E_1948_Zeitung_Nr.023
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Hr. 23<br />
HTO-MUJmi<br />
Ich mag die Luft in Hotelhallen so gern;<br />
diese kühl dämmerige Luft, in der sich die<br />
Menschen bewegen, die von den Ferien und<br />
Reisen •willkürlich zusammengeweht wurden;<br />
in der die kleinen Chasseurs mit wichtiger Miene<br />
im Lausbubengesicht herumstehen, ein Concierge<br />
mit wehenden Schössen erlaucht tut und<br />
ein Chef de reception — es gehört sich nun einmal,<br />
dass sie alle französisch heissen — die<br />
Gäste in Empfang nimmt wie Petrus die Seligen<br />
an der Himmelspforte.<br />
Da hängen <strong>Zeitung</strong>en zum Lesen. Man hält sie<br />
vors Gesicht, liest mit einem Auge, um mit<br />
dem andern sich nichts entgehen zu lassen von<br />
dem,'was da kommt und geht; um zuzuschauen,<br />
was sich da tut. Schicksale spinnen sich an, wer<br />
weiss, ob zum Guten oder zum Bösen. Eine alte<br />
Dame erzählte gestern am Tisch nebenan: sie<br />
lernte ihren Mann in diesem Hause kennen; im<br />
folgenden Jahr verlobte sie sich in dieser Halle,<br />
dort in der Ecke, nach einem Ball, der so<br />
glänzend war, wie die Bälle heutzutage nicht<br />
mehr sind. Seither kam sie alljährlich; bis vor<br />
drei Jahren mit ihrem Mann. Seither allein.<br />
Wer weiss wie oft noch... So erzählte sie,<br />
liebenswürdig und heiter, und ich hörte hinter<br />
der <strong>Zeitung</strong> zu.<br />
Wenn unsere Zeit aus begründeten und unbegründeten<br />
Anlässen mehr an Verloben und<br />
weniger an Flirten denken Hesse, würde ich<br />
glauben, dass sich drüben auf dem Sofa auch<br />
ein Schicksal anspinnt. Gestern bandelten die<br />
beiden an, ich sah es. Der Junge erhob sich,<br />
schlenkerte gebückt über die Tanzfläche des<br />
Kursaals hin zu dem Mädchen, nickte ihm zu,<br />
und dann schlenkerten sie zu zweit gebückt. Er<br />
in einer langen blauen Jacke mit fülligen<br />
Nackenhaaren hinter dem Stupsnasengesicht —<br />
es auf hohen Sohlen mit vorn aufgeschlagenen<br />
und hinten herabfallenden Haaren. Nie wurde<br />
eine Mode mehr verlacht als dieses Swinggebähren<br />
und nie wurde eine mit mehr Selbstbewusstsein<br />
getätigt, sogar jetzt noch, wo behauptet<br />
wird, der Swing liege im Sterben. —<br />
Was die beiden wohl sprechen? Er sitzt mit<br />
gerunzelter Stirne, in der einen Hand — mit<br />
kurzen Fingern und noch kürzeren Fingernägeln<br />
— die Zigarette in der langen Spitze,<br />
in der andern hält er die Hand des Mädchens.<br />
Er gefällt mir nicht, der Kleine. Sein Gesicht<br />
verheisst wenig Gutes, wenig Arbeitsfreude.<br />
Wenn in den <strong>Zeitung</strong>en zu lesen steht, er habe<br />
Geld unterschlagen oder gar Aergeres verübt,<br />
denkt daran, er gefiel mir nichtl Möglicherweise<br />
jedoch geschieht nichts, denn der Vater besitzt<br />
irgendwo im Welschland ein Warenhaus, so<br />
dass Papa für die Dummheiten des Sohnes gutstehen<br />
kann. Dem Mädchen aber gefällt er; es<br />
staunt ihn an. Seine Mutter ist Spanierin, eine<br />
stille Frau mit leidenden grossen Augen im<br />
schmalen Gesicht. Sie wurde wohl hinter<br />
Mauern aufgezogen, sittsam und gebändigt,<br />
dann einem Bewerber aus der Schweiz gegeben.<br />
Die Tochter mit dem südlichen Blut in ein<br />
freies Leben hineingeboren, tollt darin herum<br />
wie ein junges Pferd auf der Weide. Ja, die<br />
Freiheit der Fraul Sie ist nicht nur für solche<br />
mit einer spanischen Mutter schwer zu ertragen.<br />
Hinter der <strong>Zeitung</strong><br />
Von Barbara Seidel<br />
Aber auch anderes scheint manchmal schwer<br />
zu ertragen sein. Er kommt aus der Telephonkabine,<br />
der Mann mit dem vielen Geld, breitspurig<br />
auf den Stock gestützt durchmisst er die<br />
Halle, tritt fest auf den Teppich. Der Ober mit<br />
dem Gesicht eines altenglischen Diplomaten —<br />
er kann zwar ganz zugänglich sein — fällt ihm<br />
in die Augen. „Herr Ober", seine Stimme ist<br />
raumfüllend und lässt aufhorchen, „ich habe<br />
morgen drei Gäste. Abends kommt der Doktor<br />
— der Verlobte meiner altern Tochter — nicht<br />
der jüngeren, die hier ist — die, die kochen lernt<br />
in der Haushaltungsschule..." Gelobt sei die<br />
Tochter, die sich mit dem Doktor verlobte,<br />
gesegnet der Doktor, der als Zierde der Tafel<br />
seines künftigen Schwiegervaters erscheint. Einst<br />
mag er, der Schwiegervater, ein Bübchen gewesen<br />
sein, das an Hotels vorbeiging, arm und<br />
verschupft vielleicht; es träumte: einmal hier<br />
drin wohnen, einmal über Teppiche gehen. Und<br />
die Träume wurden wahr. Er wohnte drin, er<br />
trat, den einen Daumen im Hosenträger, fest<br />
auf die Teppiche, nahm sogar den Stock zu Hilfe.<br />
Er Hess sich abends den Ausläufer kommen mit<br />
einer Mappe zum Unterschreiben. Der Ausläufer<br />
musste draussen warten, so wie er selbst einmal<br />
warten musste, während der Meister wohllebte.<br />
Dann rief die Tochter — die jüngere — den<br />
Ausläufer, und der kam unsicher durch die<br />
Halle an den Tisch seines Chefs, der schrieb<br />
und gar nicht aufschaute. Seine kleine rundliche<br />
Frau im weinroten Kleid aus St. Galler<br />
Spitzen erbarmte sich des Kleinen, hiess ihn<br />
sitzen und redete freundlich mit ihm, bis der<br />
Chef aufschaute und grollend unterschrieb.<br />
Er mietete sich Droschken und fuhr über<br />
Land; er Hess Pfropfen knallen und schimpfte<br />
über das Essen und den Durchzug; er gab<br />
Trinkgelder und leistete sich, was man für Geld<br />
sich leisten'kann. Aber merkwürdigerweise: die<br />
übrigen Gäste mochten ihn nicht; seiner<br />
schüchternen Frau gelang es nicht, etwas besser<br />
zu machen. Es gibt Dinge, die sich nicht kaufen<br />
lassen — darin liegt eine Tragik, aber auch eine<br />
Gerechtigkeit.<br />
Warum schreibe ich nur von den Misslichen<br />
in der Halle ? Warum nicht von dem entzückenden<br />
jungen Mädchen mit dem frischen Gesicht,<br />
das sich reizend unterhielt mit jung und alt?<br />
Nicht von dem alten Ehepaar, das Tag für Tag<br />
einträchtig beisammen sitzt, vergnügt davon<br />
trippelt und eines dem andern zu leben scheint?<br />
Nicht von der Frau, die Patiencen legte, oder<br />
ihren Kindern schrieb? nicht von der Familie,<br />
die Grossmutter, Eltern, Sohn und Tochter eine<br />
frohe Runde bildeten? Nicht von der Dame,<br />
von der viele sprachen? — sie besitze einen be-'<br />
rühmten Namen, sei wahrhaft vornehm, geistreich<br />
und gütig, allerdings fast ohne Geld. Ein<br />
kleines Mädchen hörte mit grossen Augen zu<br />
und fragte danach bei jeder eleganten oder auffallenden<br />
Frau: „Ist das sie?" — Als es sie<br />
endlich zu Gesichte bekam, meinte es enttäuscht:<br />
„Man sieht ihr gar nichts an."<br />
Das ist es ja. Das angenehme pflegt nicht aufzufallen,<br />
es lässt sich kaum beschreiben, es<br />
liegt nur wie der Rauch der Zigaretten in der<br />
kühl dämmerigen Halle, während das Missliche<br />
wie der Duft erkalteter Zigarren aus dem<br />
Aschenbecher in die Nase steigt, gerügt und<br />
bemängelt sein will.<br />
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_ _. _ _ _ _ ^—4 T7<br />
Die ersten und dritten Buchstaben, abwärts<br />
gelesen, ergeben einen Ausspruch des Onkels.<br />
Bewertung: 5 Punkte.<br />
1. Berg der Walliseralpen. 2. Ort in der sächsischen<br />
Schweiz. 3. Kleiner See in Deutschland.<br />
Orts-Zahlenrätsel Nr. 3<br />
Liebe Nichten und Neffen!<br />
Die Lösung des Rätsels seit dem Wiedererscheinen<br />
des «Auto-Magazin» ist Euch allen<br />
restlos geglückt; das Bild ist auf den ersten Blick<br />
Letzter Einsendetermin 2. Juni<br />
erkannt worden. Der Onkel hat nach langem<br />
Winterschlaf seine Nichten und Neffen ganz<br />
gewaltig unterschätzt unfl die Aufgabe zu leicht<br />
gestellt Da er aber nun gesehen hat, was von<br />
Euch für Kost verlangt wird, sollt Ihr in der<br />
nächsten Magazin-Nummer 4 Photos finden, an<br />
denen etwas länger geknackt werden muss. Aber<br />
Ihr fährt ja alle mit offenen Augen durch unsere<br />
herrliche Heimat, und der Onkel wird nicht<br />
überrascht sein, w.enn nur gute Lösungen eintreffen.<br />
Zum ersten Bild-Rätsel ist noch folgendes zu<br />
sagen: Der Onkel hoffte, von jedem Löser 6—8<br />
richtige Atworten zu erhalten und hätte dafür<br />
12,resp. 16 Punkte wie versprochen gutgeschrieben.<br />
Je 2 Punkte für Andermatt im Vordergrund,<br />
Standort des Photographen Oberalpstrasse, Hospenthal<br />
im Hintergrund, rechts davon Furkastrasse,<br />
links Gotthardstrasse, Winterhorn, Furkareuss<br />
und Urserntal. Wollte sich der Onket<br />
streng an sein Wort halten, was er eigentlich<br />
sollte, so hätte schon die erste Lösung, die er<br />
erhielt, mit 84 Punkten bewertet werden müssen.<br />
Für einmal kann und darf er dies nicht tun,<br />
denn erstens hat er selbst gefehlt mit der ungenauen<br />
Fragestellung, und zweitens wäre es ungerecht<br />
gegenüber den anderen Nichten und Neffen,<br />
die den Onkel in obigem Sinne verstanden<br />
haben. Als gerechte Lösung werden für 8 gute<br />
Bezeichnungen 8 Punkte, bis 20 gute Bezeichnungen<br />
12 Punkte und für mehr als 20 Bezeichnungen<br />
16 Punkte gutgeschrieben.<br />
Du, liebe Nichte Nelly, bist dem Onkel sicher<br />
nicht böse, wenn er Dir für Deine 54 richtigen<br />
Bezeichnungen nur 16 Punkte gutschreiben<br />
kann, denn Du bist die letzte, die mein Handeln<br />
nicht verstehen würde. Vielen Dank, Nelly, für<br />
das «Gütterchen» aus dem sonnigen Süden. Du<br />
hast mich damit ganz gewaltig überrascht. Leider<br />
reichte das Quantum nur für das Durchsehen<br />
Deiner 54 Punkte, und mit Wehrnut betrachtete<br />
4. Inselgruppe im Adriatischen Meer. 5. Hafenstadt<br />
in Schottland. 6. Ort in Nebraska. 7. Ort<br />
in den ehem. baltischen Staaten. 8. See in Süddeutschland.<br />
9. Ort in der Schweiz. 10. Ort an<br />
den masurischen Seen. 11. Vorort von Berlin.<br />
12. Stadt auf Grönland.<br />
ich das leere Glas beim Ueberprüfen der anderen<br />
Lösungen. Die Grüsse Deines Mannes an den<br />
«technischen Onkel« habe ich übermittelt, welcher<br />
sie aufs beste erwidert. Der einstige Lt. ist<br />
übrigens wie Dein Mann «auch nur ein älterer<br />
Häuptlig» geworden. Hab' Dank für Deine<br />
Worte, lieber Neffe Alfred. Auch du gehörst<br />
unter die Leidtragenden dieses Rätsels, und statt<br />
56 kann ich auch Dir nur 16 Punkte gutschreiben.<br />
Lassen wir hier als Trost Deine eigenen<br />
Worte, «wir wollen wieder alle mit frischem<br />
Mute rätseln, zu unsrer aller Freude», gelten. —<br />
Besten Dank auch Dir, liebe Nichte Lisette, für<br />
Deinen prächtigen Schulaufsatz über das Rätselbild.<br />
Du hast Dir damit die Note 1, oder besser<br />
gesagt 16, wohlverdiente Punkte erobert. — Zum<br />
Abschluss begrüsst der Onkel alle neuen Nichten<br />
und Neffen in unserem .Rätselkreis recht<br />
herzlich und hofft, dass Freude und Ausdauer<br />
die Treue zur Rätselecke erhärten.<br />
Die Gewinner des Bild-Rätsels klassieren<br />
sich wie folgt:<br />
16 Punkte :<br />
Frau N. Bretscher, Zürich; Hans Hopf, Erlach;<br />
G. Loup, Winterthur; Paul Meyer, Arbon;<br />
Dr. Alfred Oetiker, Rüschlikon; Frau L. Rock,<br />
Basel; Alfred Schneiter, Bern; Frau M. Simmen,<br />
Chur; Frau A. Spörri, Zürich; Frau F. Wyder,<br />
Sursee.<br />
12 Punkte:<br />
Frau M. Ammann* Oftringen; Frau M. Bally,<br />
Basel; Frau T. Baur, Oberhofen; Bernhard Bürgl,<br />
Basel; Frau S. Gysin, Liestal; Kurt Hediger,<br />
Zürich; Tony Frey, Basel; Paul Grüninger,<br />
Rothrist; Frau Hürlimann, Luzern; Dr. Carl<br />
Kaufmann, Zürich; Frau D. Kriegel, Weinfelden;<br />
Frau M. Lehmann, Bern; C. Leuenberger, Bern;<br />
Frau B. Lüthy, Basel; Karl Müller, Ölten; Frau<br />
E. Ochsner, Zürich; W. Riechsteiner, Muri; F.<br />
Schütz, Münsingen; Hans Schweitzer, Basel;<br />
Frau E. Weber, Biel; Fritz Wenger, Näfels.<br />
8 Punkte:<br />
Frau E. Bebie, Küsnacht; Hansruedi Begert,<br />
Bern-Bümpliz; Walter Blum, Ascona; Frau M.<br />
Canale, Brienz; Ulrich Frey, Meilen; K. Friedrich,<br />
Winterthur; Frau I. Hartmann, Küblis; R.<br />
Hauser, Näfels; Frau H. Hediger, Thun; A. Heitzler,<br />
Basel; E. Hossmann, Sursee; Hanspeter<br />
Kornmann, Zürich; Emil Müller, Zürich; Dr. E.<br />
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