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Muttermal (gekürzt)

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Zum Aufführungsrecht<br />

• Das Recht zur Aufführung erteilt der<br />

teaterverlag elgg, CH-3123 Belp<br />

Tel. + 41 (0)31 819 42 09<br />

www.theaterverlage.ch / information@theaterverlage.ch<br />

Montag - Freitag von 09.00 bis 11.30 Uhr & 13.30 bis 17.00 Uhr<br />

• Der Bezug der nötigen Texthefte - Anzahl Rollen plus 1 - berechtigt<br />

nicht zur Aufführung.<br />

• Es sind darüber hinaus angemessene Tantièmen zu bezahlen.<br />

• Mit dem Verlag ist vor den Aufführungen ein Aufführungsvertrag<br />

abzuschliessen, der festhält, wo, wann, wie oft und zu welchen<br />

Bedingungen dieses Stück gespielt werden darf.<br />

• Auch die Aufführung einzelner Teile aus diesem Textheft ist<br />

tantièmenpflichtig und bedarf einer Bewilligung durch den Verlag.<br />

• Bei eventuellen Gastspielen mit diesem Stück, hat die aufführende<br />

Spielgruppe die Tantième zu bezahlen.<br />

• Das Abschreiben oder Kopieren dieses Spieltextes - auch<br />

auszugsweise - ist nicht gestattet (dies gilt auch für<br />

Computerdateien).<br />

• Übertragungen in andere Mundarten oder von der Schriftsprache in<br />

die Mundart sind nur mit der Erlaubnis von Verlag und Verfasser<br />

gestattet.<br />

• Dieser Text ist nach dem Urheberrechtsgesetz vom 1. Juli 1993<br />

geschützt. Widerhandlungen gegen die urheberrechtlichen<br />

Bestimmungen sind strafbar.<br />

• Für Schulen gelten besondere Bestimmungen.<br />

"Es gibt Leute, die ein Theaterstück als etwas "Gegebenes"<br />

hinnehmen, ohne zu bedenken, dass es erst in einem Hirn erdacht,<br />

von einer Hand geschrieben werden musste.“<br />

Rudolf Joho


Beat Sterchi<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

Eine Staatsaffäre<br />

Besetzung 1 Frau, 1 Mann<br />

Bild Dachwohnung einer norddeutschen Grossstadt<br />

«Klotz: Klara, meine Klara!»<br />

In einer Dachwohnung einer norddeutschen Grossstadt (bzw.<br />

Großstadt) leben Klara, eine junge Deutsche, und Klotz, ein<br />

noch nicht alter Schweizer, in mancher Hinsicht auf engem<br />

Raum. Immer wieder – ob sie nun über die ideale Stadt New<br />

York, über Heiratspläne, Krampfadern, den Schwangerschaftstest,<br />

die Schauspielschulaufnahmeprüfung oder über<br />

Sex reden – früher oder später schnappt die Sprachfalle zu<br />

und stellt sich dem gegenseitiges Verständnis in den Weg.<br />

Das leidenschaftlich aufgekratzte <strong>Muttermal</strong> wird dabei zum<br />

blutenden Mahnmal binnengermanischer Beziehungsprobleme.<br />

Zum Glück gibt es den Zug nach Zürich und damit die<br />

Sehnsucht…<br />

«Klara: Klotz, mein Klotz!»<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

elgger schaulust 3


Klara<br />

Klotz<br />

Personen<br />

25 Jahre alt, Deutsche, blond, blaue Augen spricht<br />

reines Hochdeutsch, redet schnell, manchmal<br />

sprudelnd<br />

30 Jahre alt, Schweizer mit gut bemerkbarem, jedoch<br />

nicht penetrantem Akzent. Bemüht sich nicht,<br />

«deutsch» zu klingen<br />

Ort<br />

Dachwohnung in einer Norddeutschen Großstadt<br />

Hinweis<br />

Die Sprache wird hier ausgestellt, sie dient nur<br />

nebenbei der Entwicklung einer Handlung.<br />

«Das <strong>Muttermal</strong>» in der vorliegenden Form ist eine<br />

gegenüber dem Typoskript des Autors <strong>gekürzt</strong>e<br />

Fassung. Der un<strong>gekürzt</strong>e Text kann im «teaterverlag<br />

elgg» angefordert werden.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

- 2 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

I<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

Wochenende. Klara im Bett, Klotz kommt mit Kaffee.<br />

Dornröschen schläft. Dornröschen schläft ewig, Dornröschen<br />

döst und träumt. Und wenn Dornröschen die<br />

Augen aufschlägt, steht der Prinz da und fragt…<br />

Möchte Dornröschen einen Kaffee trinken?<br />

Und was sagt er noch?<br />

Es ist zwar Gift drin, aber nur sehr wenig.<br />

Und Dornröschen reibt sich die Augen, streicht sich die<br />

Haare aus dem Gesicht und fragt…<br />

Liebster Prinz, wann heiratest du mich?<br />

Noch an diesem Wochenende?<br />

Oder erst am nächsten?<br />

Klotz? Heiratest du mich?<br />

Du klingst so fröhlich.<br />

Ich dachte, du magst keinen deutschen Kaffee. Dornröschen<br />

schläft jetzt noch 'ne Runde, die Arme muss ja<br />

sonst immer so früh raus. Und dann gehen wir rüber in<br />

den Wassermann zum Frühstück, ja?<br />

Klara, heiratest du mich?<br />

Aber nur zwei Kinder, Klotz. Versprochen? Nur zwei<br />

Kinder. Zwei Mädchen. Oder ich steh gleich auf und<br />

mache uns ein echt schönes Frühstück. Mit Rührei und<br />

Marmelade. Mit Sahne-Joghurt und Trüffelpaté. Natürlich<br />

mit Schweizerkäse. Und mit jeder Menge frisch<br />

gepresstem Apfelsinensaft. Ich schlaf lieber doch noch<br />

'ne Runde. Und du weckst mich, ja?<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

am Fenster. Vielleicht geh ich runter in den Hafen.<br />

Wolltest du heute früh schon mit mir schlafen?<br />

Morgens will ich immer, du aber nie.<br />

- 3 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Und wenn ich will, kannst du nicht.<br />

Ich habe einen anderen Kreislauf.<br />

Die einen fühlen sich matt und schwer, die anderen<br />

fliegen zum Mond.<br />

Ich möchte nur bis in den Hafen.<br />

Vielleicht steh ich lieber doch gleich auf.<br />

Ich träumte, du würdest die Hand ausstrecken und<br />

sagen: Klotz, nimm mich! Die Antwort ist «ja».<br />

Dabei begehrst du mich nur, wenn ich mich dir entziehe.<br />

Du willst nie.<br />

Mit der Distanz wächst auch das Begehren. Mach doch<br />

mal was, das mich beeindruckt.<br />

Ein Mann muss wie ein Tiger sein, denn nur als Tiger<br />

kann er immer Sieger sein.<br />

Du sagst du liebst mich, und denkst, dadurch sei die<br />

Sache ein für allemal geritzt, ja? Geiler Schweizer<br />

Frühaufsteher. Ich glaube, ich steh auch auf.<br />

Die einen teilen aus…<br />

…die anderen stecken ein. Hatten wir doch alles schon<br />

hundertmal. Grosser Klotz wir hobeln dich.<br />

Wie oft du mich am letzten Wochenende wieder angelogen<br />

hast.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Aber heiraten? Klotz?<br />

Ja, heiraten. Ja, sich vermählen, ehelichen, freien,<br />

vereinen, trauen, sich niederlassen und häuslich<br />

machen. Seit drei Jahren halte ich Vollidiot um deine<br />

Hand an.<br />

Sich niederlassen? Wohl in Zürch?<br />

- 4 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Züüüriiich.<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

Jo? jo, und denn haben wir da in einem Hüsäli mit<br />

einem Gärteli ein schönes Betteli mit einem Kindeli<br />

und du wärst das Vattärli und ich das Mutterli und wir<br />

wären glücklich wie die sieben Zwärgeli hinter den<br />

sieben Bärgeli. And no more fucking around…<br />

Hinten in meinem Rachen spüre ich das Aufglühen des<br />

Schmerzes. Nach einem leeren Schluck, kann ich die<br />

Galle mit der Zunge kosten. In Zürich gibt es<br />

wenigstens richtigen Kaffee. Und Schauspielerin werden<br />

kann man dort auch.<br />

Ach, Klotz, Liebling, eine Frau wie ich gehört doch<br />

nicht in die brave Schweiz. Sobald ich genug Geld<br />

habe, geh ich eh zurück nach New York. Du, Liebling,<br />

du könntest ja schon mal Brötchen holen. Ich geh jetzt<br />

erst mal auf 's Klo. Ist ja echt Spitzenwetter heute.<br />

Weisst du was? Ich geh erst mal baden und du machst<br />

Frühstück, ja. Ist ja nicht viel zu machen. Aber bitte<br />

nichts, das die Mäuse angeknabbert haben. Und wenn<br />

du Brötchen holst, nicht wieder bloss Schrippen. Auch<br />

Semmeln, Mohn- und Sesambrötchen. Ist eigentlich<br />

noch Lachsschinken da? Klotz? Findest du, ich sollte<br />

mir die Haare färben? Bin ich nicht zu dick? Klotz?<br />

Liebst du mich? Heiratest du mich? Findest du meine<br />

Familie nett? Bin ich klug? Sind andere Frauen doof?<br />

Werde ich berühmt sein? Wirst du eines Tages der<br />

reichste Mann der Welt? Hab ich nicht zu dicke Beine?<br />

Klotz, hast du schon Brötchen geholt?<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

- 5 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

II<br />

Traum<br />

Ich möchte einen reichen Mann heiraten, einen Arzt<br />

oder einen aus der Industrie, jedenfalls einer, der Geld<br />

hat. Ich will nämlich schöne Kleider, zwei Kinder und<br />

viel reisen.<br />

Wie hat es angefangen?<br />

Wie fängt so was an?<br />

Zuerst wird immer die Zeitung aufgeschlagen.<br />

Das Wortmaterial wird auf das sorgfältigste vor unseren<br />

blauen Augen ausgebreitet. Und dann müssen wir<br />

uns sammeln. Und deutlich anfangen<br />

Denn was endet, bevor es begann, hat gar nicht stattgefunden.<br />

Wir müssen die Zeichen lesen.<br />

Für jede Rede einen zündenden Einstieg und einen<br />

Schluss mit Aha-Effekt.<br />

Beide hinter aufgeschlagener Zeitung<br />

Wehe du betrittst meine Welt.<br />

Begegne Dir doch endlich selbst.<br />

Liebling?<br />

Ja, mein Schatz?<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Du hast auf anderen Hochzeiten getanzt.<br />

Und du hast in einem anderen Obstgarten die schönsten<br />

Äpfel aufgehoben.<br />

Weisst du eigentlich, dass du noch immer unfähig bist,<br />

dich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen?<br />

Nie habe ich einen Menschen so geliebt wie dich.<br />

- 6 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

hinter der Zeitung. Ja?<br />

Findest du, was du suchst?<br />

Eine Partnerschaft, die mich bereichert.<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

Sind meine Wünsche unbescheiden? Bin ich nicht<br />

gross und schlank? Sind meine Beine nicht makellos?<br />

Bin ich etwa kein herrliches Abbild meiner selbst.<br />

Eine seriöse Bindung von einiger Dauer. Noch hoffen<br />

sie fest und ehrlich<br />

Er nimmt seinen Hut vor die Brust, kniet nieder.<br />

Vorzeigbar, temperamentvoll doch zärtlich, intelligent,<br />

aber nicht…<br />

…intellektuell. Offen, direkt und absolut unabhängig.<br />

Ach Wärme gebender und nehmender, Grenzen<br />

setzender und überschreitender, sinnlicher und aufregender<br />

Mann. Dich muss es doch geben.<br />

Du bildhübsche, du schlanke, du natürlich gebliebene<br />

Selbstinserentin. Es gibt ihn.<br />

Einfühlsamer, schöner Gefährte.<br />

Eine starke Persönlichkeit findet ihr Gegenstück.<br />

Liebling, küss mich!<br />

Prinzessin. Königin. Engel.<br />

Die ungezählten Stunden verpassten Glücks. Klotz,<br />

Liebling, lass uns aufholen.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

am Fenster. Der Himmel. Die Stadt. Du.<br />

Wir werden noch so viel voneinander haben.<br />

Meine Klara.<br />

Mein Klotz.<br />

Bitte rühr dich nicht.<br />

Der Blick über die Dächer.<br />

- 7 -


Klotz Schau!<br />

Klara Die Möwe.<br />

Klotz Die Möwe Jonathan.<br />

Klara Liebling, hast du wieder ein Brot hinaus gelegt?<br />

Klotz Schau! Die andern kommen auch.<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Der ganze Schwarm.<br />

Ohne Köder läuft da nichts.<br />

Kannst du eine haben, kannst du alle haben. Liebling,<br />

halt mich fest.<br />

Meine Partnerin.<br />

Genau wie im Horoskop.<br />

Jonathan!<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

- 8 -


Klara<br />

Klara<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

III<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

Alltag. Früher Nachmittag. Klara kommt von der<br />

Arbeit. Klotz am Tisch.<br />

Warst du überhaupt weg oder haben wir bloss den<br />

ganzen Tag in die Glotze gestarrt? Draussen ist Smog-<br />

Alarm. Bei der Scheisskälte heizen die Leute wie die<br />

Verrückten. Und hier stinkt 's. Wo ist die Flasche, die<br />

hier stand? Blumen brauchen Wasser.<br />

Klotz hustet.<br />

In welchem Stadium befindet sich dein Lungenkrebs<br />

eigentlich? Oder wird das auserwählte Volk der<br />

Schweizer auch von so was verschont?<br />

Klotz hustet.<br />

zurück mit Flasche, giesst Pflanzen. Hier stinkts<br />

wirklich. Aber draussen auch. Du könntest trotzdem<br />

weniger rauchen. Du weisst doch, dass ich Sprechübungen<br />

machen muss. Wo bleiben eigentlich die<br />

Fallen? Du wolltest doch Mäusefallen besorgen. Die<br />

Dreckviecher-Ekelpakete waren wieder auf dem<br />

Kühlschrank. Hat meine Mutter angerufen?<br />

hustet. Ja, hat sie.<br />

Du hattest übrigens Unrecht. Frau Schollenburg macht<br />

keinen Mittagsschlaf. Sie hat mir geraten, früh zu Bett<br />

zu gehen. Ich bin nun aber mal ein Nachtmensch. Sie<br />

hat mir auch geraten, möglichst bald zu heiraten. Ich<br />

sei keine Putzfrau. Ich habe ihr auch gesagt, am<br />

Sonnabend heiratet erst einmal mein Bruderherz. Dann<br />

hat sie wieder endlos über die Torten gequasselt. Beim<br />

Frühstück gab sie mir einen Teil der Bildzeitung. Für<br />

sie sind alle Frauen im Laden «Torten». Und dann war<br />

da so ein Typ, der hat mich von ganz oben herab<br />

angestarrt. Eher so ein Student im Praktikum. Tat mir<br />

jedenfalls echt weh, wie der mich so von weit oben<br />

herab anstarrte. Lange mach ich diesen Scheiss-Job<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

- 9 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

auch nicht mehr. Wirklich nicht. Frau Schollenburg ist<br />

ja nett, die hat auch was. Meinst du, ich sollte sie<br />

nochmals umtopfen? Das ist unsere Pflanze, weisst du<br />

das? Manchmal fallen Blätter ab. Störe ich dich etwa?<br />

Setzt sich Klotz auf den Schoss. Ich lege mich ja auch<br />

gleich hin und lese meinen Krimi weiter. Gleich wird<br />

der Mörder gefasst. Ich will nur verhüten, dass du dir<br />

übergangen vorkommst. Streift Pullover über Schulter.<br />

Da auf dem Rücken muss ein Riesenpickel sein.<br />

Kannst du mal? Ja, gut. So, das war unsere Knutschstunde.<br />

Stört es dich, wenn ich hier lese?<br />

Ja.<br />

Ja, wirklich?<br />

Ja, wirklich.<br />

Dann lebwohl Liebling. Geht ab, kommt aber gleich<br />

zurück. Eigentlich kann ich dich gar nicht stören, wenn<br />

ich hier liege.<br />

Klotz hustet kopfschüttelnd.<br />

Bist du mir böse, wenn ich mich ausziehe und noch<br />

mal kurz schlafen lege?<br />

Ich wollte eigentlich alleine sein.<br />

Also hör mal, ich meine, ich bin um halb fünf<br />

aufgestanden. Um halb sechs habe ich schon mit der<br />

ollen Frau Schollenburg Büros geputzt.<br />

Weiss ich doch.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Eben.<br />

Eben.<br />

Glaub bloss nicht, ich wolle dich anmachen.<br />

Tust du aber.<br />

Ich will nicht, dass du auf mich böse bist.<br />

- 10 -


Klotz steht auf. Bin ich nicht.<br />

Klara Gibst du mir auch einen Zug?<br />

Klotz Nimm dir doch selbst.<br />

Klara Es ist aber die letzte. Hast du Feuer? Danke.<br />

Klotz Anytime.<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

Falls du rausgehst, um Bier zu holen, bringst du auch<br />

eins für mich? Aber nicht zu kalt. Blättert im Krimi.<br />

Und einen Aschenbecher! Pause. Bitte! Liest.<br />

kommt mit Bier. Du sollst bitte heute noch deine<br />

Mutter anrufen.<br />

Wolltest du dich nicht um eine Wohnung kümmern?<br />

Wenn ich länger bleibe. Tritt ans Fenster. Der Himmel<br />

ist wirklich wie Suppe. Den Fernsehturm sieht man<br />

nicht mehr. Wahnsinn.<br />

Ist meine Mutter aufgeregt, wegen der Hochzeit?<br />

Da drüben steht einer und guckt raus.<br />

Und was tust du?<br />

Ich gucke auch raus.<br />

Du guckst zu, wie er rausguckt?<br />

Ich gucke, wie er guckt. Genau.<br />

Dein Leben. Spannend. Geh doch mal rüber. Vielleicht<br />

könnt ihr zusammen rausgucken.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Du könntest von hier zugucken.<br />

Wie ihr rausguckt?<br />

Wie wir dir zugucken.<br />

Wie ich gucke?<br />

Wie du uns zuguckst.<br />

- 11 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Aber ich gucke euch nicht zu. Hast du denn überhaupt<br />

nach der Wohnung geguckt.<br />

Die Maklerin verlangt ein Vermögen.<br />

Du findest nie eine Wohnung.<br />

Wenn wir uns nicht streiten, ist alles langweilig. Dreht<br />

sich um sich selbst.<br />

Wenn Harry wieder kommt, dann nur um uns zu töten.<br />

Klappt Buch zu. Sie haben den Mörder gefasst. Blättert<br />

in Zeitschriften, schlägt Zeitung auf. Hast du<br />

meiner Mutter gesagt, dass ich arbeite?<br />

Hat aber kaum zugehört.<br />

Die labbert blind quer durch die Republik. Einmal<br />

musste ich dringend aufs Klo und hab den Hörer auf<br />

den Tisch gelegt, die hat das nicht bemerkt. Heute<br />

startet wieder eine Raumfähre ins All, mit einer Frau<br />

an Bord. Morgen früh 5 h 30 werden im Hafen für den<br />

Bereich Kaffee und Zucker 500 zusätzliche Leute eingestellt.<br />

Arbeitsschuhe, Arbeitskleidung und Arbeitspapiere<br />

sind mitzubringen. Hast du gehört?<br />

Was?<br />

Ach, ist egal. Im Movie läuft eine Marylin Monroe<br />

Retrospektive. «Some like it hot.» Eine Land-WG<br />

sucht Mitbewohnerin. Bist du nicht. Aber hier, WG in<br />

Reinbek hat zwei schöne Zimmer. Je schlappe 325<br />

Mark inklusive. Vielleicht eins für dich. Wieder frei<br />

zum ersten März, Hopplahopp zur S-Bahn, Schwuppdiwupp<br />

zum Hauptbahnhof und ratzfatz im Sachsenwald,<br />

Ruckzuck ans Telefon. Willst du die Nummer?<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Danke nein.<br />

Wäre ich bloss in New York geblieben. Könntest du<br />

mir ein Bad einlassen?<br />

- 12 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Diese Verkrampfung in mir.<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

No, the lady should never have left New York. Ich<br />

hasse mich. Verdammte Kacke. Klotz! Ich will einen<br />

reichen Mann heiraten. All my life has been a long<br />

slow knife. Klotz? Die Küche war voller Mäusekacke.<br />

Du hättest ruhig fegen können, echt.<br />

aus dem Bad. Ich habe gewischt.<br />

Schon nur diese Sprache. Mein Gott Klotz! «Ich habe<br />

gewischt». Ist das überhaupt eine Sprache. «Ich habe<br />

gewischt». Was wir glätten wird gebügelt. So ein Wort.<br />

«Gebügelt». Sagt doch schon alles über ein Volk. Dann<br />

bestellen sie in den Kneipen Stangen. Du fragtest mich<br />

einmal vor allen Leuten, ob ich deine Stange halten<br />

könnte. Mir ist das Blut in den Kopf geschossen.<br />

Klotz! Chrrdrgrckckrudgrckrbr! Schon nur deine<br />

Familie. Das hat mir gereicht. Grüäzi, grüäzi, weit dr äs<br />

Güäzi? Nein, Klotz, schrecklich. Weisst du noch, als<br />

du mich zum picknicken überreden wolltest? Erst<br />

dachte ich, mein Gott, was ist denn das Obszönes, hat<br />

wohl was mit necking und petting zu tun. Kein<br />

Wunder, man bezahlt bei euch auch noch Sackgebühr!<br />

Klotz öffnet Fenster. Kannst du mir mal sagen, wozu<br />

du dieses Fenster öffnest?<br />

Der Nebel hob sich nicht, vor meinen Augen lag keine<br />

Insel. Du wirst als Schauspielerin Erfolg haben. Und<br />

sonst wirst du Künstlerin oder Journalistin.<br />

Ach Klotz, Liebling.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Du bist ein verbales Wunder.<br />

Bloss weil ihr Schweizer alle eine schwere Zunge habt.<br />

Ich liebe es, dir zuzuhören. Wie du auflebst, wenn du<br />

redest. Ich beneide dich.<br />

Don’t give me that bullshit. Ich weiss ja, dass ich ein<br />

Versager bin. Die Paula, die findest du gut. Gib 's zu!<br />

- 13 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Die sei so fleissig, so lebendig, so kreativ. Das hast du<br />

gesagt. So genial!<br />

Das ist doch deine Freundin.<br />

Ich bin doch die doofe Ziege, die sich morgens um halb<br />

sechs mit der ollen Schollenburg trifft und bei einer<br />

verdammten Exportfirma Abfalleimer leert und wie<br />

bescheuert anderen den Dreck wegputzt. Aber ich will<br />

auch kreativ sein! Ich möcht doch nur, dass über mich<br />

mal jemand sagt, ich sei genial oder kreativ.<br />

Hey Baby. You are going to be one fucking hell of a<br />

fucking son of a bitch much more fucking famous than<br />

even fucking Marylin Monroe. Ich bin doch hier und<br />

bewundere dich. Komm, du gehst jetzt baden, und dann<br />

gehen wir ins Kino.<br />

Wenn ich bloss nicht schwanger bin. Mir ist so übel.<br />

Ich bin so total Fertig. Guck mich nicht so an. Wäre ich<br />

bloss in New York geblieben. Ich meine, in New York,<br />

da hatte ich noch was drauf, da war auch ich noch<br />

lebendig! Ja, ich war auch mal lebendig. Und hübsch<br />

war ich… Wenn ich bloss kein Aids habe. Klotz, mein<br />

Gott, jetzt noch Aids. Nein. Nein.<br />

im Türrahmen stehend. In meiner Familie sagt<br />

niemand «grüäzi». «Güäzi» schon. Das sagten sie auch<br />

von dir. «Was isch de das für nes Güäzi?» Das kann<br />

aber auch ein Kompliment sein.<br />

Seit Tagen leide ich an Gliederschmerzen. Ein klar<br />

erkanntes Symptom.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Vom Putzen, weil du es nicht gewohnt bist, körperlich.<br />

Und hübsch bin ich auch nicht mehr. Mein Hintern ist<br />

einfach viel zu dick, viel zu dick. Ich habe mich doch<br />

im Spiegel gesehen. Bin ich erschrocken. Und dann<br />

diese Krampfadern, echt toll, echt Spitze! Krampfadern<br />

wie ein Pferd. Das erinnert mich so an meine Mama.<br />

- 14 -


Das <strong>Muttermal</strong><br />

Die hatte auch so eine riesige Scheibe mit einem<br />

Schlitz drin. Sag mal, kannst du mir vielleicht für<br />

morgen 50 Mark leihen? Können es auch hundert sein?<br />

Seifst du mir dann den Rücken ein?<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

- 15 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

IV<br />

Alltag. Klara im Badezimmer, Klotz am Fenster.<br />

ruft aus dem Bad. Warum willst du eigentlich immer<br />

im Hafen spazieren gehen? Das stinkt da so abscheulich.<br />

Ach, ich habe wieder nichts zum Anziehen. Wenn<br />

du wenigstens… ein schönes Hemd oder so. Erscheint<br />

unter Tür. Sag mal, wie verliebst du dich eigentlich?<br />

Ich? Was?<br />

Liebe auf den ersten Blick. Wirft sich rauchend in<br />

Pose. Einmal hat mich ein Typ auf der Stelle unheimlich<br />

angemacht. Einfach so: Paff! Zack! Und ich<br />

glühte. Kuno hiess er. Ich schmolz dahin wie Butter.<br />

Der absolute Wahnsinn war das. Irre. Wie das abging!<br />

Wie sich herausstellte, hatte er leider Beischlafschwierigkeiten.<br />

Wir fuhren zu einem Fluss zum<br />

Baden, weil ich aber meine Tage hatte, nannte er mich<br />

schon nach dem zweiten Fehlversuch «bloody cunt».<br />

Und weisst du was im Auto am Radio lief, als er mich<br />

nach Hause fuhr? «I can't get no satisfaction».<br />

bemüht, sie nicht anzuschauen. Das sind die Unwetter,<br />

die sich im Nebel anschleichen.<br />

Irre, nicht? «I can't get no satisfaction».<br />

Plötzlich stehst du da, tropfnass, schaust an den aufgeweichten<br />

Kleidern runter und kannst es nicht fassen.<br />

Dich mochte ich auch auf den ersten Blick. Du warst so<br />

süss, hast mir die ganze Zeit zugehört und einen<br />

Campari nach dem anderen spendiert. Ich mochte dich<br />

sehr, dachte aber auch dauernd, mein Gott, ein<br />

Schweizer.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Aber Dornröschen irrte sich.<br />

- 16 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

Der Prinz, auf den ich wartete, warst du allerdings<br />

nicht. Warst du überhaupt beim Arzt? Du musst unbedingt<br />

einen Arzt aufsuchen.<br />

Und du wolltest einen Schwangerschaftstest machen<br />

lassen.<br />

Mein Gott, Klotz, ich habe dir ein <strong>Muttermal</strong> aufgekratzt.<br />

Das kann Krebs geben.<br />

Du hast mich verletzt.<br />

Morgen gehst du zum Arzt. Oder ich rufe an. Das ist<br />

dringend, das ist gefährlich.<br />

Ein kleiner Leberfleck, immerhin aufgekratzt. Kratz<br />

mir noch mehr auf.<br />

Ich will nicht mit dir schlafen. Ich will nicht. Ich will<br />

mich aufs Bett legen und einen anderen Schundroman<br />

lesen. Oder fernsehen. Meine Mama muss ich anrufen.<br />

Das mit Aids deprimiert mich so, ich habe im Bad<br />

einen Artikel gelesen. Vielleicht sollten wir doch<br />

heiraten. Eine Bekannte von Paula hat in 'ner Disco<br />

einen Typen aufgerissen. Sie hat ihn auch mit nach<br />

Hause genommen, der sei morgens aber unbemerkt<br />

abgehauen, habe rein nichts zurückgelassen, ausser mit<br />

Lippenstift auf dem Toilettenspiegel den Satz «Welcome<br />

to the Aids-Club». So ein verdammtes Schwein.<br />

Nein, die Medien spielen das nicht hoch, im Gegenteil,<br />

die spielen das runter. Aber du bist so konturlos, so<br />

verklemmt, so steif.<br />

Ich bin Schweizer.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Und Komplexe hast du auch. Ich liebe dich wirklich<br />

nicht. Ich meine, du handelst nicht, du tust nichts. Ich<br />

meine, du musst doch wissen, was du tust, was du<br />

willst!<br />

Nie habe ich eine Frau so geliebt wie dich.<br />

Und diese Sprache! Man kann doch reden können, wie<br />

es menschenwürdig ist! Dabei kannst du dir nicht mal<br />

- 17 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

erlauben, in einer Stadt eine Wohnung zu nehmen. In<br />

deinem Alter. Ich meine, Peter hatte auch kein Geld,<br />

hatte aber wenigstens Stil. Und Geschmack hatte er<br />

auch. Wenn ich mir deine Klamotten anschaue.<br />

Ich bewundere dich.<br />

Und Spass bei der Liebe habe ich auch nicht. Wir<br />

streiten, wenn wir zusammen sind.<br />

Schau mal auf deine Uhr. Siehst du, wie lange ich dir<br />

zugehört habe? Jetzt hör mir doch mal zu!<br />

Was willst du, sag schon.<br />

Ich will dir nur was zeigen.<br />

Eine Intimität etwa? Doch nicht zufälligerweise etwas,<br />

das meinen Körper betrifft?<br />

zieht Klara sanft auf seinen Schoss. Wenn wir so miteinander<br />

reden, ohne jegliche Distanz, dann ist doch<br />

die Gefahr, dass du mich missverstehst viel geringer.<br />

Geschickt gemacht, sehr geschickt.<br />

Für einen Schweizer. Zündet sich eine Zigarette an.<br />

Für einen bauernschlauen Schweizer.<br />

Weil ich mich nicht habe, will ich dich.<br />

Du hast dich einfach nicht in der Hand, du hast dich<br />

nicht im Griff.<br />

Mich nicht, aber dich.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Klotz, ich bitte dich.<br />

Wir umschlingen uns. Wir küssen uns.<br />

Jeder hat jetzt den Körperteil in den Händen, der ihm<br />

am anderen am meisten bedeutet.<br />

- 18 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

geht zum Fenster. Ein richtiger Mann muss wie ein<br />

Tiger sein, denn nur als Tiger wird er immer Sieger<br />

sein.<br />

Hast du die Wäsche gemacht?<br />

Ja.<br />

Die Wollsocken auch?<br />

Ja.<br />

Von Hand?<br />

Ja, klar.<br />

Und sauber?<br />

Das Wasser war schwarz.<br />

Wollen wir vor dem Kino nicht noch eine Kleinigkeit<br />

essen? Meine Mutter könnte auch zurückrufen, die<br />

weiss doch, dass ich kein Geld habe. Es geht eh nur um<br />

die Hochzeit meines Bruders. Soll ich uns nicht ein<br />

paar Brote machen? Mein Bruder Fritz war immer ihr<br />

Lieblingskind. Und jetzt heiratet der Fritz eine<br />

Schwarze. Eine schwarze Amerikanerin. Meine Mama<br />

ist ja so eine Chaotin. Wenn du meinst, ich sei<br />

schlimm, die ist viel schlimmer. Du, die kommt rein, da<br />

fliegt die Jacke auf einen Stuhl, rutscht von dort runter<br />

auf den Boden, wo die hingeknallte Tasche bereits<br />

umkippt und sich entleert. Da rollt ein Marmeladeglas<br />

quer durch die Küche, keiner beachtet es, Obst kugelt<br />

und kullert davon, keiner beachtet es, und ihre<br />

abgelatschten Schuhe landen auf unerklärliche Weise<br />

auf dem Tisch, noch bevor das Marmeladeglas<br />

krachend gegen die Wand schlägt. Dann geht das<br />

Geschrei nach den Brüdern los. Jeden einzelnen ruft sie<br />

mehrmals beim Namen, bis sie merkt, dass keiner da<br />

ist. Ich habe mich als Kind so geschämt. Wegen des<br />

Chaos und allem. Hier wüten vielleicht die Mäuse, aber<br />

dort! Da lagen Windeln unmittelbar neben dem<br />

Kochtopf. Das musst du dir vorstellen. Da kochst du<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

- 19 -


vor dich hin und plötzlich siehst du die Windeln des<br />

kleinsten Bruders dampfend auf dem Herd. Das war<br />

fürchterlich. Die schaffte das einfach nicht. Im Grunde<br />

wollte sie ganz anders sein, redete auch dauernd von<br />

Ordnung und Sauberkeit, verzweifelte vielleicht sogar<br />

daran, dass sie es nicht schaffte. Ab und an kam dann<br />

mein Vater und schrie uns alle an. Der hielt sich da<br />

möglichst raus, wollte seine Ruhe haben, der hatte eine<br />

doppelte und gepolsterte Tür an seinem Arbeitszimmer.<br />

Und im Sommer schleppte er uns dann alle nach<br />

Norwegen. Zum Zelten und so. Bei den Mücken und<br />

wir mit unserer Haut. Wie waren alle zerstochen wie<br />

Omas Nadelkissen, echt. Mein Vater ist der Typ, der<br />

zum Urlaub gerne in die Schweiz gefahren wäre, um<br />

uns auf die Berge raufzujagen. Die Schweiz kam aber<br />

Gott sei Dank nicht in frage. Bei der Menge Kinder, da<br />

war die Schweiz einfach viel zu teuer. Sag mal, wo hast<br />

du denn diese Zigaretten her?<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

- 20 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

V<br />

Abend. Klotz und Klara beim Aufbrechen<br />

Halb acht.<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

Erst erzählst du mir, wie gut Peter kochen konnte und<br />

dann kommst du auch noch mit dem komischen Jens.<br />

Ich sagte lediglich, Peter beherrschte es einfach, auch<br />

wenn nichts im Haus wer, mit zwei Eiern ein stilvolles<br />

Dîner zu fabrizieren. Mit Blumen auf dem Tisch, mit<br />

schönen Gläsern. Während du… du möchtest am<br />

liebsten ein Hausmütterchen aus mir machen.<br />

Ich habe nur gesagt, ich wolle nicht dein Hausmütterchen<br />

sein.<br />

Jens, das ist doch längst gegessen. Nimmst du deinen<br />

Mantel nicht?<br />

Du hast doch damit angefangen.<br />

Womit? Mit Jens?<br />

Nein, mit Treue und so, eben.<br />

Aber wegen Aids. Du aber wackelst gleich wieder mit<br />

dem Zeigefinger und machst dir Sorgen um die Welt.<br />

Ich sagte nur, du hättest ihn verführt.<br />

Nicht direkt. Aber das geht dich gar nichts an. Wo ist<br />

dein Mantel?<br />

Du warst mit ihm im Bett.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Das kann man so nicht sagen. Nein.<br />

Hast du oder hast du nicht?<br />

Ein bisschen. Nur auf dem Sofa.<br />

Aber das sag ich ja.<br />

Bitte erspar' mir deine Kleinstaatlermoral.<br />

Aids hin oder her, die Antwort ist «Ja».<br />

- 21 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Wenn der nicht schon beim zweiten Mal versucht<br />

hätte, mich zusammen mit dieser blöden Tootsi von der<br />

Kunsthochschule flach zu legen, dann wäre vielleicht<br />

wirklich was draus geworden.<br />

Ich bringe schon mal den Müll runter. Warum ziehst du<br />

jetzt meinen Mantel an?<br />

Weisst du, was du bist dagegen? Ein Busengrabscher.<br />

Genau. Ein biederer Busengrabscher. Ein ganz biederer<br />

schweizer Busengrabscher.<br />

Wenn du nie mit mir schläfst!<br />

Bei dir ist die Grenze des guten Geschmacks ein Abgrund.<br />

schaut auf seinen Mantel. Ich dachte, ich hätte nur<br />

hässliche Klamotten.<br />

Nicht wenn ich sie trage.<br />

Und was ziehe ich an?<br />

Deine Jacke. Ich habe immer gerne die Sachen meines<br />

Bruders getragen. Er auch meine Sachen. Vor dem<br />

Spiegel. Kommst du? Dein Mantel steht mir. Gehen<br />

wir?<br />

setzt sich. Nein. Ich habe diesen Film schon oft gesehen.<br />

Vielleicht gehe ich später noch rüber in den<br />

Wassermann.<br />

Klotz, wir waren verabredet.<br />

Du könntest auch deine Rollen üben für die Aufnahmeprüfung.<br />

Eboli zum Beispiel.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Prinzessinnen-Schnepfe!<br />

Hab ich gesagt, dass es mir leid tut, oder nicht?<br />

Habe ich gesagt, dass es mir leid tut oder nicht?<br />

- 22 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klar<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

Sonst bist du doch diejenige, die sich immer durchsetzt.<br />

Ist ja auch höchste Zeit, dass wir Frauen uns mal<br />

durchsetzen, ja?<br />

Die Frauen setzen sich noch immer nicht durch. Du<br />

setzt dich durch!<br />

Bin ich etwa keine Frau?<br />

Nicht die Frauen. Aber du, du setzt dich immer durch.<br />

Fast immer.<br />

Immer. Immer. Und ich bin es langsam satt, dauernd<br />

der Klügere zu sein. Der Gescheitere.<br />

Du willst der Gescheitere sein? Manchmal möcht' ich<br />

wirklich, du würdest dich durchsetzen, würdest<br />

kämpfen wie ein Krieger um die süsse kleine Klara.<br />

Aber komm, jetzt lass uns gehen. Und morgen, wenn<br />

ich nicht schwanger bin, besorg' ich mir die Pille. Das<br />

versprech' ich dir.<br />

Nicht wegen mir. No more Sex. Ich will mir das<br />

abgewöhnen.<br />

Du?<br />

Immer dieser Stress.<br />

Und du gehst auch zum Arzt. Einverstanden?<br />

Wegen dem <strong>Muttermal</strong>?<br />

Wegen des <strong>Muttermal</strong>s, Klotz. Wegen des <strong>Muttermal</strong>s.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

- 23 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

VI<br />

Klotz im Bett, Klara bringt Kaffee.<br />

Ich meine, die verdammten Dreckviecher fühlen sich<br />

da ganz schön zuhause. Eben musste eine noch dreimal<br />

mit dem Schwanz wedeln, bevor sie sich entscheiden<br />

konnte, die Flucht zu ergreifen. Na? Du hast ja gar<br />

nicht versucht mit mir zu schlafen.<br />

Ist Dornröschen doch noch aufgewacht?<br />

setzt sich auf das Bett und parodiert die Sprechweise<br />

von Klotz. «Du magst mich nicht, du liebst mich nicht,<br />

findest du mich widerlich?»<br />

Was soll das?<br />

Und die Ausreden. Erst sagst du, du hättest schlecht<br />

geschlafen, dann bist du zu nervös, dann tut dir etwas<br />

weh, dann fragst du auch noch, ob ich nicht längstens<br />

auf der Arbeit sein sollte. Bloss um mich los zu<br />

werden. Deutscher Kaffee. Tut mir leid. Komm, dreh'<br />

dich mal um! Wie geht es unserem <strong>Muttermal</strong>?<br />

Kalter Kaffee.<br />

Klotz, heute gehst du zum Arzt. Ich auch. Frau<br />

Schollenburg schafft das allein mit Links. Weisst du<br />

eigentlich, wieviele Männer mit mir schlafen möchten?<br />

Ich glaube, du erträgst keine starken Frauen. Keine<br />

aktiven Frauen. Du kannst nur, wenn ich nicht will.<br />

Hm.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Dazu muss dir doch wirklich mehr einfallen. Klotz.<br />

Schlag mal nach in deinem Rachensprenger- und<br />

Grunzlaute-Katalog. Du kannst nur, wenn ich nicht<br />

will. That’s it. Klotz parodierend. «Und jetzt stehst du<br />

noch nackt hier rum. Brauchst mir doch nicht vorzuführen,<br />

was ich nicht kriegen kann.»<br />

- 24 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Das machst du gut, besser als deine Eboli.<br />

wirft sich in Pose. Die kann ich auch.<br />

«Sie war gemeint, wo ich so grenzenlos,<br />

So warm, so wahr mich angebetet glaubte?<br />

O ein Betrug, der ohne Beispiel ist!<br />

Und eine Schwäche habe ich ihr verraten…»<br />

Den Schiller schaffe ich vor dem Frühstück.<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

«Wo unerhört der glänzendste Monarch<br />

Der Erde schmachtet. Wahrlich! solche Opfer<br />

Bringt hoffnungslose Liebe nicht. Wie feurig<br />

War nicht sein Kuss! Wie zärtlich drückt' er mich,<br />

Wie zärtlich an sein schlagend Herz!»<br />

Und?<br />

Na, bravo! Very good. Wirklich. Very good.<br />

Ha!<br />

Warum bist du plötzlich so lieb?<br />

Mir geht es gut. Zerbrich dir bloss nicht den Kopf, was<br />

das bedeuten soll. Es ist nicht, dass ich lieb bin. Kannst<br />

dich nicht einfach freuen, wenn es mir einmal ein<br />

wenig gut geht? Vielleicht kommt das von deiner Erziehung.<br />

Kleinbürgerlich artig.<br />

Moralisch…<br />

Du setzt mich doch damit unter Druck. Mit diesem<br />

«lieb-sein-müssen».<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Lass uns streiten.<br />

Ich finde dich sexuell unattraktiv, werde dir sicher<br />

auch bald wieder untreu sein. Vielleicht nicht mit<br />

einem Mann, aber bestimmt mit einer Phantasie. Mit<br />

meinem Traum von New York. Die Prüfung kann ich<br />

auch vergessen.<br />

Die Eboli kannst du doch.<br />

- 25 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Du hast doch davon keine Ahnung. Wär' ich bloss in<br />

New York geblieben. Ich meine, New York hat mir<br />

echt 'ne Wahnsinnsmenge gebracht. New York hat mir<br />

die Augen geöffnet. Als Mensch, als Frau. In New<br />

York habe ich das Leben gesehen.<br />

New York, New York. Ich höre immer nur New York.<br />

Ja, New York ist New York. Das kannst du gar nicht<br />

verstehen. Ich liebe New York. In New York ist die<br />

kleine Klara aufgewacht. Und jetzt sitz ich hier.<br />

Mit mir.<br />

Geh du mal Büros putzen. Die blöde Paula, ja, die<br />

haben sie genommen. Die hat ja schon ein Diplom von<br />

der Journalistenschule. Was hat die, was ich nicht<br />

habe?<br />

Hör doch auf.<br />

Schau mich an! Sag die Wahrheit! Was du ehrlich<br />

denkst.<br />

Natürlich kommst du auf die Schule.<br />

Der Arzt hat mir doch das erforderliche Gesundheitszeugnis<br />

in einem geschlossenen Umschlag überreicht.<br />

Das ist doch üblich.<br />

Nein.<br />

Ärzte verkleben nun mal ihre Zeugnisse.<br />

Ich habe doch seinen Blick gesehen, als er mir die<br />

Augenlider auf zog. Wie der mich anschaute. Der sah<br />

eine Krankheit. Aids! Klotz! Aids!<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Ach, hör doch auf!<br />

Sei doch ehrlich! Ich hab ja nicht mal das Geld, um<br />

überhaupt an die Prüfung zu fahren. Hübsch genug bin<br />

- 26 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

ich auch nicht. Und für 'ne Schauspielschule viel zu alt.<br />

Das sagen alle.<br />

Erst fährst zu jetzt mal an die Hochzeit deines Bruders.<br />

Wär' ich bloss in New York geblieben. Vielleicht bin<br />

ich ja schwanger.<br />

Ich kann es nicht mehr hören!<br />

Mein Busen ist angeschwollen. Und der Knoten hier,<br />

ist immer noch da. Klotz, wo willst du hin?<br />

Weg! Ich will weg!<br />

Ach, Scheisse. Ich find mich ja auch apathisch und…<br />

Aber mit Schreien holt man da doch keinen raus. Tut<br />

mir ja leid, aber ich werd' nur noch älter und<br />

hässlicher. Gib es zu, du findest mich auch zu dick. Ich<br />

bin dick. Oh, ich bin dick.<br />

Klara, du bist…<br />

So dick. Schrecklich.<br />

Überhaupt nicht dick.<br />

heult. Oh Gott, bin ich dick. Ich bin dick. Ich bin so<br />

dick geworden. Dick. Dick. Dick.<br />

Vielleicht hast du hier und dort ein bisschen zugelegt,<br />

aber du bist doch nicht dick.<br />

Bin ich dick! Oh, nein. Ich bin ja so dick!<br />

Na und wenn. Es steht dir ja. Denkst du etwa deine<br />

Marylin sei immer nur schlank gewesen. Die hatte<br />

manchmal auch ganz dicke Schenkel.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Es steht mir! Nein, nein, ich bring' mich um. Ich<br />

sammle Valium und bring' mich um. Je früher, desto<br />

besser. Aus mir wird nichts. Ich pack' das nicht.<br />

Sinnlos, dass ich überhaupt zu dieser Prüfung fahre.<br />

Nein, der Prinz, der könnte mich vielleicht retten, aber<br />

der bist du nicht. Wo bleibt bloss mein Prinz? Wo<br />

willst du hin? Ach, Scheisse. Jetzt bist du böse, dass<br />

- 27 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

ich dich angefaucht habe. Wenn ich endlich meine<br />

gottverdammten Tage kriege, werde ich mich besser<br />

fühlen. Ich bin jetzt so in mich selbst verstrickt, ich<br />

weiss es ja. Aber an dir prallt alles einfach so ab. Paula<br />

kennt eine ehemalige Schauspielerin, die jetzt über<br />

Prüfungen informiert. Worauf es ankommt und so. Mit<br />

der mach ich einen Termin aus. Ich habe solche Angst.<br />

All die vertanen Jahre. Mein Gott, wenn ich nirgends<br />

mehr reinkomme. Ich will nicht für den Rest meine<br />

Lebens mit Frau Schollenburg in hanseatischen Exportfirmen<br />

Männerpisse von Kloschüsseln putzen. Aber du,<br />

du bist immer so unberührbar. So… so neutral.<br />

Ich liebe dich trotzdem.<br />

Du sollst mich aber nicht trotzdem lieben. Weil sollst<br />

du mich lieben. Ich will geliebt werden weil! Weil ich<br />

ich bin.<br />

Ich liebe doch, weil du du bist.<br />

Ich will ich sein. Mich selbst. So wie ich bin. Um<br />

meiner selbst willen. Aber wie könntest du, du das verstehen?<br />

Du kennst mich ja nicht. Ich will geliebt<br />

werden, weil ich bin, wie ich bin. Weil ich ich bin.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

- 28 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

VII<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

Klotz, am Fenster, spielt mit einer Mausefalle. Klara<br />

liegt mit einer Zeitung auf dem Bett.<br />

In der Küche tanzen die Mäuse, vor dem Fenster<br />

kreisen die Ratten der Lüfte, der Smog wird immer<br />

dicker, im Hafen werden Kaffee und Zucker gelöscht,<br />

im Wassermann spielen die Schulschwänzer Billard,<br />

die Jungs von der Szene stürzen die ganz grossen<br />

«Holsten» runter, auf dem Weg zum Himmel stürzen<br />

brennende Raketen ab, alles bewegt sich, die Erde<br />

dreht sich, und schon wird es wieder langsam dunkel.<br />

Wenn du dich wenigstens vor Selbstmitleid im Bett<br />

wälzen könntest. Aber nein, da liege ich drin, lutsche<br />

Bonbons, rauche deine Zigaretten und flippe Zeitschriften<br />

durch.<br />

Immer, wenn mir kalt ist, liegst du im Bett.<br />

Das mit der Raumfähre ist echt Scheisse. Da war eine<br />

Frau an Bord. Eine Lehrerin. Die sollte aus dem All<br />

Unterricht erteilen. Ihre Schulklasse war beim Start<br />

dabei, die Kinder haben gejubelt, dann explodiert das<br />

Ding. Aus! Futsch. Fertig.<br />

Kap Karneval.<br />

Du weisst genau, das heisst nicht Kap Karneval.<br />

Für mich heisst das sehr wohl Kap Karneval.<br />

Ich will nicht streiten.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

ironisch. Aber ich.<br />

«Viel Freude und Herzlichkeit finden sie in der<br />

Familie. Die Arbeit macht heute besonderen Spass. Die<br />

Dinge des Tages regeln von selbst.» Na?<br />

Komm schon, eine Runde.<br />

Du manipulierst mich.<br />

- 29 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Du provozierst mich.<br />

Weil ich nicht mit dir schlafe?<br />

Weil du dein ganzes Leben verpennst.<br />

Kriegst deines selbst nicht auf die Reihe. Und falls du<br />

mir sagen willst, dass ich den Job los bin, falls ich<br />

morgen nicht hingehe, kannst du dir den Hinweis<br />

ersparen. Ich weiss es selbst.<br />

Du weisst nur, was dir gerade passt.<br />

Ach, hör auf mit deinen blöden Sprüchen. Hör auf, an<br />

mir rumzunagen. Ich hab deine Liebe satt. Ich bin nicht<br />

deine Übermamma.<br />

Warum ist das ein blöder Spruch?<br />

Das weisst du selbst.<br />

Warum? Sag doch!<br />

Merkst du denn überhaupt nicht, was hier abgeht? Du<br />

hängst hier rum wie vom Ochsen getreten und erpresst<br />

mich mit deiner spiessigen Sex-Sucht. Das würde dir<br />

so passen, ja, die schicksalhafte Leidenschaft, die dich<br />

unabänderlich wie die verdammte Schwerkraft erfüllt<br />

und beherrscht! Die grosse Liebe, die dich von<br />

jeglicher Verantwortung für dein Tun entbindet! Hier<br />

liege ich, ich kann nicht anders, wenn es sein muss,<br />

schlagt mich tot! Denkst du, das macht mich an? Krank<br />

ist das.<br />

Weiter, bitte! Es ist nie genug!<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Ich will sogar ein Kind. Aber nicht von dir!<br />

Weiter.<br />

Ich bin nicht schuld, dass du nicht glücklich bist. Dass<br />

du pleite bist. Bloss weil ich nicht andauernd mit dir<br />

- 30 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

ficken und vögeln will. Klotz, ich muss zum Arzt.<br />

Wegen dir, du Idiot.<br />

Noch bin ich nicht pleite. Nicht ganz. Ich wollte dir<br />

einen Vorschlag machen. Aber sprich nicht mehr so<br />

achtlos von der Liebe.<br />

Vom Ficken und Vögeln? Vom Ficken und Vögeln<br />

sprech' ich, wie ich will.<br />

Ich befürchte dauernd, du meinst das genau so, wie…<br />

ach Klara. Süsse. Ich habe doch begriffen, dass es für<br />

uns beide besser ist, wenn ich wieder gehe.<br />

Ich jedenfalls werde dich nicht daran hindern.<br />

Möchtest du ein Bier? Ich weiss ja, dass du Schiller<br />

zitieren kannst, wenn du mit mir schläfst. Oder die<br />

Zeitung lesen. Ich meine, ich muss… das merke sogar<br />

ich, und… was ich sagen wollte. Mein Beruf, ich<br />

meine… du… das Beunruhigende… ich wollte sagen,<br />

wie unwichtig alles, wie alles so unwichtig geworden<br />

ist. Aber noch bin ich nicht pleite. Deshalb lass uns<br />

einen Pakt schliessen!<br />

zieht seinen Mantel an. Klotz, ich muss zum Frauenarzt.<br />

Schau, du… du… du gibst dich mir einmal hin, eine<br />

Nacht lang voll und ganz, und ich verschwinde aus<br />

deinem Leben.<br />

Klotz!<br />

Einmal, eine Nacht lang totale Hingabe, und weg bin<br />

ich.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Spinnst du?<br />

Ist doch ein Angebot. Ich meine, ich bezahle.<br />

Aber ich schlafe doch mit dir.<br />

Nicht richtig, nie… bitte sei nicht beleidigt. Ich rede<br />

von der totalen Liebesnacht.<br />

- 31 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Und dann bin ich dich los.<br />

Aber du musst auch tanzen.<br />

Tanzen? Du weisst genau, dass ich nicht mit dir tanzen<br />

kann.<br />

Nicht mit mir. Für mich.<br />

Mit Strapsen und Strümpfen und so?<br />

Volles Programm. Was hast in New York angezogen?<br />

Einen roten Bikini mit Goldfransen, oder nicht?<br />

Klotz, in New York… Ich meine, da trug ich eine<br />

Perücke, das war in Go-Go-Clubs, das mach' ich doch<br />

nicht für meinen Freund. Du willst mich zur Nutte<br />

machen. Du warst heute Mittag nicht im Hafen.<br />

Wetten, du warst im Puff.<br />

Im Kontakthof. Und im Kontakthof bin ich bei dir seit<br />

Jahren.<br />

Ihr denkt echt, mit Geld lasse sich alles kaufen. Dabei<br />

würdest du gleich einschlafen.<br />

Dann musst du mich wieder anmachen. Komm, Klara,<br />

für dich als angehende Schauspielerin. Ich habe noch<br />

rund dreieinhalbtausend Mark.<br />

Dreieinhalbtausend für eine Nacht?<br />

Abzüglich Reisekosten für den Weg zurück nach<br />

Zürich.<br />

Du willst mich zur Nutte machen.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Erst wenn ich nichts mehr habe, bin ich gezwungen zu<br />

handeln. Am Wochenende fahr ich.<br />

Und wenn ich schwanger bin?<br />

Bist du nie.<br />

- 32 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

Ich bin doch kein Endlager für die widerlichen<br />

Konsequenzen deiner vermurksten Jugend. Sonst noch<br />

einen Wunsch?<br />

Nur einen.<br />

Es gibt aber Paare, die schlafen jahrelang nicht zusammen<br />

und gehen trotzdem nicht auseinander.<br />

geht auf sie zu, packst sie am Handgelenk. Ein<br />

richtiger Mann muss wie ein Tiger sein.<br />

stösst ihn zurück. Du setzt dich jetzt an den Tisch und<br />

tust was. Tschüss!<br />

ruft ihr nach. Ich könnte mich auch auf dich setzen<br />

und was tun.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

- 33 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

VIII<br />

Nacht. Klotz im Bett, Klara trinkt Bier.<br />

Du hast die Fallen gestellt. Klotz, wenn da eine reintappt!<br />

Soll sie doch.<br />

Und was wollte die olle Frau Schollenburg?<br />

Man habe nach dir gefragt.<br />

Geht die doch nichts an. Blöde Ziege. Pause. Mein<br />

Gott bin ich froh, dass ich nicht schwanger bin. Wegen<br />

des <strong>Muttermal</strong>s hab ich auch gefragt. Vielleicht ist 's<br />

nur ein Leberfleck. Wär 's ein <strong>Muttermal</strong>, müsste das<br />

schmerzen. Und sonst? Hast du meiner Mutter am<br />

Telefon von deinem Pakt erzählt? Die denkt eh, du<br />

seist von mir abhängig. «Pass' auf mein Kind, dieser<br />

Schweizer ist dir verfallen.» Die Alte heute im<br />

Supermarkt hättest du sehen sollen. Ich wollte doch für<br />

die Hochzeit meines Bruders eine Flasche Sekt kaufen<br />

mit dem letzten Geld. Und da gab 's Unterwäsche im<br />

Angebot und Zigaretten brauchte ich ja auch. Jetzt<br />

reichte meine Knete aber nur noch für einen Piccolo.<br />

Im Einkaufswagen nichts als Zigaretten, einen Henkel<br />

Piccolo und drei schwarze Höschen. Und hinter mir<br />

eine Alte mit einem Stock. Das vom Anhalter hab ich<br />

dir erzählt?<br />

Anhalter? Ich glaube ja.<br />

Sie hat doch sofort gemerkt, dass der was von ihr<br />

wollte. Und warum auch nicht, habe sie gedacht, sei<br />

doch ihr Typ gewesen. Und hat ihn mitgenommen in<br />

ihre Wohnung und am nächsten Tag haben fünf<br />

Scheine gefehlt und ein paar Wochen später hat sich<br />

herausgestellt, dass der Hund sie geschwängert hatte.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Geschwängert?<br />

- 34 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Kannte nicht mal seinen ganzen Namen.<br />

Aber geschwängert?<br />

Ja, klar, geschwängert hat er sie, das Schwein.<br />

Aber sie war doch dabei?<br />

Natürlich war sie dabei.<br />

Dann ist sie schwanger geworden.<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

Wieso schwanger geworden? Gottverdammte Kacke.<br />

Er hat sie geschwängert.<br />

Und sie wurde schwanger.<br />

Sie ist geschwängert worden!<br />

Aber, wenn sie doch...<br />

Wenn er sie doch geschwängert hat, das Schwein, ihr<br />

Schweine! Pause. Bis gestern habe ich auch gedacht,<br />

ich sei wieder schwanger. Du hättest mich wieder geschwängert.<br />

Aber diesmal hätte ich dir nichts gesagt.<br />

Bitte nicht.<br />

Du hast mein Kind nicht gewollt! Und du sagst, du<br />

liebst mich. Bringst mich auch noch zu einem Pfuscher<br />

von einem Arzt, wie eine gottverdammte Kuh zum<br />

Schlachter. Und jetzt willst du wieder abhauen. Wärst<br />

du doch gleich in deiner blöden Schweiz geblieben.<br />

Klara schau, du bist müde, du bist gereizt. Bitte nicht<br />

entgleisen. Du bist in Fahrt. Aber du bist kein Zug, der<br />

den Gefahren nicht ausweichen kann. Bitte überfahr<br />

mich nicht.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Hättest du mich mal in den Arm genommen, als ich<br />

einen Schluchzanfall hatte. «Bitte nicht entgleisen»,<br />

«Bitte nicht durchdrehen», «Bitte nicht überfahren»!<br />

Als ob alles in vorgeschriebenen Bahnen ablaufen<br />

müsste. Das Leben ist kein Intercity-Zug! Ich tue und<br />

sage, was ich will, deswegen bin ich noch lange kein<br />

- 35 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Zugunglück. Soll ich etwa nach dem Fahrplan der<br />

Schweizerischen Bundesbahnen funktionieren?<br />

Ist ja gut. Hör auf!<br />

Weisst du eigentlich, wie du mich behandelst? Wie ein<br />

Stück Dreck.<br />

Ist doch nicht wahr.<br />

Zur Nutte machen willst du mich!<br />

Und was ist mit dem Schmerz in mir? Mit der starren<br />

Spannung, der Verkrampfung in meiner Brust? Mich<br />

schmerzt der Gedanke, dir überhaupt nicht zu fehlen.<br />

Dann such' doch wieder Trost im Puff!<br />

Ich war nicht im Puff.<br />

Aber im Kontakthof warst du.<br />

Genau, im Kontakthof, da war ich. Und nachher war<br />

ich auch in der Peep-Show. Wenn du es genau wissen<br />

willst.<br />

Du warst in einer dieser… dieser traurigen Kabinen?<br />

Klotz? Wo man…<br />

…für fünf Mark wichsen kann.<br />

Und da hast du dir einen runtergeholt?<br />

Mehr als einen.<br />

Du warst in der Peep-Show! Du bist krank. Das ist so<br />

ungefähr das frauenfeindlichste…<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Du hast doch in New York…<br />

Und was hat die Frau gemacht? Oder waren da zwei?<br />

…zum Vergnügen der Männer nackt getanzt.<br />

Du tickst nicht richtig. Ich hab das für 's Geld gemacht.<br />

Um zu leben. Aber du, du brauchst echt einen<br />

- 36 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

Psychiater. Denkt man der treibt sich bei den Frachtern<br />

im Hafen rum, dabei steht der mit offenen Hosen…<br />

Klotz, du bist krank. Du brauchst einen Psychiater.<br />

Ich brauche keinen Psychiater. Ich brauche dich.<br />

Still! Hörst du?<br />

Eine Maus?<br />

Nichts. Kichert.<br />

Darf ich jetzt schlafen?<br />

Ich sah dich eben mit offenem Hosenstall in der Peep-<br />

Show.<br />

Die eine tat genau so cool wie du. Heisst das nicht<br />

«Hosenladen»?<br />

Kriegst du wenigstens kein Aids dabei. Oh, dummer<br />

Klotz. Willst du dich wirklich von mir trennen?<br />

Ich bitte dich. Seit der Spätausgabe der Tagesschau<br />

erklärst du mir, dass unsere Flugversuche nur scheitern<br />

können, dass wir unsere Chance verpasst haben,<br />

kommst dann runter zu «wir sollten uns einmal eine<br />

zeitlang nicht sehen», und jetzt fragst du mich, ob ich<br />

mich wirklich von dir trennen wolle.<br />

Ich schaff' das doch alleine alles nicht. Und dieses<br />

Bewusstsein, auch schon wieder in einer Beziehung zu<br />

scheitern. Und nächste Woche die Aufnahmeprüfung.<br />

Aber der Klotz schläft natürlich wieder weg.<br />

Ich schlafe nicht.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Klar. Was habe ich gesagt?<br />

Dass du Angst hast.<br />

Was soll ich bloss tun?<br />

Die Rollen lernen. In München konntest du nicht mal<br />

die Texte auswendig.<br />

Klotz, mir geht es schlecht.<br />

- 37 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Dauernd hast du eine Gefühlslage als Entschuldigung<br />

zur Hand.<br />

Wenn es mir verdammt noch mal hundemies geht. Was<br />

habe ich dir getan? Man darf doch noch von einem<br />

Freund erwarten dürfen...<br />

Habe ich das Recht, zu sagen, ich sei hundemüde und<br />

kaputt?<br />

Aber ob es stimmt?<br />

Das entscheide doch ich.<br />

Du glaubst mir doch auch nicht, wenn ich sage, ich<br />

hätte Kopfschmerzen.<br />

Ein Mädchen stand im Regen, wusste weder ein noch<br />

aus, stand zwischen Tür und Angel, war nackt und<br />

ohne Segen, ein Mädchen stand im Regen. Geht in die<br />

Küche.<br />

Und wurde nass.<br />

schreit hysterisch. Gottverdammte Kacke!<br />

Was ist denn?<br />

Die Falle. In der verdammten Falle auf dem Kühlschrank<br />

streckt eine gottverdammte Maus ihren toten<br />

Hintern raus.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

- 38 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

IX<br />

Der Tag danach. Klotz weckt Klara.<br />

Gleich ist zwei.<br />

Lass mich.<br />

Du wolltest, dass ich dich wecke.<br />

Sind doch Semesterferien.<br />

Du warst nicht an einer einzigen Vorlesung.<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

Klara Sind trotzdem Semesterferien. Jetzt lass mich.<br />

Schliesslich bist du wieder auf mir rumgeritten die<br />

ganze Nacht. Oder du wolltest auf mir rumreiten.<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Deine Mutter hat angerufen. Und Frau Schollenburg.<br />

Deine Mutter zweimal. Frau Schollenburg wünscht dir<br />

gute Besserung.<br />

Ich bin nicht krank. Ich kann diesen Scheissjob zwar<br />

nicht ausstehen, deswegen bin ich aber noch lange<br />

nicht krank.<br />

Sie haben es ja auch nicht geglaubt.<br />

Haben die mich etwa gefeuert?<br />

Sagt Frau Schollenburg.<br />

Bloss weil ich zwei Tage nicht… Ich meine, wie die<br />

mit mir umgegangen sind, so wie die mich behandelt<br />

haben! Das ist die reinste Sklaverei. Du kennst mich,<br />

ich meine, als Frau muss ich mich wehren, da schuftet<br />

man morgens um halb sechs, wenn alle Männer noch<br />

ihren Tiefschlaf pennen… Mir fallen jetzt noch die<br />

Arme ab.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Warst ja auch nur eine Woche dort.<br />

Das macht mich so wütend. So eine Gemeinheit! Ich<br />

werd da hingehen. Die können sich mein ausstehendes<br />

Geld hinten reinstecken. Steht auf.<br />

- 39 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Ich würde das nicht so persönlich nehmen. Komm,<br />

trink eine Tasse Kaffee.<br />

Ich bin einfach fertig. Und wenn du jetzt sagen willst,<br />

ich hätte auch gestern hysterisch reagiert, kann ich dir<br />

nur sagen: Geh du mal mitten in der Nacht in die<br />

Küche, ohne Licht. Ja, und öffne den Kühlschrank,<br />

eine Hand schon am Hals der Bierflasche, und dann<br />

siehst du diesen ekelerregenden Mäusehintern und<br />

diesen ekelerregenden Mäuseschwanz.<br />

So ein Schrei, wegen einer kleinen Maus.<br />

Das mit dem Schreien ist Nervensache. Ja wohl. Und<br />

wenn du jetzt denkst, dass ich eine blöde Ziege bin,<br />

Recht hast du! Sonst hätte ich dich längst verlassen.<br />

Aber mein Selbstschutzmechanismus scheint zu versagen.<br />

Ich glaub', ich hab echt 'ne Klatsche weg.<br />

Nicht mehr ganz dicht unter dem Pony, wa?<br />

Wie sehnsüchtig du mich wieder anstarrst.<br />

Sogar deine Mutter weiss, dass ich dir hörig bin.<br />

Wie du wieder angezogen bist. Bestimmt wartet in der<br />

Schweiz so 'ne Latzhosen-Julia auf dich, du Strickjacken-Romeo.<br />

Ich liebe dich.<br />

Und ich fahr zurück nach New York. Klotz, lass mich!<br />

Ich meine, mein Bruder, mein grosser Bruder, der<br />

heiratet übermorgen eine Amerikanerin. Ich heirate<br />

keinen Schweizer, vielleicht heirate ich auch besser<br />

einen Schwarzen. Mit Musik im Blut.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Das habe ich dir aus der Stadt mitgebracht. Zieht Buch<br />

hervor. Dürrenmatt, aus einer Ramschkiste. Ich schlage<br />

es auf, einfach so, und was lese ich? «Wir können in<br />

dieser Stadt nicht zusammen leben, wir müssen uns<br />

trennen - ja - für immer - ja - dabei liebe ich dich so,<br />

- 40 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

ich möchte die Welt ginge unter, ich möchte, dass du<br />

mich noch einmal nimmst.»<br />

Literatur. Parodierend. Mein Herz, mein Herz, mein<br />

Herz zerreisst bei dem Gedanken an die missachtete<br />

Liebe. Hast du kein weiteres Archivmaterial zum<br />

Dazwischenschneiden?<br />

Der Nebel hob sich nicht, vor meinen Augen lag keine<br />

Insel.<br />

Schweizer Lyrik.<br />

nimmt Taschenmesser hervor. Hab ich mir auch gekauft.<br />

Ein Messer!<br />

Ein Taschenmesser! Ein Offiziersmesser.<br />

Hab ich gekauft, damit ich Bierflaschen besser<br />

öffnen… Klappt nahe vor ihrem Gesicht und dicht an<br />

ihrem Hals einzelne Klingen auf. Und damit ich den<br />

Wein besser aufziehen kann.<br />

Hör auf Klotz.<br />

Und damit ich das Brot besser schneiden kann. Und<br />

Fleisch.<br />

Steck das Messer weg! Ich schreie gleich so laut ich<br />

nur kann.<br />

Ist doch praktisch.<br />

Ich hasse dich.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

- 41 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

X<br />

Klotz und Klara steigern sich.<br />

Was such' ich in der deutschen Nacht?<br />

Ich meine, auch an meinem Geburtstag, was du mir<br />

geschenkt hast. Okay, du hast kein Geld. Aber solche<br />

Geschenke.<br />

Das war doch gut gemeint.<br />

Das reicht leider nicht ganz. Auch Paula war<br />

schockiert. So was bringt echt nur ein Schweizer.<br />

Und du bist Deutsche.<br />

Lieber Deutsch als gar nichts.<br />

Ich bin nicht nichts.<br />

Aber gar nichts! Weisst du, wie gross du bist? So klein<br />

bist du. So klein. Kleiner als Mäusekacke. Du, du verbringst<br />

dein Leben beim Billard im Wassermann, wenn<br />

du dir nicht gerade mit offenem Hosenstall in einer<br />

Peep-Show einen runter holst.<br />

Dein spiessiger Traum von «ein bisschen Normalität»<br />

und diese grenzenlose Arroganz.<br />

Du bist du viel zu arrogant, um erkennbar arrogant zu<br />

sein. Du brauchst auch echt 'ne Therapie. Das ist kein<br />

Witz. Kannst ja zum Hundepsychiater gehen, falls dich<br />

der Geiz sticht. Da kannst du sicher ein paar «Fränkli»<br />

sparen.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Dir hat eure Mama ja beigebracht, es zeuge von Charakter,<br />

wenn man möglichst viele Regeln bricht.<br />

Sehr viel hat dir deine Alte echt nicht beigebracht.<br />

Aber bei dir ist das zwanghaft! Nichts, rein nichts<br />

nimmst du je auf dich. Wo du kannst, brichst du einen<br />

Streit vom Zaun! Weisst du, was das ist? Das ist<br />

- 42 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

typisch Deutsch. Da bin ich doch lieber brav und<br />

spiessig. Auf eure Charakterstärken können wir verzichten.<br />

All you want is my arse!<br />

Du, du setzt dich mit fremden Leuten an einen Tisch…<br />

Und weil du den nicht kriegen kannst, machst du<br />

daraus eine Staatsaffäre. Hau doch ab in deine blöden<br />

Berge, wenn du nicht mitkommst, mit dem Leben.<br />

…ich meine du setzt dich zu anderen Leuten an den<br />

gedeckten Tisch und rauchst innert kürzester Zeit aus<br />

jeder Schachtel, trinkst den Wein gleich aus allen<br />

erreichbaren Gläsern.<br />

Das war vor drei Jahren, du Idiot.<br />

Ha, ha! Du nimmst und nimmst…<br />

Weil es mir so wahnsinnig schlecht ging, weil du…<br />

weil du mein Kind nicht wolltest!<br />

Du wolltest mich nicht!<br />

Du wolltest mein Kind nicht!<br />

heftig. Das wolltest du nur gegen mich.<br />

Bitte beherrsche dich.<br />

Und du? Warum beherrscht die sich nie?<br />

Schlag mich doch!<br />

Genau das willst du ja.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Und du wagst es nicht.<br />

Du weisst, dass ich stärker bin.<br />

Nicht mal deine einzige Überlegenheit weisst du Klotz<br />

zu nutzen.<br />

Hör auf!<br />

Komm, komm! Schlag mich ins Gesicht!<br />

- 43 -


Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Spuren von Gewalt<br />

Mama!<br />

Ruf sie doch endlich an, deine zartfühlende Mama aus<br />

Fels und Stein.<br />

Raus aus meiner Wohnung! Du bist total gestört, krank<br />

bist du.<br />

Die betrachtet es ja noch als Verdienst, solche Menschen<br />

wie dich in die Welt gesetzt zu haben.<br />

Selbstgerechtes Arschloch, verschwinde aus meiner<br />

Wohnung!<br />

Hysterisches deutsches Zertrümmerweib.<br />

Raus! Du fettes Schwein. Ich hasse dich, ich kann dich<br />

nicht mehr sehen. Fettes Schweizerschwein!<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

- 44 -


XI<br />

Siegerehrung. Klotz und Klara mit Blumen.<br />

Klara Ich bin noch gar nicht wach.<br />

Klotz Liebling, ich muss.<br />

Klara Noch eine Tasse Kaffee, noch einen Kuss.<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Klotz<br />

Klara<br />

Immer muss ich gehen.<br />

Komm bald zurück.<br />

Sobald ich kann.<br />

Ach, Süsser.<br />

Klara. Meine Klara.<br />

Mein grosser Klotz.<br />

Wenn ich dich anschaue.<br />

Immer fährst du weg.<br />

Ich bring' dir was mit.<br />

Was ich will?<br />

Was du willst.<br />

Das <strong>Muttermal</strong><br />

Ich dachte, du könntest mir ein Parfum mitbringen.<br />

Du musst nur sagen welches.<br />

Aber nur, wenn du willst. Es ist sehr teuer.<br />

Ein Mann muss wie ein Tiger sein.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

Und komm bitte gesund zurück.<br />

Ich freue mich jetzt schon darauf, wieder hier zu sein.<br />

Ich freue mich auch, aber so liebe ich dich auch wieder<br />

nicht.<br />

Klara, meine Klara.<br />

Klotz, mein Klotz.<br />

- 45 -


Klotz<br />

Klara<br />

Klara, ich muss.<br />

Ehe du gehst, nur noch ein letzter Kuss.<br />

© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />

Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />

Kein Aufführungsrecht.<br />

- 46 -

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