »<br />
Hubert trank. Nie geb ich ihr die Scheidung.<br />
Sie ist meine Frau. Sie wird in Europa<br />
sein, nie wieder werde ich ihr Gesicht sehen<br />
Aber sie bleibt meine Frau.<br />
« Geh ! » sagte er zu Cheng.<br />
Er blieb allein. Er fing an, an Cary Briefe<br />
zu schreiben. Er trank Whisky und zerfetzte<br />
die beschriebenen Bogen. Dann versuchte er,<br />
Telegramme aufzusetzen.<br />
Kannst du nicht verstellen, dass eine Frau<br />
SBuadestat THutge* ßecuttutaztet das Jtcstidat JCäse*<br />
einheimischen Fabrikats in ausreichendem<br />
Masse vermehrt werden könne » ...<br />
Wie erinnerlich, reichte die Zeit an der<br />
Frühiahrstagutig gerade noch zur Begründung<br />
und Entgegennahme des Postulates aus; die<br />
Beantwortung durch den Chef des Militärdepartements<br />
indessen musste verschoben<br />
werden, weil ihm damals das Postulat Feldmann,<br />
das, freilich in anderer Formulierung,<br />
den selben Endeffekt anstrebt, im Nationalrat<br />
festhielt.<br />
In der Sitzung vom letzten iMittwoch nun beschäftigte<br />
die Angelegenheit die Ständekammer<br />
neuerdings. Dabei brach, anknüpfend an das Postulat,<br />
Amstalden (Obwalden) eine Lanze für die<br />
vermehrte Verwendung des Holzgases für Lastwagen.<br />
Der Grossteil unseres Lastwagenparks sei<br />
ausländischen Ursprungs, eine Tatsache, die im<br />
Ernstfall schwerwiegende Folgen nach sich ziehen<br />
könnte. Wir müssen deshalb danach trachten, die<br />
Abhängigkeit vom Ausland auch auf diesem Gebiet<br />
zu vermindern dadurch, dass wir der Verwendung<br />
der einheimischen Holzkohle als Treibstoff gesteigerte<br />
Aufmerksamkeit schenken. Frankreich und<br />
Italien haben gewaltige Anstrengungen zur Förderung<br />
des Holzgaswagens unternommen. Das Holz<br />
käme, sofern die nötigen Voraussetzungen geschaffen<br />
würden, billiger zu stehen als das Benzin und<br />
gleichzeitig würde damit der Landwirtschaft ein<br />
Dienst erwiesen. Als Mittel zur Erreichung dieses<br />
Ziels erwähnte der Redner eine Erhöhung des<br />
zulässigen Gewichts für Holzgas wagen, Steuererleichterungen<br />
durch die Kantone, Bevorzugung<br />
des Holzgaswagens durch die kantonalen Amtsstellen,<br />
Vergebung öffentlicher Transportaufträge an<br />
Unternehmungen mit Holzgaswagen und Prüfung<br />
der Frage, ob nicht gewisse Zollrückvergütungen,<br />
welche die Entwicklung dieses Fahrzeugtyps hemmen,<br />
aufzuheben seien.<br />
(Um diesen parlamentarischen Vorstoss sru unterstreichen,<br />
führten die schweizerischen forstwirtschaftlichen<br />
Stellen gleichzeitig auf dem Bundesplatz<br />
eine Anzahl Hobsgaswagen vor. worüber der<br />
Leser an anderer Stelle dieser Nummer einen eingehenderen<br />
Bericht findet.)<br />
Bundesrat Minger, der das Postulat Käser entgegennahm,<br />
stellte seiner Antwort den Satz voran,<br />
dass sich ein Zuwarten auf eine verfassungsmässige<br />
Lösung des Transportproblems angesichts des<br />
Mangels an militärtauglichen Wagen nicht verantworten<br />
Hesse. Der Bundesrat werde deshalb bald<br />
eine entsprechende Vorlage fertigstellen. Als Mittel<br />
käme beispielsweise die Beizeichnung einer Anzahl'<br />
inländischer Typen in Betracht, welche die Voraussetzungen<br />
der Armeetauglichkeit erfüllen. Für militärtaugliche<br />
Wagen könnte im ersten Jahr die<br />
Steuer ganz oder teilweise erlassen werden, wobei<br />
ten namhafte Mittel für den ausreichenden Ausbau<br />
der bündnerischen Alpenstrassen, namentlich<br />
auch der schon längst als- dringend erachteten<br />
Bernhardin—N'ordsüd-Verbindung, zur Verfügung<br />
gestellt werden. Beim Bau der in der Botschaft vorgesehenen<br />
iMilitärstrasse Glarus—Graubünden erwartet<br />
die Versamlmung, dass auf die wirtschaftlichen<br />
Verhältnisse und auf die verkehrspolitische<br />
Entwicklung des Kantons Graubünden gebührend<br />
Rücksicht genommen und aus diesem Grunde dem<br />
Segnes-Projekt der Vorzug gegeben werde.»<br />
Am demokratischen Parteitag in Davos<br />
beklagte sich Nationalrat Lanicca darüber,<br />
dass die von ihm vorgeschlagene Kundgebung<br />
vom Grossen Rat bachab geschickt<br />
nicht hier leben will ? Doch, ich kann es verstehen,<br />
ich will ja selbst nicht hier leben.<br />
Grauenvolle Leere, endloser Osten. Niemand<br />
will hier leben. Trostlose, regendurehrieselte<br />
chinesische Nacht.<br />
Er ging zurück und schrieb ein neues Telegramm<br />
:<br />
Werde Geschäft hier auflösen und nach<br />
Europa übersiedeln stop beschwöre dich<br />
nichts zu übereilen stop ich weiss, dass du<br />
Erdezs nicht liebst, Cary, wir werden wieder<br />
glücklich miteinander sein, wir...<br />
Er legte die Feder weg und zerriss den<br />
Bogen. Er schenkte sich Whisky ein. Er<br />
war 'betrunken.<br />
Gegen Morgen ging er noch einmal in ihr<br />
Zimmer. Er blieb auf der Bettkante sitzen,<br />
betrunken, stumm und elend.<br />
Ich werde ihr telegrafieren, dachte er, dass<br />
ich sie liebe. Sie kann immer zurückkommen.<br />
Was gehen mich ihre Liebhaber an. Ich<br />
bin nicht eifersüchtig. Ich liebe sie. Sie kann<br />
alles tun, was sie will. Ich bin der, der dich<br />
immer lieben wird. Der dich immer erwarten<br />
wird.<br />
Am nächsten Morgen, grau im Gesicht,<br />
nüchtern, zerriss er die vielen Telegramme,<br />
mit denen der Tisch bedeckt war, die hasserfüllten,<br />
die zärtlichen, die bettlerischen und<br />
die drohenden.<br />
Er fuhr in die Stadt, zum Telegrafenoffice<br />
in die Avenue Edward VII.<br />
Mit schwerfälligen Fingern malte er die<br />
Buchstaben hin. Es war aus. Es war zu<br />
Ende.<br />
Er kabelte:<br />
Einverstanden Grüsse Hubert<br />
diese Erleichterung durch eine zusätzliche Belastung<br />
der für Armeezwecke ungeeigneten Fahrzeuge<br />
auszugleichen wäre. Daneben verdiene auch die<br />
Frage einer teilweisen Rückerstattung des Benzinzolles<br />
nähere Prüfung. Weil aber das Recht zur Besteuerung<br />
der Motorfahrzeuge bei den Kantonen<br />
liege, müsste es eventuell vpn diesen* auf den Bund<br />
übertragen werden, der ihnen den Steuerausfall vergüten<br />
würde. Um eine Verfassungsänderung käme<br />
man dabei allerdings nicht herum, doch bliebe die<br />
Automobilsteuer nach wie vor Sache der Kantone.<br />
Sein Augenmerk werde der Bundesrat auch den<br />
Anregungen von Ständerat Amstalden zuwenden;<br />
die Gewährung von Vergünstigungen für Lastwagen<br />
mit Holzgasbetrieb liege nicht ausserhalb des<br />
Bereichs der Möglichkeiten.<br />
Beleuchtet es schon schlaglichtartig die etwas<br />
eigentümliche Lage, in welche sich der Schaffhauser<br />
Ständerat durch sein Postulat hineinmanöveriert<br />
und die Richtigkeit der Vermutungen, die<br />
wir beim Bekanntwerden dieses seines taktischen<br />
Schachzuges ausgesprochen, wenn Herr Käser es<br />
für notwendig erachtete, ausdrücklich zu betonen,<br />
das Postulat stehe durchaus nicht im Widerspruch<br />
zur Gütertransportinitiative (!), so traten die eigentlichen<br />
Hintergründe seiner so selbstlos sich<br />
gebärdenden Aktion klar zutage, als er, völlig vom<br />
Thema abschweifend, Gift und Galle gegen jene<br />
Offiziere spie, die es gewagt, öffentlich gegen die<br />
Litra-Initiative Stellung zu beziehen und deren<br />
glatte Unvereinbarkeit mit den Bedürfnissen unserer<br />
Wehrwirtschaft blosszulegen. Wie gewaltig ihn<br />
—- und wahrscheinlich auch seine Mitläufer im<br />
Litra-Vorstand — diese offene und sachlich einwandfrei<br />
fundierte Kritik hochgestellter Militärs<br />
in_ Harnisch gebracht, davon legt folgender Satz<br />
seiner^ von Gehässigkeit strotzenden Philippika<br />
Zeugnis ab: «Ich habe mich gefragt, ob solche Beamte<br />
und Offiziere, die sich derart gegen die Regierung<br />
vergehen, weiterhin an der Staatskrippe<br />
verbleiben können. In jedem andern Staat würde<br />
mit solchen Leuten kurzer Prozess gemacht». Aha,<br />
da liegt der Has im Pfeffer! Wir verstehen den<br />
hemmungslosen Zorn, womit der Herr Ständerat<br />
über Oberst Ruf und Oberstlt Däniker herfällt —<br />
weil sie ihm einfach unbequem sind und Dinge<br />
ausbringt, die ihm als Litra-Präsident ganz und<br />
gar nicht in den Kram passen. Dass es vor allem<br />
diese Erkenntnis war, die ihn zu seinem Scherbengericht<br />
veranlasste, das illustriert im weiteren sein<br />
Ausspruch, es werde auch bei der Durchführung<br />
des Postulats, wobei wiederum militärische und<br />
«volkswirtschaftliche» (lies Eisenbahn)-Interessen<br />
.kollidieren, zu ähnlichen «Quertreibereien» kommen.<br />
Beim Chef des Militärdepartements allerdings<br />
verfehlte die wütende Attacke ihr Ziel; gelassen<br />
fing sie Bundesrat Minger mit der Entgegnung ab,<br />
das Recht der Kritik dürfe nicht unterdrückt werden.<br />
Als pikante Einzelheit aus der Diskussion sei<br />
auf das Votum des Walli-sers Evequoz verwiesen,<br />
der betonte, dass es nicht als Zustimmung zur<br />
Gütertransport-Initiative aufzufassen sei, wenn er<br />
für das Postulat stimme. Die Initiative lehne er<br />
ab. Nachdem noch Altwegg (Thurgau) unterstrichen<br />
hatte, die Kantone könnten nicht ohne sichere<br />
^Garantien auf die Autosteuern verzichten und<br />
das Problem des Holzgaswagens bedürfe noch weiterer<br />
Abklärung nach verschiedenen Richtungen<br />
hin. fand da« Postulat Käser mit 26 gegen 0 Stimmen<br />
Annahme.<br />
worden sei, wofür die Gegner die Verantwortung<br />
zu tragen haben. Um so notwendiger<br />
sei es, dass das Volk zu dieser für<br />
Graubünden äusserst wichtigen Angelegen-<br />
4. Kapitel<br />
Eine glitzernde helle Nachmittagssonne<br />
schien, als Cary aus dem Hause trat. Es war<br />
dreiviertel fünf. Der blassblaue Aprilhimmel<br />
glänzte. Sie winkte einer Taxe.<br />
« Ostbahnhof», sagte sie dem Chauffeur.<br />
Erdezs hatte sie angerufen, dass er um<br />
fünf aus Budapest käme. Sie hatte ihn noch<br />
nicht gesehen, seit sie in Europa war.<br />
Sie sass in der Taxe, im offenen Wagen,<br />
trotz der Sonne war es kühl. Aber es war<br />
nicht mehr genug Zeit, um anzuhalten und<br />
den Wagen schliessen zu lassen. Sie spürte,<br />
wie der Wind manchmal über ihr Gesicht<br />
strich. Das Auto fuhr an einer Kirche vorbei,<br />
in zwölf Minuten war es fünf.<br />
Sie wusste nicht, ob sie sich freute, Erdezs<br />
wiederzusehen. Einmal hatte sie sich nach<br />
ihm gesehnt. Aber das war in einer andern<br />
Welt gewesen und in einem andern Leben.<br />
Und jetzt ? Hier in Europa ? Während sie an<br />
Erdezs dachte, erinnerte sich ihr Ohr plötzlich<br />
an den schrillenden, bebenden Lärm der<br />
Zikaden.<br />
Ich freue mich, dachte sie, natürlich freue<br />
ich mich, vielleicht — der Lärm der Zikaden<br />
war noch immer da — werde ich heute abend<br />
glauben, dass ich mit Erdezs glücklich werde,<br />
oder nicht mehr begreifen, was ich von<br />
ihm wollte. Es war alles ungewiss.<br />
Sie sah auf. Sie vergass die Zikaden. Die<br />
Strasse war voll von Menschen. Europäische<br />
Menschen in europäischer Kleidung. Das war<br />
die Stadt. Mit einer zufriedenen, erlösten<br />
Dankbarkeit blickte sie zu den Häusern hin,<br />
zu-diesen fremden-Passanten, an denen das<br />
heit Stellung nehme. Worauf einstimmig<br />
nachstehende Resolution angenommen wurde:<br />
«In Anbetracht der Tatsache, dass das Arbeitsbeschaffungsprogramm<br />
des Bundesrates die bündnerisehen<br />
Interessen hinsichtlich des Strassenbaues<br />
in ungenügender Weise berücksichtigt, gibt die von<br />
der Demokratischen Partei einberufene öffentliche<br />
Versammlung in Davos der bestimmten Erwartung<br />
Ausdruck, dass die Regierung in Bern alles unternehme,<br />
um im Sinne der von Dr. Man! dem Grossen<br />
Rat vorgelegten Resolution den berechtigten<br />
Begehren Graubündens zum Durchbruch zu verhelfen.<br />
Die Resolution Dr. Mani bezeichnet als Hauptaufgaben,<br />
die möglichst bald in Angriff genommen<br />
werden sollen:<br />
1. Die Erstellung einer internationalen, Sommer<br />
und Winter befahrbaren Nord-Süd-Verbindung. Sie<br />
ist eine dringende Notwendigkeit und bildet die beste<br />
Abwehr der drohenden Umfahrungi der Schweiz.<br />
Die Bernhardinroute mit einem Autotunnel auf 1600<br />
Metern Meereshöhe eignet sich weitaus am besten<br />
dazu. Sie garantiert den ganzjährigen Betrieb und<br />
versetzt uns in die Lage, den Wettbewerb mit<br />
dem Brenner erfolgreich aufzunehmen. Sie ist<br />
deshalb nicht nur eine bündnerische, sondern eine<br />
schweizerische Angelegenheit. Die Mesolcina im besonderen<br />
erwartet mit Bestimmtheit, dass die ganzjährige<br />
Verbindung mit dem übrigen Kantonstsil<br />
— ein Hauptpunkt der Rivendicazioni — nun endlich<br />
hergestellt werde.<br />
2. Der beschleunigte Ausbau der wichtigsten<br />
Durchgangsstrassen, insbesondere der Flüela-, Ofenberg-,<br />
der Bernhardin- und der Oberalproute, ferner<br />
der Unterengadinerstrasse und des Schyns.<br />
3. Eine direkte Strassenverbindung Glarus-<br />
Graubünden. Ihr Trasse ist so zu wählen, dass sie<br />
den militärischen Erfordernissen genügt und gleichzeitig<br />
die lebenswichtigen verkehrspolitischen und<br />
volkswirtschaftlichen Interessen des Kantons her<br />
rücksichtigt. Es kann darum nur eine Strasse<br />
in Frage kommen, die von Elm ausgeht,<br />
möglichst weit östlich in die Oberländerstrassö<br />
einmündet und damit den Anschluss an das zentralschweizerische<br />
Verkehrsnetz herstellt.»<br />
Dem Bau der Sustenstrasse entgegen. Unter<br />
der Leitung des frühern bernischen Baudirektors<br />
Bösiger schreiten die Vorarbeiten<br />
für den Bau der Sustenstrasse methodisch<br />
fort. Bereits sind die ersten ßauausschreibungen<br />
erfolgt, die sich auf verschiedene<br />
noch im Laufe dieses Sommers in Angriff zu<br />
nehmende Sektoren beziehen. Abgesehen von<br />
den untern Abschnitten von Innertkirchen bis<br />
Hinterflühli, deren Länge ca. 2700 m beträgt,<br />
kommt von den obern Sektionen eine<br />
Strecke von ca. 7800 m in Betracht. Die Arbeiten<br />
sollen gegen Ende Juli vergeben werden.<br />
Touir<br />
«maus<br />
Keine Preiszuschläge mehr auf dem Zonen«<br />
benzin<br />
für Schweizer Automobilisten, die nach Frankreich<br />
fahren.<br />
Bisher hatte der schweizerische Automobiist,<br />
der sich via Genfer Zonen nach Frankreich<br />
begab, ungeachtet der Erleichterungen y<br />
welche unser westliche Nachbar in seinem<br />
neuen Zonenregime zugestanden, ungeachtet<br />
auch der Tatsache, dass der französische Zoll<br />
die Angaben des Fahrers bezüglich des in<br />
den Zonen gekauften Benzins nur ausnahmsweise<br />
nachprüfte, noch immer für jeden Liter,<br />
den er sich in den Zonen erstand und nach<br />
Frankreich einführte, 1.50 ffr. extra zu berappen.<br />
Dass dadurch der Tourismus eine<br />
Hemmung erfuhr, liegt auf der Hand. Den<br />
Bemühungen der in Genif ansässigen Vertretung<br />
für den französischen Reiseverkehr ist<br />
es nun geglückt, dieses Hindernis aus dem<br />
Wege zu räumen. In ein paar Tagen, vielleicht<br />
auch schon binnen weniger Stunden<br />
werden die Automobilisten, welche die Zonen<br />
queren, um eine Fahrt nach Frankreich zu<br />
unternehmen, ihr Benzin in der Zone beziehen<br />
können, ohne zu riskieren, dass man<br />
ihnen beim Eintritt auf fremdem Boden die<br />
Differenz abverlangt.<br />
Auto vorüberglitt. Ihre Hände zitterten. Die<br />
Luft roch nach Frühling.<br />
Es war spät.<br />
« Ich muss um fünf am Bahnhof sein ! »<br />
sagte sie zum Chauffeur.<br />
Der Wagen fuhr rascher.<br />
Erdezs, Frühling, Nachmittagssonne. In<br />
Shanghai war jetzt vormittag. Vorbei.<br />
« Schneller ! »<br />
Der Chauffeur gab Gas, das Auto fuhr die<br />
Strasse entlang, noch mehr Gas, die Häuser<br />
und Schaufenster glitten vorbei, ein Laden<br />
voll mit Blumen, dann mit fliehender Geschwindigkeit<br />
die Schlucht einer Seitengasse.<br />
Cary sah den Lastwagen, der hervorbog,<br />
und riesengross, hemmungslos schnell auf sie<br />
zuschoss.<br />
Das Krachen der ineinander rennenden<br />
Maschinen hörte sie nicht mehr. Die Taxe<br />
überschlug sich, sie wurde aus dem offenen<br />
Wagen herausgeschleudert und durch die<br />
Luft geworfen.<br />
Cary fiel mit dem Kopf gegen einen eisernen<br />
Laternenmast.<br />
Als sie mit einer zuckenden Bewegung die<br />
Lider öffnete, war alles finster. Sie sah<br />
nichts mehr. Sie dachte nichts mehr. Sie<br />
war schon herausgerissen aus ihrem Leben.<br />
Die letzten Fasern, die sie damit verbanden,<br />
war der Schmerz. Sie litt unerträgliche, folternde<br />
Schmerzen. Sie war nichts als ein<br />
grauenvoll leidender Körper. Es war mehr,<br />
als ein Mensch ertragen konnte. Sie wollte<br />
schreien, doch das war schon, während ihre<br />
Augen brachen.<br />
(J?ß$§ßteuno. folgt.)