Der Burgbote 2011 (Jahrgang 91)
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gutes Beispiel. Hugo Wolf (1860 – 1903) ist<br />
vor allem als kongenialer musikalischer<br />
»Übersetzer« hochrangiger Lyrik in ebenso<br />
großartige Lieder bekannt. Er vertonte<br />
Werke von Goethe, Heine, Mörike, Eichendorff<br />
und vieler anderer großer Dichter. Die<br />
Komposition »Dem Vaterland« für Männerchor<br />
bildet insofern eine doppelte Ausnahme<br />
in seinem Werk, als es sich eben<br />
nicht um ein Lied für Solostimme handelt<br />
und der Textdichter, Robert Reinick (1805 –<br />
1852), heute nahezu unbekannt ist. Betrachtet<br />
man Reinickes Text, zeigt sich, dass<br />
ihn mit dem vaterländischen studentischen<br />
Liedgut nicht viel verbindet. Keine religiöse<br />
Überhöhung der Nation und kein Säbelrasseln,<br />
sondern ein liebevolles und stolzes<br />
Bekenntnis zu Heimat und Herkunft. Zwar<br />
schallt es auch hier »Heil dir, du deutsches<br />
Vaterland!«, aber den schalen Beigeschmack<br />
bekommt diese Textstelle für uns eben erst<br />
aus der Rückschau. Betrachtet man die Zeile<br />
hingegen in ihrem Kontext, enthüllt sich ihr<br />
Charakter als Segenswunsch für ein geliebtes<br />
Land. Kommt uns dieser Ruf – wie schon<br />
beim letzten Jahreskonzert – nicht so leicht<br />
über die Lippen, dann liegt die Quelle des<br />
Problems aber in uns und unserer historischen<br />
Rückschau, weniger in Reinickes Text.<br />
Anton Bruckner »Helgoland«<br />
Es wäre zu schön, könnten wir aus Wolfs<br />
Hymnus die Regel ableiten: Ist die Musik<br />
gut, dann ist es auch um Texte nicht so<br />
schlimm bestellt. Aber nein, so einfach ist es<br />
nicht, wie uns ein Blick auf Anton Bruckners<br />
Werk »Helgoland« zeigt, dem ein Gedicht<br />
von August Silberstein zu Grunde liegt. Das<br />
dieses dramatische Werk nicht trotz, sondern<br />
wohl auch wegen seines Textes einen<br />
so fulminanten Erfolg hatte, bezeugt eine<br />
Anekdote, die von der triumphalen Uraufführung<br />
des Stücks in Wien überliefert ist.<br />
Als Bruckner im tosenden Applaus des<br />
Publikums den Dichter erkannte, soll er ihm<br />
zugerufen haben: »Ja, da is’a ja, Dokta ja wie<br />
soll i´ Ihnen danken! Ohne Ihna hätt´ ich´s ja<br />
nöt machen könna.« Zu diesem Lob hätte<br />
kein Grund bestanden, wenn Bruckner von<br />
dem Text auch nur hätte annehmen können,<br />
dass er sein Wiener Publikum befremdet.<br />
Aber hierzu bestand offensichtlich kein Anlass.<br />
Tatsächlich bedient der Text ohne<br />
Rücksicht auf die Geschichte auf’s Beste<br />
deutsch-nationale Klischees: Die Römer vor<br />
Helgoland? Na klar doch, schon immer<br />
waren wir von übermächtigen Feinden umzingelt.<br />
(Ein Beispiel: »Hinaus, hinaus! Es<br />
ruft das Vaterland!« – und sei es nur bis zum<br />
KMGV Jahreskonzert <strong>2011</strong><br />
37<br />
Hugo Wolf mit<br />
seinem Werk<br />
»Dem Vaterland«<br />
und Anton Bruckners<br />
»Helgoland«<br />
werden aufgeführt.