E_1948_Zeitung_Nr.016
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Nr. 16 - MITTWOCH. 81. MÄRZ <strong>1948</strong><br />
AÜTOMOBIL-REVUE<br />
Ein halbes Dutzend Gesellschaften in den USA<br />
halten das Reklametafelmonopol für das ganze<br />
Land in ihren Händen. Ihre finanzielle und politische<br />
Macht ist für den Aussenseiter kaum fassbar.<br />
Fast jede einzelne Reklametafel, die am Rande irgendeiner<br />
Landstrasse zwischen der kanadischen<br />
und der mexikanischen Grenze steht, ist von einer<br />
dieser Gesellschaften aufgepflanzt worden. An jeder<br />
halbwegs bedeutenden Nebenstrasse wuchern<br />
die Tafeln wie Unkraut. Mit diesem haben sie die<br />
Eigenschaft gemeinsam, das6 sie ohne sichtbare<br />
Schwierigkeiten Fuss fassen und dann nie wieder<br />
ausgerottet werden können. Ware dieses Geschäft<br />
ein gewöhnlicher Erwerbezweig wie z. B. der Heringsimport<br />
oder der Vertrieb von Nähmaschinen,<br />
«o Hesse sich seine Zählebigkeit nur mit Hilfe übersinnlicher<br />
Kräfte erklären. Im Falle der Landstrassenreklame<br />
liegen die Dinge jedoch viel einfacher.<br />
Man hat es hier lediglich mit einer Verquickung<br />
von Grosskapital und Politik zu tun,<br />
Im Gegensatz zu <strong>Zeitung</strong>sinseraten haben Reklametafeln<br />
eine Reihe von unangenehmen Eigenschaften.<br />
Oft lenken 6ie den Autofahrer abj oft<br />
verschandeln sie das Landschaftsbild; oft verdecken<br />
sie Verkehrslichter, Kurven und sonstige<br />
Eigenarten der Strasse, die der Fahrer berücksichtigen<br />
muss. Ein kleineres, viel belachtes und bespötteltes<br />
Aergernis besteht darin, dass Reklameschilder<br />
ein ideales Versteck für Verkehrspolizistenbilden,<br />
die hinter ihnen auf der Lauer liegen, um<br />
dann mit dem Motorrad dem Fahrer nachzujagen,<br />
der die Höchstgeschwindigkeitegrenre überschritten<br />
hat.<br />
Könnte der Automobilist sich den Tafeln entziehen,<br />
wäre das Problem nicht so wichtig. Er<br />
U. S. A.<br />
Rasierseife in der Kurve<br />
(Von unserem New Yorker Korrespondenten)<br />
kann es aber nicht. Er ist ihnen auf Schritt und<br />
Tritt ausgesetzt. Auf einer Meile Fahrstrecke wird<br />
er von drei verschiedenen Oelgesellschaften aufgefordert,<br />
nur ihre Fabrikate zu benutzen; in der<br />
Kurve wird ihm die duftendste aller Rasiereeifen<br />
ans Herz gelegt; hinter der Kurve sieht er den<br />
Wald vor lauter Bierreklamen nicht. Dann kommen<br />
wieder drei (andere) Oelgesellschaften, dann ein<br />
Abführmittel, ein neuer, schon backfertiger Kuchenteig,<br />
und so begleiten ihn die Tafeln von einem<br />
Ende der Fahrt zum anderen. Fabrikmarken machen<br />
sich auf ihnen breit, Mädchen in Badeanzügen,<br />
soignierte Herren mit Whiskyflasche und Gedichte.<br />
Diese Gedichte verfolgen einen mit der Beharrlichkeit<br />
aufdringlicher Ang6tträume. Eine Firma,<br />
die Rasiercreme herstellt, hat sich darauf ver-<br />
.legt, fünfzeilige Gedichte in fünf strategisch placierten<br />
Fortsetzungen zu bringen. Unwillkürlich<br />
sieht der Fahrer die ganze Strecke hindurch nur<br />
auf den Strassenrand, um herauszufinden, welcher<br />
Reim wohl jetzt auf « Stoppeln » verwendet wird.<br />
Die Mehrheit der Amerikaner und wohl ausnahmslos<br />
alle Autofahrer sind den Reklametafeln<br />
herzlich abgeneigt. Zu ihnen gesellen sich Verschönerungsvereine,<br />
Naturschutzkommissionen, Unfallverhütunigsgesellschaften<br />
und zahlreiche andere<br />
Organisationen. Mit einem Wort: Die öffentliche<br />
Meinung richtet 6ich eindeutig gegen die Reklameschilder.<br />
Aber<br />
Privatpersonen, Fahrer, Verbände und öffentliche<br />
Meinung sind vollkommen hilflos gegen<br />
die Gesellschaften, welche die Strassenreklamc<br />
in ihrer Hand haben<br />
und ständig neue Reklameschilder aufstellen. In<br />
einigen Staaten unterhalten diese Gesellschaften<br />
angestellte Vertreter, die in den N Hauptstädten im<br />
engsten Einvernehmen mit politischen Gruppen arbeiten.<br />
In anderen Staaten, und zwar in allen,<br />
arbeiten diese Rechtsvertreter auch ohne offizielle<br />
Anerkennung. Sie benutzen die gewaltigen hinter<br />
ihnen stehenden Geldmittel, um einen Druck auf<br />
die Abgeordneten auszuüben. Bestechung ist natürlich<br />
ausgeschlossen; diese Blösse geben sich die<br />
Reklamegesellschäften nicht. WohT aber werden<br />
z. B. Farmergruppen mit Zehntausenden von Mitgliedern<br />
organisiert, die an ihren Vertreter im Pär- ;<br />
lament schreiben und ihm drohen, ihn nicht wiederzuwählen,<br />
wenn er nicht gegen die Anti-Stras-'<br />
senreklame-Gesetzesentwürfe Front mache. Die<br />
Farmer weisen ^darauf hin, dass sie (was auch*<br />
stimmt) van' den Reklamegesellschaften erhebliche<br />
Beträge für die Vermietung von Bodenfläche zur<br />
Aufstellung der Tafeln erhalten. Ein andermal werden<br />
die Gewerkschaften mobilisiert (oder neue Gesellschaften<br />
ad hoc geschaffen), die ihre Befürchtung<br />
ausdrücken, die Abschaffung der Reklametafeln<br />
werde zahlreiche Zimmerleute, Maler und<br />
Elektriker brotlos machen, und sie versichern] jedes<br />
Auftreten gegen die Gesellschaften werde<br />
den Abgeordneten Tausende von, Stinunen. kosten.<br />
Dann wieder legen die Gesellschaften ein patriotisches<br />
Gebaren an den Tag: Sie «teilen vorübergehend<br />
die Tafeln, z. B. für das Rote Kreuz, für<br />
Kriegsanleihe oder für-Wahlzwecke zur Verfügung.<br />
Natürlich können sie dann darauf hinweisen, dass<br />
jeder Abgeordnete, der die Tafeln entfernen will,<br />
ge-gen das Rote Kreuz oder gegen Kriegsanleihe äst.<br />
Und jedem Abgeordneten wird klar, dass ein solches<br />
Vorgehen politischem Selbstmord gleichkäme.<br />
Die Konzerne, welche die Tafeln mieten, befinden<br />
sich in der « beneidenswerten » Rolle des Zauberlehrlings,<br />
der die Geister, die er gerufen, nun<br />
nicht wieder los wird. Vor einiger Zeit versuchten<br />
General Motors und die Socony Vacuum Oil Company,<br />
die beide zu den wichtigsten Kunden der<br />
Reklamegesellschaften zählen, sich aus dem Geschäft<br />
zurückzuziehen. Der einzige Erfolg war der,<br />
dass die General Motors- und die Socony-Namen<br />
verschwanden und jene von Konkurrenzunternehmungen<br />
auftauchten.<br />
Nur in Pennsylvania und besonder« im Staate<br />
Vermont ist im Krieg zwischen öffentlicher Meinung<br />
und Reklamegesellschaften eine Verschiebung<br />
der Fronten eingetreten. In Pennsylvania haben die<br />
Frauenvereine Zehntausende von schärfen Briefen<br />
verschickt und jeden «Inserenten» mit Boykott<br />
bedroht; ein gewisser Erfolg ist hier zu verzeichnen.<br />
Und in Vermont organisierten die Farmer<br />
OESTERREICH<br />
< Heugabelbrigaden >, um den Seifenreklamen zu<br />
Leibe zu rücken. Jede neue Tafel wird sofort niedergerissen<br />
und verbrannt, und die Gesellschaften<br />
können und wollen natürlich nicht überall einen<br />
Polizisten aufstellen. Aber geschlagen geben sie<br />
sich noch keineswegs; andernfalls hätten sie ihre<br />
Bemühungen nicht derart intensiviert, dass sie im<br />
laufenden Jahre mit mehr als 100 Mill. Dollar Einnahmen<br />
von ihren Auftraggebern rechnen könnten.<br />
So bald dürfte demnach die Rasierseife nicht aus<br />
der Kurve verschwinden. E. B.<br />
«Ueberfahrbare» Verkehrszeichen<br />
Eine amerikanische Fabrik hat sich auf die<br />
Herstellung von Verkehresignalen verlegt, die die<br />
üblichen Aufschriften wie « Stop» auf biegsamen<br />
Gummipfosten tragen. Die Signale sollen in engen<br />
Strassen und an anderen Stellen angebracht werden,<br />
wo erfahrungsgemäss die Gefahr besteht, da6s<br />
sie von Automobilen angefahren werden. In diesem<br />
Fall werden sie nicht beschädigt, sondern federn<br />
zurück oder lassen den Wagen über sich hinweggleiten,<br />
um sich nachher wieder aufzurichten.<br />
In eine ähnliche Kategorie gehören die neuerdings<br />
hergestellten Hydranten, die sich ebenfalls<br />
beim Anprallen eines Autos zurückbiegen und<br />
dank ihrer Federung das Wasserrohr und die Ventile<br />
vor Beschädigung schützen. E. B.<br />
Das Zehnjahresprogramm<br />
für Österreichs Strassen<br />
(Von unserem Wiener Korrespondenten)<br />
«Gut Ding will Weile haben», möchte man den einen liegt sie vornehmlich auf organisatorischem<br />
österreichischen Nachkriegs-Strassenplänen als Titel<br />
Gebiet, insofern nämlich, als eine Erweiterung des<br />
voransetzen, doch verstummt jede Kritik, wenn<br />
man von der Großzügigkeit und den Summen hört,<br />
die aufgewendet werden sollen und müssen. Ja,<br />
Bundesstrassennetzes vorgesehen ist, das bisher<br />
nur 4400 km umfas6te, zum andern in der Wiedereinführung<br />
des neuen, österreichischen Bundesstrassengesetzes,<br />
das an Stelle der noch immer gel-<br />
schliesslich wundert man sich über den Mut und<br />
den Unternehmungsgeist ebenso wie man sich vielleicht<br />
vor einem Jahr wunderte, als man Kilometer<br />
um Kilometer auf der Mürztaler und Salzachbundesstrasse<br />
wiederhergestellt fand.<br />
Die Strassen- und Brückensektion des Bundesministeriums<br />
für Handel und Wiederaufbau hat<br />
tenden reichsdeutschen Bestimmungen. Durch Einbeziehung<br />
wichtiger Durchgangsstrecken und Verbindungsstrassen<br />
soll nunmehr das Bundesstrassennetz<br />
auf rund 7500 km erhöht werden. Eine zusätzliche<br />
Erweiterung wird es noch durch die ausbaufähigen<br />
Autobahnen erfahren, welche das Naziregime<br />
nämlich ein grosses Zehnjahresprogramm für<br />
im zum Grossteil halbfertigen Zustand hin-<br />
Oesterreichs Bundesstrassen aufgestellt, dem eigentlich<br />
eine doppelte Bedeutung zukommt. Zum<br />
terlassen hat. Von den fast 800 km Trasses 6ind<br />
lediglich 28 km in der Umgebung von. Salzburg<br />
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