Diplomarbeit_Hermann_Grab
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H S W — > HOCHSCHULE FÜR WIRTSCHAFT LUZERN<br />
I W I — > INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSINFORMATIK<br />
Nachdiplomstudium zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, NDS BWK<br />
Integrales Management operationeller<br />
Risiken zur Verhinderung<br />
wirtschaftskriminellem Verhalten<br />
<strong>Diplomarbeit</strong><br />
eingereicht am 15. Januar 2003<br />
von<br />
<strong>Hermann</strong> <strong>Grab</strong><br />
Betriebsökonom HWV<br />
NDS BWK, Klasse 1<br />
betreut von<br />
lic. iur. Christian Weber (Tutor)<br />
Karl Renggli, dipl. Wirtschaftsprüfer (<strong>Diplomarbeit</strong>sbetreuer)
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<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Kurzfassung (Summary) 4<br />
2 Unternehmung und Risiko 6<br />
2.1 Wieso Risiko 6<br />
2.2 Ein funktionierender Finanzplatz 7<br />
3 Die Vorreiterrolle der Finanzinstitute in der Risikobewirtschaftung 8<br />
3.1 Risikofelder einer Bank 8<br />
3.2 Internationale bankenaufsichtsrechtliche Eigenkapitalstandards 9<br />
3.2.1 Basler Eigenkapitalanforderungen 9<br />
3.2.2 Weltweite Entwicklung 10<br />
3.3 Risikoorientierte-Ertragssteuerung zur Steigerung des Unternehmenswertes 11<br />
3.4 Risikomessung 12<br />
3.4.1 Allgemeine Messmethoden 13<br />
3.4.2 Marktrisiko 13<br />
3.4.3 Kreditrisiko 15<br />
3.4.4 Operationelles Risiko 17<br />
3.5 Integrales Risikomanagement 18<br />
4 Operationales Risikomanagement zur Verhinderung wirtschaftskrimineller Erscheinungen in<br />
Unternehmungen 19<br />
4.1 Definition des „Operational Risk“ 19<br />
4.2 Management operationeller Risiken 21<br />
4.3 Quantifizierung des Operational Risk 24<br />
4.4 Allokation von ökonomischem Eigenkapital 24<br />
4.5 Gestaltung des risikoadäquaten Eigenkapitals und ausreichender Liquidität 26<br />
5 Integrales Risikomanagement zur Sicherung eines funktionierenden Wirtschaftsplatzes 28<br />
5.1 Firmenzusammenbrüche mit “kriminellem” Charakter 28<br />
5.2 Die Verhinderung wirtschafskriminellem Verhalten bzw. von Unternehmenszusammenbrüchen 28<br />
5.2.1 Eigenmittelunterlegung 29<br />
5.2.2 Versicherungslösung / Abwälzung auf Dritte 29<br />
5.2.3 Kontrolle / Anreize 30<br />
5.3 Ansätze für ein integrales Management operationeller Risiken 30<br />
5.3.1 Integral-Cash-Risk-Exposure-Model (ICREM) 30<br />
5.3.2 Risikoadäquates Unternehmenswert-Steuerungssystem 32<br />
5.4 Die wichtige Rolle des Wirtschaftsprüfers 33<br />
5.5 Auswirkungen auf Wirtschaftskriminalität 33
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<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
6 Abbildungsverzeichnis I<br />
7 Literaturverzeichnis II<br />
8 Materialien V<br />
9 Anhang VI<br />
9.1 Anhang 1: Bemessungsmöglichkeiten operationeller Risiken nach Basel II VI<br />
9.2 Anhang 2: Instrumente zur Bewertung operationeller Risiken VII<br />
9.3 Anhang 3: Schlüsselkomponenten operationeller Risiken VIII<br />
9.4 Anhang 4: Risikoadäquates Unternehmenswert-Steuerungssystem IX
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<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
1 Kurzfassung (Summary)<br />
Das menschliche Dasein ist seit jeher Risiken ausgesetzt. Im Volksmund wird unter dem Begriff<br />
Risiko meist etwas Negatives, eine Gefahr, ein Verlustgeschäft verstanden. Dieses Empfinden ist<br />
nicht immer richtig. Geschäftliche Tätigkeiten beinhalten unterschiedliche Risiken, die jedoch<br />
nicht nur einen Verlust erwarten lassen, sondern im Gegenteil auch einen möglichen Gewinn - also<br />
eine Chance darstellen. Die Steuerung und die Quantifizierung dieser Risiken ist die Kernaufgabe<br />
des Risikomanagements, welches in der Vergangenheit vorwiegend von der Versicherungs- und<br />
Bankwirtschaft betrieben wurde. Um einen funktionsfähigen Finanzplatz jederzeit aufrechterhalten<br />
zu können, erlassen die Bankenaufsichtsbehörden der führenden Industrienationen in diesem Bereich<br />
immer wieder neue regulatorische Bestimmungen.<br />
Derzeit intensiv diskutiert wird die Erweiterung der Basler Eigenkapitalvereinbarung von 1988<br />
(Basel I) mit einer Nachfolgevereinbarung (Basel II), deren Einführung für 2006 geplant ist. Ziel<br />
dieser Vereinbarungen ist es, dass Bankinstitute ihre Risiken, aufgeteilt in Markt-, Kredit- und<br />
betriebliche (operationelle) Risiken, erfassen und quantifizieren. Aufgrund der gesamthaft errechneten<br />
Risikoposition (Risk-Exposure) - nach Berücksichtigung von Diversifikationseffekten - ist<br />
die Bank gehalten, entsprechende Eigenmittel zur Abdeckung dieser Risiken zu halten. Basel II im<br />
Besonderen strebt ein nicht mehr nach Gesetz pauschal zu haltendes regulatorisches Eigenkapital<br />
an, sondern vielmehr eines, das den tatsächlichen Gegebenheiten und ökonomischen Bedürfnissen<br />
der jeweiligen Bank entspricht. Nebst der ökonomisch sinnvollen Bestimmung der benötigten<br />
Eigenmittel baut das neue 3-Säulen-Konzept von Basel II zusätzlich auf vermehrt aufsichtsrechtliche<br />
Überwachungsmöglichkeiten sowie auf eine verbesserte Finanzmarktdisziplin durch erhöhte<br />
Transparenz.<br />
Den Knackpunkt der neuen Eigenkapitalvereinbarung für Banken stellt die Identifikation und<br />
Quantifizierung der betrieblichen bzw. operationellen Risiken dar. Basel II überlässt es dem Bankinstitut<br />
aus zwei möglichen Verfahren zu wählen (Basisindikator-Ansatz, Standardverfahren) oder<br />
ein entprechendes zu entwickeln (internes Messverfahen). Operationelle Risiken treten einerseits<br />
beim bewussten Tätigen eines Geschäftes (aktives, inneres Risiko), andererseits auch ohne ein<br />
konkretes Tätigwerden (passives, externes Risiko) ein. Definiert werden die operationellen Risiken<br />
als mögliche Schäden, die aus einem Fehlverhalten von Menschen, Fehlern in Prozessen oder<br />
aufgrund eines externen Ereignisses (Naturkatastrophen, Delikte, Feuer, Rechtsansprüche, usw.)<br />
herrühren. Im weiteren bewegen sich die Eintrittswahrscheinlichkeiten und die erwarteten Verluste<br />
im Gegensatz zu den bekannten Markt- und Kreditrisiken nicht mehr in einer gewissen Bandbreite<br />
und können nicht mehr so einfach in einem Währungsbetrag ausgedrückt werden.<br />
Mathematisch gesehen ist eine Abbildung der operationellen Risikowerte in normalverteilten<br />
Modellen nicht mehr möglich, so dass nach neuen Ansätzen Ausschau gehalten werden muss.<br />
Operationelle Risiken sind meist Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit aber hohem<br />
Schadensausmass. Vielfach wird man zur Lösung dieser Quantifizierungsprobleme unter Umständen<br />
bei Modellen (Monte-Carlo-Simulation) der Versicherungswirtschaft fündig. Auch die moderne<br />
Finanz- und Betriebswirtschaft trägt dem neuen operationellen Risikobewusstsein Rechnung<br />
und hat in den letzten Jahren einige Instrumente geschaffen (CAPM, EVA, RAROC). Namentlich<br />
die Steuerung des Zusammenspiels zwischen Risiko, Rendite und Kapital wird zum Mittelpunkt<br />
der Betrachtung heutiger Unternehmensbewertungen. Die zur Diskussion stehenden Ansätze der<br />
neuen Eigenkapitalvereinbarung für Banken sowie die allgemeinen aktuellen finanz- und betriebswirtschaftlichen<br />
Modelle stellen die Grundlage für die vorliegende <strong>Diplomarbeit</strong> dar. Sie wurden<br />
eingehend analysiert und schliesslich auf ihre Anwendbarkeit hin für alle Unternehmungen - nicht<br />
nur Bankinstitute - überprüft und teilweise neu- bzw. weiterentwickelt.
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<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Die im Rahmen der Semesterarbeit „Unternehmenszusammenbrüche“ getätigten Untersuchungen<br />
haben gezeigt, dass Konkurse grosser Unternehmungen zumeist auf strategische Fehler und auf<br />
mangelnde Risiko- bzw. Eigenkapitalausstattung zurückzuführen sind. Delikte aus wirtschaftskriminellem<br />
Verhalten entstehen letztlich erst kurz vor dem Konkurs, indem sich verschiedene<br />
Anspruchsgruppen noch einen Vorteil verschaffen möchten. So ist aus kriminalpräventiver Sicht<br />
die Verhinderung von Konkursen bzw. mangelnder Kapitalausstattung als oberstes Ziel anzustreben.<br />
Als geeignetes Instrument hierzu bietet sich das Risikomanagement verbunden mit einer<br />
wertorientierten und nachhaltigen Unternehmensführung an. Insgesamt bleibt stets zwischen Strategierisiken<br />
(Markt-, Finanz- und Kostenrisiken) und operativen Leistungsrisiken (Kern- und Supportrisiken)<br />
zu differenzieren, wo letztlich das operative Risikomanagement ansetzt.<br />
Die vorliegende <strong>Diplomarbeit</strong> erkennt, dass der viel gelobte true-and-fair-view-Ansatz im Rahmen<br />
der internationalen Rechnungslegungsvorschriften (US-GAAP, IAS) in jüngster Vergangenheit<br />
vielfach versagt hat. Die gewünschte Transparenz konnte aufgrund der vielen Wahlrechte nicht<br />
erreicht werden. Vermehrt sollte das Instrumentarium der stillen Reserven nach OR im Sinne einer<br />
ökonomischen Risikokapitalbildung wieder in Betracht gezogen werden. Im weiteren wird postuliert,<br />
dass unter dem Aspekt einer ausreichenden Kapitalausstattung von Unternehmungen die derzeitige<br />
Liberierungs- bzw. Sacheinlagenpraxis neu geregelt werden sollte. Eine ausschliessliche<br />
Sacheinlage ohne Einbringung von Barmitteln sollte grundsätzlich nicht mehr möglich sein. In<br />
diesem Sinne sollte in Zukunft auch vom Konstrukt des „nichteinbezahlten Aktienkapitals“ Abstand<br />
genommen werden. Das Eigenkapital als Risikodeckungsmasse sollte wie folgt ökonomisch<br />
sinnvoll gestaltet werden: Einbezahltes Grundkapital, gesetzliche Reserven, gesetzliche Zusatzreserven,<br />
kalkulierte Risikokosten für erwartete Verluste, Risikokosten für nicht erwartete Verluste,<br />
stille Reserven sowie ein allfälliges Nachtragskapital für noch nicht einbezahltes Grundkapital.<br />
Nebst der genügenden Kapitalausstattung darf ausserdem der Aspekt der ausreichenden Liquidität<br />
nie vernachlässigt werden. Mit dem Begriff der „liquiden Mittel“ ist insbesondere in Krisenzeiten<br />
vorsichtig umzugehen. Ein beispielsweise aus Liquiditätsgründen gehaltenes Aktienportfolio kann<br />
sich nämlich innert kürzester Zeit halbieren, was uns gegenwärtig viele Beispiele zeigen.<br />
Unter dem Begriff des Integralen Managements sollen geeignete betriebswirtschaftliche<br />
Instrumente und Ansätze zu einem umfassenden System vereinigt und nutzbar gemacht werden.<br />
Die <strong>Diplomarbeit</strong> zeigt neue Modelle zur ökonomisch sinnvollen Eigenkapitalausstattung und<br />
wertorientierten Unternehmensführung auf. Das Integral Cash-Risk-Exposure-Model (ICREM)<br />
veranschaulicht den Zusammenhang zwischen Betriebsrisiken und deren Unterlegungsmittel,<br />
welche zu einem unternehmensadäquaten Satz verzinst werden. Zur Abdeckung der expliziten<br />
Risikokosten wird ein Risiko-Deckungskapital (Risk-Exposure-Cash-Capital (RECC)) vorgeschlagen,<br />
das durch eine Überkalkulation in den Produktepreisen finanziert werden soll. Den Abschluss<br />
bildet schliesslich die Erarbeitung eines integralen risikoadäquaten Unternehmenswert-<br />
Steuerungssystems, welches das Risikokapital-Modell in eine wertschaffende Gesamtunternehmensführung<br />
integriert. In diesem ganzheitlichen Ansatz werden sämtliche Unternehmensbereiche<br />
ausgehend von der Bilanz und Erfolgsrechnung vereinigt. Assets-Risiken, Risiken aus Markterlösen,<br />
Human-Capital-Kosten, Prozesskosten sowie der operative Cashflow finden Eingang in diese<br />
Modellbetrachtung, wodurch ein unternehmensweites Risiko-Führungsinstrument entsteht. Zur<br />
Vervollständigung der Bewältigung operationeller Risiken wird nebst den vorgestellten Modellen<br />
zur Selbstragung der Risiken auch die Möglichkeit der Risikoabwälzung auf Dritte (Versicherungslösung)<br />
nicht ausser Acht gelassen. Die Arbeit präsentiert eine zeitgemässe theoretische Lösung<br />
mittels derivativer Instrumente. So sollte ein Unternehmen beispielsweise am Kapitalmarkt<br />
oder bei einer allfälligen Aufsichtsbehörde (Eidgenössische Unternehmenskommission) einen entsprechenden<br />
Put für ihr Risiko erwerben können. Ein Anstieg des Risk-Exposure würde dadurch<br />
automatisch eine Nachschusspflicht liquider Mittel für die Unternehmung nach sich ziehen, wodurch<br />
die Risiken durch die Unternehmung bewusst eingegangen und finanziert würden.
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<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
2 Unternehmung und Risiko<br />
2.1 Wieso Risiko<br />
E.J. Smith schrieb im Jahre 1907 auszugsweise Folgendes 1 :<br />
Wenn mich jemand fragt, wie ich am besten meine Erfahrungen aus 40<br />
Jahren auf hoher See beschreiben würde, so könnte ich diese Frage lediglich<br />
mit 'unspektakulär' beantworten. Natürlich gab es schwere Stürme,<br />
Gewitter und Nebel, jedoch war ich nie in einen Unfall jeglicher Art verwickelt,<br />
der es wert wäre, über ihn zu berichten. Ich habe während dieser<br />
langen Zeit kaum ein Schiff in Seenot erlebt ... Ich habe weder ein Wrack<br />
gesehen noch bin ich selbst in Seenot geraten oder habe mich sonst in einer<br />
misslichen Lage befunden, die in irgendeiner Form drohte zum Desaster<br />
zu werden.<br />
Am 14. April 1912 lief der britische Luxusdampfer Titanic kurz vor Mitternacht auf der Jungfernfahrt<br />
von Liverpool nach New York auf einen Eisberg auf und sank. Das Schiff galt wegen seiner<br />
16 wasserdichten Abteilungen als unsinkbar, unglücklicherweise durchbohrte der Eisberg fünf<br />
davon. Von den 2220 Personen kamen 1513 ums Leben ... einer davon war der Kapitän. Sein Name:<br />
E.J. Smith.<br />
Dieses eindrückliche Beispiel veranschaulicht die Problematik beim Umgang mit Risiken eindrücklich.<br />
Sie sind jedem menschlichen Vorhaben inhärent, so auch der unternehmerischen Tätigkeit.<br />
Es ist eine Binsenwahrheit, dass man ohne den Eingang von Risiken keinen Ertrag erzielen<br />
kann. Jeder Unternehmer geht mit seiner Tätigkeit Ungewissheiten bzw. eben Risiken ein, denn er<br />
weiss nicht, ob er seine Ziele in der Zukunft auch tatsächlich verwirklichen kann. Für das Tragen<br />
dieses Risikos wird er bzw. sein Aktionär mit einer entsprechenden Risikoprämie entschädigt.<br />
Würden nämlich sämtliche Personen einer Volkswirtschaft ihr Vermögen nur noch in risikolose<br />
Staatsanleihen investieren und niemand wäre mehr bereit sich als Aktionär oder Unternehmer zu<br />
betätigen, käme die Wirtschaft des Landes zum Erliegen. Auf solchen Überlegungen beruht das<br />
von Sharpe, Lintner und Mossin im Jahre 1964 entwickelte Capital Asset Pricing Model (CAPM),<br />
welches theoretisch den Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko aufzeigt. Mit dem CAPM<br />
kann der risikoadäquate Preis eines Anlageinstrumentes modellartig bestimmt werden 2 . Dieses<br />
Modell hat heute sehr stark an Bedeutung gewonnen. Investitionsentscheide werden nicht mehr nur<br />
auschliesslich anhand des zu erwartenden Ertrages sondern auch unter Berücksichtigung des einzugehenden<br />
Risikos gefällt. Dies bedingt, dass man nicht nur den künftigen Ertrag sondern parallel<br />
dazu das zu tragende Risiko bewerten muss, was je nach Anlageart nicht immer einfach ist.<br />
Im Rahmen der Semesterarbeit "Unternehmenszusammenbrüche" 3 wurde festgestellt, dass dem<br />
richtigen Management der Eigenmittel eines Unternehmens, wie auch einem funktionierenden Risikomanagement<br />
im Rahmen eines Frühwarnsystemes existenzielle Bedeutung zukommt. Der<br />
zweite Teil der vorliegenden Arbeit befasst sich intensiv mit Ausgestaltungsmöglichkeiten von<br />
Eigenmittelunterlegungen, nachdem wir uns in einem ersten Schritt dem Risikomanagement an<br />
sich zu wenden wollen. Das Risikomanagement beschäftigt sich vorerst mit der Prognose, Bewertung<br />
und Steuerung zukünftiger Ereignisse und damit mit einer Kernfrage der Betriebswirtschaftslehre<br />
überhaupt. Was kann alles passieren bzw. welche Risiken geht die Unternehmung mit ihrem<br />
Entscheid ein? Wie kann sie dieses Risiko identifizieren, bewerten und steuern? Hiermit befinden<br />
wir uns bereits inmitten der Thematik des Risk-Managements. Nebst dem Versicherungswesen,<br />
befasst sich insbesondere die Bankenwelt bereits seit einigen Jahren mit solchen Fragestelllungen,<br />
ist doch das Tragen und Umgehen mit Risiken geradezu ihr klassisches Geschäft.
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<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
2.2 Ein funktionierender Finanzplatz<br />
Die Ansprüche an die grösseren Teilnehmer - und indirekt auch an die kleineren KMU's - auf einem<br />
Finanz- und Wirtschaftsplatz nehmen stetig zu. Eine der wichtigsten Neuerungen sind die<br />
Bestrebungen im Zusammenhang mit der Corporate Governance 4 , wonach unter vielem auch die<br />
Thematik des Risk-Managements geregelt wird. Diese Bemühungen erhalten aufgrund der argen<br />
Schieflage vieler grosser Unternehmungen heute besonders an Bedeutung. Ausserdem fordern Gesetzgeber,<br />
Selbstregulierungsorganisationen sowie aus aktuellen Anlässen auch die Öffentlichkeit<br />
(Medien, Kleinaktionäre, Mitarbeiter) von den Publikumsgesellschaften erhöhte Transparenz sowie<br />
eine effizientere Unternehmensorganisation und -kontrolle. Dabei geht es auch um die Frage,<br />
wie der Verwaltungsrat seine unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben im Sinne von Art.<br />
716a OR wahrnimmt (u.a. die Definition adäquaten Risiko-Managements) und welche Verantwortung<br />
und schliesslich Haftung daraus abgeleitet werden kann. Es werden Forderungen vergleichbar<br />
mit dem KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom April<br />
1998) in Deutschland laut, wonach von Unternehmungen verlangt wird, gemäss § 91 II AktG (Aktiengesetz)<br />
Risikoüberwachungssysteme einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende<br />
Entwicklungen frühzeitig erkannt werden. Ein angemessenes Risiko-Management ist<br />
somit Bestandteil der Sorgfaltspflichten eines Vorstandes oder GmbH-Geschäftsführers. Im Falle<br />
einer Unternehmenskrise hat der Vorstand basierend auf § 93 II AktG zu beweisen, dass er sich<br />
objektiv und subjektiv pflichtgemäss verhalten hat. Konkret heisst dies, dass er nachweisen muss,<br />
Massnahmen zur Risikofrüherkennung und zur Risikoabwehr getroffen zu haben 5 .<br />
Risiken tragen alle Unternehmungen eines Finanzplatzes. Eine besondere Rolle aber kommt den<br />
Banken zu. Die seit langem bestehende Regulierung der Banken, die in allen Industrienationen<br />
ausgeprägt ist, spiegelt die enorme gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Finanzplatzes und seine<br />
Risikoanfälligkeit wider. Neben den aktienrechtlichen oder standesrechtlichen Vorschriften spielen<br />
auch bankengesetzliche Bestimmungen wie beispielsweise Art. 9 BankV 6 für das Risiko-<br />
Management eine zentrale Rolle. Vielfach gehen erhebliche volkswirtschaftliche Krisen vom Bankensystem<br />
aus. So zeigte die Japankrise oder der Zusammenbruch der Long Term Capital Management<br />
Fonds 7 im Zusammenhang mit den Unsicherheiten an den Kapitalmärkten 1998, dass sich<br />
auch in banknahen Branchen grosse systemische Risikopotenziale bilden können. Risikomanagement<br />
in Banken ist zum einen eine Auflage, die aufgrund von bankaufsichtsrechtlichen Normen<br />
und Verordnungen zu erfüllen ist, und zum anderen eine unverzichtbare Kernkompetenz. Risikomanagement<br />
ist die erfolgskritische Grundlage des bankwirtschaftlichen Handelns. Dies wird auch<br />
dadurch gekennzeichnet, dass sich die volkswirtschaftliche Funktion der Banken in den vergangenen<br />
Jahren von der traditionellen Rolle als Finanzintermediär zu der eines Risikointermediärs gewandelt<br />
hat. Die Banken sind bemüht, Risiken zu evaluieren und allenfalls an Dritte weiterzugeben.<br />
Bei aller Risikooptimierung kann es jedoch nicht Ziel bankbetrieblichen Handelns sein,<br />
sich sämtlicher Risiken zu entledigen. Vielmehr müssen zur Generierung einer adäquaten unternehmerischen<br />
Rendite Risiken in den Büchern der Bank verbleiben. Der Wettbewerbsvorteil der<br />
einzelnen Bank besteht dann darin, Einzelrisiken besser schätzen und bewerten zu können als die<br />
übrigen Marktteilnehmer und darüber hinaus Portfolioeffekte 8 bei der Risikonahme nutzen zu<br />
können. Die in den Büchern der Bank verbleibenden Risiken sind mit Eigenkapital zu unterlegen.<br />
Dies stellt einerseits ein betriebswirtschaftliches Bedürfnis, andererseits auch eine regulatorische<br />
Notwendigkeit dar, worin die Haftungs- und Geschäftsbegrenzungsfunktion des Eigenkapitals zum<br />
Ausdruck kommt. Das Eigenkapital stellt im bankbetrieblichen Wachstumsprozess einen entscheidenden<br />
Knappheitsfaktor dar, auf dem die gesamte Führungssystematik aufbauen sollte.<br />
Zu bemerken ist noch, dass es nicht von ungefähr kommt, dass der Finanzsektor - insbesondere die<br />
Banken - einer enormen Regelungsdichte untersteht. Von einem intakten und sicheren Finanzsystem<br />
hängt die gesamte Volkswirtschaft ab. In diesem Sinne übernehmen die Banken zugleich eine<br />
indirekte Regelungsfunktion für alle wirtschaftenden Unternehmen, egal welcher Grösse.
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<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
3 Die Vorreiterrolle der Finanzinstitute in der Risikobewirtschaftung<br />
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, sind die Erkenntnisse in der Bewirtschaftung von Risiken in<br />
der Bankenwelt heute weit fortgeschritten. Aufgrund dessen wollen wir uns in diesem Kapitel die<br />
Tätigkeiten der Banken in diesem Bereich, sei es aufgrund aufsichtsrechtlicher Vorschriften oder<br />
aufgrund ihrer eigenen betriebwirtschaftlich motivierten Bemühungen, etwas genauer betrachten<br />
und die gewonnenen Erkenntnisse übernehmen bzw. weiter entwickeln.<br />
3.1 Risikofelder einer Bank<br />
Grundlage eines aktiven Risiko-Managements ist zunächst die Identifikation der einzelnen Risikoarten.<br />
Das grösste und bekannteste Risiko der Banken ist das Kreditrisiko in der Form des Bonitäts-<br />
oder Ausfallrisikos. Die Beherrschbarkeit des Bonitätsrisikos wird u.a. dadurch erschwert,<br />
dass der Informationsstand über die Bonitätsbeurteilung von Kreditnehmern ohne Rating durch<br />
den Markt gering ist und Daten nur mit zeitlicher Verzögerung und mit dem guten Willen betreffend<br />
Transparenz des Kreditnehmers zur Verfügung stehen. Die zweite Hauptrisikoart im bankbetrieblichen<br />
Umfeld ist das Marktrisiko. Dieses ergibt sich aus den Preisveränderungen auf den<br />
Zins-, Aktien-, Rohwaren- und Devisenmärkten und hat durch den Einsatz von Derivaten eine<br />
noch grössere Bedeutung erfahren. Mit den derivativen Instrumenten besteht nicht nur die Möglichkeit,<br />
Risiken aus den Basisinstrumenten zu hedgen, vielmehr können auch neue Risikopositionen<br />
aufgebaut werden. Diese beiden Risikoarten werden bereits heute bei allen Bankinstituten intensiv<br />
bewirtschaftet. Die entsprechenden Instrumente, wie EDV-Hard- und Software oder mathematische<br />
Modelle, stehen zur Verfügung und haben sich meist standardisiert.<br />
Anders hingegen sieht es bei der am schwierigsten zu quantifizierenden Risikoart aus, dem operationellen<br />
bzw. operativen Risiko. Hierbei handelt es sich um Risiken, worin die Gefahr z.B. in<br />
einer Betriebsunterbrechung, in Bearbeitungsfehlern, in Reputationsschäden, in Gewaltdelikten<br />
oder Haftungsmöglichkeiten besteht. Die Schwierigkeit der Behandlung operationeller Risiken<br />
liegt im Fehlen statistischer Erfahrungswerte. Ausserdem sind die funktionalen Zusammenhänge<br />
zwischen Ereignis und Verlust nicht immer offensichtlich. Erschwerend kommt dazu, dass operative<br />
Risiken sehr uneinheitlich und vielfach rein zufällig auftreten und grössere Ereignisse zu<br />
enorm hohen Ausfällen - ja sogar bis zum Zusammenbruch der Bank - führen können. Der Thematik<br />
der operationellen Risiken werden wir uns im Rahmen dieser Arbeit nachfolgend noch eingehend<br />
zuwenden. Während Kredit- und Marktrisiken bewusst eingegangen werden sollen, um damit<br />
letztlich Gewinne aus der Risikoposition zu erwirtschaften, sollten operative Risiken vermieden,<br />
zumindest aber langfristig reduziert werden.<br />
Abbildung 1: Mögliche Risikoarten eines Bankinstituts<br />
Marktrisiken Kreditrisiken Operationelle Risiken<br />
Zinsänderungsrisiko Ausfallrisiko Personelle Risiken<br />
Aktienkursrisiko Ratingveränderung Systemrisiken<br />
Forex / Commodity-Risiken Länderrisiken Prozessrisiken<br />
Liquiditätsrisiko Konzentrationsrisiko Externe Risiken<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
Interessant und äusserst komplex wird schliesslich das Zusammenspiel dieser drei Risikoarten. Die<br />
Wechselwirkungen, die sich beispielsweise zwischen Kredit- und Marktrisiko entfalten können<br />
sind auch in der Asienkrise deutlich geworden 9 : Die verschlechterte Bonitätseinschätzung (erhöhtes<br />
Kreditrisiko) von Thailand und Indonesien führte zu einem Kapitalabzug aus diesen Ländern<br />
und damit zur Schwächung der jeweiligen nationalen Währungen. Dies erhöhte wiederum die Devisenmarktrisiken<br />
in diesen Währungen (erhöhtes Marktrisiko), was im Gegenzug wieder das Kreditrisiko<br />
für diese Länder (Transferrisiko) erhöhte.
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<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Diese Beispiele zeigen, dass Banken nicht nur verschiedenen Risikoarten ausgesetzt sind, sondern<br />
dass diese auch in Risikoketten miteinander verknüpft sein können. Die Durchdringung solcher<br />
Risikoketten muss Aufgabe von Frühwarnsystemen und damit des Risikomanagements sein. Damit<br />
die Banken diese Risiken auch tragen können, müssen sie entsprechend ihrem Risiko-Exposure 10<br />
die nötigen eigenen Mittel halten. Damit sich hierbei keine Bank für eine Zinskosten-Ersparnis und<br />
somit einen Wettbewerbsvorteil aufgrund einer zu knappen Eigenmittelhaltung zu Lasten der Risikofähigkeit<br />
entscheiden kann, wird die Höhe des notwendigen Eigenkapitals einer Bank aufsichtsrechtlich<br />
geregelt.<br />
3.2 Internationale bankenaufsichtsrechtliche Eigenkapitalstandards<br />
Die bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen geben derzeit zur Ermittlung der Mindestkapitalausstattung<br />
nur grobe Berechnungsmethoden (bei Marktrisiken etwas verfeinerter als bei Kreditrisiken)<br />
vor. Als Steuerungsgrösse kommt dem regulatorischen Eigenkapital eine Begrenzungsfunktion<br />
im Sinne einer einzuhaltenden Nebenbedingung zu. Den Massstab setzt hier die Basler Eigenkapitalvereinbarung,<br />
worauf wir nachfolgend zum allgemeinen Verständnis näher eingehen wollen.<br />
3.2.1 Basler Eigenkapitalanforderungen<br />
Der Hauptanstoss für die Basler Eigenkapitalvereinbarung von 1988 war die Besorgnis der Zentralbankpräsidenten<br />
der G10-Länder 11 , dass das Eigenkapital der wichtigsten Banken weltweit aufgrund<br />
des anhaltenden Verdrängungskampfes im Banksektor auf einen gefährlich tiefen Stand gefallen<br />
war. Banken benötigen Eigenkapital, um Verluste abzufedern und es stellt für die Eigentümer<br />
einen Anreiz dar, ihre Geschäfte auf umsichtige Weise zu tätigen. 1975 wurde von dieser<br />
Zehnergruppe, der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht ins Leben gerufen, welcher sich dieser<br />
Problematik annehmen sollte. Der Ausschuss tritt in der Regel bei der Bank für Internationalen<br />
Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel zusammen, wo sich auch sein ständiges Sekretariat befindet.<br />
Die Eigenkapitalvereinbarung von 1988 verlangt von den international tätigen Banken in den G10-<br />
Ländern, dass sie im Verhältnis zu einem Korb von Aktiven, die je nach Risikogehalt unterschiedlich<br />
gemessen werden, zumindest 8 % Eigenkapital halten. Die zwei Hauptziele der Eigenkapitalvereinbarung<br />
waren die Sicherung einer angemessenen Eigenkapitalausstattung im internationalen<br />
Bankwesen und die Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen, so dass Banken ihr Geschäft<br />
ohne angemessene Eigenkapitalunterlegung nicht mehr weiter ausbauen konnten. Diese beiden<br />
Ziele sind erreicht worden. Die Verdienste der Eigenkapitalvereinbarung wurden allgemein<br />
anerkannt, und in den neunziger Jahren wurde sie zum international akzeptierten Standard, der in<br />
weit über 100 Ländern im Bankwesen Anwendung fand. Es gab aber auch weniger erfreuliche Erkenntnisse.<br />
Die aufsichtsrechtlichen Eigenkapital-anforderungen stehen im Widerspruch zu den<br />
zunehmend verfeinerten bankinternen Methoden zur Messung des ökonomischen Kapitals. Der<br />
ursprüngliche Ansatz mittels einfacher Risikogewichte, mit einer unveränderten 8 %-Quote für<br />
Forderungen gegenüber dem privaten Sektor, veranlasste Banken dazu, werthaltige Aktiven aus<br />
der Bilanz zu entfernen, was zur Folge hatte, dass die durchschnittliche Qualität der Bankkreditportfolios<br />
sank. Ausserdem anerkennt die Eigenkapitalvereinbarung von 1988 die Methoden zur<br />
Minderung des Kreditrisikos wie Sicherheiten und Garantien nur ungenügend. Dies sind die<br />
Hauptgründe, weshalb der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht im Juni 1999 eine risikogerechtere<br />
Regelung beschloss.<br />
Dieser Neuvorschlag des sogenannten Basler-Akkords II enthielt drei grundlegende Neuerungen,<br />
die alle auf eine risikogerechtere Ausrichtung der Eigenkapitalvereinbarung abzielten. Die erste<br />
bestand in der Ergänzung des geltenden quantitativen Standards mit zwei zusätzlichen Säulen (Pillars),<br />
der Überprüfung durch die Aufsicht und der Marktdisziplin. Dadurch sollte die Bedeutung<br />
der quantitativen 1. Säule durch einen ausgewogenen Ansatz zur Eigenkapitalbeurteilung verringert<br />
werden. Die zweite Neuerung war, dass es Banken mit fortgeschrittenem Risikomanagement<br />
erlaubt wäre, anstatt der standardisierten Risikogewichte für jede Anlagekategorie ihre internen
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<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Systeme für die Beurteilung des Kreditrisikos (sog. Interne Ratings) zu verwenden. Die dritte<br />
grundlegende Neuerung war, den Banken zu gestatten, die Ratings anerkannter externer Bonitätsbeurteilungsinstitute<br />
zu verwenden, um ihre Forderungen gegenüber Wirtschaftsunternehmen und<br />
Banken anhand von drei Risikogewichten zu klassifizieren. Ausserdem gab es eine Anzahl weiterer<br />
Vorschläge zur Verfeinerung der Risikogewichtungen und zur Einführung von Eigenkapitalanforderungen<br />
für andere Risiken (operationelle Risiken). Die grundlegende Eigenkapitaldefinition<br />
blieb jedoch unverändert.<br />
Abbildung 2: Das 3-Säulen-Konzept des neu vorgeschriebenen Basler Accords<br />
Grundkonzept von Basel II<br />
Regulatorische Eigenmittelunterlegung<br />
Überwachung der Kapitalunterlegung<br />
durch Aufsichtsbehörden<br />
Effiziente Nutzung der Marktdisziplin<br />
• Eigenmittelunterlegung von<br />
Marktrisiken im Handelsbuch<br />
• Eigenmittelunterlegung von Kreditrisiken<br />
• Eigenmittelunterlegung von operationellen<br />
Risiken<br />
• Möglichkeit zum Zwang der Haltung<br />
höherer Eigenmittel<br />
• Beurteilung des bankinternen Kapitalallokationsprozesses<br />
• Verbesserung der Offenlegungspraxis<br />
• Marktteilnehmer sollen Eigenkapitalausstattung<br />
von Banken besser<br />
beurteilen können<br />
• Marktdisziplin verstärken<br />
PILLAR I PILLAR II PILLAR III<br />
Quelle: In Anlehnung an „Operational Risk Management als kritischer Erfolgsfaktor für Banken“, Dean Jovic und Jean-Marc<br />
Piaz, www.risk.sungard.com<br />
Nachdem im Juni 1999 das erste Konsultationspapier herausgegeben wurde, befindet sich seit Januar<br />
2001 das zweite Konsultationspapier zur Vernehmlassung im Umlauf. Aufgrund der verschiedenen<br />
Anregungen wird es so sein, dass Ende 2002 ein überarbeitetes drittes Konsultationspapier<br />
in die Vernehmlassung geschickt wird. Schliesslich rechnet man mit der Inkraftsetzung des<br />
neuen Kapital-Accords in der Schweiz im Jahr 2006.<br />
3.2.2 Weltweite Entwicklung<br />
Die Basler Eigenkapitalvereinbarung aus dem Jahre 1988 wurde Ende der 90er Jahre weltweit akzeptiert<br />
und in die örtlichen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen übernommen. Dadurch bestehen<br />
für international tätige Banken global die gleichen Spielregeln und somit faire Wettbewerbsbedingungen.<br />
Es ist davon auszugehen, dass diese Länder alle die neuen Bestimmungen aus dem Basel-<br />
Accord II übernehmen und in ihre nationalen Regelungen transferrieren werden. Im angelsächsischen<br />
Raum wird zwar Skepsis an der vorgesehenen vermehrten Aufsicht und Transparenz geäussert,<br />
und diese als kontinentaleuropäische Regulierungswut abgetan. Dies ist nicht weiter verwunderlich,<br />
wenn man bedenkt, dass hierbei zwei „Weltbilder“ aufeinanderpra llen. Auf der einen Seite<br />
die europäische Philosophie mit kodifizierten und möglichst detaillierten Regelungen; auf der anderen<br />
Seite die angelsächsische Vorstellung, dass die Marktteilnehmer am besten geeignet und<br />
selbst stark genug sind, sich durch Wahrnehmung ihrer Informationsrechte zu helfen 12 .
Seite -11-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
3.3 Risikoorientierte-Ertragssteuerung zur Steigerung des Unternehmenswertes<br />
Die von der Bank eingegangenen Risikopositionen sind mit Eigenkapital zu unterlegen. Mit der<br />
Risiko- und Eigenkapitalallokation wird auch eine Entscheidung darüber getroffen, in welchen<br />
Geschäftsfeldern Eigenmittel eingesetzt werden, mithin in welchen Bereichen mehr oder weniger<br />
Wachstum angestrebt wird. Die Kapitalallokation kann nicht alleine aufgrund von Erlös- und<br />
Kostenerwartungen für die einzelnen Geschäftsfelder entschieden werden. Vielmehr muss der Allokationsprozess<br />
auf einem risikoadjustierten Kapitalbegriff 13 aufbauen. Ziel ist, eine effiziente<br />
Ressourcenallokation zur Steigerung der Rentabilität, d.h. ein Einsatz der Eigenmittel in Geschäftsfeldern<br />
oder Projekten, durch die der Unternehmenswert gesteigert werden kann. Somit<br />
schlägt sich ein wirkungsvolles Risikomanagement in einem höheren Wert der Unternehmung nieder.<br />
An dieser Stelle soll nur auf einige Instrumente eingegangen werden, welche heute von Bedeutung<br />
sind und im allgemeinen Unternehmensumfeld - also nicht nur bankspezifisch - eingesetzt<br />
werden.<br />
Die Unternehmensplanung und damit die künftige Entwicklung von Unternehmen ist mit Unsicherheiten<br />
behaftet, sie wird beeinflusst von Gefahren und Chancen. Diese Chancen und Gefahren<br />
zu identifizieren und zu bewerten, ihre Auswirkungen auf die Kapitalkosten und damit auf den<br />
Unternehmenswert zu zeigen, ist die Aufgabe des Risiko-Managements. Als entscheidende Kennzahl<br />
zur wertorientierten Unternehmensführung hat sich der Economic Value Added (EVA) entwickelt.<br />
Er dient zur Messung der Wertschaffung in einer Periode im Unternehmen, berechnet als<br />
Differenz aus dem operativen Geschäftsergebnis 14 und den Kapitalkosten auf dem investierten<br />
Kapital. Die Kapitalkosten werden bestimmt aus dem Produkt des Kapitalkostensatzes (WACC) 15<br />
und dem investierten Kapital. Ziel des EVA-Ansatzes ist es, Unternehmensentscheidungen zu fördern,<br />
die den Wert des Unternehmens nachhaltig steigern und deren Wertentwicklung transparent<br />
darzustellen. Eine weitere aussagekräftige Rendite-Kennzahl stellt die sogenannte risikoadäquate<br />
Rendite auf dem investierten Kapital (RAROC) 16 dar. Hierbei wird vom erzielten operativen Ergebnis<br />
der erwartete Verlust abgezogen und sodann zum ökonomischen Kapital 17 ins Verhältnis<br />
gesetzt:<br />
Erlöse - Kosten - Erwarteter Verlust<br />
RAROC =<br />
ökonomische Kapital<br />
Für die Berechnung des RAROC sind die<br />
erwarteten von den unerwarteten Verlusten<br />
zu unterscheiden. In der Abbildung 3<br />
sind auf der x-Achse die absoluten Verluste<br />
und auf der y-Achse die Eintrittswahrscheinlichkeiten<br />
der jeweiligen Verlusthöhe<br />
abgetragen. Der Mittelwert dieser<br />
Wahrscheinlichkeitsfunktion ist der<br />
sogenannte Erwartete Verlust (EV). Die<br />
Risikokosten für die erwarteten Verluste<br />
müssen durch Erlöse abgedeckt sein, d.h.<br />
sie fliessen direkt in die Preissetzung in<br />
Form von Standardrisikokosten ein.<br />
Das Risiko besteht schliesslich darin, dass<br />
der tatsächlich eintretende Verlust vom<br />
Erwarteten Verlust abweicht. Der Betrag,<br />
um den der tatsächliche Verlust den Erwarteten<br />
Verlust übersteigt, nennt man<br />
den Unerwarteten Verlust (UV). Dieser<br />
Abbildung 3: Darstellung des erwarteten und unerwarteten Verlustes<br />
Quelle: „Zur strategischen Bedeutung des Risikomanagements für die Kr e-<br />
ditinstitute“ von Jürgen Krumnow, Handbuch Risikoman agement, Lutz<br />
Johanning und Bernd Rudolph, Uhlenbruchverlag 2000, Seite 695
Seite -12-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
verändert sich entsprechend der Schwankungsbreite des tatsächlichen Verlustes um den Erwarteten<br />
Verlust. Der Unerwartete Verlust muss durch Risikokapital bzw. Eigenkapital abgedeckt werden.<br />
Dieser Begriff wird als ökonomisches Kapital bezeichnet. Die Höhe des ökonomischen Kapitals<br />
hängt von dem seiner Berechnung zugrunde liegenden Konfidenzniveau ab, also der Fläche unter<br />
dem rechten Ausläufer der Wahrscheinlichkeitsfunktion. Diese Fläche bildet die Verluste ab, die<br />
durch das ökonomische Kapital abgedeckt sind. Die unterschiedlichen Anforderungen an die Höhe<br />
des ökonomischen Kapitals sind in der Graphik beispielhaft für ein Konfidenzniveau von 97,5 %<br />
und 99,98 % dargestellt. Der restliche Teil von 2,5 % bzw. 0,02 % ist nicht durch Kapital gedeckt.<br />
Ein Verlusteintritt in dieser Höhe würde zum Konkurs des Unternehmens führen. Ein Konfidenzniveau<br />
von 99,98 % ist beispielsweise für ein Triple-A-Rating erforderlich.<br />
Die Verbreitung solcher risikoadäquaten Renditeüberlegungen, welche schliesslich in der Bewertung<br />
eines Unternehmens münden, fördert das risikobewusste und unternehmerische Denken<br />
aller Marktteilnehmer, sei dies bei der kreditgebenden Bank, dem Investor oder dem Unternehmer<br />
selbst. Ziel jedes Unternehmers ist es, Mehrwert in seiner Unternehmung zu schaffen und somit<br />
den Unternehmenswert zu erhöhen. Nebst der Bestimmung von Produktepreisen und der risikoadäquaten<br />
Eigenkapitalhöhe bringen solche gedankliche Auseinandersetzungen den Vorteil, dass<br />
die knappen Eigenmittel dort eingesetzt werden können, wo nach Abzug der entsprechenden Risikokosten<br />
die höchste Rendite erwartet wird. Derzeit werden in der Unternehmensberatung diverse<br />
solcher Modelle entwickelt und erprobt. Die Einführung stellt sich jedoch meist schwierig dar, da<br />
vielfach die Bereitstellung der notwendigen Daten aus dem Rechnungswesen bzw. Controlling<br />
nicht gewährleistet ist. Die beiden dargestellten Modelle sollen nur einen Einblick in diese derzeitigen<br />
Bestrebungen geben. Analog des Datenmangels für Renditemodelle fehlen auch die Daten für<br />
die Erfassung entsprechender Risiken in den meisten Unternehmungen. Aufgrund der aufsichtsrechtlichen<br />
Tendenzen (Basel-Accord), entwickeln hierbei die Banken seit längerer Zeit mögliche<br />
Ansätze. Zu beachten ist jeweils auch die grundsätzlich verschiedenen Sichtweisen von Stake- und<br />
Shareholdern. Der Shareholder erwartet eine hohe Eigenkapitalrendite, also viel Gewinn und wenig<br />
gebundenes Eigenkapital. Den Stakeholder hingegen interessiert die Sicherheit bzw. die Überlebensfähigkeit<br />
des Unternehmens, also eine möglichst hohe Eigenkapitaldecke zur Abfederung<br />
allfälliger Verluste.<br />
3.4 Risikomessung<br />
Die neue Basler Eigenkapitalvereinbarung sieht ein neues Drei-Säulen-Prinzip vor. Diese sich gegenseitig<br />
verstärkenden Säulen Mindestkapitalanforderungen (Pillar 1), Überwachungsprozess<br />
(Pillar 2) sowie die Marktdisziplin (Pillar 3) zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass eine<br />
ganze Fülle von Risikomanagement-Aspekten, wie Kreditrisikomanagement, Kreditsicherheiten,<br />
Asset- & Liability-Management, Securitisation, operationelle Risiken, Risk Reporting, teilweise<br />
detailliert thematisiert werden. Beim Aspekt der Risikomessung bewegt man sich in der Säule 1,<br />
wo es um die Mindestkapitalanforderungen für die Marktrisiken im Handelsbuch, die Kreditrisiken<br />
und die operationellen Risiken geht. Nach Basler Akkord sollen die Banken ihr Risikokapital für<br />
ihre Kreditpositionen neu entweder nach dem heute bereits verwendeten Standardverfahren, nach<br />
dem neuen IRB-Basisansatz (Foundation IRB) oder nach dem fortgeschrittenen IRB-Ansatz (Advanced<br />
IRB) quantifizieren können. Die zusätzlich neu vorgeschlagene Mindestkapitalregelung für<br />
die operationellen Risiken sieht vor, dass Banken aus drei Eigenmittel-Unterlegungsmethoden,<br />
welche sich in Komplexität und Risikosensitivität unterscheiden, auswählen können. Es handelt<br />
sich hierbei um den Basisindikator-Ansatz, das Standardverfahren oder ein bankeigenes internes<br />
Messverfahren. Grundsätzlich besteht überall dort, wo die Banken aus mehreren Unterlegungsmethoden<br />
auswählen können, die Absicht, die Wahl einer komplexeren und damit auch aufwändigeren<br />
Variante mit dem Anreiz von tieferen Eigenmittelanforderungen zu verknüpfen.
Seite -13-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Abbildung 4: Säule 1 des neu vorgeschlagenen Basler Accords<br />
Säule 1: Mindestkapitalanforderungen<br />
Eigenmittelunterlegung von Marktrisiken (unverändert)<br />
Standardverfahren<br />
Internes Modellverfahren<br />
Eigenmittelunterlegung von Kreditrisiken<br />
Standardverfahren<br />
(modifizierte Variante des heutigen Ansatzes)<br />
Foundation IRB<br />
(neu)<br />
Advanced IRB<br />
(neu)<br />
Eigenmittelunterlegung von operationellen Risiken (neu)<br />
Basisindikator-Ansatz (neu)<br />
Standardverfahren<br />
(neu)<br />
Internes Messverfahren (neu)<br />
Quelle: In Anlehnung an „Erläuternde Angaben zur Neuen Basler Eigenkapitalvereinb.“, Basler Ausschuss, Jan. 2001, Seite 3<br />
3.4.1 Allgemeine Messmethoden<br />
Um Risken allgemein überhaupt messen zu können, muss man die Risikoursachen kennen. Diese<br />
können in der Gefahr einer Fehlentscheidung, der Gefahr einer Zielabweichung oder der Gefahr<br />
eines unvollkommenen Informationszustandes liegen. Demnach ist Risiko ein Ausdruck für die<br />
Gefahr, dass das effektive Ergebnis vom gewünschten Ziel negativ abweicht. Als Mass für das<br />
Risiko dienen die Wahrscheinlichkeit des Eintritts und die Höhe der negativen Abweichung, was<br />
schliesslich meist anhand von mathematischen Verteilungsfunktionen dargestellt bzw. visualisiert<br />
wird.<br />
Bewertungsmethoden können grundlegend in quantitative Methoden, wie z.B. Methoden der<br />
Wahrscheinlichkeitsrechnung und qualitative Methoden, wie z.B. die Nutzwertanalyse 18 , unterteilt<br />
werden. Qualitative Bewertungsmethoden basieren nicht auf statistischem Datenmaterial wie<br />
im Falle der quantitativen Auslegung, sondern primär auf subjektiven und erfahrungsbezogenen<br />
Einschätzungen. Quantitative Ansätze beruhen auf rechnerischen Methoden und sind nur dann<br />
anwendbar, wenn eine ausreichende risikospezifische Datenmenge vorhanden ist. Eine Bewertung<br />
ist bei quantifizierbaren Risiken leichter als bei Risiken, die eher qualitativer Natur sind, wie z.B.<br />
System-, Wettbewerbs- oder Personalrisiken. Die Vorgehensweise der Risikobewertung kann<br />
grundsätzlich entweder "bottom up" oder "top down" erfolgen. Im Fall einer "bottom up"-<br />
Vorgehensweise wird ausgehend von den Ursachen der Risiken versucht, die möglichen Folgen für<br />
das Unternehmen herzuleiten und zu bewerten. Dazu ist eine eingehende Analyse der Prozesse -<br />
insbesondere bei der Bewertung operationeller Risiken - sowie deren Korrelation erforderlich. Erfolgt<br />
die Bewertung "top down", so stehen die bekannten Folgen der Risiken für ein Unternehmen<br />
im Vordergrund. Als Konsequenz davon werden mittels interner und externer historischer Daten<br />
die gesamten Risiken geschätzt. Der Vorteil besteht in der Vergleichbarkeit der Risiken zwischen<br />
verschiedener Unternehmen.<br />
3.4.2 Marktrisiko 19<br />
Die im Regelwerk „Änderung der Eigenkapitalvereinbarung zur Einbeziehung der Marktrisiken“ 20<br />
des Basler Ausschusses im Jahre 1996 festgelegten Eigenkapitalanforderungen für die besonderen<br />
Kursrisiken im Handelsbuch können grundsätzlich entweder nach der vorgeschlagenen<br />
Standardmethode oder einem bankinternen Modell berechnet werden. Induziert durch die hohen<br />
Verluste im derivativen Geschäft, wie beispielsweise bei der in der diesjährigen NDS-
Seite -14-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
im derivativen Geschäft, wie beispielsweise bei der in der diesjährigen NDS-Semesterarbeit der<br />
Hochschule für Wirtschaft in Luzern behandelten Metallgesellschaft 21 , begannen die Banken mit<br />
der Entwicklung von Messverfahren zur frühzeitigen Erkennung hoher Risiken und zum Management<br />
der Risikopositionen. Die führenden internationalen Grossbanken empfahlen 1993, die<br />
Marktrisiken im derivativen Geschäft mit dem Value-at-Risk (VaR) zu messen. Durch die potenzielle<br />
Anerkennung der VaR-Modelle für die bankaufsichtliche Eigenkapitalunterlegung zunächst<br />
durch den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (als anerkanntes bankinternes Modell) und anschliessend<br />
durch die Europäische Union und die nationalen Bankenaufsichtsbehörden, hat diese<br />
Kennzahl enorm an Popularität gewonnen. Der VaR wird heute selbst für Kreditrisiken und operative<br />
Risiken teilweise berechnet und sogar bei Nichtbanken eingesetzt. Der Risikomessung für<br />
Marktrisiken ist in der Literatur bei weitem die grösste Aufmerksamkeit gewidmet worden. Dies<br />
ist darauf zurückzuführen, dass die Bewertung solcher quantifizierbarer Risiken leichter ist als bei<br />
Risiken, die eher qualitativer Natur sind, wie z.B. Standortrisiken, Wettbewerbsrisiken oder Personalrisiken.<br />
3.4.2.1 Value-at-Risk<br />
Im Bereich der (quantifizierbaren) Marktrisiken von Handelsportefeuilles haben sich in den vergangenen<br />
Jahren bestimmte Messmethoden durchgesetzt, die von verschiedenen Risikomassen<br />
ausgehen, wie z.B. der Varianz 22 oder Standardabweichung der Rendite des Handelsportefeuilles 23 ,<br />
der Ruinwahrscheinlichkeit oder<br />
dem Value-at-Risk der Marktwerte<br />
der Positionen. Alle Masse<br />
müssen das gesamte Marktrisiko<br />
der Bank im Auge haben, also die<br />
Marktrisiken aller Bücher 24 , Abteilungen<br />
und Handelsbereiche, so<br />
dass Diversifikations-effekte 25<br />
risikoreduzierend genutzt werden<br />
können. Als Risikomass steht im<br />
Folgenden der Value-at-Risk von<br />
Einzel- und Gesamtpositionen im<br />
Vordergrund der Überlegungen,<br />
weil dieses Mass in der Bankpraxis<br />
wie in der Bankenaufsicht eine<br />
herausragende Rolle spielt.<br />
Grundlage der Bestimmung des<br />
Abbildung 5: Value-at-Risk bei normalverteilten Marktwertveränderungen<br />
Quelle: Entwicklungslinien im Risikomanagement von Bernd Rudolph und Lutz<br />
Johanning in Handbuch Risikomanagement, Uhlenbruchverlage, 2000, Seite 27<br />
Value-at-Risk sind die Ermittlung des Marktwertes der betrachteten Position sowie geeignete Risikoanalysen,<br />
aus denen sich der VaR aus der abgeleiteten Wahrscheinlichkeitsverteilung ergibt.<br />
Der Value-at-Risk gibt auf der Marktwertebene einen Verlustbetrag in Franken an, der nach einer<br />
bestimmten Halteperiode (z.B. einem Tag) nur mit einer vorgegebenen geringen Wahrscheinlichkeit<br />
(p) (z.B. 1 % oder 5 %) überschritten wird. Der VaR ist also ein sehr flexibles Risikomass,<br />
weil unterschiedliche Haltedauern und Überschreitungswahrscheinlichkeiten vorgegeben werden<br />
können. Der Value-at-Risk einer Position ist das Ergebnis einer Risikoanalyse, mit deren Hilfe<br />
eine Wahrscheinlichkeitsverteilung möglicher zukünftiger Marktwerte bzw. Marktwertänderungen<br />
abgeleitet wird, für die dann der Value-at-Risk als spezielles Verteilungsquantil berechnet wird.<br />
Diese Kennzahl hat für die bankinterne Steuerung ebenso Bedeutung, wie für die bankaufsichtsrechtliche<br />
Risikobegrenzung, weil sie sich für risikobezogene Erfolgskennzahlen wie RAROC 26<br />
einsetzen lässt.<br />
Der Value-at-Risk kann je nach Art der zugrunde liegenden Risikoanalyse mit Hilfe verschiedener<br />
Verfahren berechnet werden, von denen insbesondere die historische Simulation 27 und die Monte-
Seite -15-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Carlo-Simulation 28 in der Praxis Bedeutung haben. Alle Verfahren bestimmen die Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />
der zukünftigen Gewinne oder Verluste durch die Analyse der Häufigkeit bestimmter<br />
Marktwertveränderungen des Handelsportefeuilles in der Vergangenheit. Die einzelnen<br />
Verfahren weisen Vor- und Nachteile auf, die vom besonderen Zweck der Rechnung und von der<br />
Art der zu beurteilenden Positionen abhängen. Neuere statistische Ansätze nach der Extremwerttheorie<br />
befassen sich sogar ausführlich mit der Erfassung der Enden (tails) der Verteilungen und<br />
können damit noch bessere Schätzungen der VaR-Werte erreichen.<br />
3.4.2.2 Sensitivitäts- und Szenarienanalysen<br />
Sensitivitäts- und Szenarienanalysen werden durchgeführt, um Auskunft über hypothetische<br />
Marktwerte der Einzelpositionen und der gesamten Risikoposition bei einer angenommenen Veränderung<br />
der Marktpreise, der Zinsstruktur oder der Wechselkurse um bestimmte Prozent- bzw.<br />
Basispunkte geben zu können. Hierbei können Standard- oder sogenannte Worst-Case-Szenarien 29<br />
getestet bzw. durchgerechnet werden. Marktwertveränderungen stellen im Kern Sensitivitätsanalysen<br />
dar, die durch zwei Fragestellungen geprägt sind:<br />
• Wie empfindlich reagieren die Marktwerte von Einzel- oder Gesamtpositionen auf eine<br />
Änderung der Risikofaktoren (Zinskurve, Wechselkurse, usw.)?<br />
• Um wie viel Prozent können sich die Bewertungsfaktoren ändern, damit bestimmte vorgegebene<br />
Marktwertänderungen nicht überschritten werden?<br />
Für die verschiedenen Varianten der Sensitivitätsanalysen gibt es keine dominierenden Lösungen,<br />
weil das Hauptaugenmerk der Rechnungen in unterschiedlichen Fragestellungen liegt. Die<br />
Auswertungsmöglichkeiten der Sensitivitätsanalysen sind durch die gewählten Vorgaben<br />
beschränkt. Vorgegebene Basispunktveränderungen führen zu berechenbaren Barwertgrenzen. Das<br />
Ergebnis der Analysen ist die z.B. für einen Tag oder eine Woche auf der Basis der fest<br />
vorgegebenen oder historisch bedingten Faktorsensitivitäten abgeschätzte Veränderungsgefahr des<br />
Marktwertes der risikobehafteten Positionen. Veränderungsmöglichkeiten der Einzelpositionen<br />
können ebenso aufgezeigt werden wie die Veränderungsmöglichkeiten von Gesamtpositionen.<br />
3.4.3 Kreditrisiko<br />
3.4.3.1 Standardverfahren<br />
Die Standardmethode entspricht dem Konzept der geltenden Eigenkapitalvereinbarung, weist jedoch<br />
eine risikogerechtere Ausrichtung auf. Die Bank teilt sämtlichen Aktiven und ausserbilanzlichen<br />
Positionen Risikogewichte zu und summiert die risikogewichteten Werte der Vermögenspositionen.<br />
Ein Risikogewicht von 100 % bedeutet, dass ein eingegangenes Risiko in der Berechnung<br />
der risikogewichteten Aktiven zum vollen Wert berücksichtigt wurde, und dies wiederum drückt<br />
sich in einer Eigenkapitalquote von 8 % des Wertes aus. Analog dazu führt ein Risikogewicht von<br />
20 % zu einer Eigenkapitalquote von 1,6 %. Die einzelnen Risikogewichte sind nach geltender<br />
Regelung von der allgemeinen Risikokategorie der Schuldner (d.h. Staaten, Banken oder Wirtschaftsunternehmen)<br />
abhängig. In der neuen Eigenkapitalvereinbarung sollen die Risikogewichte<br />
verfeinert werden, und zwar anhand der Bewertungen durch ein externes Bonitätsbeurteilungsinstitut<br />
(z.B. eine Ratingagentur), das strenge Standards erfüllen muss. Beispielsweise sieht die geltende<br />
Eigenkapitalvereinbarung für Unternehmenskredite ein einziges Risikogewicht von 100 % vor,<br />
während in der neuen Regelung vier Kategorien möglich sind (20 %, 50 %, 100 % und 150 %).<br />
3.4.3.2 Auf internen Ratings basierender Ansatz (IRB-Ansatz)<br />
Beim IRB-Ansatz schätzt eine Bank die Bonität sämtlicher Schuldner und überträgt die Ergebnisse<br />
in Schätzungen der zukünftigen potentiell anfallenden Verlustbeträge, die die Grundlage für Mindestkapitalanforderungen<br />
darstellen. Die neue Regelung lässt sowohl eine Basisversion (Foundation)<br />
als auch eine fortgeschrittene Methode (Advanced) für Engagements gegenüber Privatunter-
Seite -16-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
nehmen, Staaten und Banken zu. Bei der Basisversion schätzt die Bank in bezug auf jeden Schuldner<br />
die Ausfallwahrscheinlichkeit, und die Aufsichtsinstanz liefert die übrigen Input-Faktoren. Bei<br />
der fortgeschrittenen Methode wird es einer Bank mit einem ausreichend entwickelten Verfahren<br />
für die interne Kapitalallokation gestattet, weitere notwendige Input-Faktoren selbst zu ergänzen.<br />
Sowohl bei der Basisversion als auch beim fortgeschrittenen IRB-Ansatz ist die Palette der Risikogewichte<br />
viel breiter als bei der Standardmethode, wodurch diese Ansätze risikogerechter werden.<br />
Rege Diskussionen in Theorie und Praxis sowie erste konkrete Umsetzungen zeigen, dass es auch<br />
für Kreditrisiken - wie für Marktrisiken bereits vollzogen - zu einer Anerkennung interner Risikomodelle<br />
kommen wird. Dies reflektiert den weitverbreiteten Konsens, dass eine bankaufsichtsrechtliche<br />
Regulierung in Zukunft nicht nur nach dem Risikogehalt der Einzelpositionen differenzieren,<br />
sondern auch das Kreditportefeuille verstärkt in den Blick genommen werden muss.<br />
Aufgrund fehlender Daten, fehlender Zeitkonsistenz und unklarer Verteilungsfunktion hat der Basler<br />
Ausschuss für Bankenaufsicht das Value-at-Risk-Modell für den Einsatz in Kreditbewertungsmodellen<br />
derzeit noch nicht zugelassen. Unabhängig davon sind bedeutende Fortschritte in der<br />
Modellierung von Kreditrisiken gemacht worden. Daraus folgt die Erwartung, dass mit weiteren<br />
Fortschritten in der Modellbildung und Datensammlung interne Ratingsysteme mit Value-at-Risk-<br />
Modellen auch im Kreditbereich für bankaufsichtliche Zwecke eine wichtige Rolle spielen werden.<br />
Wie bei den Marktrisiken werden Kreditrisiken vom Finanzinstitut bewusst eingegangen, um damit<br />
resultierende Chancenpotentiale zu nutzen. Bekanntlich führt die Preisstellung bei Krediten auf<br />
Basis der durchschnittlichen Kreditqualität zu einer für die guten Kreditnehmer zu hohen und für<br />
die qualitativ unterdurchschnittlichen Kreditnehmer zu einer zu niedrigen Risikoprämie. Als Folge<br />
sammeln sich im Portefeuille der Buchkredite schlechte Risiken, während weniger riskante Kreditpositionen<br />
über Commercial Paper Emissionen 30 und über Asset Backed Transaktionen 31 an die<br />
Märkte weitergereicht werden und vielleicht auf diese Weise sogar im Handelsbuch der Bank mit<br />
angemesseneren Kapitalunterlegungsvorschriften wieder auftauchen.<br />
Im marktwertorientierten Kreditrisikomanagementansatz wird davon ausgegangen, dass der durchschnittliche<br />
Kreditausfall aus dem laufenden Geschäft durch eine entsprechende Preisstellung abgedeckt<br />
wird. Der durchschnittlich erwartete Ausfall im Kreditgeschäft eines bestimmten Segments<br />
ergibt sich als Produkt aus der Wahrscheinlichkeit des Default-Ereignisses (Probability of<br />
Default) und dem durchschnittlich erwarteten Verlust in diesem Segment. Gegenstand aufsichtsrechtlicher<br />
Kapitalunterlegungsvorschriften ist der Value-at-Risk bzw. Capital-at-Risk (CaR). Mit<br />
diesem Begriff soll keine<br />
Abbildung 6: Konzept der regulatorischen Eigenkapitalunterlegung von<br />
Kreditrisiken<br />
Quelle: Entwicklungslinien im Risikomanagement von Bernd Rudolph und Lutz<br />
Johanning in Handbuch Risikomanagement, Uhlenbruchverlage, 2000, Seite 35<br />
inhaltliche Unterscheidung,<br />
sondern ein weiterer Bezug<br />
angedeutet werden, dass<br />
nämlich alle Bankrisiken und<br />
nicht nur die Risiken des<br />
Handelsbereichs einer Kapitalunterlegung<br />
bedürfen. Bezüglich<br />
der Messbasis wird<br />
der VaR bzw. CaR als 95 %<br />
oder 99 % Quantil der Verteilungsfunktion<br />
der Kreditverluste<br />
bestimmt. Da Kreditverlustverteilungen<br />
eine<br />
typische Schiefe aufweisen 32 ,<br />
sind analytische Verfahren<br />
zur Bestimmung der Verlustverteilungen<br />
des Kredit-
Seite -17-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
portfolios auf der Basis der Normalverteilung ausgeschlossen. Stattdessen müssen die VaR-Werte<br />
mit Hilfe von Simulationsrechnungen auf der Basis historischer Erfahrungen ermittelt werden.<br />
Der Verlust bzw. Risikobegriff setzt im Kreditgeschäft typischerweise an einem Defaultereignis<br />
an. Verlust oder Risiko kann aber auch weitergehend definiert werden als negative Veränderung<br />
der Kreditnehmerqualität. Da die Kreditnehmerqualität durch eine Ratingziffer ausgedrückt werden<br />
kann, liegt der Begriff des Rating-Risikos nahe. Vermindert sich das Rating eines Unternehmens<br />
von AAA nach A, so ist das Unternehmen zwar noch nicht ausfallbedroht, die Wahrscheinlichkeit<br />
für ein zukünftiges Defaultereignis hat sich aber erhöht, so dass bei einer Marktbewertung<br />
der Forderung ein Marktwertabschlag erwartet werden sollte. Der Verlustbegriff bzw. Risikobegriff<br />
im Marktwertansatz (vgl. Bewertung Marktrisiko) ist also viel umfassender, als jener des Default<br />
Begriffs.<br />
3.4.4 Operationelles Risiko<br />
In der Neuen Eigenkapitalvereinbarung des Basler Ausschusses wurden im Zuge der bevorstehenden<br />
Überarbeitung der Messmethodik für den Kreditrisikobereich auch intensive Diskussionen zur<br />
quantitativen Behandlung von operationellen Risiken angeregt. Dies rührt daher, dass man durch<br />
das vorgesehene Ersetzen der pauschalen Kapitalanrechnungsbeträge im Kreditbereich durch ausgefeiltere<br />
Modelle eine Verminderung des hierdurch unterlegten Eigenkapitalbedarfs befürchtet<br />
und die implizit als Puffer im vormaligen Standardverfahren enthaltenen Risiken (u.a. Operational<br />
Risk) mit eigenständigen Kapitalanrechnungsbeträgen unterlegen möchte. Obwohl diese Entwicklung<br />
vielerorts erst in den Anfängen steckt, lässt sich hieraus ein gewisser Handlungsbedarf für alle<br />
Banken ableiten, sich nicht nur mit dem Management, sondern auch der Messung von Operational<br />
Risk zu beschäftigen, und somit einen Rahmen für ein umfassendes Risikomanagement aller Risikoarten<br />
zu schaffen. Neben der Erfüllung zukünftiger aufsichtsrechtlicher Anforderungen impliziert<br />
auch die zunehmende Verwendung risikogerechter Performance- und Steuerungsmasse eine<br />
Beschäftigung mit dem Thema. Sie sollten in einer entsprechenden Quantifizierung münden, da<br />
eine Nichtberücksichtigung dieser wie oben dargestellt mehrheitlich als sehr wichtig angesehenen<br />
Risikoart eine Verzerrung der Profitabilitäts- und Risikosicht der einzelnen Unternehmensbereiche<br />
bedeuten würde und zu einer Fehlsteuerung bezüglich Kapitalallokation führen könnte. Dabei befindet<br />
sich Operational Risk im Sinne von getätigten Investitionen und Stand der Messmethodik in<br />
einer ähnlichen Situation wie Marktpreis- und Kreditrisiken Ende der 80er Jahre, d.h. es gibt noch<br />
keine allgemein akzeptierten bankinterne Standards.<br />
Im Basler-Accord II schlägt der Ausschuss zur Erfassung des operationellen Risikos mehrere Ansätze<br />
vor. Wegen der begrenzten Verfügbarkeit von Verlustdaten hat der Basler Ausschuss eine<br />
Umfrage bei mehreren international tätigen Banken durchgeführt, um den Anteil des ökonomischen<br />
Kapitals zu bestimmen, der diesem Risiko zugeordnet wird. Die Vorarbeiten lassen erkennen,<br />
dass diese Banken durchschnittlich 20 % des ökonomischen Kapitals für die Abdeckung der<br />
operationellen Risiken vorsehen. Der Ausschuss beabsichtigt, den Banken die Anwendung fortgeschrittener<br />
Ansätze zur Messung des operationellen Risikos, auf der Basis einzelner Geschäftsfelder,<br />
zu gestatten. Zum Beispiel können Banken das operationelle Risiko in einigen Geschäftsfeldern<br />
nach dem Standardansatz ermitteln und in anderen einen eigenen Bemessungsansatz verwenden<br />
(vgl. hierzu 9.1 "Anhang 1: Bemessungsmöglichkeiten operationeller Risiken nach Basel II").<br />
Grundsätzlich wird von international tätigen Banken erwartet, dass sie einen fortgeschritteneren<br />
Ansatz als den Basisindikatoransatz verwenden.
Seite -18-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Abbildung 7: Risk Management als unternehmensweites Frühwarnsystem<br />
Quelle:" Unternehmensweites Risk Management als Frühwarnsystem" von<br />
Bruno Brühwiler, Haupt Verlag 2001, Seite 109<br />
3.5 Integrales Risikomanagement<br />
Nachdem die einzelnen Risiken einer Bank oder allgemein eines Unternehmens identifiziert und<br />
bewertet worden sind, geht es in einem nächsten Schritt darum, diese Risiken zu aggregieren, also<br />
zusammenzuführen. Viele Risiken, die in verschiedenen Einheiten von grösseren Systemen auftreten,<br />
sind miteinander in irgendwelcher Weise verbunden. Sie können sich gegenseitig verstärken<br />
oder auch abschwächen. Man kann die Abhängigkeit auch als Korrelation bezeichnen, wobei diejenigen<br />
Risiken von Interesse sind, die untereinander positiv korrelieren, d.h. sich gegenseitig verstärken.<br />
Sind zwei Risiken auf<br />
eine gleiche externe Ursache<br />
zurückzuführen, könnte dies der<br />
Fall sein. Es ist auch möglich,<br />
dass eine einzelne kleine Gefahr,<br />
mehrere Risiken auslösen<br />
kann, wonach die Unternehmung<br />
sogar in Existenzgefahr<br />
geraten könnte. Somit ist es<br />
notwendig, dass in einem System<br />
erkannte Risiken auf ihre<br />
Korrelation mit anderen Risiken<br />
überprüft werden. Eine negative<br />
Korrelation von aggregierten<br />
Risiken bedeutet hingegen, dass<br />
sich verschiedene Risiken gegenseitig<br />
abschwächen oder gar<br />
im Gesamten ausgleichen. Dies<br />
hat eine hohe strategische Bedeutung,<br />
indem die Geschäftsportfolios<br />
derart ausgewählt<br />
werden, dass sich eine Risikodiversifikation ergibt. Dies war der Grund, für die Diversifikationsstrategien<br />
verschiedener Konzerne, um mehr oder weniger systematisch zwischen den verschiedenen<br />
Geschäftsbereichen einen Risikoausgleich herzustellen. Der Nachteil bestand darin,<br />
dass die Ausbildung und Konzentration auf Kernkompetenzen vernachlässigt wurde, was sich bei<br />
verschärften Wettbewerbsbedingungen nachteilig auswirkte. Als aktuelles Beispiel dient heute die<br />
ABB. Es ist auch zu beachten, dass ein Industriebetrieb im Gegensatz zu einem Bankinstitut nicht<br />
unnötige finanzielle Risiken übernehmen sollte. Vielmehr sollte sich dieser auf die operativen,<br />
tätigkeitsinhärenten Risiken konzentrieren, zumal das Management finanzieller Risiken grundsätzlich<br />
nicht in die Kernkompetenz eines Industriebetriebes fällt.<br />
In einem nächsten Schritt geht es darum, das Risiko Management als Führungsinstrument in seiner<br />
Eigenschaft als Frühwarnsystem im allgemeinen Managementsystem einer Unternehmung einzubinden.<br />
Daneben gibt es viele andere Führungsinstrumente, wie z.B. die strategische Planung, das<br />
Projekt- und Produktmanagement, die finanzielle Führung mit Jahresrechnung, Controlling, Budget<br />
und Finanzplanung, sowie die Instrumente im Bereich der Führung von Mitarbeitern. Die vorhandenen<br />
Führungsinstrumente können nach ihrem Zeitbezug gegliedert werden, indem ihr Einsatz<br />
nach Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beurteilt wird.<br />
Integrales Risk Management ist dadurch charakterisiert, dass es nicht nur konsequent in die nahe<br />
und ferne Zukunft des Unternehmens blickt, sondern sich über alle Tätigkeiten in Strategie, Management<br />
und Mitarbeiterführung, operative Tätigkeiten und Finanzen erstreckt. Hier kommt deutlich<br />
zum Vorschein, dass Risk-Management nicht mit Sicherheitsmanagement gleichgesetzt werden<br />
kann, obwohl auch hier die Frage nach den grössten Risiken sehr sinnvoll sein kann. Risk Ma-
Seite -19-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
nagement ist eine strategische Aufgabe des Managements, Sicherheitsmanagement hingegen eine<br />
operative Funktion innerhalb eines Teilbereichs des Unternehmens. Risiko-Management stellt keinesfalls<br />
ein bürokratisches und isoliertes Teilsystem eines Unternehmens dar, sondern ist grundsätzlich<br />
als integraler Bestandteil eines Gesamtsteuerungssystems zu verstehen, das durch Vernetzung<br />
mit anderen Teilsystemen (z.B. Controlling) eine Verbesserung der Informationsgrundlage<br />
für unternehmerische Entscheidungen liefert.<br />
4 Operationales Risikomanagement zur Verhinderung wirtschaftskrimineller<br />
Erscheinungen in Unternehmungen<br />
Wie das einführenden Beispiel der Titanic zeigt, sind operative Risiken nur schwer - unter Umständen<br />
sogar überhaupt nicht - berechenbar. Auch der Eintritt solcher Schadenfälle ist nicht unbedingt<br />
voraussehbar. Bedingt durch die Häufigkeit von aussergewöhnlichen Verlusten, die sich weder<br />
im Bereich des Kredit- noch des Marktrisikos zuordnen liessen, wurde in der Kreditwirtschaft<br />
Mitte der 90er Jahre damit begonnen, die Thematik einer weiteren Kategorie bankbetrieblicher<br />
Risiken aufzugreifen, die sogenannten operationellen Risiken. Als bekanntes Beispiel für solche<br />
Verlustereignisse dient der Zusammenbruch der Barings-Bank im Jahre 1995, wo durch fehlende<br />
Trennung der Verantwortlichkeiten und die mangelhafte Überwachung eines Händlers, Nicholas<br />
Leeson, in Singapur ein Verlust von über USD 1,3 Mia. entstand. Hierbei handelte es sich um innerbetriebliche<br />
Gefahren bzw. Risiken, auf welche man noch selbst hätte Einfluss nehmen können.<br />
Anders hingegen verhält es sich bei Naturkatastrophen oder letztendlich auch bei den Terroranschlägen<br />
vom 11. September 2001, welche als Beispiele für externe operationelle Risiken heranzuziehen<br />
sind. Zu betonen ist jedoch, dass es sich bei operationellen Risiken um keine neue, sondern<br />
vielmehr die älteste Risikoart für alle Unternehmensarten handelt, seien dies Banken, Versicherungen,<br />
Industrie- oder Dienstleistungsbetriebe. Als neuer Aspekt ist jedoch anzuführen, dass sich<br />
aufgrund der erwähnten Verlustvorfälle die Wahrnehmung von operationellen Risiken verstärkt<br />
hat. Zudem haben auch Aufsichtsbehörden diesen Themenkomplex neu aufgegriffen, wie wir im<br />
vorherigen Kapitel im Rahmen der Bankenaufsicht bereits gesehen haben. Insgesamt ergibt sich<br />
aus den bisherigen Überlegungen die volkswirtschaftliche Notwendigkeit, nicht nur für Banken,<br />
sondern für alle grösseren Unternehmungen, ein eigenständiges Instrumentarium zur Handhabung<br />
und Bewältigung von operationellen Risiken zu entwickeln. Als Teilaspekt gilt es in diesem Zusammenhang<br />
auch das kriminelle Verhalten im Unternehmen zu analysieren und schliesslich zu<br />
verhindern.<br />
4.1 Definition des „Operational Risk“<br />
In jungen Wissenschaftsgebieten entfacht sich meist eine ausufernde Auseinandersetzung betreffend<br />
einer grundlegenden Definition des Untersuchungsobjektes. Nicht anders verhält es sich bei<br />
Abbildung 8: Formen der Unsicherheit<br />
Quelle :"Identifizierung, Quantifizierung und Steuerung operationeller<br />
Risiken in Kreditinstituten" von Mathias Hofmann, Bankakademie<br />
Verlag GmbH 2002, Seite 5<br />
der Definition des operationellen Risikos. Der<br />
Begriff "Risiko" ist allgemein mit einer negativen<br />
Assoziation gekoppelt. Risiko als ein<br />
nicht wünschbarer Zustand, den es zu meiden<br />
gilt. Dabei wird vergessen, dass jede Entscheidung<br />
ein Risiko in sich trägt, nämlich das Risiko<br />
das Ziel nicht zu erreichen oder aber das<br />
Risiko, das Ziel sogar zu überbieten, wobei<br />
man von "Chance" spricht. Somit beinhaltet<br />
der Risikobegriff sowohl positive als auch negative<br />
Abweichungen vom Zielwert. Eine pragmatische Definition, welche sich in diverser Literatur<br />
finden lässt, lautet: "Risiko ist ein Ausdruck für die Gefahr, dass das effektive Ergebnis vom<br />
gewünschten oder geplanten negativ abweicht". 33
Seite -20-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Im weiteren ist der Begriff der "Unsicherheit" zu umschreiben. Unsicherheit besteht über zukünftige<br />
Ereignisse respektive Umfeldzustände. Von einer Situation der Ungewissheit wird dann ausgegangen,<br />
wenn die Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten der relevanten Umfeldzustände unbekannt<br />
sind. Ist ein Entscheidungsträger hingegen in der Lage, den einzelnen Umfeldzuständen subjektive<br />
oder objektive Eintrittswahrscheinlichkeiten zuzuordnen und somit die Unsicherheit zu<br />
quantifizieren, liegt eine Risikosituation vor. Hierin liegt eine erste Spezialität der operationellen<br />
Risiken bzw. eben Unsicherheiten, dass sie sich nicht immer quantifizieren lassen. Das operationelle<br />
Risiko wird in der Basler Eigenkapitalvereinbarung definiert als<br />
"the risk of loss resulting from inadequate failed internal processes, people and<br />
systems or from external events".<br />
Daraus resultierte der heute in der Bankenwelt meist angewandte erweiterte deutsche Begriff:<br />
"Operational Risk ist das Risiko von Verlusten durch menschliches Versagen,<br />
fehlerhafte Managementprozesse, Natur- und sonstige Katastrophen, Technologieversagen<br />
und Änderungen im externen Umfeld". 34<br />
Abbildung 9: Arten operationeller Risiken im Überblick<br />
Operationelle Risiken<br />
Interne Risiken<br />
Externe Risiken<br />
Prozessrisiken Personelle Risiken Systemrisiken<br />
Quelle :"Identifizierung, Quantifizierung und Steuerung operationeller Risiken in Kreditinstituten" von Mathias Hofmann,<br />
Bankakademie Verlag GmbH 2002, Seite 8<br />
Mit unternehmensinternen Prozessen und ihrer Erfassung sowie den dazugehörigen Kontrollmechanismen<br />
wird unter anderem das Ziel verfolgt, operationelle Risiken zu vermeiden. Solche Prozesse<br />
stellen eine Risikoquelle dar, wenn beispielsweise eine Prozedur ein fehlerhaftes Design<br />
aufweist oder falsch ausgeführt wird. So liegt ein nicht richtig installierter Kontrollablauf vor,<br />
wenn er die Risiken, die etwa durch ein Produkt verursacht werden, nur unzureichend erfasst und<br />
überwacht.<br />
Personelle Risiken bzw. Mitarbeiterrisiken kennzeichnen insbesondere diejenigen Risiken, die<br />
aus dem Einsatz, der Neueinstellung oder der Entlassung von Mitarbeitern entstehen können. Als<br />
Beispiele für solche Risiken können unzulängliche bzw. fehlerhafte Aufgabenerfüllung, Nachlässigkeit<br />
und Pflichtvergessenheit, aber auch Überlastung oder persönliche Probleme des Mitarbeiters<br />
herangezogen werden. Es ist auch möglich, dass eine Unternehmung auf dem Arbeitsmarkt<br />
aufgrund ihres schlechten Rufes oder ihrer Fachspezialisierung überhaupt keine geeigneten Arbeitskräfte<br />
mehr rekrutieren kann. Neben den bisher genannten Personalrisiken lassen sich auch<br />
Fälle von Mitarbeiterdelinquenz, wie beispielsweise Betrug, in diese Risikokategorie einordnen.<br />
Da durch Betrug Rechtsstreitigkeiten hervorgerufen werden können, wird deutlich, dass in diesem<br />
Zusammenhang auch rechtliche Risiken Bedeutung erlangen, welche ebenfalls zu den operationellen<br />
Risiken zu zählen sind.<br />
Heute sind Unternehmungen sehr stark auf funktionierende Systeme, insbesondere IT-Systeme<br />
angewiesen. Die operationellen Risiken in diesem Zusammenhang können in allgemeine und<br />
anwendungsbezogene Risiken unterteilt werden. Zu den allgemeinen Risiken zählen vor allem eine<br />
ungenügende Zugangssicherheit, der Schutz der EDV-Anlagen sowie Kapazitätsrisiken oder Störungen<br />
im Geschäftsablauf, die zu teuren Betriebsunterbrüchen führen können. Anwendungsbezogene<br />
Risiken beziehen sich beispielsweise auf die Qualität und Integrität der Daten, den Umgang<br />
mit Viren oder dass relevante Daten rechtzeitig zur Verfügung stehen.
Seite -21-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Neben betriebsinternen Aspekten können auch externe Ereignisse im Umfeld einer Unternehmung<br />
für die Entstehung operationeller Risiken verantwortlich sein. Charakteristisch für diese externe<br />
Komponente ist die Tatsache, dass Betriebe in diesem Bereich in der Regel nur wenig bis gar<br />
keine Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Risikoquelle haben. Beispielsweise können Betrug<br />
oder andere Delikte durch Dritte oder auch Rechtsstreitigkeiten mit Dritten (z.B. Asbest-<br />
Sammelklagen) dieser Kategorie zugeordnet werden. Besondere Beachtung gilt es hierbei der beabsichtigten<br />
neuen Strafbestimmung im Strafgesetzbuch zu schenken, wonach die Unternehmung,<br />
wenn die Tat keiner natürlichen Person des Unternehmens zugerechnet werden kann, sekundär<br />
verurteilt und somit gebüsst (max. Fr. 5 Mio.) werden kann. Das Unternehmen wird mitverantwortlich<br />
gemacht, da innerbetriebliche Organisationsmängel vorliegen müssen. Was dies für weitere<br />
zivilrechtliche Risiken nach sich ziehen kann, ist schwer abzuschätzen. Auch aus dem Trend<br />
zum Outsourcing von Leistungen können Risiken entstehen, die etwa in einer Nichterfüllung der<br />
vereinbarten Qualitätskriterien durch den externen Anbieter liegen können. Neben derartigen Qualitätsrisiken<br />
können Risiken mit Outsourcingvereinbarungen verbunden sein, die in einem Ausbleiben<br />
der durch die Ausgliederung erhofften Kostenersparnisse oder dem Verlust von Kompetenz<br />
und Know-how bestehen. Externe Risiken können des Weiteren im Zusammenhang mit dem<br />
Nichteinhalten von Gesetzen liegen. Darüber hinaus zählen Risiken aus Naturkatastrophen wie<br />
Erdbeben, Überflutungen oder Wirbelstürmen zu der externen Komponente operationeller Risiken.<br />
Eine weitere Unterteilungsmöglichkeit von Risiken wäre in Strategierisiken (Markt-, Finanz- und<br />
Kostenrisiken) und operative Leistungsrisiken (Kern- und Supportrisiken). Kernrisiken sind Risiken,<br />
die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Kernprozessen und dem Aufbau bzw. der<br />
Nutzung von Erfolgspotentialen stehen und durch das Unternehmen selbst zu tragen sind (Kernkompetenzen<br />
aus technologischen Fähigkeiten, Forschung und Entwicklung). Supportrisiken sind<br />
Risiken aus Unterstützungsprozessen, wie EDV, Personal, Recht, Einkauf, Verkauf, Finanzen,<br />
Rechnungswesen usw., welche hingegen meist gut auf Dritte übertragen werden können. Bei all<br />
diesen Überlegungen ist stets die Abgrenzung zum normalen Geschäftsrisiko zu beachten, wonach<br />
externe Einflüsse wie Gesetzesänderungen im Operational Risk enthalten sind, während Aktionen<br />
von Mitbewerbern, die sich in den Margen des Unternehmens niederschlagen, dem Geschäftsrisiko<br />
zuzuordnen sind. Hierbei gilt es auch das strategische Risiko vom operationellen Risiko zu unterscheiden.<br />
Bei den strategischen Risiken handelt es sich um das Risiko von Management-<br />
Fehleinschätzungen, welches aus den mittel- bis langfristigen Eigenschaften des Unternehmensumfeldes<br />
erwächst, indem sich die Bedingungen, die strategischen Entscheidungen zugrunde lagen,<br />
verändern bzw. falsch eingeschätzt wurden. Ein zweckmässiger Anhaltspunkt zur Abgrenzung<br />
strategischer von operationellen Risiken ergibt sich dadurch, dass die erstgenannte Risikokategorie<br />
in vereinfachter Form auch als das Risiko, nicht die richtigen Handlungen auszuführen, umschrieben<br />
werden kann, während operationelle Risiken die Gefahr beinhalten, bestimmte Handlungen<br />
nicht richtig auszuführen. 35 Selbst der Swiss Code of Best Practice betreffend Corporate Governance<br />
36 hat in Punkt 19 hervorgehoben, dass das Risikomanagement nicht nur die finanziellen,<br />
sondern auch die operationellen Risiken abzudecken hat.<br />
4.2 Management operationeller Risiken<br />
Für den systematischen Umgang mit operationellen Risiken bietet sich ein Risikomanagementsystem<br />
an, das aus etlicher Literatur bekannt ist und sich inzwischen in allen betriebswirtschaftlichen<br />
Bereichen etabliert hat. Die erste Phase umfasst die Identifizierung, d.h. das Erkennen von operationellen<br />
Risiken. Diese Aufgabe obliegt heute vielfach den Linienverantwortlichen oder einer<br />
allfällligen internen Revision, welche im Rahmen ihrer Tätigkeit festzustellen hat, ob sich Anhaltspunkte<br />
für operationelle Risiken ergeben. Denkbar sind heute auch sogenannte Self-Audits,<br />
bei denen Mitarbeiter mit der Offenlegung von operationellen Risiken ihrer jeweiligen Organisationseinheiten<br />
selbst befasst werden. Nur wenn operationelle Risiken in der ersten Phase korrekt
Seite -22-<br />
identifiziert sind, kann in einem weiteren Schritt<br />
ihre Quantifizierung erfolgen. Auf die Probleme<br />
der Quantifizierung werden wir nachfolgend<br />
noch detailliert eingehen. Der nächste Schritt<br />
umfasst die Steuerung, d.h. die Beeinflussung<br />
der operationellen Risiken. Mittels Risikovermeidung,<br />
Risikoverminderung und Risikoüberwälzung<br />
lässt sich ein Gesamtrisiko auf ein<br />
schliesslich vom Unternehmen selbst zu tragendes<br />
Restrisiko minimieren.<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Abbildung 10: Prozessuales Risikomanagementsystem für<br />
operationelle Risiken<br />
Vermieden werden sollten insbesondere Risiken<br />
mit hoher Eintretenswahrscheinlichkeit und<br />
zugleich hoher Tragweite (Schadensausmass).<br />
Risiken können vermindert werden, indem entweder<br />
die Eintretenswahrscheinlichkeit oder die<br />
Tragweite verringert wird. Massnahmen hierzu<br />
können personeller, technischer oder organisatorischer Natur sein. Eine weitere Möglichkeit der<br />
Verminderung von Risiken besteht in der Risikodiversifikation. Hierbei werden die verschiedenartigen<br />
Risiken, die relativ häufig auftreten, jedoch eine geringe Tragweite besitzen, kollektiv getragen.<br />
Diese Funktionsweise weist gewisse Parallelen zur Versicherungswirtschaft auf. Bei Risiken<br />
mit geringer Eintretenswahrscheinlichkeit und hoher Tragweite<br />
Abbildung 11: Risiko-<br />
Steuerungsmassnahmen<br />
Quelle :"Operational Risk Management<br />
bei Banken" von Jean-Marc Piaz, Versus<br />
Verlag, 2002, Seite 144<br />
Quelle :"Identifizierung, Quantifizierung und Steuerung operationeller<br />
Risiken in Kreditinstituten" von Mathias Hofmann,<br />
Bankakademie Verlag GmbH 2002, Seite16<br />
- typisch für die meisten operationellen Risiken - wird in der<br />
Regel eine Überwälzung vorgenommen. Dies erfolgt immer<br />
dann, wenn Risiken nicht umgangen werden können, aber umgangen<br />
werden sollten. Dies impliziert die Verwendung von<br />
Kontrakten, vornehmlich mit Versicherungen zur Absicherung<br />
von negativen Ereignissen. Die Übernahme des Restrisikos<br />
schliesslich durch das Unternehmen selbst, kann in aktiver<br />
oder passiver Form ausgestaltet sein. Aktives Selbsttragen der<br />
Risiken bedingt das Bereitstellen von Mitteln und Ressourcen,<br />
um das Risiko zu managen, worauf wir im Folgenden das<br />
Hauptaugenmerk legen wollen. Passives Verhalten ist durch<br />
die Bereitschaft charakterisiert, Schäden bewusst in Kauf zu<br />
nehmen. Grundsätzlich sollte ein Unternehmen ein Risiko tendenziell<br />
dann selbst tragen, wenn das Risiko in unmittelbarem<br />
Bezug zu den Kernkompetenzen steht, für dieses Risiko kein organisierter, liquider Markt existiert,<br />
die Eigenkapitalausstattung sehr hoch ist oder das Risiko zu Frequenzschäden mit geringer Schadenshöhe<br />
führt.<br />
Die letzte Phase eines prozessualen Risikomanagementsystems ist die Risikokontrolle bzw.-<br />
überwachung als eine Teilfunktion des Risikocontrollings. Diese wird beispielsweise anhand eines<br />
Vergleichs von maximalen Sollwerten (Risikolimiten) und Istwerten in Bezug auf die Risikohöhe<br />
vorgenommen. Zudem sind die zur Anwendung kommenden Verfahren zur Identifizierung, Quantifizierung<br />
und Steuerung von operationellen Risiken auf ihre Genauigkeit und Aktualität hin zu<br />
überprüfen. Zu beachten bleibt, dass auch das Kontrollverfahren an sich operationelle Risiken enthalten<br />
kann. Die Erkenntnisse der Risikokontrolle werden in regelmässigen Risikoreports an verschiedene<br />
Adressaten wie der Geschäftsleitung, den Linienverantwortlichen oder den Riskmanagern<br />
abgegeben. Wünschenswert wäre hierbei, dass diese Reports auch dem Verwaltungsrat zukommen,<br />
damit dieses Entscheidungsgremium ebenfalls informiert ist. Leider ist dies heute in der<br />
Praxis selten der Fall.
Seite -23-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Die dargestellten Massnahmen haben einen<br />
gewichtigen Einfluss auf die operative Verlustverteilungskurve<br />
einer Unternehmung.<br />
Erwartete Verluste (Expected Losses) sind<br />
relativ einfach zu entdecken und weisen<br />
eine hohe Eintretenswahrscheinlichkeit auf.<br />
Daher sollte versucht werden, solche Verlustfälle<br />
- insbesondere mit grosser Tragweite<br />
- zu vermeiden oder zu vermindern.<br />
Gerade im Rahmen der heutigen Bilanzfälschungen<br />
sollten die daraus entstehenden<br />
Risiken, welche einem kleinen Kreis des<br />
Unternehmens bereits früh bekannt sind<br />
bzw. sein müssten, gemanagt werden. Das<br />
Nichtoffenlegen aus Opportunitätsgründen<br />
stellt oftmals die Ursache späterer Unternehmenszusammenbrüchen dar. Bei unerwarteten, nur<br />
schwer zu entdeckenden Risikoverlusten (Unexpected Losses), sollte ein Risikotransfer bzw. eine<br />
Risikoüberwälzung angestrebt werden. Die Reduktion des sogenannten Stress Losses - sehr seltene<br />
Schadenfälle in umfangreichem Ausmass - schliesslich muss durch einen Transfer mittels Versicherungen,<br />
Verbriefungen oder eigener alternativer Risikotransferkonstrukten 37 erreicht werden.<br />
Im Falle des Selbstragens ist eine Verschiebung der Verlustverteilung nicht möglich. Das Selbstragen<br />
von Risiken durch die bewusste Reservebildung (Eigenkapital) für Verlustfälle, sollte vorwiegend<br />
im Bereich der Unexpected Losses zum Einsatz kommen.<br />
Die Entscheidung über die einzusetzenden Risikosteuerungsmassnahmen muss schliesslich unter<br />
Einbezug von Kostenaspekten und der entsprechenden Risikoneigung des Unternehmers getroffen<br />
werden. Dabei lässt sich theoretisch ein optimaler Sicherheitsgrad definieren. Der ökonomisch<br />
richtige Sicherheitsgrad wird durch die Kosten, welche durch die Risikoeintritte anfallen, sowie<br />
Abbildung 13: Ökonomischer Sicherheitsgrad<br />
Quelle: "Operational Risk Management bei Banken" von Jean-<br />
Marc Piaz, Versus Verlag, 2002, Seite 146<br />
Abbildung 12: Einfluss der Massnahmen auf die<br />
Verlustverteilungskurve<br />
Quelle: "Operational Risk Management bei Banken" von<br />
Jean-Marc Piaz, Versus Verlag 2002, Seite 148<br />
durch die Kosten der Risikosteuerungsmassnahmen<br />
bestimmt. Maximale<br />
Sicherheit lässt sich nicht einmal mit<br />
dem grössten Aufwand erreichen, da<br />
der Aufwand zur Risikominimierung ab<br />
einer gewissen Grenze selber wieder<br />
Risiken erzeugt. Ganzheitlich betrachtet<br />
schafft das Management operationeller<br />
Risiken im Unternehmen namentlich<br />
ein Risikobewusstsein, das<br />
sich über sämtliche Leitungsebenen<br />
erstreckt. Desweitern eröffnet es den<br />
Blick für risikoadäquates, unternehmerisches<br />
Handeln, wonach nebst den<br />
Ertragsaussichten stets auch die Risiken<br />
und deren Sicherungskapital in die Entscheidungen<br />
einzubeziehen sind (vgl.<br />
die Ausführungen unter 3.3 "Risikoorientierte-Ertragssteuerung zur Steigerung des Unternehmenswertes",<br />
Seite 11).
Seite -24-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
4.3 Quantifizierung des Operational Risk<br />
Das wohl schwierigste an der Bewältigung operationeller Risiken ist die Quantifizierung der Eintretenswahrscheinlichkeit<br />
sowie des allfälligen Schadenausmasses. Infolge der Zukunftsbezogenheit<br />
und Unsicherheit bezüglich des Eintritts von Risiken, müssen die beiden Risikodeterminanten<br />
mit geeigneten Verfahren ermittelt werden. Zur Risikobewertung sind in der Mehrzahl der Fälle<br />
Schätzungen erforderlich, wozu verschiedene Methoden aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung und<br />
der Finanzmathematik herangezogen werden. Somit wird das Vorliegen risikorelevanter Daten zu<br />
einer wichtigen Voraussetzung der Risikobewertung. Die Aussagekraft der eingesetzten Bewertungsmodelle<br />
hängt daher entscheidend von der Datenqualität ab. Wie wir bereits bei der möglichen<br />
Risikobewirtschaftung operationeller Risiken bei Finanzinstituten gesehen haben, stehen<br />
hierbei auch die meisten Banken noch vor einer immensen Aufgabe. Die Risikobewertung soll es<br />
inbesondere auch ermöglichen, Überlegungen anzustellen, inwiefern der durch das Eingehen entsprechender<br />
Risiken erzielte Mehrwert die Kosten (Eigenmittel-Haltung) für die Risikoübernahme<br />
rechtfertigt.<br />
In erster Linie geht es darum, operationell Risikoinformationen zu sammeln sowie Risikotreiber<br />
zu identifizieren, damit diese für die Zukunft - mit welchem Modell auch immer - bewertet bzw.<br />
prognostiziert werden können. Eine erste Möglichkeit besteht darin, die Bewertung anhand historischer<br />
Verlustverteilungen vorzunehmen, was das Vorhandensein solcher Daten interner oder externer<br />
Art bedingt. Die zweite Möglichkeit innerhalb der quantitativen Bewertungsansätze besteht<br />
darin, den gesamten Geschäftsablauf zu modellieren. Dabei werden die wichtigsten Geschäftsprozesse<br />
mit allen Verknüpfungen und potentiellen Schwierigkeiten mittels eines Modells simuliert.<br />
Im Anhang werden einige Instrumente zur Bewertung operationeller Risiken grob aufgezeigt (vgl.<br />
9.2 "Anhang 2: Instrumente zur Bewertung operationeller Risiken",). Eine vertiefte Befassung mit<br />
dieser Thematik wäre sicherlich von Interesse, würde jedoch den vorgegebenen Rahmen dieser<br />
Arbeit sprengen, sodass auf die weiterführende Literatur gemäss Literaturverzeichnis verwiesen<br />
werden muss.<br />
Abschliessend kann gesagt werden, dass wenn genügend Informationen zum operationellen Risiko<br />
vorhanden sind, quantitative Bewertungsmethoden den qualitativen vorzuziehen sind. Die Qualität<br />
der Analyse steigt, je mehr interne, unternehmensspezifische Daten verfügbar sind (vgl. hierzu<br />
auch 9.3 "Anhang 3: Schlüsselkomponenten operationeller Risiken"). Allgemein ist festzustellen,<br />
dass die ganze Entwicklung im Bereich der Bewertungsinstrumente noch am Anfang steht und<br />
vermehrt Methoden auch aus anderen Wissenschaftsdisziplinen herangezogen werden.<br />
4.4 Allokation von ökonomischem Eigenkapital<br />
Je grösser das Gesamtrisiko in einem Unternehmen ist, desto höher muss das Eigenkapital im Verhältnis<br />
zum Fremdkapital sein. Nur Unternehmen mit einem entsprechenden Eigenkapital sollten<br />
grössere Gesamt- oder Einzelrisiken eingehen. Dass mit Fremdkapital bzw. ungenügender Eigenkapitalausstattung<br />
keine unangemessenen oder schwer überschaubaren Risiken übernommen werden<br />
sollten, ist ein Grundsatz, der leider immer wieder missachtet wird, was heute prominente Beispiele<br />
bestätigen. Zwischen Eigenkapital und Anlagevermögen hat eine Korrelation zu bestehen:<br />
Höheres Anlagevermögen fordert in der Regel höheres Eigenkapital 38 . Im Gegenzug erfordert hohes<br />
Eigenkapital hohe, dem Risiko angepasste Gewinne. Die Zusammensetzung eines riskoadäquaten<br />
Eigenkapitals einer Unternehmung sollte sich auf verschiedene Stufen verteilen. Das gesamte<br />
durch das Unternehmen eingegangene Risiko bzw. die daraus allenfalls resultierenden Verlustpotenziale<br />
sollten durch eine entsprechende Risikomasse (Eigenkapital) abgedeckt sein. Das Eigenkapital<br />
trägt die aus der allgemeinen Unternehmungstätigkeiten anfallenden Risiken und dient der<br />
Entsorgung nicht diversifizierbarer Risiken und daher den Gläubigern als Sicherheitspolster.
Seite -25-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Als beliebtes Mittel zur Bildung von finanziellen Sicherheitspolstern diente den Unternehmern -<br />
insbesondere in der Schweiz - das Instrument der stillen Reserven. Die Bewertungsgrundsätze<br />
nach Obligationenrecht lassen es zu, Aktiven unter- bzw. Passiven überzubewerten. Im Zuge der<br />
Globalisierung rückten neuere Rechnungslegungsstandards wie FER, IAS und US-GAAP in den<br />
Mittelpunkt und wurden zum Muss für jede grössere Unternehmung. Abschlüsse nach IAS oder<br />
US-GAAP gelten unter dem Aspekt der "true and fair view" als besonders transparent und aufschlussreich<br />
für den Bilanzleser. Viele aktuelle Beispiele schwächen nun dieses "Label" merklich<br />
ab. Man stellt fest, dass auch diese angeblich strengeren Bestimmungen dem Bilanzersteller -<br />
durch diverse Wahlrechte - noch genügend Spielraum zur Gestaltung des Abschlusses lassen. Die<br />
verschiedenen Rechnungslegungsnormen verfolgen teilweise andere Ziele. Insbesondere das OR<br />
verfolgt klar den Ansatz des Gläubigerschutzes. Das heisst, es wird dem Unternehmen ermöglicht,<br />
stille Reserven zu bilden. Somit ist der Abschluss in guten Zeiten oft schlechter dargestellt, als er<br />
in Wirklichkeit ist. Es hilft also, Gewinne zu verstecken. Ganz anders die "true and fair view",<br />
welche vor allem den Aktionär im Mittelpunkt sieht. Im Zuge der Shareholder-Epoche will der<br />
Aktionär möglichst hohe Transparenz über sein Unternehmen. Das Ziel des Aktionärs liegt darin,<br />
seine Eigenkapitalrendite bzw. seine Investitionsrendite zu maximieren. Dadurch stellt er den Anspruch,<br />
sämtliche nicht benötigten Mittel aus der Unternehmung zu ziehen und an sich auszuschütten.<br />
Das Management versucht, diesen Forderungen des steten Gewinnstrebens gerecht zu werden<br />
und ist bestrebt, möglichst hohe Gewinne in den Jahresrechnungen darzustellen. Somit werden aus<br />
dieser Sichtweise eher Verluste kaschiert, was uns die jüngste Zeit - insbesondere im "true and fair<br />
view"-Land USA - zeigt.<br />
Die Bedeutung freier Ermessensreserven nach Obligationenrecht darf im Rahmen der Sicherheitsüberlegungen<br />
einer Unternehmung nicht unterschätzt werden. Er wird dem Unternehmer ein Instrument<br />
zur Abfederung von Gewinn- und Verlustspitzen gegeben, was im Rahmen internationaler<br />
Rechnungslegungsvorschriften - zugunsten vermehrter Transparenz - nicht mehr möglich ist.<br />
Währenddem man nach Obligationenrecht die stillen Reserven ohne Publizitätswirkung gestalten<br />
kann, hat man nach IAS oder US-GAAP alles offen zu legen. So bleiben schliesslich zur buchhalterischen<br />
Gestaltung nur noch die kreativen Wahlrechte oder die kriminellen Machenschaften. Die<br />
Schaffung von stillen Reserven - und somit Eigenkapital - wurde lange Zeit auch durch die eidgenössischen<br />
und kantonalen Steuergesetzgebungen begünstigt. Der Gewinnsteuersatz nahm überproportional<br />
zur Eigenkapitalrendite<br />
(Gewinn * 100)<br />
Eigenkapital<br />
zu. Das heisst, die Unternehmung war bestrebt, möglichst wenig Gewinn auszuweisen oder möglichst<br />
viel Eigenkapital zu halten, damit die Eigenkapitalrendite und damit auch die Steuerbelastung<br />
möglichst tief ausfiel. Heute gilt einfach ein proportionaler einheitlicher Steuersatz ohne Progressionswirkung.<br />
Als Argument gegen die stillen Reserven wird vielfach auch der Einwand aus<br />
Unternehmersicht erfolgen, dass die Haltung von Eigenkapital sehr teuer sei, da der Aktionär eine<br />
risikoadäquate Rendite auf seinem Investment erwartet. Dies stimmt natürlich nur insofern, als der<br />
Aktionär überhaupt vom Umfang der stillen Reserven Kenntnis hat, also die stillen Reserven<br />
transparent sind. Ansonsten stellen diese für die Unternehmung "stilles Eigenkapital" dar, worauf<br />
niemand explizit Anspruch erhebt und somit für das Unternehmen "gratis" zur Verfügung stehen.<br />
Ebenso sollte das Eigenkapital parallel zu allfälligen Expansionsbestrebungen mitwachsen und<br />
mit zunehmender Grösse sollte man den vermehrten Risiken (Agency-Problematik) 39 , welche<br />
meist überproportional zunehmen, entsprechende Beachtung schenken. Hierbei erfüllen die Kapital-Deckungsbestimmungen<br />
nach Art. 725 OR ihre Gläubigerschutzfunktion noch nicht vollständig,<br />
da diese erst bei einer Unterbilanz zum Tragen kommen. Insbesondere die Benachrichtigung<br />
des Richters bei einer Überschuldung nach Art. 725 Absatz 2 OR setzt meist sehr spät - oft zu spät<br />
ein. Es wäre zu prüfen, ob nicht aufgrund eines Finanz-Kennzahlensystems frühere Meldepflichten
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Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
- auch für die prüfende Revisionsstelle - eingeführt werden sollten. Nebst dem Kriterium der Eigenkapitalhöhe<br />
nach Art. 725 OR, wären zusätzlich Finanz-Kennzahlen-Kriterien zu erfüllen.<br />
Denn meist ist es bei der Feststellung einer Überschuldung für eine Unternehmenssanierung zu<br />
spät. Werthaltige Aktiven entpuppen sich zu Liquidationswerten als nahezu wertlos, insbesondere<br />
dadurch bedingt, dass diese in den Vorjahren zur Umgehung der Überschuldung vielfach zu gut<br />
dargestellt oder sogar überbewertet wurden. Ausserdem verlangen Aktionäre in Börsenboomphasen<br />
nach tiefem Eigenkapital, damit die Eigenkapitalrendite maximiert werden kann. Durch eine<br />
höhere Eigenkapitalbindung - allenfalls auch gesetzlich vorgeschrieben analog der Eigenkapitalbestimmungen<br />
im Bankwesen - könnten solche für die Volkswirtschaft schädliche, euphorische<br />
Boomphasen entsprechend abgeschwächt werden. Dies funktioniert jedoch nur, wenn sich der gesamte<br />
Markt daran beteiligt. Ansonsten weicht der Investor auf andere Aktien bzw. Unternehmungen<br />
aus.<br />
Unter dem Aspekt der ausreichenden Kapitalausstattung von Unternehmungen ist auch die Liberierungs-<br />
bzw. Sacheinlagepraxis kritisch zu hinterfragen. Nach Art. 634 OR kann das Aktienkapital<br />
vollumfänglich durch Einbringung von Sacheinlagen gezeichnet werden. Zwar sind die<br />
gesetzlichen Anforderungen durch den speziellen Gründungsbericht mit Prüfungsbestätigung<br />
durch die Revisionsstelle gemäss Art. 635 f. OR erhöht, doch zeigt die Praxis gerade in diesem<br />
Bereich vielfach Schwierigkeiten. Erstens lässt sich bekanntlich über Bewertungen immer diskutieren,<br />
insbesondere wenn der Fortführungsansatz bereits zu Beginn (Nachfolgefirma einer konkursiten<br />
Unternehmung) fraglich wäre. Zweitens verfügt die neugegründete Aktiengesellschaft bei<br />
einer hundertprozentigen Sacheinlage über keinerlei liquide Mittel, welche das geschäftsimmanente<br />
Risiko, welches im Besonderen in Startphasen sehr hoch sein kann, tragen könnte. Allenfalls<br />
wäre hier künftig eine Gesetzesänderung angebracht, indem man beispielsweise eine Sacheinlage<br />
nur zu 50 % des Fortführungswertes anrechnen könnte oder zusätzlich zur Sacheinlage Barmittel<br />
im selben Wert einbringen müsste. Die heutige gesetzliche Regelung betrifft nur die Ausstattung<br />
mit Eigenkapital, vergisst jedoch den Aspekt der Liquiditätsaustattung. Mit den vorgeschlagenen<br />
Gesetzesänderungen könnten einige Konkurse und wohl auch strafrechtliche Vorgänge - insbesondere<br />
im kleineren KMU-Bereich - bereits von Beginn weg verhindert werden. Selbstverständlich<br />
wären die volkswirtschaftlichen und kriminalpräventiven Auswirkungen entsprechend zu untersuchen<br />
und die Vor- und Nachteile abzuwägen.<br />
In eine ähnliche Kategorie fällt das "nichteinbezahlte Grundkapital", welches in einer Krisensituation<br />
bzw. Liquiditätskrise des Kleinunternehmers nur mehr schwer einbringbar ist. Auch diese<br />
Gesetzesbestimmung in Art. 632 OR, wonach das Aktienkapital einer Aktiengesellschaft nur zu<br />
20 % oder mindestens Fr. 50'000.-- liberiert sein muss, sollte aufgrund des Risikogedankens geändert<br />
bzw. aufgehoben werden.<br />
4.5 Gestaltung des risikoadäquaten Eigenkapitals und ausreichender Liquidität<br />
Im Folgenden wollen wir nun ein ganzheitliches Modell für die Zusammensetzung eines risikoadäquaten<br />
und ökonomisch sinnvollen Eigenkapitals erstellen, um damit Gewähr für einen finanzkräftigen<br />
Unternehmensplatz bieten zu können. Zu beachten ist zudem, dass das Eigenkapital den<br />
aktuellen nominalen Wert darstellt. Bei einer Risikobetrachtung, die auf die Zukunft ausgerichtet<br />
ist, muss diesem Umstand damit begegnet werden, dass das entsprechende Risikoexposure auf den<br />
Zeitpunkt eines allfälligen Verlusteintrittes aufgezinst wird. Natürlich erfolgt durch die riskoadäquate<br />
Verzinsung des Eigenkapitals bzw. durch das Erwirtschaften eines risikoadäquaten Unternehmensgewinnes<br />
dieser Ausgleich automatisch, jedoch nur unter der Bedingung, dass dieser erzielte<br />
Ertrag in der Unternehmung verbleibt, also nicht ausgeschüttet wird. Nebst den dargestellten<br />
Eigenmittelüberlegungen im Rahmen der Bilanz einer Unternehmung besteht die Möglichkeit der<br />
Schaffung einer eigenen Versicherungslösung mittels Errichtung einer internen Versicherungsinstitution<br />
(Captives). Aus steuer- und versicherungsaufsichtsrechtlichen Gründen sind solche Konstrukte<br />
jedoch nur in bestimmten, wenig reglementierten Staaten, wie Bermuda, Bahamas usw.,
Seite -27-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
möglich. Solche Vehikel werden unter dem Namen des "Alternativen Risikotransfers" (ART) heute<br />
von diversen Grossunternehmungen gehalten, wobei dies die Möglichkeit bietet, künftig auch<br />
operationelle Risiken auf den Kapitalmarkt abzuwälzen. Allgemein ist bei einer Versicherungslösung<br />
bei Dritten die Selbstbehalts-Finanzierung zu beachten. Vielfach geht vergessen, dass der<br />
vereinbarte Selbstbehalt in Form von sofort verfügbaren liquiden Mitteln vorhanden sein muss.<br />
Abbildung 14: Eigenkapital als Risikodeckungsmasse<br />
1. Grundkapital Einbezahltes Kapital<br />
(Aktienkapital, PS-Kapital, Agios)<br />
2. Gesetzliche Zugewiesene Reserven gemäss Obligationenrecht<br />
Grundreserven<br />
3. Gesetzliche Zugewiesene Reserven gemäss allfälligen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen (Versicherungsaufsicht,<br />
Bankenaufsicht, Eidg. Unternehmenskommission (EUK) 40 )<br />
Zusatzreserven<br />
4. Kalkulierte Aufgrund der internen, unternehmensspezifischen Kalkulationen, sind bestimmte Prozentsätze<br />
als zusätzliches Risiko-Eigenkapital zu halten. Beispielsweise 3% des Umsatzes einer<br />
Risikokosten<br />
für erwartete Dienstleistungssparte. Normale, absehbare Delkredere-, Währungs-, Transport-, Transfer-,<br />
Verluste Garantie- oder Rechtsrisiken sind darin nicht enthalten. Für diese sind explizite Rückstellungen<br />
im Rahmen des Fremdkapitals zu bilden (OR 669). Hierbei auch nicht zu berücksichtigen sind<br />
5. Risikokosten<br />
für nicht erwartete<br />
Verluste<br />
Risiken, die an externe Versicherungsinstitute transferiert werden.<br />
Risiken die im Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit stehen, jedoch nicht<br />
absehbar sind. Es handelt sich hierbei um Reputations-, Personen-, Katastrophen-, System-,<br />
Rechts-, Umfeld-, Strategie- oder politische Risiken, die nicht kalkuliert oder durch Dritte versichert<br />
sind. Besondere Beachtung gilt hierbei dem sogenannten Entdeckungsrisiko, also der<br />
Gefahr ein immanentes Risiko überhaupt nicht zu identifizieren. Die Bewertung der Risikokosten<br />
dieser Eigenkapitalstufe ist äusserst schwierig. Allenfalls hat man sich auf Pauschalwerte<br />
aufgrund weniger Indikatoren zu beschränken.<br />
6. Stille Reserven Selbst gebildete stille Reserven aufgrund von Bewertungsspielräumen.<br />
7. Nachtragskapital<br />
Hierunter fällt das nichteinbezahlte Grundkapital, das in einer Krisensituation nur mehr<br />
schwer einbringbar ist.<br />
Quelle: Eigene Darstellung einer möglichen Struktur des Eigen- bzw. Risikokapitals einer Unternehmung.<br />
Die Grundidee des Risikogedankens beruht ja darauf, dass im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit<br />
eingegangene risikobehaftete Strategien oder Projekte einen entsprechenden - also risikoadäquaten<br />
- Ertrag abwerfen. Man muss für das zu tragende Risiko entschädigt werden. Im gleichen<br />
Schritt soll der Unternehmer das Risiko mit entsprechenden Eigenmittel unterlegen, um einen<br />
allfälligen Verlustfall tragen bzw. abdecken zu können. Hierbei ist gerade in der heutigen Zeit<br />
weltweiter Bilanzskandale zu beachten, dass diese Mittel nicht nur ausgewiesen, sondern auch in<br />
liquider Form vorhanden sein müssen. Im Normalfall ermöglicht nämlich das Eigenkapital lediglich<br />
den buchhalterischen Ausgleich von Verlusten, in keinem Fall aber einen Ersatz des durch<br />
Verluste verminderten Unternehmensvermögens. Vorsichtig ist - aus aktuellen Anlässen - auch mit<br />
dem Begriff der Liquidität umzugehen. Die derzeitige Wirtschaftskrise hat vielen Unternehmen<br />
wieder ganz klar vor Augen geführt, dass die sogenannte Liquidität, gehalten in Form von Aktien<br />
oder Obligationen, in Krisenzeiten eines Unternehmens keinesfalls liquide und somit jederzeit verfügbar<br />
ist. Benötigt eine Unternehmung nämlich in solch schwierigen Zeiten dringend Geldmittel,<br />
so kann sie einzig auf Cash oder verfügbare Banklimiten zurückgreifen. Das Aktien- oder Obligationenportefeuille<br />
hat innert kürzester Zeit herbe Verluste erlitten, die man nun nicht realisieren<br />
möchte. Vielfach wird der Veräusserbarkeit dieser sogenannten "liquiden Mitteln" zu wenig Beachtung<br />
geschenkt. Man sagt, Aktien seien innert Minuten verkaufbar. Was aber, wenn in einer<br />
akuten Börsenkrise (Swissair, ABB, usw.) die Kurse innert Sekunden sich halbieren? Dies ist genau<br />
die Zeit des nachhaltig erfolgreichen Unternehmers oder Investors. Sie haben genügend Cash<br />
und können sich "über Wasser" halten oder investieren in günstige, aussichtsreiche Projekte oder<br />
Unternehmungen.
Seite -28-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
5 Integrales Risikomanagement zur Sicherung eines funktionierenden<br />
Wirtschaftsplatzes<br />
Einige Instrumente des modernen Risikomanagements und der Unternehmenswertschaffung sowie<br />
verschiedene gedankliche Auseinandersetzungen mit finanzwirtschaftlichen wie auch gesetzlichen<br />
Aspekten wurden auf den vorangehenden Seiten eingehend aufgezeigt. Nun geht es in einem<br />
nächsten Schritt darum, diese gewonnenen Erkenntnisse in einem ganzheitlichen, integralen System<br />
insofern zu verknüpfen, dass durch präventive oder repressive Massnahmen wirtschaftskriminelles<br />
Verhalten in Unternehmungen reduziert, bestenfalls sogar verhindert werden kann.<br />
5.1 Firmenzusammenbrüche mit “kriminellem” Charakter<br />
An prominenten Beispielen von Unternehmenszusammenbrüchen fehlt es heute keineswegs. Viele<br />
Einzelfälle wurden bereits angesprochen, sodass hier einzig nochmals die Phasen, welche einem<br />
Unternehmenszusammenbruch meist vorausgehen, aufgezeigt werden. 41<br />
Abbildung 15: Phasen eines Unternehmenszusammenbruchs<br />
Phase 1 Normalbetrieb<br />
Phase 2 Strategische Krise<br />
Phase 3 Rentabilitätskrise<br />
Phase 4 Ertragskrise<br />
Phase 5 Liquiditätskrise /<br />
Zusammenbruch<br />
Firma rentiert, gute bzw. branchenübliche Kennzahlen<br />
Erfolgspotentiale sinken, Verschlechterung der Kundenorientierung, evtl. Verlust<br />
techn. Führerschaft, Mitbewerber wachsen schneller, Gewinne bleiben vorerst stabil<br />
Strategische Fehlentscheide führen zu tieferer Rentabilität, allenfalls Vertuschung<br />
mittels kreativer Buchführung oder erste deliktische Handlungen (z.B. Urkundendelikte)<br />
Es treten erstmals Verluste auf. Krise wird evtl. erst jetzt erkannt, allenfalls Vertuschung<br />
mittels kreativer Buchführung, Risiko deliktischer Handlungen steigt stark an<br />
(z.B. Vermögensdelikte)<br />
Verluste führen zu Liquiditätsengpässen und zu Zahlungsunfähigkeit, schwierige Lage<br />
wird teilweise auch für Dritte ersichtlich; Risiko für deliktische Handlungen in dieser<br />
Phase sehr hoch<br />
Quelle: Vgl. Semesterarbeit "Unternehmenszusammenbrüche", NDS-BWK 1, Hochschule für Wirtschaft Luzern,<br />
2002, Präventionsteil, Seite 57<br />
Es wird offensichtlich, dass vor allem in den Phasen 4 und 5 das Risiko für deliktische Handlungen<br />
hoch ist, wo noch alles versucht wird, um den drohenden Konkurs abzuwenden bzw. sich noch<br />
schnell einen persönlichen Vorteil zu verschaffen. Für detailliertere Ausführungen wird auf die<br />
angegebene Semesterarbeit verwiesen. 42 Anzufügen im Rahmen dieser Arbeit bleibt einzig, dass<br />
sich das operative Risiko im Gegensatz zum strategischen und finanziellen Risiko im Zeitraum<br />
einer Krise erheblich erhöht. Daher erscheint es als kriminalpräventiv sinnvoll, durch ein effizientes<br />
und umfassendes Management der operationellen Risiken in den Anfangsphasen wirtschaftskriminelles<br />
Verhalten zu verhindern. Primär sollte unter allen Umständen verhindert werden, dass<br />
ein Unternehmen überhaupt in eine Krisenphase gerät. Hierzu bieten sich im Rahmen der in dieser<br />
Arbeit dargestellten Eigenmittelüberlegungen zu den operationellen Risiken zwei Hauptlösungen<br />
an. Die Unterlegung des unternehmensspezifischen Risikoexpsure durch eine genügende Eigenmittel-<br />
und Liquiditätausstattung oder eine Versicherungslösung durch Dritte.<br />
5.2 Die Verhinderung wirtschafskriminellem Verhalten bzw. von Unternehmenszusammenbrüchen<br />
Eine ausreichende Eigenmittel- und Liquidtätsausstattung sollte die Gefahr von Unternehmenskrisen<br />
und somit die Schaffung von Situationen für wirtschaftskriminelles Verhalten verhindern. Natürlich<br />
gibt es zusätzliche Deliktsarten in Unternehmungen, wie beispielsweise die Veruntreuung,<br />
welche keineswegs im Zusammenhang mit einem Unternehmenszusammenbruch stehen müssen,<br />
doch dürften diese für existenzbedrohende Unternehmenssituationen weniger massgebend sein.<br />
Das Vorgehen zur risikoadäquaten Mittelunterlegung könnte wie folgt aussehen:
Seite -29-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
1. Vorerst ist Bedingung, dass die Unternehmung ihren Markt, ihre Branche, ihre Tätigkeiten,<br />
ihre Strategie, ihre Assets (Aktiven und Human Capital) und ihren Wert kennt.<br />
2. In einem zweiten Schritt muss die Unternehmung ihre finanziellen und operationellen Risiken<br />
- unter Berücksichtigung des Entdeckungsrisikos - erkennen bzw. identifizieren.<br />
3. Schliesslich geht es noch darum, diese Risiken - in welcher Form auch immer - zu bewerten<br />
bzw. zu quantifizieren, also die Feststellung des Risikoexposure.<br />
4. Nun müssen die entsprechenden Risikoexposure mit entsprechenden Eigenmittel und Liquidität<br />
unterlegt oder allenfalls zur Abdeckung an Dritte weitertransferiert werden.<br />
5.2.1 Eigenmittelunterlegung<br />
Die entsprechenden Eigenmittel werden im Eigenkapital entsprechend verbucht und zusätzlich<br />
muss ein genügendes Liquiditätspolster angelegt werden (vgl. hierzu 4.4 "Allokation von ökonomischem<br />
Eigenkapital", Seite 24).<br />
5.2.2 Versicherungslösung / Abwälzung auf Dritte<br />
Die Abwälzung operationeller Risiken auf Dritte (Kapitalmarkt, Versicherungen, Banken oder<br />
andere Unternehmungen) ist heute zwar ein Thema, jedoch noch kein ernsthaftes. Die "normalen"<br />
externen Risiken (Katastrophen, Feuer, Einbruch, usw.), also Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit<br />
aber hohem Schadensausmass, werden heute vielfach gegen ein Prämienentgelt an<br />
Versicherungen übertragen. Wieso sollte es für weitere operationelle Risikoarten (wie Reputationsschäden,<br />
Delikte, Fehlinvestitionen oder gar Konkurs) keinen Markt geben, an den man diese<br />
Risiken gegen ein Entgelt übertragen bzw. versichern könnte? Diese Idee wird nachhfolgend noch<br />
etwas verfeinert indem zwei konkrete Möglichkeiten veranschaulicht werden.<br />
1. Ein Risiko ist ja grundsätzlich ein möglicher Schadenseintritt. Wie wäre es nun, wenn sich<br />
ein Unternehmen - analog zu den Finanzmärkten - diesen Verlust quasi durch den Erwerb<br />
eines Puts absichern könnte? Das Unternehmen erwirbt auf dem Kapitalmarkt einen<br />
Put 43 gegen Entgelt (Prämie), der sozusagen einen Schadenfall durch Delikte vollständig -<br />
oder allenfalls nach oben limitiert - abdeckt.<br />
2. Dem könnte entgegengebracht werden, dass man hierfür keinen Gegenpart auf dem Kapitalmarkt<br />
finden würde. Also gehen wir noch einen Schritt weiter. In Anknüpfung an die<br />
Idee der Errichtung einer Eidgenössischen Unternehmenskommission (EUK) in unserer<br />
Semesterarbeit 44 , könnte diese einen entsprechenden Risikopool für die von ihr überwachten<br />
Unternehmungen bilden, wie uns dies in einer ähnlichen Art einer Versicherungslösung<br />
bereits im Bereich des BVG-Sicherungsfonds bekannt ist. Dies würde sich wie folgt gestalten:<br />
Die Unternehmungen könnten wiederum ihre operationellen - also nicht unternehmensspezifischen<br />
und somit marktgängigen - Risiken durch den Kauf eines Puts bei der<br />
EUK absichern. Das Entgelt für den Put wird quasi als Versicherungsprämie durch die<br />
EUK verwendet, woraus schliesslich allfällige existenbedrohende Schadenfälle ihrer überwachten<br />
Unternehmungen getragen würden. In diesem Sinne fände zugleich auch ein Risikoausgleich<br />
auf dem Markt statt, da Unternehmungen, welche mehr Risiken tragen, sich<br />
auch durch höhere Put-Prämien absichern müssten. Da dies aufgrund einer täglichen Bewertungsbasis<br />
des Ausfallrisikos geschieht, müssten risikoorientiertere Unternehmungen<br />
laufend ihre höheren offenen Positionen mit entsprechenden Nachschüssen abdecken. Womit<br />
auch das bereits mehrfach beschriebene Problem der Haltung liquider Mittel gelöst wäre.<br />
Mit dieser Nachschusspflicht würde ein nicht risikoadäquates Wachstums- bzw. Expansionsstreben<br />
gebremst und somit die gesamte Volkswirtschaft stabilisiert. Nebst dem wird<br />
durch die Höhe der bezahlten Put-Prämien auch ersichtlich, welche Firmen risikoreichere<br />
Investments für Aktionäre darstellen als andere und dient aufgrund der täglichen Bewertungsbasis<br />
des Ausfallrisikos als eine Art Frühwarnsystem.
Seite -30-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
5.2.3 Kontrolle / Anreize<br />
Aus kriminologischer Sicht lassen sich wirtschaftskriminelle Phänomene grundsätzlich mittels<br />
verschiedener Theorien erklären. Im Rahmen der Kontrolltheorie von Travis Hirschi verhalte man<br />
sich nur insofern nicht konform, als die Kosten, und zwar weniger die eigentlichen Strafen als<br />
vielmehr alle Risiken, die man diesfalls auf sich nimmt 45 geringer sind als der zu erwartende Nutzen.<br />
Der Delinquent gewichtet den raschen Vorteil höher als die längerfristigen Nachteile, weil er<br />
das Risiko sucht. Die Wirtschafts- und Börsenboomphasen der letzten Zeit, in der die Gewinn- und<br />
Wachstumsaussichten unbegrenzt erschienen, verlangten von den Managern eine gewisse Risikoneigung,<br />
um überhaupt die gewünschten Jahresresultate erzielen zu können. Die Unternehmungen<br />
gewichteten ihren kurzfristigen Gewinn (gesteigerter Börsen- bzw. Unternehmenswert) höher, als<br />
die enormen latenten Risiken (teilweise sogar existenzbedrohliche Risiken), die sie bei ihren Entscheidungen<br />
eingingen. Man kann sagen, sie liessen sich von kurzfristiger Gewinn- und Bonusmaximierung<br />
blenden und vernachlässigten die nachhaltige Existenzsicherung des Unternehmens<br />
durch krasse Missachtung der Risiken. Hierbei gilt es sicherlich, künftig ein effizientes unternehmensweites<br />
Risikomanagement zu schaffen. Eine weitere kriminologische Sichtweise entspringt<br />
dem sogenannt situativen Ansatz, wonach das (Delikt) früher oder später ausgeführt werde, was<br />
einfach und risikolos begangen werden könne. Also nach dem Motto; Gelegenheit macht Diebe. In<br />
diesem Zusammenhang wird insbesondere das Interne Kontrollsystem (IKS) angesprochen, welches<br />
hier seine Wirkung entfalten muss.<br />
5.3 Ansätze für ein integrales Management operationeller Risiken<br />
Jean-Marc Piaz, welcher am Institut für schweizerisches Bankwesen der Universität Zürich tätig<br />
war, schliesst in seiner Dissertation zum Thema "Operational Risk Management bei Banken"<br />
betreffend der aktuellen Situation im Umgang mit operationellen Risiken wie folgt ab: "Das Ziel<br />
einer unternehmensweiten Erfassung sowie einer einheitlichen Bewertung und Aggregation operationeller<br />
Risiken steht noch in weiter Ferne und wird aufgrund des hohen Komplexitätsgrades<br />
vermutlich nie erreicht werden können." 46 Dies dürfte im Rahmen einer praktischen Umsetzung<br />
und Bewertung sicherlich so sein. Trotzdem wollen wir mögliche Grundzüge eines Modells für ein<br />
integrales Management operationeller Risiken im Hinblick auf eine Wertschaffung für das Unternehmen<br />
entwickeln.<br />
5.3.1 Integral-Cash-Risk-Exposure-Model (ICREM)<br />
In einer ersten Phase wollen wir uns die Situation des risikoadäquaten Deckungskapitals (nachfolgend<br />
Risk-Exposure-Cash-Capital (RECC) genannt) anhand eines möglichen Modells betrachten.<br />
Die Überlegungen hierzu basieren auf dem bereits erläuterten Capital Asset Pricing Model<br />
(CAPM) 47 , welches aus der modernen Finanzmarkttheorie entstammt. Das hier vorgestellte Modell<br />
bezeichnen wir als Integral Cash-Risk-Exposure-Model (ICREM) und soll den Zusammenhang<br />
zwischen Unternehmensrisiken und deren Unterlegungsmittel aufzeigen, welche zu einem unternehmensadäquaten<br />
Satz verzinst werden. Das Modell unterteilt die Finanzierung eines Unternehmens<br />
in einerseits für den Betrieb- und die Investitionen in Produktionsanlagen notwendiges Kapital.<br />
Dieses dient dazu, über den Cashflow die investierten Mittel sowie über einen kalkulierten<br />
Gewinn, in welchem die normalen und absehbaren systemischen Risiken, wie Delkredere-, Markt-,<br />
Finanzierungs- oder Garantierisiken, bereits einkalkuliert sind, wieder einzubringen. Dies entspricht<br />
dem Equivalent des Betriebsvermögens und der Investments (Anlagen). Der andere Teil der<br />
Unternehmensfinanzierung stellt das Risiko-Deckungskapital (RECC) dar, welches durch eine<br />
Überkalkulation in den Produktepreisen finanziert werden soll (Risikokosten). Dies entspricht<br />
letztlich dem Equivalent des unternehmensweiten Risk-Exposures. Veranschaulicht als Modell<br />
sieht dies wie folgt aus:
Seite -31-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Abbildung 16: Integral-Cash-Risk-Exposure-Model (ICREM)<br />
transferrierte Risiken Cash-Abfluss an Dritte<br />
=<br />
Risiko-<br />
Fremdfinanzierung<br />
Risk-Exposure-<br />
Portfolio =<br />
Risikokosten<br />
+<br />
Risk-Exposure-Cash-<br />
Capital (RECC)<br />
Risiko-<br />
Eigenfinanzierung<br />
Verzinsung durch<br />
+ + +<br />
Überkalkulation<br />
Betriebsvermögen &<br />
Investments =<br />
ordentlich kalkulierter<br />
Gewinn +<br />
Betriebs- &<br />
Kapitalfinanzierung<br />
Normale, marktübliche<br />
Finanzierung<br />
Verzinsung durch<br />
= = =<br />
Kalkulation<br />
Gesamt-Investment-<br />
Portfolio (Assets) =<br />
unternehmensweiter,<br />
adäquater Mehrwert +<br />
Eigen- &<br />
Fremdkapital<br />
Gesamt-Finanzierung<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
risikoadäquate<br />
Verzinsung<br />
Die an Dritte (Kapitalmarkt, Versicherungen, usw.) transferierten Risiken werden im Modell der<br />
Vollständigkeit halber auf erster Stufe mitaufgeführt. Das Modell soll verdeutlichen, dass nebst der<br />
normalen kalkulierten Betriebs- und Kapitalfinanzierung ein Unternehmen noch auf einen speziellen<br />
Liquiditäts-Stock (RECC) angewiesen ist, welcher durch eine Art Risikoprämie durch eine<br />
Überkalkulation verzinst werden sollte und als Deckungskapital für nicht betriebssystemische Risiken<br />
dient. Dies bedingt das unternehmerische Bewusstsein, zusätzliches Cash-Capital zu halten,<br />
wofür auch eine entsprechende Verzinsung über den Gewinn erarbeitet werden muss. Beachtet ein<br />
Unternehmen die Grundsätze dieses Modells, sollte es nicht Gefahr laufen, in eine existenzbedrohliche<br />
Krise zu geraten. Wie sich die risikoadäquate Verzinsung des Modells darstellen lässt, veranschaulicht<br />
die nächste Abbildung in Form eines angepassten CAPM's. Daraus wird ersichtlich,<br />
dass der zusätzliche Risiko-Cash-Stock (RECC) zur Abdeckung der unterstellten Unternehmensrisiken<br />
durch die Risikokosten eine entsprechend höhere (risikoadäquate) Rendite erwirtschaften<br />
muss. Dies wird, wie im obigen Modell dargestellt, durch eine Berücksichtigung in der Preiskalkulation<br />
erreicht.<br />
Abbildung 17: Das ICREM angepasst im Capital Asset Pricing Model (CAPM)<br />
+ Risikokosten<br />
(Überkalkulation)<br />
Ren dite<br />
Steigung = Verzinsung<br />
Vemarktübliche<br />
(risikoadäquate)<br />
Rendite<br />
ordentlich, kalk.<br />
Gewinn<br />
Risikofinanzierung<br />
Betriebs - &<br />
Kapitalfinanzi e rung<br />
+ Risiko - Cash - Stock<br />
Quelle: Eigene Darstellung
Seite -32-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Veranschaulichen wir uns die Ausführungen zum ICREM nochmals anhand der buchhalterischen<br />
Bilanz des Unternehmens. Der Aktivseite mit Betriebs- und Investmentvermögen steht grundsätzlich<br />
die konventionelle Betriebs- und Kapitalfinanzierung gegenüber. Nun unterliegt der Aktivseite<br />
Abbildung 18: Bilanz unter Risikoberücksichtigung<br />
Betrieb<br />
(ohne Risikoanteil)<br />
Investment<br />
Risiko<br />
Aktiven<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
Bilanz<br />
(ohne Risikoanteil)<br />
Betriebskapital<br />
Finanzkapital<br />
Eigenkapital<br />
Dritte /<br />
Versicherung<br />
Passiven<br />
Ausserbilanz<br />
ein inhärentes, insbesondere operationelles<br />
Risiko, welches zusätzlich auf der Aktivseite<br />
aufgeführt wird. Die Finanzierung des<br />
theoretisch ausgesonderten Risikoanteils<br />
erfolgt über zusätzliches Eigenkapital. Zur<br />
Vervollständigung sind unter dem Bilanzstrich<br />
noch die an Dritte transferrierten<br />
Risiken als Ausserbilanzgeschäfte aufgeführt.<br />
Das dargestellte Modell geht von der Erkenntnis<br />
innerhalb einer Unternehmung<br />
aus, dass ihren Assets und Tätigkeiten unter<br />
Umständen enorme Risiken inhärent<br />
sind. Namentlich durch den Shareholder-<br />
Value-Anspruch in Wirtschafts-Boomphasen<br />
fordert der Aktionär hohe Renditen<br />
vom Unternehmen und erwartet somit satte<br />
Gewinne. Aufgrund dieser allgemeinen<br />
Erwartungshaltung werden vielfach die<br />
Assets im Rahmen einer Ertragswertrechnung<br />
überbewertet, was uns heute ebenfalls prominente Beispiele bestätigen. Gerade in solchen<br />
Zeiten sind sich viele Unternehmungen ihrer inhärenten Risiken zu wenig bewusst. Daher wäre es<br />
notwendig, solche Risiken aus den Assets auszusondern und separat in einer risikobereinigten<br />
(theoretischen) Bilanz darzustellen und mit den entsprechenden Eigenmitteln zu unterlegen. Abschliessend<br />
befindet sich im Anhang noch ein Schemata, in welchem versucht wird, dieses gedankliche<br />
Risiko-Modell im prozessualen System einer Unternehmung einzugliedern. Bei all diesen<br />
Überlegungen ist schliesslich auch zu beachten, dass der Verzehr von Eigenkapital und Cash nicht<br />
als einziger Risikomassstab und Frühwarnindikator zu sehen sind. Vielmehr müssen auch Plangrössen<br />
wie Cash-Flow oder Gewinn (EBIT) kontinuierlich überwacht werden.<br />
5.3.2 Risikoadäquates Unternehmenswert-Steuerungssystem<br />
Eine mögliche Integrierung des gezeigten Risikokosten und -Kapital-Modells in eine wertschaffende<br />
Gesamtunternehmensführung wollen wir zum Abschluss aufzeigen. Ein mögliches risikoadäquates<br />
Unternehmens-Steuerungssystem befindet sich im Anhang (vgl. Abbildung 21, 9.4<br />
"Anhang 4: Risikoadäquates Unternehmenswert-Steuerungssystem"). Ausgehend von der Bilanz<br />
und der Erfolgsrechnung werden einerseits die inhärenten Assets-Risiken, andererseits die aus<br />
Markterlösen, Human-Capital-Kosten und Prozesserlösen bzw. -kosten der operative Cashflow<br />
errechnet. Die Einzelrisiken werden zuerst aggregiert, dann bearbeitet und schliesslich die selbszutragenden<br />
Risiken nochmals aggregiert (Nettoposition). Durch diese Aggregation kann der Eigenkapitalbedarf<br />
reduziert und indirekt durch das gewonnene Risikobewusstsein die Eigenkapitalkosten<br />
gesenkt werden. Durch die Transferierung von Risiken entstehen hingegen Mehrkosten,<br />
welche sich negativ auf den operativen Cashflow auswirken. Eine effiziente und ausgebaute Unternehmensorganisation<br />
(insbesondere das Risk-Management) beeinflusst wiederum die Eigenkapitalkosten<br />
im positiven Sinne. Werden die Fremdkapitalkosten mit den Eigenkapitalkosten entsprechend<br />
gewichtet und addiert, resultieren die Unternehmens-Kapitalkosten (WACC, vgl. hierzu<br />
3.3 "Risikoorientierte-Ertragssteuerung zur Steigerung des Unternehmenswertes", Seite 11). Zählt<br />
man auf der anderen Seite vom operativen Cashflow noch die Investitionen in Betriebs- und Investitionsvermögen<br />
ab, errechnet man den Free Cashflow des Unternehmens. Ist nun der Free Cash-
Seite -33-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
flow letztlich grösser als die risikoadäquaten Kapitalkosten wird ein echter Unternehmensmehrwert<br />
erarbeitet und das Risiko-Exposure wird mit einer adäquaten Rendite abgegolten. Dies als<br />
Veranschaulichung eines möglichen theoretischen, unternehmensweiten Risiko-<br />
Führungsinstrumentes.<br />
5.4 Die wichtige Rolle des Wirtschaftsprüfers<br />
All diese Bestrebungen bedingen den Willen des Verwaltungsrates und des Managements seine<br />
Risiken besser zu managen. Eine wichtige Rolle kommt ausserdem dem externen Kontrollorgan<br />
zu, sei es im Rahmen des Aufsichtsrechtes (allenfalls EUK) oder des Gesellschaftsrechtes. Der<br />
Wirtschaftsprüfer ist derjenige, der als externe Person tieferen Einblick in das Unternehmen erhält.<br />
Es ist nicht Thema dieser <strong>Diplomarbeit</strong>, sich eingehend mit Verbesserungsmöglichkeiten in diesem<br />
Bereich zu beschäftigen, zumal sich die Semesterarbeit „Unternehmenszusammenbrüche“ 48 bereits<br />
eingehend dazu äussert. Es ist einzig auf zwei zusätzliche Aspekte hinzuweisen. Erstens stellt sich<br />
die Frage, ob man die Wirtschaftsprüfer nicht auch wie Rechtsanwälte oder Ärzte einer Standesaufsicht<br />
mit Sanktionsmöglichkeiten unterstellen könnte. Dies im Rahmen eines Selbstschutzes<br />
bzw. Selbstregulierung. Zweitens ist eine unternehmens-risikoorientierte Prüfungssicht im Hinblick<br />
auf eine nachhaltige Unternehmensfortführung wünschenswert. Der Abschlussprüfer sollte<br />
über dem traditionellen financial audit künftig auch einen business audit durchzuführen haben.<br />
Allenfalls wären hierzu Gesetzesänderungen mit präziserem Auftrag an die Revisionsstelle - wie in<br />
Deutschland - zu prüfen. Im Rahmen der Einführung des KonTraG 49 im Jahre 1998 in Deutschland<br />
wurden nebst den Risikomanagement-Aufgaben und -verantwortungen des Managements im Handelsgesetzbuch<br />
(HGB) neu die Pflicht des Wirtschaftsprüfers eingeführt, im Jahresbericht zum<br />
Thema des Risikomanagements ausdrücklich Stellung zu nehmen. Bei börsennotierten Gesellschaften<br />
ist das geforderte Risikomanagment-System im Rahmen des Jahresabschlusses zu prüfen.<br />
Dazu heisst es in § 322 Abs. III AktG:<br />
"Im Bestätigungsvermerk ist darauf einzugehen, ob der Lagebericht und der Konzernanlagebericht<br />
insgesamt nach der Beurteilung des Abschlussprüfers eine zutreffende Vorstellung von<br />
der Lage des Unternehmens oder des Konzerns vermittelt. Dabei ist auch darauf einzugehen,<br />
ob die Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind."<br />
Diese Erweiterung des Aktiengesetzes spiegelt sich zudem in der Ergänzung von § 317 Abs. IV<br />
des Handelsgesetzbuches wieder:<br />
"Der Abschlussprüfer hat zu untersuchen, ob die geforderten Massnahmen zur Früherkennung<br />
von bestandesgefährdenden Entwicklungen vom Vorstand getroffen wurden."<br />
Risk-Management wird durch diesen Impuls des deutschen Gesetzgebers zu einem wichtigen neuen<br />
Element in der Unternehmensführung und im Management-System. Die Standeskommission<br />
der Schweizerischen Treuhandkammer hat Ansätze solcher sanktions- und risikoorientierter Prüfungsbestimmungen<br />
im Rahmen ihrer Mitglieder (Selbstregulierung) ebenfalls bereits eingeführt.<br />
In diesem Zusammenhang sollte der Prüfer bereits heute eine entsprechende Risikobeurteilung des<br />
zu prüfenden Unternehmens vornehmen.<br />
5.5 Auswirkungen auf Wirtschaftskriminalität<br />
Auf den vorangehenden 30 Seiten haben wir uns dem breiten Spektrum der operationellen Risikobewirtschaftung<br />
unter dem Aspekt der Wirtschaftskriminalität bzw. Unternehmensdelikten<br />
überblickmässig gewidmet. Zuerst wurden die derzeitigen vorbildlichen Bestrebungen im Bankenbereich<br />
aufgezeigt, um allenfalls mögliche Ideen für den allgemeinen Unternehmenssektor adaptieren<br />
zu können. Einige Aspekte versuchten wir in den Bereich der operationellen Unternehmensrisiken<br />
zu übernehmen. Schliesslich beschäftigten wir uns eingehend mit der Behandlung des sogenannten<br />
risikoadäquaten Eigenkapitals. Insbesondere die Behandlung der Eigenmittelunterlegung<br />
wurde detaillierter analysiert. Zusammenfassend lassen sich die erarbeiteten Lösungsansätze wie<br />
folgt darstellen:
Seite -34-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Abbildung 19: Erarbeitete Lösungsansätze<br />
ökonomisches Eigenkapital<br />
Instrument der<br />
Stillen Reserven<br />
Expansionsbeschränkung<br />
durch Ausweitung<br />
von Art. 725 OR<br />
Änderung der<br />
Liberierungs- und<br />
Sacheinlagenpraxis<br />
Abschaffung des<br />
Nichteinbezahlten<br />
Grundkapitals<br />
Eigenkapital-<br />
Zusammensetzung als<br />
Risikodeckungsmasse<br />
Begriff der Liquidität<br />
Im Gegensatz zu den propagierten Rechnungslegungsansätzen nach true-and-fair-view (US-<br />
GAAP, IAS) sollte wieder vermehrt der Einsatz des Instruments der Stillen Reserven nach OR zur<br />
Glättung von Gewinn- und Verlustspitzen in Betracht gezogen werden. Stille Reserven verheimlichen<br />
zwar allenfalls dem Shareholder Gewinne, sie sorgen dadurch aber auch für einen starken<br />
Finanz- und Wirtschaftsplatz.<br />
Die Grösse des Eigenkapitals sollte stets mit den heute teilweise rasanten Expansionsbestrebungen<br />
mithalten. Aus diesem Grund sollten Unternehmungen und Revisionssteellen gezwungen<br />
sein, früher als nach den Vorschriften von Art. 725 OR entsprechend zu handeln. Denn sind die<br />
Voraussetzungen der Überschuldung nach Art. 725 OR tatsächlich erfüllt, ist es meist zu spät.<br />
Von der Möglichkeit der vollständigen Grundkapitaleinbringung durch Verrechnung mit Sachwerten<br />
nach Art. 634 OR sollte künftig Abstand genommen werden. Zur Sicherung der nötigen<br />
Liquidität, müssten bei Neugründen stets auch Barmittel eingebracht werden.<br />
Ebenso sollte es künftig nicht mehr möglich sein, lediglich 20% bzw. mindestens Fr. 50'000.--<br />
des Aktienkapitals liberieren zu müssen (vgl. Art. 632 OR).<br />
Das Eigenkapital trägt das Risiko einer Unternehmung. Um dieses Bewusstsein zu verstärken,<br />
sollten bei einer sinnvollen Eigenkapital-Zusammensetzung nebst dem Grundkapital und den<br />
gesetzlichen Reserven auch die Risikorückbehalte für kalkulierte bzw. erwartete und für nicht<br />
erwartete Verluste eingegliedert werden.<br />
Mit dem Begriff der Liquidität ist vorsichtig umzugehen. Allzu oft konnte man in letzter Zeit<br />
feststellen, dass die vermeintliche Liquidität in Tat und Wahrheit gar nicht so liquide war, wie<br />
man annehmen konnte. Ein aus liquiditätsgründen gehaltenes Wertschriftenportefeuille kann sich<br />
in Krisenzeiten nämlich ohne weiteres innert Mintuten halbieren. Solchen Risiken ist wieder<br />
vermehrt Beachtung zu schenken.<br />
Instrumente zur Verhinderung von Unternehmenszusammenbrüchen<br />
Adäquates Frühwarnsystem<br />
zur Erkennung<br />
der Phasen von Unternehmenszusammenbrüchen<br />
Put-Lösungen zur<br />
Risikoabsicherung<br />
Kriminologische<br />
Anreize und<br />
Kontrollen<br />
Die Rolle des<br />
Wirtschaftsprüfers<br />
Integrale Management-Lösungen<br />
Ein Unternehmenszusammenbruch lässt sich in typische Krisen-Phasen einteilen. Diese sind<br />
durch geeignete Frühwarnsysteme (Kennzahlen, usw.) frühzeitig zu erkennen und schliesslich die<br />
notwendigen Massnahmen zu treffen. Dies insbesondere, um operationelle Risiken (unter anderem<br />
auch deliktische Handlungen) in Krisenzeiten zu verhindern.<br />
Operationelle Risiken könnten durch den Erwerb von Put-Optionen auf dem Kapitalmarkt auf<br />
Dritte übertragen werden. Findet sich auf dem freien Kapitalmarkt keine Gegenpartei wäre allenfalls<br />
ein Risikopool durch eine entsprechende Unternehmens-Aufsichtsbehörde (Eidgenössische<br />
Unternehemenskommission, EUK) zu bilden, wobei diese hierbei als Put-Gegenpartei auftreten<br />
würde. Die laufende Margin-Nachschusspflicht würde zudem die Risikotragfähigkeit der Unternehmung<br />
durch Bindung liquider Mittel sinnvoll beschränken.<br />
Aus kriminologischer Sicht fällt wirtschaftskriminelles Verhalten dort an, wo entweder die notwendige<br />
Kontrolle fehlt oder sich aus der Situation entsprechende deliktische Möglichkeiten<br />
ergeben. Dieser Erkenntnis ist im Rahmen der Organisationsgestaltung sowie der Bewirtschaftung<br />
operationeller Risiken besondere Beachtung zu schenken.<br />
Die Anforderungen an den heutigen Wirtschaftsprüfer nehmen stetig zu. Analog zu den gesetzlichen<br />
Vorschriften in Deutschland, wäre es auch in der Schweiz wünschenswert, dass er zu den<br />
Risiken und den Instrumenten zur Fürherkennung in einer Unternehmung explizit Stellung nehmen<br />
müsste. Ebenso sollten greifende Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden. Entsprechende<br />
Standesregeln hat die Treuhandkammer im Rahmen einer Selbstregulierung bereits heute eingeführt.<br />
Integral-Cash-Risk-<br />
Exposure-Model<br />
(ICREM)<br />
Risikoadäquates<br />
Unternehmens-<br />
Steuerungssystem<br />
Modell, das die Handhabung des Risikokapitals aufzeigt und im Rahmen sämtlicher Tätigkeiten<br />
(Eigenkapitalgestaltung, Gewinnverwendung, Renditeüberlegungen, Kapitalbeschaffung, Preisgestaltung,<br />
Kalkulationen, usw.) das notwendige Bewusstsein für das risikoadäquate Kapital im<br />
Unternehmen schaffen soll.<br />
In diesem Modell wird abschliessend aufgezeigt, wie die gemachten Risikoüberlegungen in Ergänzung<br />
der Kapitalkosten sowie des erwirtschafteten Free-Cashflows in einem unternehmensweiten<br />
Steuerungssystem unter dem Aspekt der Steigerung des Unternehmenswerts zusammengeführt<br />
werden können.<br />
Quelle: Eigene Darstellung
Seite -35-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
Für viele Firmen wird als künftiger Erfolgsfaktor die vermehrte Selbstkontrolle der Unternehmungen<br />
unterstützt durch externe Revisions- oder Aufsichtsstellen von Bedeutung sein. Dies dürfte<br />
allenfalls zu weniger wirtschaftskriminellem Verhalten führen. Börsenüberraschungen basierend<br />
auf Bilanzskandalen in angesehenen Unternehmungen sollten in Zukunft nicht mehr in diesem<br />
Ausmass möglich sein. Natürlich beruhen diese Entwicklungen auf einer Börsenblase, welche nun<br />
rasant geplatzt ist. Bereits in früheren Börsen-Boomphasen (1929) gab es solche Bilanzverfälschungen<br />
und andere Unternehmensdelikte, welche im anschliessenden Crash aufgeflogen waren.<br />
Doch hat man in den letzten Jahren das Gefühl fürs Risiko (Risiko-Awarness) sowie für eine funktionierende<br />
Kontrolle verloren. Wirtschaftskriminell relevante Risikogebiete in Unternehmungen<br />
müssen künftig zeitnah aufgedeckt und bearbeitet werden, denn eine Aufarbeitung aller Delikte<br />
eines ganzen Börsenplatzes durch die repressiv tätige Strafverfolgungsbehörde ist nicht vom Erfolg<br />
gekrönt. Erstens besteht zwischen den strafrechtlichen Bestimmungen und dem allgemeinen<br />
Volksempfinden für delinquierende Manager eine grosse Erwartungslücke (strafrechtlicher Expectation-Gap)<br />
50 , welche in den nächsten Jahren durch den Gesetzgeber zu bereinigen sein wird.<br />
Zweitens sind die Strafverfolgungsbehörden an strafprozessuale Abläufe gebunden, welche die<br />
Ermittlungen nebst der grossen Arbeitslast noch zusätzlich stark behindern und über etliche Jahre<br />
andauern lassen. Die Aufgabe von Strafverfolgungsbehörden wie auch Konkursverwaltungen besteht<br />
dann darin, Jahre später vorgefallene Geschäftsfälle aufzuarbeiten und entsprechende Tatbestände<br />
aus unzähligem Akten- und Datenmaterial gerichtsverwertbar auszufiltern.<br />
Durch funktionierende Risiko- und Krisenmanagementprozesse in den Unternehmungen sowie die<br />
aufgerzeigten Instrumente können solche langwierige repressive Handlungen präventiv verhindert<br />
werden. Ebenso werden dadurch mögliche Konkurse früher absehbar und die Revisionsstelle<br />
müsste allenfalls früher intervenieren und an eine Aufsichtsorganisation (Börse, EUK, EBK, usw.)<br />
melden. Nachhinkende Konkurseröffnungen, wie sie im KMU-Bereich oftmals anzutreffen sind,<br />
wo das Konkursamt bereits keine Geschäftsakten und -aktiven mehr vorfindet, sollten dadurch der<br />
Vergangenheit angehören. Ein weiterer Vorteil dürfte im Gläubigerschutz liegen. Diese erleiden<br />
weniger Schaden, da sie früher von der schlechten Finanzsituation des Schuldner-Unternehmens<br />
durch ein Down-Rating erfahren. Aufgrund solcher transparenter Informationen sollte dann auch<br />
der Aktionär selbst entscheiden können, welchem Unternehmen (risikofreudig oder -scheu) er sein<br />
Geld zur Verfügung stellen möchte. Er trägt letzlich das entsprechende Risiko des Unternehmens.<br />
Schliesslich dürften die Unternehmen und somit auch der Aktionär trotz eines intakten Risikomanagements<br />
immer noch vielen unbekannten Risiken ausgesetzt sein. In Zeiten der Globalisierung<br />
und des Wachstums, in der Konzerne Strukturen annehmen, die schlicht und einfach nicht mehr<br />
überschaubar und kontrollierbar sind, wird es auch so noch zu grossen Unternehmenszusammenbrüchen<br />
kommen. Eine hundertprozentige Kontrolle bzw. Sicherheit gibt es nie. Unternehmen sind<br />
letztlich - gerade in solchem Grössenverhältnissen - komplexe und teilweise selbständige Systeme,<br />
deren Zusammenwirken auch modernen Wissenschaften noch vielfach schleierhaft ist. Aufgrund<br />
dieser Erkenntnis, wäre letztlich auch eine Beschränkung von Konzerngrössen ernsthaft zu prüfen.<br />
Abschliessend kann zusammenfassend gesagt werden, dass risikoadäquates Handeln in jedem Fall<br />
Mehrwert und Nachhaltigkeit schafft, was unweigerlich die Grundlage zur Verhinderung von wirtschaftskriminellem<br />
Verhalten und grossen unerwarteten Unternehmensverlusten bildet.<br />
"Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit respektive die von mir ausgewiesene<br />
Leistung selbständig, ohne Mithilfe Dritter und nur unter Ausnützung<br />
der angegebenen Quellen verfasst respektive erbracht habe."<br />
Sattel, den 15. Januar 2003
Seite -36-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
1 Vgl. www.risknet.de/Risk_Management/Themen/Krisenmanagement<br />
2 Vgl. "Fit for Finance" von Bruno Gehrig und Heinz Zimmermann, NZZ Verlag, 1996, Seiten 79 - 96<br />
3 3 vgl. Semesterarbeit "Unternehmenszusammenbrüche" NDS-BWK 1, Hochschule für Wirtschaft Luzern, 2002, Präventionsteil<br />
4 vgl. hierzu den Swiss Code of Best Practice auf www.economiesuisse.ch<br />
5 Für Weiteres vgl. "risknews."-Ausgabe 07.2000, www.e-risknews.com<br />
6 Art. 9 Abs. 2 BankV (Verordnung zum Gesetz über die Banken und Sparkassen): "Die Bank regelt die Grundzüge<br />
des Risikomanagements sowie die Zuständigkeit und das Verfahren für die Bewilligung von risikobehafteten Geschäften<br />
in einem Relgement oder in internen Richtlinien. Sie muss insbesondere Markt-, Kredit-, Ausfall-, Abwicklungs-<br />
Liquiditäts- und Imagerisiken sowie operationelle und rechtliche Risiken erfassen, begrenzen und überwachen."<br />
7 John Meriwether leitete den im Jahre 1994 gegründete Hedge-Fonds Long Term Capital Management Fonds (LTCM)<br />
mit Sitz in den USA, aus welchem schliesslich ein Schaden von USD 4 Mia. resultierte. Für Weiteres vgl. "Die 55<br />
grössten Flops der Wirtschaftsgeschichte" von Klaus Schmeh, Ueberreuter-Verlag, 2002<br />
8 Portfolioeffekte ergeben sich durch das Halten verschiedenartiger Risiken in grosser Anzahl. Hierdurch erreicht die<br />
Bank - oder insbesondere natürlich eine Versicherung - Diversifikationseffekte, wodurch sie das Einzelrisiko abfedern<br />
kann. Das heisst, wenn ein Kredit von total 1000 Krediten ausfällt, ist nicht gleich anzunehmen, dass alle anderen Kredite<br />
auch ausfallen, und die Bank somit nur einen kleineren Verlust erleidet, wonach sie nicht Konkurs gehen wird. Für<br />
Weiteres vgl. "Fit for Finance" von Bruno Gehrig und Heinz Zimmermann, NZZ Verlag, 1996, Seiten 39 - 58<br />
9 Vgl. "Zur strategischen Bedeutung des Risikomanagements für die Kreditinstitute" von Jürgen Krumnow, in Handbuch<br />
Risikomanagement, Band 2, Uhlenbruchverlag, 2000, Seite 688<br />
10 Ein Risikoexposure ist die Gesamtheit aller eingegangenen (abgeschätzten) Risiken ausgedrückt in Währungseinheiten.<br />
11 Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Schweden, Schweiz, USA und<br />
das Vereinigte Königreich<br />
12 Vgl. „Risikomanagement für Kreditwirtschaft und Finanzmärkte“ von F ranz-Christoph Zeitler, in Handbuch Risikomanagement,<br />
Band 1, Uhlenbruchverlag, 2000, Seite 11<br />
13 Vgl. einleitende Bemerkungen zum Risikobegriff betreffend des Capital Asset Pricing Model (CAPM) auf Seite 6<br />
14 operatives Geschäftsergebnis = NOPAT (Net Operating Profit After Taxes)<br />
15 Weighted Average Cost of Capital (WACC) ist der aus Eigen- und Fremdkapitalzinskosten gewichtete durchschnittliche<br />
Kapitalkostensatz für die Verzinsung bzw. die Kosten des investierten Gesamtkapitals. Ziel ist es wiederum wie<br />
bereits in der Einleitung zum Risiko im Rahmen des Capital Asset Pricing Model (CAPM) auf Seite 6 eine risikoadäquate<br />
Verzinsung des Kapitals zu berücksichtigen.<br />
16 Risk Adjusted Return On Capital (RAROC)<br />
17 Das ökonomische Kapital stellt das für das spezifische Unternehmen oder das konkrete Projekt betriebswirtschaftlich<br />
risikoadäquate Eigenkapital dar.<br />
18 Bei einer Nutzwertanalyse werden alle relevanten Faktoren bzw. Alternativen nach ihrer Bedeutung gewichtet. Anschliessend<br />
folgt eine Bewertung der einzelnen Alternativen, wobei der Bewertung eine bestimmte Punkteskala (z.B. 1<br />
bis 5) zugrunde liegt. Die Multiplikation der Gewichtung mit der Bewertung ergibt den Nutzen der betreffenden Alternative.<br />
Für Weiteres vgl. "Managementorientierte Betriebswirtschaftslehre" von Jean-Paul Thommen, Versus Verlag<br />
Zürich, 2000, Seite 96 ff.<br />
19 In Anlehnung an „Entwicklungslinien im Risikomanagement“ von Bern Rudolph und Lutz Johanning, in Han dbuch<br />
Risikomanagement, Band 1, Uhlenbruchverlag, 2000, Seiten 25 - 29<br />
20 Amendment to the Capital Accord to Incorporate Market Risks, Basler Ausschuss, 1996<br />
21 vgl. Semesterarbeit "Unternehmenszusammenbrüche" NDS-BWK 1, Hochschule für Wirtschaft Luzern, 2002, Präventionsteil,<br />
Seite 14 ff.<br />
22 Die Varianz misst die Streuung der einzelnen Risikowerte um die erwartete durchschnittliche Rendite<br />
23 Die Standardabweichung drückt das Risiko aus, als Abweichung von der erwarteten Rendite<br />
24 Ein Handelsbuch besteht aus Positionen in Finanzinstrumenten und Waren, die entweder mit der Absicht, mit ihnen<br />
zu handeln oder als Absicherung (Hedge) für andere Bestandteile des Handelsbuches gehalten werden.
Seite -37-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
25 Diversifikationseffekte werden erzielt, indem man verschieden Werte in einem Portfolio hält, welche sich nicht<br />
gleichläufig verhalten bzw. korrelieren. Nimmt beispielsweise der eine Wert ab, nimmt dafür ein anderer zu. Dadurch<br />
erreicht man, dass z.B. ein einzelner Totalverlust nicht zum Gesamt-Totalverlust des Portfolios führt.<br />
26 Der RAROC (Risk Adjusted Return On Capital) stellt die risikoadäquate Rendite auf dem investierten Kapital dar<br />
(vgl. auch "3.3 Risikoorientierte-Ertragssteuerung zur Steigerung des Unternehmenswertes", Seite 11)<br />
27 Bei der Historischen Simulation werden zukünftige künstliche Veränderungen aus historischen Wert generiert.<br />
28 Bei der Monte-Carlo-Simulation werden aufgrund möglicher Inputfaktoren unzählige Simulationen durchgespielt,<br />
wodurch aufgrund der grossen Anzahl Resultate ein zu erwartender Wert ergibt.<br />
29 Im Worst-Case-Szenario wird der schlimmst mögliche Fall angenommen und das daraus resultierende Verlust-<br />
Risiko berechnet (Krisensimulation).<br />
30 Commercial Papers sind ausländische Geldmarktpapiere, wodurch sich eine Unternehmung am Geldmarkt kurzfristig<br />
finanzieren kann.<br />
31 Mittels Asset Backed Transaktionen werden Vermögenswerte einer Unternehmung ausgelagert und über den Kapitalmarkt<br />
rückfinanziert.<br />
32 Eine Schiefe gemäss Abbildung 6 ergibt sich daher, dass es viele kleinere Verluste über dem erwarteten Verlust gibt,<br />
jedoch wenige summenmässig grosse und wiederkehrende Verluste.<br />
33 Vgl. auch "Operational Risk Management bei Banken", Jean-Marc Piaz, Versus Verlag Zürich, 2002<br />
34 Vgl. auch "Quantifizierung von Operational Risk mit Value-at-Risk" von Helmut Beck und Thomas Kaiser in Handbuch<br />
Risikomanagement, Band 2, Uhlenbruchverlag, 2000, Seite 637<br />
35 Vgl. "Identifizierung, Quantifizierung und Steuerung operationeller Risiken in Kreditinstituten" von Mathias Hofmann,<br />
Bankakademie Verlag GmbH, 2002, Seite 15<br />
36 Swiss Code of Best Practice, Corporate Governance, Economiesuisse, www.economiesuisse.ch, 28.2.2002<br />
37 Eine theoretische Möglichkeit zur Transferierung operationeller Risiken besteht in deren Verbriefung. Die Verbriefung<br />
ist eine Sonderlösung der Versicherungsidee. Dadurch können operationelle Risiken an den Kapitalmarkt gebracht<br />
und von Investoren getragen werden. Instrument der Verbriefung kann ein sogenannter "Operational Risklinked<br />
Bond" sein. Leitidee dieses Instruments bildet die bereits erprobte Securitisierung von Katastrophenrisiken.<br />
Hierbei werden keine Finanzaktiven verbrieft, sondern zukünftige Versicherungsleistungen. Beim "Operational Risklinked<br />
Bond" kann das Unternehmen unerwünschte operationelle Risiken z.B. durch ein eigens zur Verbriefung konstruiertes<br />
Vehikel verbriefen und am Kapitalmarkt verkaufen. Dabei bezahlt es den vereinbarten Zins der Anleihe sowie<br />
eine Kommission an das Transfer-Vehikel. Im Falle des Risikoeintrittes entfällt die Zinszahlung und die Anleihe<br />
wird ganz oder teilweise wertlos.<br />
38 In der Praxis trifft man in etwa folgende Eigenfinanzierungsgrade an: Banken und Verwaltungsgesellschaften 10-<br />
20%, Handels- und Dienstleistungsunternehmungen 20-40%, anlagenintensive Produktionsunternehmen 40-60% und<br />
Unternehmen mit vorwiegend immateriellen Aktiven 60-90%.<br />
39 Bei der Agency-Problematik handelt es sich um die Schwierigkeit, mehrere im globalen Verbund zusammenarbeitende<br />
Einheiten als Ganzes führen und insbesondere kontrollieren zu können. Als Beispiel soll die in der Semesterarbeit<br />
Unternehmenszusammenbrüche, NDS-BWK 1, Hochschule für Wirtschaft Luzern, 2002 aufgezeigte Ölhandelstätigkeit<br />
der Metallgesellschaft AG dienen. Einem renommierten Händler wurde bei seiner Tätigkeit in den USA viel<br />
Freiraum gelassen, sodass er fernab des Mutterhauses in Frankfurt unkontrolliert riskante Geschäfte abschliessen konnte.<br />
40 Vgl. Semesterarbeit "Unternehmenszusammenbrüche", NDS-BWK 1, Hochschule für Wirtschaft Luzern, 2002,<br />
Präventionsteil, Seite 76<br />
41 Vgl. Semesterarbeit "Unternehmenszusammenbrüche", NDS-BWK 1, Hochschule für Wirtschaft Luzern, 2002,<br />
Präventionsteil, Seite 57<br />
42 Vgl. Semesterarbeit "Unternehmenszusammenbrüche", NDS-BWK 1, Hochschule für Wirtschaft Luzern, 2002,<br />
Präventionsteil, Seite 69 ff.<br />
43 Mit einer Putoption (kurz Put genannt) erwirbt sich der Käufer das Recht, eine Aktie (oder eine andere Anlage oder<br />
Sache) bei der Fälligkeit der Option zum heute vereinbarten Ausübungspreis zu verkaufen.<br />
44 Vgl. Semesterarbeit "Unternehmenszusammenbrüche", NDS-BWK 1, Hochschule für Wirtschaft Luzern, 2002,<br />
Präventions- und Reaktionsteil
Seite -38-<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> Nachdiplomstudium zur<br />
Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität<br />
45 Vgl. Skript "NDS-BWK, Nachdiplomstudium zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, Kriminologie der Wirtschaftskriminalität"<br />
von Prof. Martin Kilias, 2001<br />
46 Vgl. "Operational Risk Management bei Banken" von Jean-Marc Piaz, Versus Verlag 2002, Seite 137<br />
47 Vgl. hierzu Ausführungen unter 2.1"Wieso Risiko", Seite 6<br />
48 Vgl. Semesterarbeit "Unternehmenszusammenbrüche", NDS-BWK 1, Hochschule für Wirtschaft Luzern, 2002,<br />
Präventions- und Reaktionsteil<br />
49 Vgl. auch Ausführungen unter Kapitel 2.2 "Ein funktionierender Finanzplatz", Seite 7<br />
50 Vgl. Semesterarbeit "Unternehmenszusammenbrüche", NDS-BWK 1, Hochschule für Wirtschaft Luzern, 2002,<br />
Reaktionsteil, Seite 60 ff.
Seite I<br />
Anhänge / Ergänzungen / Verzeichnisse<br />
6 Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Mögliche Risikoarten eines Bankinstitutes ................................................. Seite 8<br />
Abbildung 2: Das 3-Säulen-Konzept des neu vorgeschriebenen Basler Accords ............. Seite 10<br />
Abbildung 3: Darstellung des erwarteten und unerwarteten Verlustes ............................. Seite 11<br />
Abbildung 4: Säule 1 des neu vorgeschlagenen Basler Accords....................................... Seite 13<br />
Abbildung 5: Value-at-Risk bei normalverteilten Marktwertveränderungen.................... Seite 14<br />
Abbildung 6: Konzept der regulatorischen Eigenkapitalunterlegung von Kreditrisiken... Seite 16<br />
Abbildung 7: Risk Management als unternehmensweites Frühwarnsystem ..................... Seite 18<br />
Abbildung 8: Formen der Unsicherheit ............................................................................. Seite 19<br />
Abbildung 9: Arten operationeller Risiken im Überblick ................................................. Seite 20<br />
Abbildung 10: Prozessuales Risikomanagementsystem für operationelle Risiken............. Seite 22<br />
Abbildung 11: Risiko Steuerungsmassnahmen ................................................................... Seite 22<br />
Abbildung 12: Einfluss der Massnahmen auf die Verlustverteilungskurve ........................ Seite 23<br />
Abbildung 13: Ökonomischer Sicherheitsgrad.................................................................... Seite 23<br />
Abbildung 14: Eigenkapital als Risikodeckungsmasse ....................................................... Seite 27<br />
Abbildung 15: Phasen eines Unternehmenszusammenbruchs ............................................ Seite 28<br />
Abbildung 16: Integral-Cash-Risk-Exposure-Model (ICREM) .......................................... Seite 31<br />
Abbildung 17: Das ICREM angepasst im Capital Asset Pricing Model (CAPM) .............. Seite 31<br />
Abbildung 18: Bilanz unter Risikoberücksichtigung .......................................................... Seite 32<br />
Abbildung 19: Erarbeitete Lösungsansätze ........................................................................ Seite 34<br />
Abbildung 20: Bemessungsmöglichkeiten operationeller Risiken nach Basel II................ Anhang 1<br />
Abbildung 21: Mögliche Instrumente zur Bewertung operationeller Risiken..................... Anhang 2<br />
Abbildung 22: Unternehmerische Schlüsselkomponenten operationeller Risiken ............. Anhang 3<br />
Abbildung 23: Risikoadäquates Unternehmenswert-Steuerungssystem ............................. Anhang 4
Seite II<br />
Anhänge / Ergänzungen / Verzeichnisse<br />
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Treuhandkammer, Grundsätze zur Abschlussprüfung (GzA), Zürich 2001.<br />
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Anhänge / Ergänzungen / Verzeichnisse<br />
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Januar 2001<br />
Bank for International Settlements, diverse Working Papers, www.bis.org, 2002<br />
Basel Committee on Banking Supervision, Operational Risk, Consultative Document, Januar 2001<br />
Basel Committee on Banking Supervision, Sound Practices for the Management and Supervision of Operational Risk,<br />
Dezember 2001<br />
Basel Committee on Banking Supervision, Working Paper on the Regulatory Treatment of Operational Risk,<br />
September 2001<br />
Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Überblick über die Neue Basler Eigenkapitalvereinbarung, Konsultationspapier,<br />
Januar 2001<br />
Economiesuisse, Corporate Governance, Swiss Code of Best Practice, www.economiesuisse.ch, Februar 2002<br />
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Skript anlässlich eines Referates im Rahmen der Joint Operational Risk Conference der Federal Reserve Bank of<br />
Boston in Boston, November 2001<br />
Hochschule für Wirtschaft Luzern, Seminararbeit Unternehmenszusammenbrüche, Teil Prävention und Repression,<br />
Nachdiplomstudium Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, Wenk Luzia, Villiger Kathrin, Meier Roland, Purtschert<br />
Bruno, Triet Christian, <strong>Grab</strong> <strong>Hermann</strong>, Luzern 2002<br />
Marsh / NERA, Operational Risk and the New Basel Capital Accord, Skript anlässlich eines Referates im Rahmen der<br />
Joint Operational Risk Conference der Federal Reserve Bank of Boston in Boston, November 2001<br />
PriceWaterhouseCoopers, European economic crime survey 2001, 2001<br />
Risknews 07.2000, KonTraG, Gesetzlich verordnetes Risk Management?, www.e-risknews.com, 2000<br />
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www.risknet.de, 2002<br />
Schleupen AG, Die Software für ein aktives Risikomanagement, Verkaufsprospekt , www.schleupen.de, 2002<br />
Swiss Banking, diverses Informationsmaterial zu Fachbegriffen usw., www.swissbanking.org, 2002<br />
Universität Zürich, Seminararbeit Operationellles Risiko, Suchanek Michael und Signer Urs, Januar 2001
Seite VI Anhänge / Ergänzungen / Verzeichnisse<br />
9 Anhang<br />
9.1 Anhang 1: Bemessungsmöglichkeiten operationeller Risiken nach Basel II<br />
Abbildung 20: Bemessungsmöglichkeiten operationeller Risiken nach Basel II:<br />
Basisindikatoransatz<br />
Nach dem Basisindikatoransatz wird die Eigenkapitalunterlegung für das<br />
operationelle Risiko aufgrund eines einzigen Indikators ermittelt, der stellvertretend<br />
für das Gesamtrisiko der Bank steht. Werden beispielsweise die<br />
Bruttoerträge als Indikator bestimmt, hat jede Bank für ihr operationelles<br />
Risiko Eigenkapital in Höhe eines festen Prozentsatzes („Alpha -Faktor“)<br />
ihrer Bruttoerträge vorzuhalten. Zur Festlegung eines geeigneten Basisindikators<br />
für das operationelle Risiko und des Alpha-Faktors ist der Ausschuss<br />
in enger Zusammenarbeit mit dem Bankgewerbe.<br />
Alpha-Faktor<br />
Standardansatz<br />
Interner Bemessungsansatz<br />
Der Standardansatz baut auf dem Basisindikatoransatz auf und kann von<br />
Banken angewendet werden, die bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen.<br />
Die Tätigkeit von Banken wird brancheneinheitlich in mehrere Geschäftsfelder<br />
(z.B. Unternehmens-Finanzierung und Privatkundengeschäft),<br />
in die Banken ihre interne Geschäftsstruktur einordnen, unterteilt. Innerhalb<br />
dieser Geschäftsfelder wird die Eigenkapitalunterlegung jeweils durch<br />
Multiplizieren eines Indikators für operationelle Risiken mit einem festen<br />
Prozentsatz („Beta -Faktor“) errechnet. Für die Geschäftsfelder kann es<br />
sowohl unterschiedliche Indikatoren als auch Beta-Faktoren geben. Die<br />
Gesamtkapitalunterlegung für operationelle Risiken ist dann die Summe<br />
des aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalbedarfs für alle Geschäftsfelder. Der<br />
Ausschuss hofft, in enger Zusammenarbeit mit dem Bankgewerbe genauere<br />
Bestimmungen erarbeiten zu können.<br />
Nach dem internen Bemessungsansatz dürfen einzelne strengere aufsichtsrechtliche<br />
Voraussetzungen erfüllende Banken für aufsichtsrechtliche Eigenkapitalzwecke<br />
auf interne Daten zurückgreifen. Die Banken werden<br />
drei Kategorien von Daten für einige standardisierte Geschäftsfelder und<br />
Risikotypen erheben: einen Gefährdungsindikator für das operationelle<br />
Risiko, Daten zur Wahrscheinlichkeit eines Schadensfalls und Daten zur<br />
Höhe der Verluste im Schadensfall. Die Eigenkapitalunterlegung errechnet<br />
die Bank als einen festen Prozentsatz („Gamma -Faktor“) der von ihr erh o-<br />
benen Daten, wobei dieser Prozentsatz vom Ausschuss anhand von im<br />
gesamten Bankgewerbe erhobener Daten festgelegt wird. Wie beim Standardansatz<br />
ist die Gesamteigenkapitalunterlegung für das operationelle<br />
Risiko die Summe der Eigenkapitalunterlegungen für alle Geschäftsfelder.<br />
Zumindest im Anfangsstadium der Entwicklung des internen Bemessungsgrundsatzes<br />
sollten nach Auffassung des Ausschusses einheitliche Definitionen<br />
von Geschäftsfeldern, Risikoindikatoren und Schadensfällen angewendet<br />
werden. Ein gewisses Mass an Vereinheitlichung wird die Entwicklung<br />
von industrieweiten Verlustdatenbanken bringen und damit den aufsichtsrechtlichen<br />
Validierungsprozess bankinterner Methoden erleichtern.<br />
Einige Banken arbeiten bereits heute an einem Verlustverteilungsansatz,<br />
bei dem sie ihre eigene Verlustverteilungsfunktion, Geschäftsfelder und<br />
Risikotypen spezifizieren.<br />
Beta-Faktor<br />
Gamma-Faktor<br />
Quelle: Eigene Darstellung
Seite VII Anhänge / Ergänzungen / Verzeichnisse<br />
9.2 Anhang 2: Instrumente zur Bewertung operationeller Risiken<br />
Abbildung 21: Mögliche Instrumente zur Bewertung operationeller Risiken:<br />
Quantitative Methoden<br />
Ausgaben- / Gewinn-<br />
Ansatz<br />
Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung<br />
Methode der Zuverlässigkeitstheorie<br />
Methode der Komplexitätstheorie<br />
Qualitative Methoden<br />
Schlüsselfaktoren-<br />
Methode<br />
Nutzwertanalysen<br />
Szenariotechnik<br />
Baumanalysen<br />
Prozessanalysen<br />
Misst das operationelle Risikoausmass anhand von buchhalterischen Grössen. Werden beispielsweise<br />
die Ausgaben als Treibergrösse verwendet, so wird unterstellt, dass höheren Ausgaben eine Zunahme<br />
operationeller Risiken folgt.<br />
In Anlehnung an bereits erfolgreich verwendete Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung zur<br />
Bewertung von anderen Risikokategorien, insbesondere Marktrisiken, steht auch deren Anwendung<br />
bei operationellen Risiken zur Diskussion. Typisch für operationelle Risiken sind hohe Verluste mit<br />
geringer Eintretenswahrscheinlichkeit und häufige Ereignisse mit geringfügigen Verlustfolgen. Aufgrund<br />
dieser Tatsache wird allgemein davon ausgegangen, dass operationelle Risikoereignisse durch<br />
eine assymetrische Häufigkeitsverteilung beschrieben werden können.<br />
Operationelle Risiken beziehen sich auf verschiedene unternehmensinterne Bereiche. In Ahnlehnung<br />
an die Zuverlässgkeitstheorie werden Fehler bei Prozessabläufen und Systemen erfasst. Entstammend<br />
aus dem Operations Research wird ein technisches System auf seine Fehlerhäufigkeit im Zeitvergleich<br />
(Lernphase, Hauptphase, Auslaufphase) geprüft. In der Lern- und dann Auslaufphase, wo<br />
beispielsweise die Maschine alt geworden ist, ist eine vermehrte Fehlerhäufigkeit zu beobachten.<br />
Ausgehend von der Überlegung, dass Unternehmen komplexe Systeme aus interaktiven, sich nichtlinear<br />
verhaltenden Einheiten, Prozessen und Entscheidungsträgern darstellen, wird das Unternehmensverhalten<br />
hierbei mittels künstlichen Systemen simuliert. Dabei wird ein komplexes System<br />
interaktiv handelnder Komponenten vorausgesetzt, d.h. "Agenten" mit autonomen Entscheidungsverhalten,<br />
welche einer vorgegebenen Gesetzmässigkeit unterliegen. Als Resultat liegen mögliche Folgen<br />
vor, beispielsweise Verluste aufgrund unerwarteter oder fehlbarer Verhaltensweisen von Agenten.<br />
Eine qualitative Methode zur Bewertung operationeller Risiken ist die Verwendung von sogenannten<br />
"Key Risk Indicators" (KRI). Die Methode befasst sich mit Anzeichen und Symptomen für mögliche<br />
Risikowirkungen und versucht die Ursachen operationeller Risiken zu ergründen. Beispiel hierfür<br />
sind unter anderem die Fluktuationsrate des Personals oder die Transaktionsvolumen einzelner Geschäfte.<br />
Im ähnlichen Rahmen können auch "Key Performance Indicators" (KPI) verwendet werden,<br />
welche Faktoren der operationellen Effizienz, wie z.B. Kundenreklamationen und Systemausfälle<br />
messen.<br />
Eine Nutzwertanalyse verfolgt primär den Zweck, verschiedene Alternativen gemäss Präferenzen des<br />
Entscheidungsträgers zu bewerten und zu ordnen. Bei der Anwendung im Zusammenhang mit operationellen<br />
Risiken dienen ausgewählte Risikoindikatoren, welche unternehmensspezifisch gewichtet<br />
werden, als Faktoren.<br />
Die Szenariotechnik wird zu den qualitativen Prognoseverfahren gezählt, wobei die menschliche<br />
Intuition und Urteilsfähigkeit im Vordergrund steht. Ein Szenario stellt einen möglichen Zustand dar,<br />
in dem sich das Unternehmen in Zukunft befinden könnte. Normalerweise werden drei Grundszenarien<br />
erstellt, die einen pessimistischen, einen realistischen und einen optimistischen Fall repräsentieren.<br />
Analysen, denen eine vernetzte Entscheidungslogik in Form einer Baumstruktur zugrunde liegt,<br />
können sowohl zur Identifikation als auch zur Bewertung herangezogen werden. Können die einzelnen<br />
Entscheidungsknoten und die möglichen Verbindungen eruiert werden, so ist eine Bewertung<br />
durch das Einschätzen der jeweiligen Wahrscheinlichkeiten möglich. Dabei werden die von einem<br />
Knoten ausgehenden Verbindungen mit Eintretenswahrscheinlichkeiten versehen und die dazugehörigen<br />
Verluste geschätzt. Auf der letzten Ebene der Baumstruktur resultiert das zu erwartende Risikoexposure.<br />
Bei Prozessanalysen erfolgt eine Darstellung betrieblicher Prozesse des täglichen Gechäfts. Analysemodelle<br />
versuchen diese Prozesse abzubilden, indem sie den ganzen Geschäftsprozess in einzelne<br />
Teilschritte aufspalten. Dann ist eine Bewertung von Risiken insofern möglich, als diese Teilschritte<br />
mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsverteilungen dargestellt werden. Mittels Simulation kann festgelegt<br />
werden, auf welche Art und Weise sich der Prozess entwickelt.<br />
Quelle: In Anlehnung an "Operational Risk Management bei Banken" von Jean-Marc Piaz, Versus Verlag, 2002,<br />
Seite 101 ff
Seite VIII Anhänge / Ergänzungen / Verzeichnisse<br />
9.3 Anhang 3: Schlüsselkomponenten operationeller Risiken<br />
Abbildung 22: Unternehmerische Schlüsselkomponenten operationeller Risiken:<br />
Operationelle Kernfähigkeiten Die Risiken bestehen darin, dass sie bei ihrem Eintreten Betriebsgebäude, Menschen<br />
oder Systeme aufgrund von Feuerschäden, Naturkatastrophen, Strom- und Wasserausfällen,<br />
Mitarbeiterstreiks, Computerviren, etc. keinen Nutzen mehr erbringen lassen<br />
würden.<br />
Mensch<br />
Die Menschen sind der Unternehmung wichtigste Ressource. Fehlleistungen entstehen<br />
hier durch menschliches Versagen, fehlende Integrität und Ehrentätigkeit, fehlende<br />
Kundenorientierung und Professionalität, ungenügende Fähigkeiten und Bildung,<br />
schlechte Führung, etc. Die grosse Schwierigkeit ist bei dieser Komponente, den entstehenden<br />
Schaden zu messen.<br />
Kundenbeziehung<br />
Der Wert einer Institution wird sehr stark durch ihre Reputation und ihre Fähigkeit, die<br />
Produkte zu plazieren bestimmt. Bezüglich des Auftritts einer Firma, des Kundenwohlbefindens<br />
und der Wettbewerbsfähigkeit sollten also möglichst keine Fehler gemacht<br />
werden.<br />
Transaktionssystem<br />
Die Risiken entspringen der Datenerfassung und den Datenprozessen, der korrekten<br />
Dokumentation und Kommunikation, aber auch dem Zustand der Vertragsdokumente.<br />
Sicherheitsaspekte<br />
Abstimmung und Accounting<br />
Veränderungen und neue<br />
Aktivitäten<br />
Ausgaben-Volatilität<br />
Nur wenige Unternehmen haben wirklich die Fähigkeit, auch im heutigen "Internet-<br />
Zeitalter" für akzeptable Sicherheit zu sorgen. Diese ist jedoch ein sehr wichtiger Faktor<br />
und birgt immense Risiken in sich.<br />
Die Abstimmung und Verrechnung von Transaktionsdaten ist eine der Schlüsseltransaktionen,<br />
wenn es darum geht, eine Institution vor "unentdeckten" Positionen und<br />
Verlusten zu schützen.<br />
Wenn immer eine Firma Veränderungen vornimmt, entstehen grosse operationelle<br />
Risiken. Eine Risikofunktion für den operationellen Bereich muss also in der Lage<br />
sein, Fusionen, Akquisitionen und Verkäufe, strukturelle Veränderungen, etc. zu adressieren.<br />
In der Vergangenheit wurden vor allem die Einnahmen- und Margenvolatilitäten beobachtet<br />
und die Ausgaben vernachlässigt. In Anbetracht von grossen Investitionen in<br />
neue Technologien und extremen Ausprägungen von Salärierungen und Erfolgskompensationen<br />
ist dies eine sehr eingeschränkte Betrachtungsweise. Denn auch in diesem<br />
Bereich drohen einer Unternehmung bedeutende Risiken.<br />
Quelle: vgl. Seminararbeit "Operationelle Risiken", von Michael Suchanek und Urs Signer, Universität Zürich 2001
Seite IX Anhänge / Ergänzungen / Verzeichnisse<br />
9.4 Anhang 4: Risikoadäquates Unternehmenswert-Steuerungssystem<br />
Abbildung 23: Risikoadäquates Unternehmenswert-Steuerungssystem<br />
Bilanz<br />
ER<br />
aggregierte Einzelrisiken<br />
Aktiven<br />
FK<br />
Aufwand<br />
Ertrag<br />
Markt<br />
Human<br />
Capital<br />
Risiko<br />
1<br />
Risiko<br />
2<br />
Risiko<br />
3<br />
Prozesse<br />
Eintretenswahrscheinlichkeit<br />
Risikobearbeitung<br />
Vermindern Vermeiden<br />
Selbsttragen Transferieren<br />
Unternehmens-<br />
Organisation<br />
Transferkosten<br />
+<br />
Strategie<br />
Führung<br />
Umsatz minus Kosten<br />
Tragweite<br />
Controlling / Prozessanalyse<br />
-<br />
Audit / MIS<br />
Risk-Management<br />
aggregierte<br />
Risikoposition (netto)<br />
-<br />
-<br />
Operativer Cashflow -<br />
Investitionen in Betriebsund<br />
Investitionsvermögen<br />
Fremdkapital<br />
x<br />
FK-Kosten<br />
+<br />
Eigenkapitalbedarf<br />
x<br />
EK-Kosten<br />
(Risikokosten)<br />
Kapitalkosten<br />
(WACC)<br />
-<br />
+<br />
Free Cashflow<br />
Bilanz<br />
Unternehmens-Mehrwert<br />
Aktiven<br />
FK<br />
EK<br />
Quelle: Eigene Darstellung