E_1939_Zeitung_Nr.088
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II. Blatt<br />
BERN, 27. Dez. <strong>1939</strong><br />
Automobil-Revue<br />
II. Blatt<br />
BERN, 27. Dez. J939<br />
Rückschau auf die fliegerischen Ereignisse<br />
des Jahres <strong>1939</strong><br />
Als die Aviatik zu Beginn des "Weltkrieges 1914<br />
biß 1918 ihre erste Feuerprobe zu bestehen hatte<br />
und gegen Ende desselben hin ihren Kinderschuhen<br />
entwachsen war, da fingen sieh in der Nachkriegsperiode<br />
die Verkehrs- und Sportfliegerei in ungeahnter<br />
Weise friedlich nebeneinander zu entwickeln<br />
an. Zivilflugnetze wurden um die ganze<br />
Welt gespannt und die S'portflieger aller Nationen<br />
— die Luftfahrtenthusiasten in Reinkultur —<br />
gaben sich anläeplieh immer zahlreicher werdenden<br />
Flugtagungen und interessanten Konkurrenzen<br />
Rendez-voug. Der vor vier Monaten über Europa<br />
hereingebrochene Krieg hat der Weiterentwicklung<br />
dieser Domänen des Flugwesens weitgehend«<br />
Schranken auferlegt: die Bedienung der Verkehrsflugstrecken<br />
musste stark eingedämmt und der<br />
Sportflugbetrieb sozusagen ganz eingestellt werden.<br />
Dem Luftfahrzeug als einem «völkerverbindenden»<br />
Mittel, wie es bei hervorragenden fliegerischen<br />
Leistungen der vergangenen Jahre immer wieder<br />
genannt worden ist, kommt inskünftig, solange dieeer<br />
Krieg dauern wird, eine «völkervernichtende»<br />
Aufgabe zu; die Aufmerksamkeit der Flugintereseenten<br />
aller Welt gilt hinfort den militärischen Ereignissen<br />
zur Luft, was uns indessen nicht davon<br />
abhalten soll, an der Jahreswende traditionsgemäß<br />
Rückschau zu halten auf die grossen sportfliegeriechen<br />
Taten des hinter uns liegenden Jahres.<br />
Angefangen bei der<br />
GESCHWINDIGKEIT<br />
äst zu sagen, dass nach einem Unterbruch von 4K<br />
Jahren der absolute Weltschnelligkeitsrekord erstmals<br />
wieder geschlagen worden ist, und zwar gleich<br />
zweifach. Agellos Maximum, im Oktober 1934 auf<br />
einem Macchi/Ca&toldi-Waseerflugzeug mit 709,2<br />
im/St, über tfie 3-km-Strecke aufgestellt, ist von<br />
Dieterle (D), auf Heinkel-Aeroplan, am' 31. März<br />
auf 746,66 km/St, und von seinem Landsmann<br />
Wendel, auf Messerschmitt-Landflugzeug, am 28.<br />
April auf 755,11 km/St, verbessert worden. Auch<br />
dem internationalen Rekord für Landflugzeuge, von<br />
Wurster (D) über die 100-km-Distanz mit 634,370<br />
km/St, geflogen, war damit die Spitze gebrochen.<br />
Bei einem Distanzrekordflug im geschlossenen Kreis<br />
erreichten die Italiener Tondi und Dagasso über<br />
die Strecke von 10 000 km ein Mittel von 236,970<br />
km/St., womit sie die Franzosen Emont und Rossi<br />
aus dem Busch klopften, die am 15./16. August diesen<br />
Rekord im Karussell Istres - Orly - Bordeaux -<br />
letres auf 311,621 km/St, hinauftrieben. Ein Junkers-Ganzmetall-Bomber<br />
mit Seibert und Heintz (D)<br />
holte am 19. März mit 2000 kg Nutzlast über<br />
1000 km 517 km/St, heraus und auch über 200 km<br />
wurde von einem Apparat des gleichen Werks mit<br />
2000, 1000, 500 kg und ohne Nutzlast am 30.. Juli<br />
501 km/St, erreicht.<br />
Bei den ausgesprochenen<br />
SCHNELLFLÜGEN ÜBER KURZDISTANZEN<br />
halten wir folgende drei Daten der Erwähnung<br />
wert: Der Konstrukteur Seversky (USA) flitzte auf<br />
einem einsitzigen Jagdflugzeug P-35 in 35 Minuten<br />
= 472 km/St, von Paris nach Brüssel (12. L),<br />
eine englische Spitfire-Maschine verband London<br />
mit Paris in 41 Minuten = ca. 480 km/St. (16.1.)<br />
und der Amerikaner Shild soll bei einem Sturzflugversuch<br />
auf Curtiss/Hawk auf 925 km/St, gekommen<br />
sein.<br />
Aufsehen erregte auf einem<br />
DISTANZFLUG<br />
in geschlossenem Kreis der Italiener Tondi auf einem<br />
dreimotorigen Alfa-Romeo-Tiefdecker am<br />
30. Juli/1. Augußt, ab er sich über eine Strecke von<br />
12 937 km, in der Luft halten konnte und hiebei<br />
eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 226,192<br />
km/St, verzeichnete. — Bei einem Versuch, non-stop<br />
von Moskau via Finnland-Island-Grönländ nach<br />
New York zu fliegen, musste der Russe Kokkinaki<br />
auf der Miscou-In6el am Eingang zur St. Laurent-<br />
Bucht am 30 IV. notlanden. — Für den Parcours<br />
Rom-Addis Abeba (4800 km) benötigten Lualdi und<br />
Mazzotti am 6. III. auf einem Fiat-Bomber 11:25<br />
= rund 400 km/St, und der Deutsche Gabler trug<br />
den Distanzrekord für Kleinflugzeuge der 2-Liter-<br />
Klaase durch einen Raid von Friedrichishafen nach<br />
Värnäs in Schweden von 1631 auf 1915 km vor.<br />
Von den<br />
LANGSTRECKEN-REKORDFLÜGEN MIT<br />
ZWISCHENLANDUNGEN<br />
rufen wir vorab des Engländers Henshaw Parforce-<br />
Flug von London nach Kapstadt und zurück in<br />
Erinnerung. In Croydon am 5. Februar gestartet,<br />
traf er auf einer Percival Mew Gull mit 220-PS-<br />
Gipsy-Motor nach 39 Std. 25 Min. am Kap der Guten<br />
Hoffnung ein, um nach kurzem Aufenthalt daselbst<br />
erneut den Motor anzuwerfen und nach abermals<br />
39 Std. 33 Min. am 9. Februar wieder in der<br />
britischen Metropole niederzugehen. — Die Französin<br />
Elisabeth Lion durchmass am 4. VI. die Strecke<br />
Istres-Dakar (4200 km) auf einem Aiglon-Renault-<br />
«Bengali» in 21:20 = 196 km/St, als erste Frau direkt.<br />
Weniger erfolgreich war ein Angriff auf den<br />
Paris-Saigon- und den Saigon-Paris-Rekord, den<br />
ihr Landsmann Denis Ende April bzw. Ende Mai<br />
unternahm. Das erste Mal sah er eich zwischen<br />
KarachT und Kalkutta, das zweite Mal in unmittelbarer<br />
Nähe<br />
zwungen.<br />
dieser Strecke zur Notlandung ge-<br />
Im Hinblick auf die erreichte<br />
HÖHE<br />
ist es beim vorjährigen Aeroplan-Rekord des Italieners<br />
Pezzi von 17 083 m f eblieben. Dagegen gelang<br />
es einem andern Italiener, Oberstlt. Nicola di<br />
Mauro, auf einem Wasserflugzeug mit hermetisch<br />
verschlossener Pilotenkabine auf 13 554 m zu steigen,<br />
was einen neuen Höhenrekord' für Wasserflugzeuge<br />
bedeutet. Schliesslieh hat eine viermotorige<br />
Boeing-Maschine vom Typ der «Fliegenden<br />
Festung» eine Nutzlast von 14184 kg auf 2000 m<br />
hinauf geschleppt.<br />
Punkto<br />
DAUER<br />
halten wir fest, dass wieder einmal — natürlich<br />
von Amerikanern — ein Rekordversuch im Dauerflug<br />
mit Nachtanken in der Luft gestartet worden<br />
ist. Schlieper und Carrol Wieben in Kalifornien gut<br />
30 Tage — insgesamt 726 Stunden — am Steuer<br />
und schlugen den bisherigen «Rekord», dem allerdings<br />
nur offiziöse Bedeutung zukommt, da er von<br />
der FAI nicht homologiert wird, um 79 Stunden.<br />
OZEANFLÜGE.<br />
Mit den regelmässigen Flugverbindungen über<br />
die Meere — hauptsächlich über den Nord- und<br />
Südatlantik — wurden weiterhin hervorragende<br />
Erfolge gezeitigt. Vom Frühjahr bis nach Ausbruch<br />
des Krieges haben amerikanische, deutsche, englische<br />
und französische Gesellschaften fahrplanmässige<br />
Postflüge durchgeführt mit einer bemerkenswerten<br />
Genauigkeit. Einige verwegene Piloten<br />
verschiedener Länder konnten es sich nebenher<br />
nicht versagen, gelegentlich von Soloflügen über den<br />
nordatlantischen Ozean den Kopf einzurennen, wobei<br />
wir nur den jungen Amerikaner Smith und<br />
seine «Nachfolger» Loeb und Decker nennen, von<br />
denen sich der erste auf einem Sportmaschinchen<br />
mit 60-PS-Motor, die andern mit einem veralteten<br />
Ryan-Modell über die See hinauswagten und verschollen<br />
blieben.<br />
Im<br />
SEGELFLUG<br />
ging es höher und weiter als je zuvor. Glöckner<br />
(D) segelte am 18. V. mit einem Flug auf 9200 m<br />
(absolute Höhe) einen neuen Segelflug-Höbenrekord<br />
heraus und zehn Tage später machte Vergens<br />
(D) durch einen Zielstreckenraid von der Segelflugschule<br />
Rhinow nach Tiefenried bei Augsburg<br />
(530 km) von sich reden. Endlich riss der Schweizer<br />
Schachenmann den einheimischen Distanzrekord<br />
(Langenthai-Mummenhausen b./München. 220 km)<br />
und den Höhenrekord (2816 m) an sich.<br />
BESONDERE LEISTUNGEN.<br />
Am 3. II. verbesserte Bode (D) den Höhenrekord<br />
für Hubschrauber auf Focke-Wulf um mehr als<br />
1000 m auf 3570 m und vom 26. VIII. bis 20. X.<br />
flogen zwei Japaner auf Aeroplan «Nippon» um die<br />
Welt, indem sie der Strecke Tokio - Alaska - New<br />
York - Aires - Dakar - Rom , Basra - Tokio folgten<br />
und 53 000 km in 195 EffektivflugMunden zurücklegten.<br />
ALLGEMEINE VERANSTALTUNGEN.<br />
Crocco (I) gewann Anfang März den Sahara-<br />
Rundflug auf einer Caproni-Landmaschine. Die<br />
Schweizerischen Segelflugmeisterschaften vom 23.<br />
bis 29. April in Bern gingen an Walthard und im<br />
internationalen Landesausstellungs-Wettfliegen für<br />
Ballone blieb Ballon «Deutschland» mit Dr. Buschmann<br />
und Trapman vor Ballon «Helvetia» mit<br />
Dr. Dietschi und Huber siegreich. De Havilland<br />
(GB) schwang im London-Isle of Man-Air Race<br />
mit einem Apparat gleichen Namens obenaus, indem<br />
er die 410-km-Distanz mit 270,714 km/St, absolvierte<br />
und die Thompson-Trophäe vom 4. IX. in<br />
Cleveland errang sich der weltbekannte Roscoe<br />
Turner (USA). Im 20. Rhön-Wettbewerb endlich<br />
kam ee bei den Einsitzern zu einem Sieg von Kraft<br />
auf «Reiher» mit 2550 P. und bei den Doppelsitzern<br />
zu einem solchen von Künold/Schröder auf «Kranich»<br />
mit 1105 P.<br />
Auf der<br />
TOTENTAFEL<br />
trugen wir die Deutschen Pulkowsky, Kalkstein,<br />
von Moreau. und Dr. Rohrbach, die Engländerin<br />
Lady Heath, den Franzosen Jacques Breguet, den<br />
Italiener Colombo, die Russin Paulina Ossipenko<br />
und den Schweizer Walter Ackermann ein. Ehre<br />
ihrem Andenken!<br />
$•»«»••€ aara<br />
A.UX and<br />
Was wurde im italienischen Rennsport <strong>1939</strong><br />
umgesetzt ?<br />
Dass Italien einstweilen nicht daran denkt, im<br />
Automobilsport abzurüsten, dafür lieferte das kürzlich<br />
an dieser Stelle veröffentlichte Sportprogramm<br />
für 1940 den handgreiflichen Beweis. Und wenn<br />
dabei, verglichen mit <strong>1939</strong>, an der Zahl der Veranstaltungen<br />
auch kräftige Abstriche vorgenommen<br />
werden, die Preissumme bleibt mit 885.000<br />
Lire für die Sportwagenrennen auf der genau gleichen<br />
und mit ebenfalls 885.000 Lire für die Konkurrenzen<br />
der Rennwagen auf annähernd der selben<br />
Höhe wie dieses Jahr.<br />
In der Saison <strong>1939</strong> nämlich gelangten insgesamt<br />
1.431.850 Lire zur Verteilung, doch erhöht<br />
sich dieser Betrag noch um die 793.000 Lire, welche<br />
den Fahrern in Form von Spesenvergütungen<br />
ausbezahlt wurden. Die 6 Veranstaltungen der vergangenen<br />
Saison für Rennwagen waren mit insgesamt<br />
914.000 Lire dotiert und sahen, alles in allem<br />
genommen, 110 Mann am Start, woraus sich ein<br />
durchschnittlicher «Verdienst» von 8131 Lire errechnen<br />
lässt. Für die 9 Sportwagenrennen und<br />
die 33 Wagen, welche sie bestritten, standen<br />
428.700 Lire zur Verfügung, was (ohne Spesenvergütung)<br />
einem Mittel von 1345 Lire pro Wagen<br />
entspricht. Zieht man die Spesenbeiträge mit in<br />
Rechnung, dann steigt besagtes Mittel bei den<br />
Rennwagen auf 14.159 Lire und bei den Sportwagen<br />
auf 1618 Lire.<br />
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