„I love your legs“ 38 / RAMBAZAMBA /
Er gibt ihnen Kosenamen wie „Schöne“, nennt sie „süß“ und schreibt auf Facebook über seine „sehnsüchtigen Blicke“ während der Proben. Vier Frauen aus dem Grazer Musical Ragtime erzählen <strong>BIBER</strong> über „sexualisierten Machtmissbrauch“ von Starregisseur Philipp Kochheim. Der Chef der dänischen Nationaloper empfindet sein Verhalten nicht als falsch: „Die Geschichte meiner Profession ist die Geschichte des Flirts“. Von Alexandra Stanić, Illustrationen: Mariella Lehner Margarete * denkt sich nichts weiter dabei, als sie die erste Nachricht von Philipp Kochheim erhält. Geburtstagswünsche auf Facebook sind nichts Ungewöhnliches. Deswegen reagiert sie auch, bedankt sich. „Das war total süß (und superprofessionell) von Dir, dass du an deinem Geburtstag zur Probe gekommen bist“, so Kochheim. Er wird ihr von nun an regelmäßig schreiben. Margarete wird antworten, eine Zeit lang mitspielen. „Ich wollte höflich bleiben, er ist immerhin mein Chef“, erklärt Margarete. „Ich hatte Angst, dass es negative Auswirkungen auf mich haben könnte, wenn ich nicht auf seine Nachrichten reagiere.“ Aber ihre Karriere ist Margarete sehr wichtig. Von klein auf ist es Margaretes größter Wunsch, auf der Bühne zu stehen. Für diesen Traum nimmt sie viel in Kauf: Seit sie vier Jahre alt ist, arbeitet sie hart dafür. Sie übt täglich mehrere Stunden, legt ein Studium ab und nimmt kleine, oft schlecht bezahlte Jobs in diesem Bereich an. Alles, um erfolgreich zu sein und um von ihrer Leidenschaft leben zu können. Margarete möchte Künstlerin sein, auf den ganz großen Bühnen stehen. Diesem Traum kommt sie ein Stückchen näher, als sie die Grazer Oper für ein Musical anfragt. Dieser Job könnte ein Meilenstein für sie sein, davon ist Margarete überzeugt. Immerhin ist es die Grazer Oper, das Stück „Ragtime“ spannend und der Regisseur ist preisgekrönt, vor allem deutschland- aber auch europaweit kein Unbekannter. „SEXUALISIERTER MACHTMISSBRAUCH“ Philipp Kochheim ist sein Name. Der 47-Jährige ist ein in Hamburg geborener Regisseur und Operndirektor. Seit 2017 ist er Intendant an der dänischen Nationaloper „Den Jyske Opera“ in Aarhus. Auf der Seite der dänischen Oper ist er als „General Manager“ und „Artistic Director“ vermerkt. Kochheim hat etliche Aufführungen in Deutschland inszeniert und drei Preise für seine Regiearbeit erhalten. Vor seinem Wechsel an die „Den Jyske Oper“ war er Direktor des Staatstheaters in Braunschweig in Deutschland. Kochheim ist Gastregisseur an der Grazer Oper. Formal und rein arbeitsrechtlich gesehen ist er nicht Margaretes Vorgesetzter. Auf künstlerischer Ebene aber schon. Er bewertet die Leistung der Künstler*innen, ist verantwortlich für alles, was auf der Bühne passiert und steht in direktem Kontakt zur Theaterleitung, die ihm übergeordnet ist. „Ich kann niemanden aus einer Produktion werfen, aber wenn ich unzufrieden mit jemandem bin, kann ich das mit der Intendantin besprechen“, so Kochheim. Angestellt ist Margarete bei der Grazer Oper. Ob sie Musicaldarstellerin, Tänzerin, Choristin oder Statistin ist, soll an dieser Stelle nicht genannt werden. Auch Margaretes Name wurde zu ihrem Schutz geändert. Nur unter dieser Bedingung ist die junge Frau bereit, offen zu sprechen. biber hat ihre und drei weitere Facebook- Unterhaltungen zwischen Kochheim und jungen, ihm untergeordneten Frauen, vorliegen. Darin gibt er den Frauen Komplimente zu ihrem Körper, nennt sie „süß“ oder „besonders“, schreibt ihnen teilweise um zwei Uhr nachts. Wirtschaftscoach und Psychotherapeutin Christine Bauer-Jelinek schätzt Kochheims Nachrichten eindeutig als „sexualisierten Machtmissbrauch“ ein. Bauer-Jelinek berät das Parlament bei der Implementierung einer Clearingstelle bei sexueller Belästigung und Machtmissbrauch. „Es ist immer dann ein Macht- / RAMBAZAMBA / 39