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E_1938_Zeitung_Nr.086

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10 AUTOMOBIL-REVUE ÄIENSTAG, ». OKTOBER <strong>1938</strong> — Nf> 86<br />

Die erste Meisterprüfung<br />

für Karosseriespengler<br />

Meisterprüfungen für Automechaniker kennen<br />

wir in der Schweiz seit ungefähr zwei<br />

Jahren. Etwas Analoges für Karosseriespengler<br />

existierte jedoch bisher nicht. Die<br />

systematische Ausbildung in diesem Berufszweig<br />

datiert erst aus verhältnismässig junger<br />

Zeit, denn noch vor 10 Jahren waren die<br />

Karosseriespenglerlehrlinge dünn gesät. Heute<br />

äst es indessen auf diesem Gebiet einen erheblichen<br />

Schritt vorwärts gegangen und<br />

wir machen uns wohl keiner Uebertreibung<br />

schuldig, wenn wir die erste Meisterprüfung<br />

für Karosseriespengler, die während 5 Tagen<br />

der vergangenen Woche in Zürich zur<br />

Durchführung gelangte, als einen Markstein<br />

in der Geschichte der Bestrebungen zur Förderung<br />

dieses Metiers bezeichnen. Noch immer<br />

leidet es<br />

Mangel an qualifizierten Arbeitern,<br />

doch steht nunmehr, nachdem die Idee der<br />

Meisterprüfung Wirklichkeit geworden, zu<br />

hoffen, es werde gelingen, diese Lücke wenn<br />

auch nicht sofort, so doch sukzessive auszufüllen.<br />

Nicht dass es dabei in erster Linie die<br />

Meinung hätte, den Boden für die Gründung<br />

neuer, selbständiger Karosseriespenglerbetriebe<br />

zu ebnen; eher schon schwingt der<br />

Wunsch mit, den bereits bestehenden Karosseriewerkstätten<br />

ein beruflich durch und<br />

durch geschultes Kader zu sichern, wobei<br />

schon eine kurze Ueberlegung lehrt, dass die<br />

Heranziehung eines Stocks von Karosseriespenglern,<br />

die ihr Handwerk von Grund auf<br />

beherrschen, nicht nur im Interesse des Karosseriegewerbes,<br />

sondern auch des Automobilisten<br />

selbst liegt. Oder kann es ihm<br />

etwa Hekuba sein, ob er seinen Wagen einem<br />

wirklichen Spezialisten oder einem « Auch-<br />

Fachmann » anvertraut ? Die Antwort darauf<br />

möge sich ein jeder selbst erteilen.<br />

Für seine Bemühungen um die berufliche<br />

Ertüchtigung gebührt deshalb dem Verband<br />

der schweizerischen Karosserieindustrie Dank,<br />

Dank aber auch dafür, dass er ohne Rücksicht<br />

auf Fragen finanzieller Natur die Abhaltung<br />

der ersten Meisterprüfung für die<br />

« Fakultät » der Karosseriespengler ermöglichte<br />

und sich davon auch nicht abbringen<br />

Hess, als feststand, dass nur mit einer geringen<br />

Zahl von Kandidaten zu rechnen sei.<br />

Nicht dass die bescheidene Beteiligung etwa<br />

Enttäuschung hervorgerufen hätte, findet sie<br />

doch ihre natürliche, ja zwingende Erklärung<br />

darin, dass die Grundlagen für die methodische<br />

Ausbildung in diesem Beruf erst<br />

vor kurzem geschaffen worden sind, dass<br />

also noch ein Weilchen wird verstreichen<br />

müssen, bis die Lehrlinge von heute so weit<br />

herangereift sein werden, um in die Meisterprüfung<br />

steigen zu können. Vieles, sehr vieles<br />

ist für die schweizerische Karosserieindustrie<br />

in der Domäne des beruflichen Bildungswesens<br />

damit gewonnen, dass der Bund<br />

sich der Sache angenommen und auf die Vorschläge<br />

des Verbandes hin die Ausbildung<br />

und Prüfung der Lehrlinge sämtlicher<br />

Karosserieberufe in allgemein verbindlichen<br />

Reglementen verankert hat. Hand in<br />

Hand damit ging die Schaffung einer Lehrlingskommission<br />

und die Aufstellung der<br />

Meisterprüfungsvorschriften für Karosserieschmiede,<br />

-wagner, -spengler und -polsterer.<br />

Dabei macht der Verband indessen nicht<br />

Halt; sein Programm für die<br />

Hebung des Qualitätsniveaus und des<br />

Leistungsstandards<br />

umfasst zudem noch Weiterbildungskurse für<br />

arbeitslose Angehörige der Karosseriebranche,<br />

welche durch das Bundesamt für Industrie,<br />

Gewerbe und Arbeit unter Mitwirkung<br />

des Karosserieverbandes durchgeführt werden.<br />

Auch die Vorbereitungen für die Meisterprüfung<br />

bleibt nicht dem Zweifel überlassen,<br />

ergeht doch geraume Zeit vor deren Abhaltung<br />

ein Aufruf an die Interessenten, der sie<br />

zu einem eintägigen Instruktionskurs einlädt,<br />

in dessen Rahmen eine allgemeine Orientierung<br />

über die Prüfungsanforderungen geboten<br />

und Aufschluss über die zweckmässige<br />

Vorbereitung der Kandidaten erteilt wird.<br />

Allerdings begegnet man dann nicht allen,<br />

die sich zu diesen Tagungen einfinden, auch<br />

in den Examenräumen selbst, weil es doch<br />

der eine oder andere etwas mit der Angst<br />

zu tun kriegt.<br />

Die lichte, weite Halle der Karosseriewerke<br />

Gebr. Tüscher & Co. an der Hardturmstrasse<br />

in Zürich ist erfüllt von beträchtlichem Geräusch.<br />

Die Karosseriespenglermeister in spe<br />

sind emsig am Werk. Es saust der Hammer,<br />

es dröhnt das Blech, dass man sein eigenes<br />

Wort kaum mehr versteht. Nur in Fortissimo<br />

glückt eine notdürftige Verständigung<br />

mit unserm liebenswürdigen Cicerone, Herrn<br />

Werner, der als Inspektor für das berufliche<br />

Bildungswesen des Kantons Zürich und obendrein<br />

als geistiger Vater der Lehrlings- und<br />

Prüfungsreglemente auch die Funktion des<br />

Prüfungsleiter ausübt. Auffallend die vorzügliche<br />

Organisation und die gründliche Vorbereitung<br />

der Prüfung bis ins letzte Detail durch<br />

den ersten Experten, Hrn. Adolf Tüscher. Dem<br />

Grundsatz einer korrekten Prüfung < sämtlichen<br />

Kandidaten die gleiche Aufgabe unter<br />

denselben Arbeitsbedingungen» wird hier<br />

restlos Genüge geleistet.<br />

Unter den Augen der beiden für den praktischen<br />

Teil amtenden Experten, gewiegten<br />

Praktikern und Meistern des Berufs der<br />

Karosseriespenglerei geht<br />

das wichtigste der Meisterstücke, ein elegant<br />

geschwungener vorderer Kotflügel<br />

der Vollendung entgegen, zur Hauptsache in<br />

Handarbeit, für kurze Augenblicke mit maschineller<br />

Hilfe. Wie so ein Kotflügel entsteht<br />

? Einfach genug hört sich's an, ist es<br />

jedoch keineswegs und verlangt solides,<br />

wirkliches Können. Man stellt die Bewerber<br />

vor den vom Karosserietechniker entworfenen<br />

Plan, der für das Laienauge als ein Gewirr<br />

von Zahlen und Linien wirkt. Und dann<br />

mag der Prüfling sehen, wie er's schafft, wie<br />

er genau nach den Maßen der Zeichnung die<br />

Schablone anfertigt und danach den Kotflügel,<br />

wie er das Blech schneidet, formt,<br />

schweisst, austreibt und das Erzeugnis seiner<br />

Hände nach allen Regeln der Kunst an<br />

den Wagen passt. Wobei man eindrücklich<br />

zu Gemüte geführt erhält, wieviel Mühe und<br />

Zeit nur ein einziger Kotflügel kostet. Man<br />

lernt ehrliche handwerkliche Arbeit zu<br />

würdigen, die richtigen Maßstäbe anzulegen<br />

und die Zusammenhänge zwischen Qualität<br />

und Preis zu verstehen.<br />

Noch über andere Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

haben sich die Aspiranten auf das<br />

Meisterdiplom — bei der Premiere zufälligerweise<br />

lauter Leute aus Karosserieunternehmungen<br />

des Kantons Bern — im praktischen<br />

Teil der Prüfung auszuweisen. Da wäre z. B.<br />

als weiteres Pensum das Zusammenschweissen<br />

und Spannen zweier Bleche, das Weichauflöten<br />

eines Rohrstutzens auf Messing,<br />

das Schweissen einer Aluminiumlegierung,<br />

die Verbindung zweier Rohre mittels einer<br />

Muffe durch Hartlöten. Das letztgenannte<br />

Prüfungsstück wird dann aufgeschnitten, um<br />

die Qualität der Lötstelle zu kontrollieren.<br />

Untadelig geordnet liegen diese kleinen<br />

Oben links: Es saust der Hammer, es<br />

dröhnt das Blech: das Treiben des<br />

wichtigsten Prüfungsstücks, eines Kotflügels.<br />

Oben rechts: Mit kritischem Blick verfolgt<br />

einer der Prüfungsexperten das<br />

Schweissen.<br />

Mitte: Herr Werner, Inspektor für das<br />

berufliche Bildungswesen, der als Prüfungsleiter<br />

amtet.<br />

Unten links: Einer der Kandidaten bei<br />

der maschinellen Bearbeitung des Kotflügels.<br />

Unten rechts: Der Kotflügel wird eingebaut.<br />

Auf den beiden weissen Flächen<br />

sind — im Bild nicht mehr sichtbar<br />

— die Pläne des Karosserietechnikers<br />

aufgespannt, nach denen der<br />

Kotflügel angefertigt wird.<br />

(Photos P. Senn.)<br />

Erzeugnisse des Examenschweisses ausgebreitet<br />

auf einem Tisch, denn selbstverständlich<br />

zählen auch sie bei der Notengebung, die<br />

nach verschiedenen Kriterien (wie Sauberkeit,<br />

Genauigkeit, Zeitaufwand usw.) entsprechend<br />

mit, doch liegt das Hauptgewicht<br />

auf der Zensur, welche der Kandidat für das<br />

Treiben, Spannen und Schweissen des Kotflügels<br />

sowie der Blechtafeln einheimst.<br />

Zwei Tage bleiben sodann der<br />

Prüfung in den theoretischen Fächern<br />

gewidmet. Mag einer bei den rein manuellen<br />

beruflichen Verrichtungen seinen Mann noch<br />

so gut stellen, zu einem « fertigen » Karosserie-Spenglermeister<br />

gehört daneben auch<br />

noch ein bestimmtes Mindestmass an Kenntnissen<br />

im Fachzeichnen, Berechnungswesen,<br />

Geschäftsverkehr und in der Rechtskunde.<br />

Und die Prüfung bietet ihm mit geschickt<br />

ausgewählten Aufgaben aus diesen Kapiteln<br />

Gelegenheit, sich mündlich wie schriftlich<br />

darüber zu legitimieren, dass er auch hier<br />

fest im Sattel sitzt, sie lässt erkennen, ob er<br />

beispielsweise imstande ist, auf eine Offerte<br />

hin eine sinngemässe Bestellung vorzunehmen,<br />

Unkosten richtig zu kalkulieren, eine<br />

einfache Buchhaltung zu führen; sie gibt<br />

Aufschluss darüber, wie es mit dem für die

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