buch aktuell Frühjahr 2018
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Doras Kolumne<br />
Früher war<br />
alles besser?<br />
Dora Heldt (* 1961/Sylt) ist gelernte Buch händlerin und<br />
hat rund 25 Jahre als Ver lags vertreterin gearbei tet. Mit<br />
ihren Romanen um Heldin Christine, Papa Heinz und Tante<br />
Inge hat sie sämtliche Bestsellerlisten er obert. 2016 ist mit<br />
„Böse Leute“ (dtv) ihr erster Kriminal roman um ein Sylter<br />
Rentner-Quartett erschienen. Der zweite Fall „Wir sind die<br />
Guten“ folgte im Juni 2017. Zuletzt hat Dora Heldt unter<br />
dem Titel „Schnee ist auch nur hübsch gemachtes Wasser“<br />
kurzweilige Wintergeschichten veröffentlicht.<br />
Ich habe irgendwo gelesen, dass Nostalgie die Stimmung hebt –<br />
in schwierigen Zeiten. Vermutlich ist das einer der Gründe,<br />
warum man gerade ständig hört, dass früher doch alles besser<br />
gewesen sei. Mit diesem Satz sind die meisten von uns aufgewachsen,<br />
auch meine Großeltern und Eltern haben ihn hier und<br />
da mal fallen gelassen, aber mittlerweile höre ich ihn zu oft.<br />
Und frage mich, warum wir alle so viel vergessen und so rosarot<br />
nostalgisch werden. Natürlich ist die Welt schneller, verrückter,<br />
unsicherer und bedrohlicher geworden, aber wir haben ja in<br />
den letzten 50 Jahren auch nicht in Bullerbü gelebt. Und es ging<br />
nicht allen besser. Auch wenn es sich für manche so anfühlt.<br />
Es ist nämlich in vielen Fällen nur so ein Gefühl. Weil man die<br />
schwierigen Dinge vergisst und andere erhebt.<br />
Heute wird darüber gestöhnt, dass niemand mehr Zeit hat,<br />
dass alle rennen und hetzen müssen, um Job und Leben zu bewältigen.<br />
Die Wochenarbeitszeiten waren früher übrigens in der<br />
Regel länger als heute, wir hatten demzufolge weniger Freizeit,<br />
die sich aber in unserer Verklärung endlos anfühlt. Weil man sich<br />
nur um ein paar echte Freunde statt um 512 Facebook-Freunde<br />
kümmern musste, weil es kein Netflix, sondern Bücher, Kino und<br />
Fernsehen, keine Smartphones, sondern Festanschlüsse, keine<br />
Computer, sondern Schreibmaschinen gab. Alles war langsamer.<br />
Und besser. Diese Entwicklung ist unter anderem auch die Begründung,<br />
dass der Anteil der Leser in diesem Land auf knapp<br />
unter 50 % gefallen ist. Noch nicht einmal jeder Zweite liest und<br />
kauft mehr Bücher. Der Untergang der Kultur. Hört man. Weil<br />
keiner mehr Zeit zum Lesen hat. Und alle nur noch Filme sehen.<br />
Und auf ihre Smartphones starren. Das Buch stirbt. Unkt man.<br />
Aber ich glaube das nicht.<br />
Mit Büchern halten wir die Zeit an, geben unser Tempo vor<br />
und können es in die Hand nehmen, wann und wo wir wollen.<br />
Menschen wollten immer schon Geschichten hören, lesen oder<br />
sehen. Und ob man das mit Filmen, Büchern oder Hörspielen<br />
macht, ist egal. Es geht nämlich alles. Weil es um die Geschichten<br />
geht. Und die müssen spannend sein. Oder schön. Oder ans<br />
Herz gehen. Und deshalb drehe ich hier die Statistik um und stelle<br />
fest, dass trotzdem noch fast jeder Zweite Bücher kauft. Weil<br />
Bücher uns durch hektische Zeiten begleiten können. Und weil<br />
wir nicht nostalgisch sein müssen, um an das Gefühl zu denken,<br />
das wir früher beim Lesen hatten. Das geht heute immer noch.<br />
Wir müssen nur die richtigen Geschichten finden. Dann nehmen<br />
wir uns auch Zeit für sie. Das können wir nämlich, wenn wir es<br />
wollen. Es liegt an uns, ob wir die Zeit anhalten. Wenigstens für<br />
einen Moment.<br />
Viel Spaß bei der Suche nach den richtigen Büchern, den richtigen<br />
Geschichten und den Momenten, in denen das Leben nicht<br />
so hektisch ist.<br />
Ihre<br />
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