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Berliner Stimme Nr. 2 2018

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Emma: Ich finde, das ist eine Frage der<br />

Haltung. Bei uns im Politikunterricht<br />

hatten wir vor kurzem eine Abstimmung<br />

darüber, wie wichtig uns unsere Grundrechte<br />

im Alltag erscheinen. Ich war die<br />

Einzige, der ihre Grundrechte sehr wichtig<br />

waren. Natürlich sind solche Fragen<br />

im Alltag nicht präsent, weil wir sie als<br />

Selbstverständlichkeit wahrnehmen. Das<br />

sind sie aber nicht, dafür sind Menschen<br />

auf die Straße gegangen. Dass man jetzt<br />

dieses Privileg nicht nutzt, finde ich sehr<br />

schade. Da läuft etwas schief in der<br />

Gesellschaft.<br />

N<br />

E<br />

U<br />

M<br />

I<br />

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G<br />

L<br />

I<br />

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D<br />

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R<br />

Würdest du heute noch für mehr<br />

Frauenrechte auf die Straße gehen?<br />

Emma: Ja, auf jeden Fall. Es ist toll, dass<br />

Frauen heute so emanzipiert sind. So<br />

wurde ich nicht erzogen. Ich bin sehr<br />

dankbar, dass ich selbst entscheiden<br />

kann, ob ich mir ein Tattoo stechen lasse.<br />

In meiner Freizeit spiele ich Hockey. In<br />

der Mannschaft bin ich die einzige Frau.<br />

Das wird toleriert, trotzdem gibt es unterschwellig<br />

immer wieder Vorurteile gegen<br />

mich als schwaches Geschlecht. Allein<br />

der Umstand, dass wir eine Frauenquote<br />

brauchen, ist ein Indiz dafür, dass noch<br />

einiges im Argen liegt. Im Unterricht gibt<br />

es Lehrer, die schon mal einen flotten<br />

Spruch machen, so nach dem Motto: „Ihr<br />

braucht ja gar kein Abitur. Hauptsache,<br />

ihr bekommt Kinder und kümmert euch<br />

um sie“. Ich komme aus einer Familie mit<br />

sehr wenig finanziellen Möglichkeiten.<br />

Dadurch habe ich gelernt, wie wichtig es<br />

ist, eigenes Geld zu verdienen und unabhängig<br />

zu sein. Eine meiner Freundinnen<br />

kommt aus einem sehr wohlhabenden<br />

Elternhaus. Ihr wird zu Hause gesagt,<br />

dass sie das Abi nicht braucht. Sie solle<br />

OBEN<br />

Maria traf in der Nacht zum 3. Oktober 1990 Willy Brandt<br />

auf den Stufen des Reichstages. Stolz zeigt sie das Foto,<br />

auf dem sie neben dem Altkanzler zu sehen ist.<br />

sich lieber darauf konzentrieren, schön<br />

auszusehen, um später einen reichen<br />

Mann zu finden.<br />

Maria: Man denkt gar nicht, dass es<br />

heute noch solche Denkweisen gibt.<br />

Wie war das früher bei euch zu Hause?<br />

Wie wurdet ihr erzogen?<br />

Maria: Ich habe leider keinen Beruf erlernen<br />

dürfen und es hat mir in meinem<br />

ganzen Leben sehr geschadet. Ich hatte<br />

eine ältere Freundin, die bei der Krankenkasse<br />

arbeitete, und so etwas hätte ich<br />

mir auch gut vorstellen können. Aber<br />

mein Vater sagte: „Nein, das kommt<br />

nicht in Frage“. Ich solle zuhause bleiben<br />

und meiner Mutter zur Hand gehen.<br />

Ich durfte schlichtweg nichts werden.<br />

18 BERLINER STIMME

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