Wagnereinmalig No. 6
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Das Buchmagazin der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung — 03.2018<br />
Wagner<br />
eı˙nmalı˙g<br />
#<strong>No</strong>. 6
© Andreas Licht<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Menschen, die lesen, leben<br />
länger! – Die amerikanische<br />
Schauspielerin Helen Hayes<br />
hat den schönen Satz geprägt:<br />
„Von seinen Eltern lernt man<br />
lieben, lachen und laufen.<br />
Doch erst wenn man mit Büchern<br />
in Berührung kommt,<br />
entdeckt man, dass man Flügel<br />
hat.“ Dementsprechend<br />
motiviert und beflügelt gestaltet<br />
sich unser Berufsalltag<br />
und wir freuen uns, dass<br />
wir dies mit unseren Kunden<br />
teilen können. Außerdem hat<br />
eine Studie der Yale University<br />
School of Public Health<br />
herausgefunden, dass Menschen,<br />
die viel lesen, einen<br />
„signifikanten Überlebensvorteil“<br />
gegenüber Menschen<br />
haben, die keine Bücher<br />
lesen. Die Forscher stellten<br />
fest, dass Menschen, die<br />
Bücher lesen, im Durchschnitt<br />
zwei Jahre länger leben als<br />
Menschen, die nicht lesen.<br />
Sie sehen, ein Besuch in der<br />
Wagner’schen Buchhandlung<br />
lohnt sich in mehrerlei Hinsicht<br />
! Viel Spaß beim Lesen!<br />
Markus Renk (re.), Markus Hatzer<br />
Inhalt<br />
6 Mit dem Taxi ins O-Dorf<br />
Unsere Buchreihe wird immer beliebter …<br />
10 Literarisches Tirol<br />
Heimische Perlen aus der Flut der Neuerscheinungen<br />
14 Stefan Zweig auf der Bühne<br />
Susanne Schmelcher & Matthias Tuzar im Gespräch …<br />
16 Buchpräsentationen<br />
Bernd Schuchter in der Kunstpause und Susanne Gurschler<br />
in ganz Innsbruck<br />
20 Verlagspräsentationen<br />
Der Schwerpunkt bei uns im Frühjahr: Die Verlage Wunderraum,<br />
Manesse und Kiepenheuer & Witsch bei uns zu Gast<br />
24 David Schalko<br />
präsentiert – in einer Drehpause – seinen neuen Roman „Schwere Knochen“<br />
26 Peschka lässt Wien untergehen<br />
Karin Peschka präsentiert ihren neuen Roman beim 16. Prosafestival<br />
30 Märchenhaft<br />
Michael Köhlmeier schwärmt in der Wagner’schen<br />
32 Eine Nähe – eine Ferne<br />
Yoko Tawada eröffnet das 4. Lyrikfestival W:ORTE<br />
37 Leidenschaft, die Leiden schafft<br />
Stefan Gmünder und Klaus Zeyringer machen sich Gedanken<br />
rund ums runde Leder<br />
40 Rumänien bei der Buchmesse<br />
Dana Grigorcea legt uns einen Klassiker ans Herz<br />
42 Trojanow übernachtete …<br />
Eine Nacht, 10.000 Bücher und noch mehr Eindrücke<br />
46 3×7 Best aber Seller<br />
Impressum<br />
Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich:<br />
Wagner’sche Universitätsbuchhandlung, Medici Buchhandels GmbH,<br />
Museumstraße 4, 6020 Innsbruck<br />
info@wagnersche.at — www.wagnersche.at<br />
Redaktion: Robert Renk<br />
© der Textbeiträge bei den Autorinnen und Autoren<br />
Grafische Ausstattung: himmel. Studio für Design und Kommunikation<br />
© der Abbildungen bei den jeweiligen Rechteinhabern<br />
Titelbild: CROSSING, Plexiglas – fluoreszierend,<br />
Laserschnitt – montiert, Maße variabel, 2016,<br />
Helmut Nindl, Bildhauer<br />
Fehler, Änderungen und Irrtümer vorbehalten.<br />
© 03.2018 – alle Rechte vorbehalten<br />
2 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
3<br />
© Thomas Schrott<br />
48 Mit den besten Empfehlungen<br />
54 Nachschau nach vorne<br />
Boris Schön & Markus Jäger berichten von den letzten Grenzgängen<br />
und freuen sich auf die neue Stadtbibliothek<br />
56 Vorschau ins Schloss<br />
Peter Turrini und Georg Haderer machen gemeinsame Sache
© Tanja Cammerlander<br />
Manege für unsere Buchkunden<br />
Die Wagner’sche ist die Homebase für eine Reise in andere<br />
Welten, eine Reise ohne wegzufahren.<br />
Jedes Buch<br />
kann den<br />
Leser in eine<br />
andere Welt<br />
entführen …<br />
Markus Renk<br />
4 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Im Jahr 2015 sind wir angetreten, die ehrwürdige<br />
Wagner’sche Buchhandlung wieder<br />
mit Leben zu erfüllen und den Tirolern<br />
wieder als das Buchhaus in Innsbruck und<br />
Tirol zurückzugeben. Mit 99 % Buch anteil<br />
haben wir uns wieder voll auf unsere<br />
Kernkompetenz spezialisiert. Die Backlist<br />
ist uns wichtig und das gebundene Buch<br />
wird forciert. Bewusst setzen wir auf außergewöhnliche<br />
Buchtitel und nicht nur auf<br />
Mainstream. Warengruppen wie Lyrik,<br />
Prosa und andere „Randthemen“ werden<br />
über mehrere Regale angeboten. Die<br />
Wagner’sche ist nicht Buchhandlung alleine,<br />
sie eröffnet vielmehr Menschen über ihr<br />
Angebot Inspirations-, Fantasie- und<br />
Erfahrungswelten. Sie ist Homebase für<br />
eine Reise in andere Welten, eine Reise<br />
ohne wegzufahren.<br />
„Cirque du Soleil“<br />
des Buchhandels<br />
Als Buchhändler mit Herz und Hand<br />
fürs richtige Buch sehen wir uns als Reisebegleiter,<br />
jedes Buch kann den Leser in<br />
eine andere Welt entführen, dementsprechend<br />
haben wir unseren Beratungsservice<br />
weiter ausgebaut und arbeiten ständig<br />
an Verbesserungen. Die vielen positiven<br />
Bewertungen auf Google, Facebook<br />
und Co., aber natürlich vor allem die vielen<br />
persönlichen Rückmeldungen motivieren<br />
uns. Als „Cirque du Soleil“ des Buchhandels<br />
sind wir die Manege für unsere Buchkunden.<br />
Der Kunde soll bei uns eine Welt<br />
der Inspiration, Fantasie und Erfahrung<br />
erleben können. In einem ausgiebigen<br />
Marken-Optimierungsprozess haben wir,<br />
gemeinsam mit allen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern, das Alleinstellungsmerkmal<br />
der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung<br />
herausgearbeitet.<br />
5<br />
Strategische Konzeption<br />
der Marke Wagner’sche<br />
Letztendlich geht es um Freude, Begeisterung<br />
und Atmosphäre. Letztendlich geht<br />
es um MitarbeiterInnen, die leidenschaftlich<br />
beseelt sind, Menschen bei ihrer<br />
Wahl der unvergesslichsten Abenteuer im<br />
Kopf zu begleiten. Aber auch das Wohlfühlmoment<br />
ist entscheidend. Einkehr im<br />
schönsten literarischen Wohnzimmer,<br />
der Besuch der Wagner’schen soll eine Auszeit<br />
für die Seele sein. Unser Bistro bietet<br />
unseren Gästen nicht nur ein kulinarisches<br />
Erlebnis, sondern erhöht die Verweildauer.<br />
Unser Urban-Gardening-Projekt, mit den<br />
Hochbeeten auf unserer Terrasse, ermöglicht<br />
Garten- und Kochworkshops. Die<br />
Buchhandlung von heute funktioniert nur<br />
mit Emotionen – neben dem Bistro haben<br />
wir zahlreiche andere Ideen bereits umgesetzt.<br />
Ob es unsere „Blind Dates“ sind,<br />
wo sich Kunden überraschen lassen, oder<br />
unsere Bücherbrunch-Veranstaltungen<br />
am Sonntag; lange Nächte oder gar Übernachtungen<br />
mit internationalen Bestsellerautoren;<br />
unsere mit Tiroler Künstlern<br />
gestalteten Auslagen bzw. Poetry Slams:<br />
Nur mit Persönlichkeit und Kreativität<br />
kann man heute punkten. Besonders<br />
zu erwähnen ist auch unser kostenloser<br />
Fahrrad-Zustelldienst Wagner’sche bringt’s.<br />
Hier garantieren wir eine Lieferung innerhalb<br />
drei Stunden. Kostenlos, ökologisch<br />
und schnell, das kann kein Amazon! Auch<br />
sehen wir uns als Bildungs- und Kulturstätte<br />
Tirols und als Dialog-Plattform für<br />
namhafte Schriftsteller, Literaten & alle,<br />
die Bücher lieben.<br />
Im Bereich E-Commerce bieten wir<br />
neben unserer individualisierten Website,<br />
die wir heuer komplett einem Relaunch<br />
unterziehen, eine Facebook-Seite, einen<br />
Newsletter, unsere Instagram-Seite, einen<br />
YouTube-Kanal mit selbst gedrehten<br />
Buchbesprechungen und einen Family Blog.<br />
Zusätzlich strahlen wir gemeinsam mit<br />
dem Tirol TV zweimal im Monat eine<br />
eigene Buchsendung aus, moderiert wird<br />
dieser Buchblog von Evelyn Unterfrauner,<br />
Tirols meistgelesener Buchbloggerin.<br />
Außer dem haben wir unser E-Book-<br />
Angebot erweitert und verkaufen als einzige<br />
Buchhandlung Österreichs Tolino und<br />
Pocketbook E-Reader. Um unser Service<br />
weiter auszubauen, können Sie die<br />
Wagner’sche Gutscheinkarte jetzt neu auch<br />
in der Haymon Buchhandlung einlösen<br />
und umgekehrt. Natürlich funktioniert die<br />
Gutscheinkarte auch in unserem Webshop.<br />
Zweimal im Jahr geben wir ein hauseigenes<br />
Buchmagazin heraus, dessen neueste<br />
Ausgabe gerade in Ihren Händen liegt.<br />
Leseförderung ist uns sehr wichtig.<br />
Wir sind fixer Partner des Landesschulrates,<br />
bieten Weiterbildungen für Bibliothekare<br />
an, arbeiten sehr eng mit allen Innsbrucker<br />
Bildungshäusern zusammen, sponsern<br />
den Känguruwettbewerb Read & Win und<br />
haben den Tiroler Vorlesetag ins Leben<br />
gerufen und organisieren ihn. Hier wird in<br />
allen 279 Gemeinden vorgelesen, in Schulen,<br />
Altersheimen und Büchereien.<br />
Heuer sind wir auf Wunsch des Forum<br />
Alpbach dessen Partnerbuchhandlung und<br />
werden hier ein komplett neues Konzept<br />
umsetzen.<br />
Ein wichtiges Anliegen ist uns auch,<br />
regionale Erinnerungen zu sammeln und<br />
zu publizieren. So haben wir einen eigenen<br />
kleinen Verlag gegründet. Das Motto:<br />
„Es darf nicht vergessen werden.“ Drei<br />
Bücher sind bereits erschienen, bis zum<br />
Sommer sind zwei weitere geplant.<br />
Das Wagnis Wagner’sche haben wir noch<br />
keine Minute bereut, das Feedback der<br />
Kunden gibt uns recht. Die Kunden spüren,<br />
dass wir für die Sache brennen und es<br />
uns ein Anliegen ist, Büchern wieder den<br />
Stellenwert zu geben, den sie sich verdienen.<br />
In vielen Dingen besinnen wir uns wieder<br />
zurück, zurück nach den Tugenden des früheren<br />
Buchhandels. Unser Erfolgs geheimnis<br />
ist, dass wir dem Buch wieder mehr zutrauen.<br />
Unter anderem zutrauen, dass man<br />
mit Büchern eine Buchhandlung mit rund<br />
1.000 m 2 wirtschaftlich führen kann.<br />
All diese Projekte konnten wir nur<br />
umsetzen, weil Sie uns als Kunde so tatkräftig<br />
unterstützt haben, dafür möchten<br />
wir uns herzlichst bedanken!<br />
Und jetzt wünschen wir Ihnen viel Spaß<br />
beim Lesen!<br />
Ihr Markus Renk
Erinnerungen an Innsbruck<br />
Vom Verlag der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung.<br />
Von Markus Renk<br />
Bis 1916 hatte die Wagner’sche Universitätsbuchhandlung<br />
einen eigenen Buchverlag.<br />
Die Wirren des 1. Weltkriegs haben<br />
es wirtschaftlich notwendig gemacht,<br />
die Druckerei (spätere WUB), aber auch<br />
diesen Verlag, den Universitätsverlag<br />
Wagner, übrigens der älteste noch bestehende<br />
deutschsprachige Buchverlag der Welt,<br />
zu verkaufen. Schon bei der Übernahme<br />
der Wagner’schen war mir klar, dass<br />
ich die Tradition des hauseigenen Verlags<br />
wieder aufleben lassen will. Beginnend<br />
mit unserem alljährlich erscheinenden<br />
Innsbruck Kalender – DDr. Lukas<br />
Morscher „Innsbruck, wie es früher war“,<br />
haben wir begonnen, dieses Projekt eifrig<br />
© Andreas Friedle<br />
6 7<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
voranzutreiben. Stolz waren wir im April<br />
2017, als unser erstes Buchprojekt fertig<br />
in unseren Händen gelegen ist, das Buch<br />
von Josef Wallinger „Kindheit in Pradl“,<br />
dieses befindet sich bereits in der zweiten<br />
Auflage. Die Serie „Erinnerungen an<br />
Innsbruck“ hat sich zum Ziel gesetzt,<br />
wichtige Gegebenheiten und Erlebnisse<br />
aufzubewahren und schriftlich festzuhalten.<br />
Rasch wurde klar, dass wir mit diesem<br />
Konzept der Regionalität und der persönlichen<br />
Erinnerungen einen Puls der Zeit<br />
getroffen haben. Bereits im <strong>No</strong>vember<br />
konnten wir die Serie mit dem Band von<br />
Hubert Flattinger „Kindheit in Hötting“<br />
fortsetzen.<br />
Vor wenigen Tagen ist unser drittes<br />
Buchprojekt erschienen: Gernot Zimmermanns<br />
Erinnerungen an seine Taxizeit<br />
„Eine Million Kilometer durch Innsbruck“.<br />
Gernot Zimmermann ist ab 1983 fast ein<br />
Vierteljahrhundert lang in Innsbruck als<br />
Taxifahrer unterwegs gewesen – nahezu<br />
ausschließlich in der Nacht. In dieser Zeit<br />
fuhr er 1.000.000 Kilometer mit dem<br />
Taxi durch Innsbruck und hat dabei mehr<br />
als 200.000 Fahrgäste befördert. Er führt<br />
uns mit seinem Taxi in das Innsbruck der<br />
frühen 1980er-Jahre zurück und erinnert<br />
an längst geschlossene Lokale ebenso wie<br />
an die eine oder andere „Rotlicht-Größe“.<br />
In zahlreichen Anekdoten gibt Zimmermann<br />
einen humorvollen Einblick in<br />
den Alltag eines Innsbrucker Taxifahrers<br />
und zeigt auf, warum dieser Beruf<br />
mit keinem anderen zu vergleichen ist.<br />
Wir möchten Ihnen die Kundenrezension<br />
von Herrn Andreas Donder<br />
aus Hamburg nicht vorenthalten:<br />
„Das Buch ist ein irres Roadmovie<br />
über eine Million Straßen-Kilometer. Aber<br />
innerhalb einer Stadt. Zimmermann macht<br />
nicht Strecke, sondern durchkurvt Innsbruck<br />
als Taxifahrer. Dabei lernt der Leser nicht<br />
nur die Stadt, das Nachtleben, die Eigenheiten<br />
ihrer Bewohner kennen. Sondern trifft<br />
auch knarzige Individualisten, Halbweltler,<br />
Drogenhändler und sogar Killer hautnah.<br />
Du blickst in die Abgründe des Lebens,<br />
aber auch in die Hochherzigkeit von Menschen.<br />
Das ganze Panoptikum menschlicher<br />
Existenz entfaltet sich vor deinen Augen.<br />
Die Stadt und ihre Bewohner ist ein<br />
Universum. Du wirst nie wieder in den<br />
Urlaub fahren wollen. Fahr einfach Taxi.<br />
Am besten mit Gernot Zimmermann.“<br />
Der Leser lernt: Wie werde ich ein<br />
Geier? Wie rette ich mein Leben, wenn’s<br />
ums Ganze geht? Wie komme ich aus<br />
verschneiten Sackgassen wieder raus?<br />
Und vieles mehr. Man lernt taxlerisch als<br />
Sprache. Oder weißt du, was „abbrennen“<br />
bedeutet oder „auflegen“? Du musst es<br />
lesen. Als Innsbrucker sowieso. Du wirst<br />
deine Stadt noch mehr lieben.<br />
Ende März erscheint ein weiteres Buch<br />
in unserer Serie: Ewald Strohmar-Mauler<br />
„Wahre Kriminalgeschichten aus Innsbruck“.<br />
Ewald Strohmar-Mauler, seines Zeichens<br />
Fremdenführer und Krimi-Begeisterter,<br />
nimmt seine Leserinnen und Leser mit auf<br />
eine abenteuerliche Reise zu historischen<br />
Schauplätzen des Verbrechens und ihrer<br />
Gerichtsprozesse. Seine Geschichten über<br />
spektakuläre Mordfälle, Überfälle und<br />
Betrügereien – untermauert von eindrucksvollen<br />
Details aus alten Zeitungsartikeln,<br />
Zeitzeugenberichten und Gerichtsakten –<br />
spannen einen Bogen vom mittelalterlichen<br />
Anpruggen bis zum heutigen Innsbruck.<br />
Ewald Strohmar-Mauler, geboren 1965<br />
in Wien, lebt seit 2005 in der Nähe<br />
von Innsbruck, wo er als staatlich geprüfter<br />
Fremdenführer neben diversen Themenführungen<br />
auch seine „Krimiführung<br />
Innsbruck“ anbietet.<br />
Im Juni erscheint dann in der Wagner’schen<br />
Reihe „Erinnerungen an Innsbruck“<br />
der Band 5: Markus Koschuh „O-Dorf.<br />
Kleinstadt im Weltdorf“.<br />
Seine ersten sieben Lebensjahre verbrachte<br />
Tirols bekanntester Kabarettist<br />
Markus Koschuh im Olympischen<br />
Dorf, dem jüngsten Stadtteil Innsbrucks.<br />
<strong>No</strong>ch heute erinnern ihn Narben am Kopf<br />
an den wilden Ruf, den das Viertel einst<br />
hatte. Was hat es mit diesem Ruf auf sich?<br />
Und wie wild ist das O-Dorf, um das sich<br />
Legenden und Mythen ranken, heute noch?<br />
Quer durch die Häuserschluchten dieser<br />
Kleinstadt im Weltdorf Innsbruck begibt<br />
sich Markus Koschuh auf Spurensuche.<br />
Spannend, nah und äußerst unterhaltsam.<br />
Markus Koschuh, geboren 1977, lebt als<br />
Kabarettist und Schriftsteller in Innsbruck.<br />
Keine Literaturpreise, da er noch jede<br />
Einreichfrist versäumt hat, dafür zweifacher<br />
österreichischer Poetry-Slam-Meister (2010<br />
und 2011) und Vize-Europameister im<br />
Poetry Slam 2011.<br />
Weitere Bände unserer Serie sind schon<br />
in Vorbereitung, welche diese sind,<br />
verrate ich Ihnen dann gerne in unserem<br />
Herbst-Magazin.<br />
Buchtipps:<br />
Josef Wallinger:<br />
Kindheit in Pradl<br />
120 S., € 9,95<br />
Hubert Flattinger:<br />
Kindheit in Hötting<br />
96 S., € 9,95<br />
Buchtipps:<br />
Ewald Strohmar-Mauler:<br />
Wahre Kriminalgeschichten aus<br />
Innsbruck<br />
ca. 120 S., € 9,95<br />
erscheint Ende März<br />
Markus Koschuh:<br />
O-Dorf – Kleinstadt<br />
im Weltdorf<br />
ca. 120 S., € 9,95<br />
erscheint Ende Mai<br />
Gernot Zimmermann:<br />
Ein Million Kilometer durch<br />
Innsbruck<br />
262 S., € 12,95<br />
Lesungen:<br />
Ewald Strohmar-Mauler:<br />
Wahre Kriminalgeschichten aus<br />
Innsbruck<br />
Di., 10. April 2018, 19:30 Uhr<br />
Markus Koschuh:<br />
O-Dorf – Kleinstadt im<br />
Weltdorf<br />
Do., 7. Juni 2018, 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt frei!
über.leben<br />
Osterfestival Tirol<br />
Seit 30 Jahren Alte und Neue Musik,<br />
Performance, Tanz, Film und Aktionen<br />
Reclam-<br />
Reihe:<br />
100 Seiten<br />
Die 3 Zeiten der Meierei:<br />
Frühstück, Mittagessen,<br />
Kaffee & Kuchen<br />
Und zu jeder Tageszeit ist alles selbstgemacht<br />
und von höchster Qualität, von<br />
den verschiedensten Säften und Tees,<br />
vom besten Kaffee und feinstem, selbstgemachten<br />
Kuchen bis zu den Mittagsmenüs,<br />
die man inzwischen nur noch genießen<br />
kann, wenn man ein bis zwei Tage im<br />
Voraus reserviert! Aber das, ja das muss<br />
man sich einfach einmal gönnen …<br />
© Thomas Schrott<br />
© Reclam Verlag<br />
Veranstaltung:<br />
40 Orte<br />
im Rahmen des 30. Osterfestival<br />
Tirol<br />
Cornelia Senoner (Flöte) und<br />
Christian Köll (Klarinette)<br />
spielen Schnabel, Braun,<br />
Klingler, Gasser, Strawinsky<br />
und Andexlinger.<br />
Fr., 23. März 2018,<br />
15 –15:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt frei!<br />
30 Jahre überleben als freie Kultureinrichtung,<br />
immer höchstes Niveau im Blick<br />
und dennoch nicht als pleite, sondern sogar<br />
als etabliert gelten, das ist fürwahr nicht<br />
leicht.<br />
Vielleicht hat sich die 30. Auflage<br />
des Osterfestival Tirol deshalb den Titel<br />
über.leben auf die Fahnen geheftet?<br />
Von Alter zu Neuer Musik, von Performance,<br />
Tanz bis zu außereuropäischen<br />
Kulturen, von Film über Aktionen, bis hin<br />
zu jungen – am Beginn stehenden – und<br />
weltbekannten Künstlern: alles das vereint<br />
das 30. Osterfestival Tirol unter diesem<br />
Motto.<br />
Im Vorfeld des Osterfestival Tirol führen<br />
40 Orte mit Musik, Text und Aktionen<br />
durch die Fastenzeit. Junge Tiroler Musiker<br />
spielen Werke unterschiedlicher Epochen –<br />
eine Form von Inseln der Stille, des Innehaltens,<br />
in der sonst so getriebenen Zeit.<br />
Und damit ist das Osterfestival auch wieder<br />
zu Gast in der Wagner’schen und wir freuen<br />
uns drauf!<br />
© Oster festival<br />
Der Reclam Verlag glänzt mit neuer Reihe:<br />
Keine gelben Klassiker, nein, diesmal wird’s<br />
bunt und populärwissenschaftlich.<br />
Sie wollten schon immer etwas wissen<br />
über „Superhelden“? Und zwar fundiert<br />
und doch flott. Von jemandem, der sich<br />
nicht nur auskennt, nein, der sich regelrecht<br />
damit sozialisiert hat: Willkommen,<br />
Sie greifen zu 100 Seiten Dietmar Dath.<br />
„Als Kind brauchte ich diese Figuren,<br />
als Jugendlicher mochte ich sie, dann habe<br />
ich sie eine Weile vergessen. Will ich sie<br />
heute wiedertreffen, kann ich mir aussuchen,<br />
in welchem ihrer Lebensabschnitte<br />
das geschehen soll: Meine Comic-Bibliothek<br />
hat Türen zu ihren schlechtesten und<br />
ihren besten Zeiten.“<br />
Oder 100 Seiten fundiertes und persönliches<br />
Wissen zu Ötzi, kein Problem.<br />
In hellblau gehalten der Band von Albert<br />
Zink, seines Zeichens Leiter des Instituts<br />
für Mumien in Bozen, wo der Eismann<br />
schlummert.<br />
Knapp 40 Bände gibt es bereits, zu<br />
finden auch bei uns, im bunten Drehständer<br />
im 1. Stock in der Wissenschaftsabteilung.<br />
Denn auch schwere und weltbestimmende<br />
Themen wie: „Gilmore Girls“, „Peanuts“<br />
oder „Bud Spencer“ gehört in jedem Fall<br />
nachgelesen.<br />
Weitere Infos unter www.reclam.de/<br />
100Seiten<br />
8<br />
Wagner’sche.<br />
Die beste<br />
und schönste<br />
Wohnküche<br />
der Welt.<br />
Andreas Klingler<br />
Ei ei einiges<br />
los in<br />
der Meierei<br />
Karin Kreisl<br />
Es gibt tatsächlich<br />
noch ganz wunderbare<br />
Orte, die man<br />
nicht im Internet,<br />
sondern zwischen<br />
Büchern findet.<br />
unbekannt<br />
Buchtipp:<br />
Richard Rauch, Katharina Seiser<br />
Die Jahreszeiten-Kochschule:<br />
Frühling<br />
Brandstätter Verlag,<br />
240 S., € 34,90<br />
Öffnungszeiten<br />
1639. Die Meierei:<br />
Montag bis Freitag: 9 – 17 Uhr<br />
Samstag: 9 – 13:30 Uhr<br />
Sonn- & Feiertage geschlossen<br />
T. +43 650 940 308 0<br />
Sprengt<br />
herkömmliche<br />
Kategorien auf<br />
köstliche Weise<br />
Ernst Werus
Heimische Perlen aus der Flut<br />
der Neuerscheinungen<br />
Literatur aus Tirol 2017/2018<br />
Im Herbst<br />
Wenn die Neuerscheinungsflut über die<br />
Hallen der Frankfurter Messe hereinbricht,<br />
dann geht es auch um einen prestigeträchtigen<br />
Preis, den Deutschen Buchpreis.<br />
Alleine dort nominiert zu sein bedeutet<br />
rapide Steigerung von Bekanntheit und<br />
Verkaufszahlen.<br />
Und siehe da, auf der Longlist steht<br />
der Tiroler Autor Robert Prosser. Eine<br />
Auszeichnung, mit der der 1983 in Alpbach<br />
geborene wohl selbst nicht gerechnet<br />
hätte. Prossers fulminanter Balkanroman<br />
Robert Renk, Robert Prosser, Ágnes Czingulszki – © Günther Egger 2018<br />
„Phantome“ schildert, drastisch und<br />
äußerst sorgfältig recherchiert, das dunkle<br />
Kapitel des Jugoslawienkriegs. Zwischen<br />
dem Wien des Jahres 2015 und dem Bosnien<br />
des Jahres 1992 switchend, erzählt er die<br />
Geschichte eines jungen abgeklärten Wiener<br />
Sprayers, der sich auf eine Bosnienreise<br />
mit Freundin Sara begibt, auf Spuren von<br />
deren Mutter und ihrem Freund, die beide<br />
den Krieg miterlebt haben. Prosser dringt<br />
tief in die Vergangenheit, vermag es aber<br />
auch, die Problematik der aktuellen Flüchtlingskrise<br />
zu spiegeln.<br />
Für den Österreichischen Buchpreis in<br />
der Kategorie „Debut“ war im <strong>No</strong>vember<br />
Mascha Dabić nominiert. Ihren Erstling<br />
„Reibungsverlust“ (Ed.) hatte sie noch<br />
im April präsentiert. Übrigens gemeinsam<br />
mit Ágnes Czingulszki, eine andere<br />
neue und leuchtende Stimme am Tiroler<br />
Literaturhimmel.<br />
Den Beweis (so es eines solchen bedurfte),<br />
dass man redlich sprachtrunken und<br />
berauscht werden kann, ohne auch nur<br />
das klitzekleinste alkoholische Getränk<br />
zu sich zu nehmen, lieferte Markus Köhle.<br />
Oliver Jungen schreibt denn auch in der<br />
FAZ Folgendes: „Markus Köhles kalauerwuchtiges<br />
‚Barhocker- Oratorium‘ wird<br />
seinem Titel ‚Jammern auf hohem Niveau‘<br />
formidabel gerecht. So poetisch, ehrlich,<br />
weise und sprachsturzbesoffen überrollt<br />
uns diese multiperspektivische Bierlaunendramödie,<br />
dass selbst trinkfeste Thomas-<br />
Kapielski- Wegbecherer anerkennend das<br />
Glas heben dürften. (…) Schlag auf Schlag<br />
setzt es drollige, schief-grässliche, zauberhafte<br />
Wort auffahrunfälle, in denen nicht<br />
selten der berühmte Krümel Wahrheit steckt,<br />
an dem man sich prompt verschluckt –<br />
und folglich gleich das nächste Krügerl<br />
kippt.“Bevor Köhle zu seinem dreiteiligen<br />
Schwerpunkt nach Innsbruck anrauschte,<br />
füllte Judith W. Taschler mit ihrem neuen<br />
Roman „David“ unsere Buchhandlung.<br />
Ein Roman, über den Sebastian Fasthuber<br />
im Falter schreibt: „‚David‘ beweist, dass<br />
Taschler es tatsächlich versteht, den Leser<br />
zu fesseln. … Man kann das Buch kaum<br />
aus der Hand legen, weil die Sprache<br />
glasklar ist und gut getaktet.“<br />
Gut getaktet hat auch der sympathische<br />
„Vorstadtweiber“-Erfinder Uli Brée das<br />
Erscheinen seines Buches „Schwindelfrei“.<br />
Parallel zur neuen Staffel seiner „Weiber“<br />
erzählt er darin von den Frauen seines<br />
Lebens: aufrichtig oder verlogen, poetisch<br />
oder erfrischend komisch. Ein lustvolles<br />
und fast ehr liches Buch, das nun durchs<br />
Staatstheater auch auf die Bühne kommt<br />
(Treibhaus) und das Uli Brée den Frauen<br />
seines Lebens widmet: von A wie Anfang<br />
bis Z wie Zores.<br />
Bei L wie Lyrik findet sich … nix. Das<br />
überlässt er Margit Jordan, Barbara Tilg<br />
und Carolina Schutti.<br />
Jordan, die rührige graue Eminenz<br />
des Turmbundes, hat nach jahrelangem<br />
Arbeiten für die Literatur nun ihr erstes<br />
Buch veröffentlicht: „fenstertage“ (Turmbund).<br />
Und die Zammerin Barbara Tilg<br />
legt mit „Den Silberfaden spinnen“ (TAK)<br />
auch ihr Debüt vor, das Lyrik und Prosa<br />
vereint. Am gewichtigsten scheint der<br />
schmale Band „Nerbenfieber“ (Ed. Laurin)<br />
der renommierten Autorin Carolina<br />
Schutti.<br />
Äußerst amüsant und doch schonungslos<br />
ehrlich begegnet uns Erich Leders berger.<br />
In „Als mein Ich verschwand“ seziert er<br />
messerscharf an der Linie entlang, die die<br />
Wirklichkeit der Vergangenheit und die<br />
Wirklichkeit der gegenwärtigen Erinnerung<br />
trennt, zeigt, wie der Schein im Sein nur<br />
noch blass scheint. Gut und gscheit, was<br />
will man mehr!<br />
In Kufstein aufgewachsen ist Kirstin<br />
Breitenfellner. Im Roman „Bevor die Welt<br />
unterging“ führt sie den Leser nostalgisch<br />
in die 80er und zeigt gleich zeitig, wie<br />
die Endzeitstimmung von damals sich im<br />
Heute spiegelt! Besonders gelungen ist<br />
die sprachliche Präzision gepaart mit der<br />
Idee, Lyrics von Abba bis Nina Hagen lustvoll<br />
in den Text zu schmuggeln. Das macht<br />
das Ganze absolut atmosphärisch!<br />
Atmosphärisch dicht lesen sich immer<br />
auch Romane und Erzählungen des Meraners<br />
Sepp Mall. Kein Wunder, gehört er<br />
zu den profiliertesten Lyrikern des Landes.<br />
Im neuen Roman „Hoch über Allem“<br />
zeichnet er mit feinstem Strich die Lebenswege<br />
dreier Figuren nach, die sich erst spät<br />
kennenlernen: Vater, Mutter und Tochter.<br />
Aus Südtirol kam im Herbst noch viel<br />
Interessantes. Etwa von Astrid Kofler oder<br />
Josef Zoderer (beide Haymon), ein neuer<br />
Roman von Selma Mahlknecht (Raetia)<br />
und ein wunderbarer Romanessay (ja,<br />
das gibt es und das ist extrem spannend!)<br />
von Maxi Obexer (Verbrecher Verlag).<br />
Nicht zu vergessen der neue Krimi von<br />
Lenz Koppelstätter (KiWi).<br />
Der Krimi selbst scheint sich – nach dem<br />
fulminanten Krimi-Festival im Oktober –<br />
etwas auszuruhen. Bernhard Aichners<br />
„Totenfrau“ kommt im Juni auf die Bühne<br />
des Landestheaters, womit wir aber schon<br />
tief im Frühjahr stecken.<br />
Im Frühjahr<br />
Hier schwebt über allem das Buch mit<br />
dem schlicht-eleganten Titel „Mein Lebenslauf“.<br />
Darin beschreibt Felix Mitterer sich,<br />
aber – bescheiden wie er ist – erzählt er viel<br />
mehr von seinen vielen WeggenossInnen.<br />
Ein 500-Seiten-Buch, das man in drei Tagen<br />
wegliest.<br />
Einer, der darin vorkommt und – sozusagen<br />
– den Schreibtisch von Mitterer erbte<br />
(im Zoll), ist leider schon verstorben, viel<br />
zu früh. Das ebenso wuchtige, wie schmale<br />
„Gesammelte Werk“ des Osttirolers Gerold<br />
Foidl kommt in einem Band bei Haymon<br />
heraus.<br />
Auf mehrere Bände angelegt ist dort<br />
die Werkausgabe von Hans Haid.<br />
Eindrücke zu den neuen Büchern<br />
von Susanne Gurschler, Bernd Schuchter,<br />
Markus Koschuh finden Sie ausführlich<br />
in diesem Heft, wir dürfen sie nämlich bei<br />
uns präsentieren.<br />
Im Rahmen des 4. Lyrikfestivals W:ORTE<br />
liest auch die wunderbare Angelika Rainer<br />
aus ihrem neuesten Wurf „See’len“.<br />
Darin lässt sie sich vom Thema des Sees<br />
als Spiegel der Seele und dem Mythos<br />
von Narziss und Echo inspirieren.<br />
Auch zwei wohlbekannte Gesichter werfen<br />
sich wieder in die Verkaufsschlacht am<br />
Buchmarkt. <strong>No</strong>rbert Gstrein berichtet mit<br />
„Die kommenden Jahre“ von einem Sommer,<br />
von Veränderung, der Suche nach dem<br />
Selbst, dem Älterwerden. Und von Zeit,<br />
die, dem Gletschereis gleich, knapper wird.<br />
Und Raoul Schrott verschreibt sich mit<br />
„Politiken & Ideen“ diesmal ganz der Wissenschaft<br />
und tut dies in vier großen Essays,<br />
wie immer, äußerst klug und anregend.<br />
Zum Schluss blicken wir wieder auf die<br />
Longlist. Im Herbst 2016 stand dort ein<br />
Autor aus Innsbruck, den es als Musiker<br />
schon in die ganze Welt verschlagen hat.<br />
Nun legt er mit dem Roman „Drei Sekunden<br />
Jetzt“ ordentlich nach.<br />
Die Rede ist von Hans Platzgumer,<br />
der mit seinem Findelkind François, das<br />
nie verloren geht, eine wunderbare Figur<br />
ersonnen hat. Die lässt er an die Küste von<br />
Marseille, in die Ungewissheit New Yorks<br />
und bald – blind vor Liebe – nach Montreal<br />
reisen, immer dieselbe Frage im spärlichen<br />
Gepäck: Kann man leben, ohne zu wissen,<br />
wer man wirklich ist?<br />
Selbst das kann man, wenn man die richtigen<br />
Bücher im Gepäck hat.<br />
Ihr Robert Renk<br />
Buchtipps:<br />
Robert Prosser:<br />
Phantome<br />
Ullstein Fünf Verlag,<br />
336 S., € 20,60<br />
Ágnes Czingulszki:<br />
ich dachte an siracusa<br />
edition exil Verlag, 155 S.,<br />
€ 12,40<br />
Maxi Obexer:<br />
Eurpas längster Sommer<br />
Verbrecher Verlag, 150 S.,<br />
€ 19,60<br />
Kirstin Breitenfellner:<br />
Bevor die Welt unterging<br />
Picus Verlag, 240 S.,<br />
€ 22,00<br />
Hans Platzgumer:<br />
Drei Sekunden Jetzt<br />
Zsolnay Verlag, 256 S.,<br />
€ 22,70<br />
Erich Ledersberger:<br />
Als mein Ich verschwand<br />
Erich Ledersberger Verlag,<br />
116 S., € 18,50<br />
Felix Mitterer:<br />
Mein Lebenslauf<br />
Haymon Verlag, 528 S.,<br />
€ 29,90<br />
Raoul Schrott:<br />
Politiken & Ideen<br />
Hanser Verlag, 248 S.,<br />
€ 23,70
Wagner’sche & Reiseliteratur –<br />
eine lange Tradition<br />
Vom Erfinder des Reiseführers. Von Markus Renk<br />
© MairDumont<br />
12 13<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Wanderführer, Karten und Reiseberichte<br />
waren immer schon ein wichtiger Schwerpunkt<br />
in der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung.<br />
Auch der hauseigene<br />
Verlag produzierte knapp vor dem Ersten<br />
Weltkrieg eigene Reiseführer und touristische<br />
Werke. Der von Kunibert Zimmeter<br />
geschriebene „Führer durch die Hofkirche<br />
in Innsbruck“ erschien z. B. zwischen<br />
1902 bis 1928 in mehreren Sprachen und<br />
in mehr als fünf Auflagen.<br />
Ein absoluter Bestseller von einem<br />
anderen Verlag war der erste Baedeker<br />
Tirols, der seinerzeit den Reiseführermarkt<br />
revolutionierte.<br />
Karl Baedeker –<br />
Der Erfinder des Reiseführers<br />
Vor bald 200 Jahren begann in Koblenz<br />
eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte:<br />
Karl Baedeker erfand den modernen Reiseführer.<br />
Sein Name ist zum Synonym für<br />
die Kategorie Reiseführer geworden. Vieles,<br />
was uns heute selbstverständlich erscheint,<br />
hat Karl Baedeker erfunden. So z. B. die<br />
detaillierten Reiseziel-Beschreibungen, aber<br />
auch die kompetente Sterne-Bewertungen.<br />
Er war es, der erstmals präzise Karten<br />
seinen Reiseführern beilegte, aber auch die<br />
bis heute klassische Dreiteilung „Allgemeines,<br />
Praktisches, Merkwürdiges“ hat<br />
heute noch seine Gültigkeit. Bereits 1839<br />
verspricht Baedeker in seinen Neuauflagen:<br />
„Der Reisende wird mancherlei Winke<br />
finden, welche ihm Mühe, Zeit und Geld zu<br />
ersparen geeignet sind!“<br />
2018 wird Baedeker das Original der<br />
Premium-Reiseführer neu beleben,<br />
Grund genug für uns, dieser besonderen<br />
Reiseführer-Serie einen präsenten Platz<br />
in unserem Magazin einzuräumen.<br />
Buchtipps:<br />
Reiseführer Kuba<br />
Baedeker, 366 S., € 26,99<br />
Reiseführer Mallorca<br />
Baedeker, 362 S., € 24,99<br />
Reiseführer Rom<br />
Baedeker, 402 S., € 24,99<br />
Die besten Seiten der Welt –<br />
so lässig und gutaussehend wie nie<br />
Magische Momente zum Schwärmen,<br />
überraschende Erlebnisse für Entdecker<br />
und faszinierende Geschichten,<br />
die man sonst eher selten zu lesen<br />
bekommt: Der neue Baedeker schlägt<br />
die besten Seiten der Welt auf. Er lädt<br />
ein zum Lesevergnügen und eröffnet<br />
neue Zugänge zu den Reisezielen.<br />
So informativ und tiefgründig wie je,<br />
bleibt er doch gelassen. Er schreibt<br />
nicht vor, wann man wo in welcher<br />
Reihenfolge zu sein hat, denn sein<br />
alphabetisches Prinzip lässt alle Freiheit<br />
der Reiseplanung. Und er sieht<br />
auch noch gut aus dank hochwertiger<br />
Veredelung und Ausstattung, harmonischem<br />
Layout und dem farbigen<br />
Gummiband als i-Tüpfelchen.<br />
Baedeker Reiseführer<br />
Baedeker-Reiseführer bieten eine<br />
fulminante Bandbreite an Wissen für<br />
unterwegs in fünf Kapiteln:<br />
• Hintergrund: fundierte Informationen<br />
zu Natur, Kultur und<br />
Geschichte<br />
• Erleben und Genießen: Themen,<br />
die die Reise unvergesslich werden<br />
lassen<br />
• Touren: zu den schönsten und<br />
interessantesten Plätzen<br />
• Reiseziele: detaillierte Beschreibung<br />
in alphabetischer Reihenfolge<br />
• Praktische Informationen: von „A“<br />
wie Auskunft bis „Z“ wie Zeit<br />
BAEDEKER WISSEN zeigt noch<br />
mehr vom Reiseziel:<br />
• Infografiken visualisieren Informationen<br />
und machen Lust auf Entdeckungen.<br />
• 3D-Grafiken eröffnen phantastische<br />
Perspektiven auf die berühmtesten<br />
Bauwerke und Plätze der Erde.<br />
• Textspecials gehen ins Detail und<br />
vertiefen Themen.<br />
• Tipp- und Wissensboxen empfehlen<br />
Restaurants und Hotels mit Atmosphäre,<br />
Läden und Originelles am<br />
Wegesrand und stellen Außergewöhnliches,<br />
Typisches, Amüsantes<br />
und Ausgefallenes vor.<br />
• Baedeker-Sterne markieren die<br />
Highlights des Reiseziels.<br />
Als Extra enthält jeder Baedeker-<br />
Reiseführer eine große Reisekarte<br />
oder einen Cityplan in einer<br />
Einschiebetasche.
© Thomas Schrott<br />
Ungeduld des Herzens<br />
Von der Schwierigkeit zu lieben, zu vertrauen, zu verstehen …<br />
Das Landestheater bringt die großen Fragen aus<br />
Stefan Zweig’s Roman „Ungeduld des Herzens“ auf die Bühne.<br />
Von Erna Cuesta<br />
Auf den ersten<br />
Blick sieht<br />
man einen<br />
Wohltäter.<br />
Matthias Tuzar<br />
14 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Und der großen Fragen gibt es viele:<br />
Virtuos hat sich der österreichische Autor<br />
Stefan Zweig Zeit seines Lebens mit<br />
dem Menschsein, mit gesellschaftlichen<br />
Phänomenen, politischen Gedanken<br />
auseinandergesetzt und in literarischer<br />
Form – vergeistigt, visionär, gefühlsbetont,<br />
selbst trivial, wie man ihm gelegentlich vorwerfen<br />
sollte – aufgearbeitet. Ein moderner<br />
Autor, ein europäischer Vordenker, gleichzeitig<br />
der Welt von Gestern verhaftet …<br />
So grau – fernab von Schwarz-Weiß-<br />
Malerei – sind auch die Figuren aus Stefan<br />
Zweigs Feder gezeichnet, wie etwa der<br />
hochdekorierte junge Leutnant Hofmiller,<br />
um den sich alles in „Ungeduld des<br />
Herzens“ dreht. Er ist Held und Anti-Held<br />
gleichermaßen, ein guter Mensch oder doch<br />
in seiner Schwäche nur gutmütig? Hofmiller<br />
verkörpert in „Ungeduld des Herzens“ die<br />
ganze Bandbreite des lebensnotwendigen,<br />
oft missverstandenen, gar missbrauchten<br />
Mitleids.<br />
Der Wiener Matthias Tuzar, der Schauspiel<br />
studiert und dafür sein Medizinstudium<br />
an den Nagel hängt, ist seit der Spielzeit<br />
2016/17 Ensemblemitglied des Tiroler<br />
Landestheaters; er wird den typischen<br />
österreichischen Offizier spielen und weiß<br />
von den Tücken einer solchen Rolle.<br />
„Es ist reizvoll, einen Charakter zu spielen,<br />
den man auf den ersten Blick als Wohltäter<br />
ansieht, dem es Freude bereitet, anderen<br />
zu helfen, und ihnen scheinbar Mitgefühl<br />
entgegenbringt, der aber bei genauer Betrachtung<br />
eigentlich aus Egoismus handelt<br />
und der trotz guter Absichten doch nur<br />
Schaden anrichtet. Warum? Ob er tatsächlich<br />
nur an sich denkt, ob er zu dumm<br />
ist oder ob er einfach zu schwach ist? Das<br />
werden wir sehen.“ Und davon wird er<br />
wohl auch in dem Künstlergespräch in der<br />
Wagner’schen erzählen.<br />
Gemeinsam mit der deutschen Regisseurin<br />
Susanne Schmelcher – ihre Innsbrucker<br />
Inszenierung von „Anna Karenina“ wurde<br />
15<br />
2015 mit dem Wiener Theaterpreis Nestroy<br />
als „Beste Bundesländer-Aufführung“ ausgezeichnet<br />
– will das Ensemble den Dingen<br />
in dieser Produktion auf den Grund gehen.<br />
„Das Zusammenleben zwischen Menschen<br />
im Kleinen wird bei Zweig als Spiegelbild<br />
einer großen Zerrüttung der Gesellschaft<br />
gezeigt. Was nützt dann noch Mitleid,<br />
wenn es doch keine aktive, selbsteinschränkende<br />
Konsequenz hat?“, stellt Susanne<br />
Schmelcher u. a. zur Diskussion und führt<br />
damit auch jene Gedanken fort, die Stefan<br />
Zweig in seinem 1939 erschienenen Roman<br />
„Ungeduld des Herzens“ aufwirft. „Das<br />
eine, das schwachmütige und sentimentale<br />
[Mitleid], das eigentlich nur Ungeduld<br />
des Herzens ist, sich möglichst schnell freizumachen<br />
von der peinlichen Ergriffenheit<br />
vor einem fremden Unglück, jenes Mitleid,<br />
das gar nicht Mit-leiden ist, sondern nur<br />
instinktive Abwehr des fremden Leidens<br />
von der eigenen Seele. Und das andere,<br />
das einzig zählt – das unsentimentale,<br />
aber schöpferische Mitleid, das weiß, was<br />
es will, und entschlossen ist, geduldig<br />
und mitduldend alles durchzustehen bis<br />
zum Letzten seiner Kraft und noch über<br />
dies Letzte hinaus.“<br />
Wie schwer es also fällt, zu vertrauen,<br />
zu lieben und vor allem zu verstehen,<br />
will dieses Schauspiel, das Thomas Jonigk<br />
aus Stefan Zweigs Roman herausdestilliert<br />
hat, zeigen; als eine Auseinandersetzung mit<br />
der Fragwürdigkeit von Mitleid. Mitleid,<br />
das ohne die Konsequenz konkreter Handlungen<br />
nutzlos oder gar schädlich ist.<br />
„Ungeduld des Herzens“ ist eine<br />
Erzählung ihrer Zeit, ein Stück Zeit-<br />
Geschichte … Aber kann, wie so oft, als<br />
Abbild anderer Zeitenwenden, der<br />
Neu- oder der Jetzt-Zeit, gelesen werden.<br />
Wie sehr geht es am Theater um Aktualität<br />
und wenn sie sich nicht offenbart, sucht<br />
man sie. Für Regisseurin Schmelcher liegt<br />
sie auf der Hand: „Die Zeit vor dem Ersten<br />
Weltkrieg als Zeitalter der Sicherheit und<br />
des Fortschritts kommt uns so bekannt vor.<br />
Sie spiegelt sich im Zusammenleben der<br />
Figuren aus Zweigs Roman – und beides<br />
läuft in erschreckender Parallelität auf<br />
die Katastrophe zu.“<br />
Um dieser Tatsache Nachdruck<br />
zu verleihen, ist der Theaterfassung von<br />
„Ungeduld des Herzens“ ein Auszug<br />
aus dem geschichtsphilosophischen Aufsatz<br />
von Walter Benjamin vorangestellt:<br />
„Der Engel der Geschichte hat das Antlitz<br />
der Vergangenheit zugewendet. Wo eine<br />
Kette von Begebenheiten vor uns erscheint,<br />
da sieht er eine einzige Katastrophe, die<br />
unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und<br />
sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte<br />
wohl verweilen, die Toten wecken und<br />
das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein<br />
Sturm weht vom Paradiese her, der sich in<br />
seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist,<br />
dass der Engel sie nicht mehr schließen kann.<br />
Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die<br />
Zukunft, der er den Rücken kehrt, während<br />
der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel<br />
wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen,<br />
ist dieser Sturm.“<br />
Theatertipp:<br />
Ungeduld des Herzens<br />
Premiere am 22. April 2018,<br />
Kammerspiele in der Messe<br />
Regie: Susanne Schmelcher<br />
Bühne & Kostüme:<br />
Marion Hauer<br />
Mit: Marion Fuhs, Janine<br />
Wegener, Lisa Weidenmüller;<br />
Jan-Hinnerk Arnke, Jan<br />
Schreiber, Matthias Tuzar<br />
Veranstaltung:<br />
Künstlergespräch<br />
mit Susanne Schmelcher<br />
& Matthias Tuzar<br />
Mi., 4. April 2018 um 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt frei!
© Peter Gründhammer<br />
Diesseits, Denken, Diskussion<br />
Bernd Schuchter heftet sich an die Fersen eines der<br />
bekanntesten unbekannten Philosophen der französischen<br />
Aufklärung. Von Merle Rüdisser<br />
Buchtipp:<br />
Bernd Schuchter:<br />
Herr Maschine oder vom<br />
wunderlichen Leben und Sterben<br />
des Julien Offray de La Mettrie<br />
Braumüller Verlag, 176 S.,<br />
€ 20,00<br />
Denken Sie<br />
wagemutig,<br />
aber verbergen<br />
Sie sich.<br />
La Mettrie<br />
16 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Im Jahr 1747 machte ein Buch einen<br />
Mann schlagartig europaweit berühmt,<br />
berüchtigt und gesellschaftlich isoliert:<br />
L’Homme Machine – Der Mensch eine<br />
Maschine drückte seinem Autor Julien<br />
Offray de La Mettrie einen Stempel auf,<br />
der die Erinnerung an das Werk dieses<br />
Philosophen weit über seinen Tod hinaus<br />
prägte. Bis heute kennt man den Titel<br />
als Schlagwort – mehr aber meist nicht.<br />
Julien Offray de La Mettrie wurde 1709<br />
in Saint-Malo in der Bretagne geboren,<br />
studierte Medizin und machte sich gleich<br />
bei den Mächtigen seiner Branche unbeliebt,<br />
weil er – Merkmal seines Denkens –<br />
nichts weiter so machen wollte, wie<br />
man es eben macht, wenn er durchschaut<br />
hatte, dass es falsch war. In der Philosophie<br />
setzte er dieses Prinzip gleich fort: Die<br />
französischen Aufklärer waren in ihrer Auseinandersetzung<br />
mit der Theologie schon<br />
ein gutes Stück weit gekommen, zauderten<br />
dann aber, um es sich mit Kirche und<br />
Staat – an dessen Spitze immerhin der von<br />
Gott inthronisierte König stand – nicht zu<br />
verscherzen. Bei einzelnen Denkern kamen<br />
auch persönliche Skrupel dazu, ein Denis<br />
Diderot zum Beispiel wollte einfach gerne<br />
noch an Gott glauben dürfen. Zaudern<br />
ist allerdings La Mettries Sache nicht, er<br />
denkt den Materialismus fertig und kommt<br />
zu dem Schluss, dass Religion nicht nur<br />
nicht fehlt, hat man sie einmal beseitigt,<br />
sondern im Gegenteil: dass viele Übel mit<br />
der Religion verschwinden.<br />
17<br />
Das ist der Punkt, der La Mettrie<br />
für den heutigen Menschen so interessant<br />
macht. Bernd Schuchter – Autor, Verleger,<br />
studierter Philosoph – hat sich mit La<br />
Mettrie beschäftigt und festgestellt, dass<br />
die heutige Gesellschaft, wie aufgeklärt<br />
und säkularisiert sie sich auch fühlen<br />
mag, in vielen Fragen noch keinen Schritt<br />
weitergekommen ist – in zweihundertfünfzig<br />
Jahren! Grund genug, La Mettrie<br />
wieder aus dem Schatten ganz unten<br />
im Bücherregal der Philosophie, wo die<br />
Materialisten vor sich hin vegetieren,<br />
herauszuholen und ans Licht zu stellen.<br />
Das Ende La Mettries möge Schuchter<br />
erspart bleiben: In Frankreich und bald<br />
auch in den Niederlanden war er nicht<br />
mehr erwünscht. Glücklicherweise sammelte<br />
Friedrich II. in Preußen gerade radikale<br />
Denker, und so verschlug es den Bretonen<br />
nach Preußen. In illustrer Männerrunde<br />
wurde diskutiert, philosophiert, getrunken<br />
und gevöllert, denn wer sich um das Jenseits<br />
nicht mehr zu kümmern braucht, hat die<br />
Verpflichtung, aus dem Diesseits das Beste<br />
zu machen. Eines Abends im <strong>No</strong>vember<br />
1751 übertrieb La Mettrie es aber doch<br />
mit der Sinnenfreude, überaß sich an einer<br />
Pastete und starb.<br />
Diese diskutierenden, geistig beweglichen<br />
Runden aber sollte man sich als<br />
aufgeklärter Mensch jeglichen Geschlechts<br />
zum Vorbild nehmen: Anstatt ein solches<br />
Buch mit dem üblichen Glas Wasser auf<br />
dem Tischchen des Lesenden zu präsentieren,<br />
wird der sinnenfrohe, kompromisslose,<br />
radikale, imponierend gescheite Julien<br />
Offray de La Mettrie gefeiert mit Essen und<br />
Trinken in guter Gesellschaft.<br />
Bernd Schuchter, 1977 in Innsbruck geboren,<br />
Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie<br />
an der Universität Innsbruck, seit 2006<br />
Verleger des Limbus Verlag, lebt mit seiner Familie<br />
in Innsbruck. Zahlreiche Stipendien und Preise,<br />
u. a. Förderpreis des Theodor Körner Fonds (2017).<br />
Zuletzt erschienen die Romane „Link und Lerke“<br />
(2013) und „Föhntage“ (2014), der literarische Reiseführer<br />
„Innsbruck abseits der Pfade“ (2015), der<br />
historische Essay „Jacques Callot und die Erfindung<br />
des Individuums“ (2016) sowie die „Gebrauchsanweisung<br />
für Tirol“ (2017). Seine Bücher wurden<br />
bisher ins Ukrainische, Polnische und Englische<br />
übersetzt. www.berndschuchter.at<br />
Buchpräsentation<br />
für (*fast) alle Sinne:<br />
Bernd Schuchter liest aus<br />
„Herr Maschine oder vom<br />
wunderlichen Leben und Sterben<br />
des Julien Offray de La Mettrie“<br />
Lesung mit Galadiner à la<br />
Mettrie<br />
Mi., 28. März 2018, 19:00 Uhr<br />
Café Restaurant Kunstpause,<br />
Museumstr. 15, 6020 Innsbruck<br />
Eine Veranstaltung der<br />
Wagner’schen<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt: € 20,00 (inklusive dreigängigem<br />
Menü und Aperitif)<br />
Begrenzte Teilnehmerzahl,<br />
Anmeldung obligatorisch<br />
(Zuhörerplätze ohne Galadiner<br />
auf Anfrage) unter<br />
literatur@wagnersche.at oder<br />
T. 0512/595 05-0<br />
Info:<br />
In Anlehnung an Friedrichs<br />
Tafelrunde sollen an diesem<br />
Abend neben dem intellektuellen<br />
Austausch auch die<br />
leiblichen Genüsse nicht zu kurz<br />
kommen. Friedrich selbst fand<br />
mitunter, dass acht Schüsseln<br />
(also acht Gänge des Menüs)<br />
genug seien, mit Vorliebe<br />
verspeisten der Philosophenkönig<br />
und seine Tischgesellen<br />
Täubchen in verschiedenen<br />
Variationen und feierten ihre<br />
neuesten Bücher mit reichlich<br />
Champagne Rosé, den Friedrich<br />
in einem Billet einmal das Quellwasser<br />
von Hippokrene nannte.<br />
Dem nachempfunden soll das<br />
Galadiner à la Mettrie Speisen<br />
aus der Zeit des Philosophenkönigs<br />
bieten; aber * Vorsicht<br />
bei der Trüffelpastete!
© Fotowerk<br />
Spannend sind<br />
dıe Dinge, die<br />
selbst dıe Leute<br />
in der Region oft<br />
nicht kennen.<br />
18 Wagner’sche.<br />
Sie sind seit 20 Jahren Journalistin in<br />
Tirol. Was hat sich geändert?<br />
Die Tiroler Medienlandschaft ist mittlerweile<br />
wieder sehr konzentriert, die Bedingungen<br />
für freie Journalistinnen und Journalisten<br />
haben sich spürbar verschlechtert. Dieses<br />
Immer-schneller-immer-mehr-produzieren-Müssen,<br />
um vom Journalismus leben<br />
zu können, geht auf Kosten der Qualität<br />
und widerspricht meiner Herangehensweise:<br />
Ich beschäftige mich gerne intensiv mit<br />
Themen und gehe gerne in die Tiefe.<br />
Wie hat es sich damals mit dem Emons<br />
Verlag, in dem Ihr Buch „111 Orte<br />
in Tirol“ 2016 erschien, entwickelt?<br />
Als ich „111 Orte in Südtirol, die man<br />
gesehen haben muss“ von Peter Eickhoff<br />
und Sabine Gruber las, hatte ich sofort das<br />
Gefühl: Das ist meins. Das Konzept, wenig<br />
bekannte Orte zu zeigen, den Blick für<br />
Ungewöhnliches, Unscheinbares zu schärfen,<br />
kommt mir sehr entgegen. Ich habe den<br />
Verlag angeschrieben und wider Erwarten<br />
war Tirol noch zu haben. Ich musste also<br />
„nur“ 111 Orte finden. Dabei hat mir sehr<br />
geholfen, dass ich schon lange als Journalistin<br />
tätig bin, zudem habe ich mir Tipps<br />
von Freunden und Bekannten geholt.<br />
Interessant war, dass die meisten zunächst<br />
die üblichen Verdächtigen, also bekannte<br />
Sehenswürdigkeiten, nannten. Die 111-<br />
Orte-Reihe will aber Dinge vor den<br />
Vorhang holen, die oft selbst die Leute<br />
in der Region kaum oder nicht kennen.<br />
Wie ist es Ihnen mit der<br />
Innsbrucker Aufgabe gegangen?<br />
Für mich war von Anfang an klar, dass ich<br />
auch die 111 Orte Innsbruck machen will.<br />
Das war noch einmal eine besondere Herausforderung,<br />
denn einige Stadtteile kenne<br />
ich sehr gut, andere weniger und manche<br />
Ecken waren für mich eine Entdeckung.<br />
Welche Stadtteile kannten Sie nicht<br />
so gut?<br />
Ich bin viel und gern zu Fuß unterwegs. Bei<br />
Pradl, der Innenstadt, Wilten, Hötting oder<br />
der Reichenau tat ich mich relativ leicht,<br />
Susanne<br />
Gurschler<br />
Ein Gespräch<br />
mit der Wahl-<br />
Innsbruckerin<br />
über Journalismus,<br />
Weinbau in Hötting<br />
und ihr neues<br />
Buch, das im April<br />
im Emons Verlag<br />
erscheint: 111 Orte<br />
in Innsbruck, die<br />
man gesehen haben<br />
muss. Von Ágnes<br />
Czingulszki<br />
obwohl ich natürlich auch da recherchieren<br />
musste. Richtung Technik hinaus oder<br />
im O-Dorf war’s schwerer. Aber ich mag ja,<br />
wenn mich etwas fordert. Letztlich ist<br />
es immer der eigene Blick, der einen leitet.<br />
Und so sind die „111 Orte in Innsbruck,<br />
die man gesehen haben muss“ein Spiegel<br />
dessen, was ich interessant finde.<br />
Was ist Ihnen in Innsbruck wichtig?<br />
Was ich in Innsbruck total schätze, ist die<br />
Überschaubarkeit. Die Stadt hat enorme<br />
Lebensqualität. Es ist alles da, was ein<br />
urbaner Raum braucht. Gleichzeitig bin ich<br />
binnen kürzester Zeit in der Natur. Das ist<br />
schon etwas Besonderes. Ich fahre nach wie<br />
vor gern nach Südtirol, fahre heim, wenn<br />
ich über den Brenner Richtung Süden fahre,<br />
und heim, wenn ich wieder retour komme.<br />
Das wird sich wohl nie ändern. Aber wenn<br />
ich von der Autobahn aus die <strong>No</strong>rdkette<br />
sehe, dann ist da ein richtig tolles Gefühl,<br />
ein echtes Heimkommen. Ist vielleicht pathetisch,<br />
aber ich mag dieses Gefühl sehr.<br />
Kann man Ihnen überhaupt noch was<br />
Neues über Innsbruck sagen?<br />
Natürlich! Es wäre vermessen zu sagen,<br />
man könne mir nichts mehr erzählen. Im<br />
Gegenteil: Ich habe im Zuge der Recherchen<br />
zum Buch viel gelernt und tue das<br />
auch weiter. Ich wollte im Buch zum<br />
Beispiel unbedingt die Geschichte des Weinbaus<br />
in Hötting unterbringen, also ging<br />
es darum, einen Ort zu finden, an dem ich<br />
diese Geschichte festmachen kann. Über<br />
einen Bekannten bin ich auf Siggi Ploner<br />
gestoßen, der seinen eigenen Wein keltert.<br />
Solche Geschichten mag ich!<br />
Mir ist bei der Vorarbeit zu diesem<br />
Interview immer ein Zitat von<br />
Robert Musil in den Sinn gekommen:<br />
„Städte lassen sich an ihrem Gang<br />
erkennen, wie Menschen“. Können<br />
Sie das unterschreiben und welchen<br />
Gang hat Innsbruck für Sie?<br />
(Lacht, denkt nach). Wenn ich mir jetzt<br />
„Innsbruck im Gehen“ vorstelle, dann hat<br />
diese Stadt einen lässig-lockeren Gang.<br />
Ich lebe sehr gerne hier und kann nicht<br />
verstehen, wenn sie jemand schlecht redet.<br />
Im Kulturbereich würde ich mir manchmal<br />
allerdings mehr Pfeffer wünschen. – Vieles<br />
ist zu nett, zu wohnzimmermäßig. Aus der<br />
Reibung entsteht Energie – der Kampfgeist<br />
geht mir ein bisschen ab.<br />
Die gebürtige Südtirolerin Susanne Gurschler kam<br />
zum Germanistikstudium nach Innsbruck und<br />
verliebte sich in die Stadt. Als Kulturjournalistin und<br />
Autorin hat sie sich intensiv mit Tirol auseinandergesetzt.<br />
Selbst überzeugen kann man sich davon<br />
in ihrem Buch „111 Orte, die man in Tirol gesehen<br />
haben muss“ (Emons Verlag, 2016; auf Platz 10 der<br />
Emons-Bestsellerliste-International). Ende April<br />
erscheint „111 Orte in Innsbruck, die man gesehen<br />
haben muss“.<br />
Buchtipp:<br />
Susanne Gurschler:<br />
111 Orte in Innsbruck,<br />
die man gesehen haben muss<br />
emons: Verlag, 240 S.,<br />
ca. € 17,50<br />
Buchpräsentation:<br />
Susanne Gurschler:<br />
111 Orte in Innsbruck, die man<br />
gesehen haben muss<br />
Do., 3. Mai 2018, 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt frei!
Ein neuer Verlag<br />
meldet sich zu Wort<br />
Ein traditionsreicher<br />
Verlag erfindet sich neu<br />
Verlage zu Gast I: Wunderraum<br />
Verlage zu Gast II: Manesse<br />
© Wunderraumverlag<br />
© Wunderraumverlag<br />
Horst Lauinger – © Manesse Verlag<br />
Heinrich Steinfest – © Flo Schneider<br />
Buchtipp:<br />
Bianca Marais:<br />
Summ, wenn du das Lied<br />
nicht kennst<br />
Wunderraum Verlag,<br />
512 S., € 23,70<br />
Veranstaltung:<br />
„Wunderraum & friends –<br />
Einblick in die<br />
Buchmanufaktur“<br />
Zu Gast: Verlagsleiterin<br />
Andrea Best<br />
Mo., 19. März 2018, 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt frei!<br />
Wunderraum steht für Geschichten, die<br />
vom Kopf ins Herz gehen. Für Leser,<br />
die sich in Büchern verlieren, um sich<br />
im Leben wiederzufinden. Und für eine<br />
unverwechselbare Gestaltung, die unsere<br />
Liebe zu Büchern in jedem Ausstattungsdetail<br />
fühlbar macht. So steht es zu<br />
lesen und so ist es auch.<br />
Seit dem Herbst 2017 liegen sie bei uns<br />
in der Wagner’schen auf, diese besonders<br />
schön und durchdacht gemachten Bücher<br />
des Verlages Wunderraum.<br />
Ein schöner Überraschungserfolg war<br />
sicher der Fidschi-Roman von Anne Ostby.<br />
Er erzählt eindrücklich von alten Freundschaften,<br />
neuem Mut, von einer Reise<br />
ans andere Ende der Welt, die fünf ehemalige<br />
Freundinnen aus <strong>No</strong>rwegen wagen,<br />
um dort auf einer Kakaoplantage<br />
das Leben von der Schokoladenseite<br />
her zu betrachten.<br />
Aber auch Bücher von Jeanette<br />
Winterson, Wladimir Kaminer oder Emma<br />
Donoghue findet man im Programm.<br />
Acht Personen haben sich in München<br />
getroffen, haben sich Gedanken gemacht,<br />
ob man einen Verlag auch anders aufziehen<br />
kann, ohne Schielen auf teure Übersetzungsrechte<br />
und große Werbebudgets.<br />
Aber mit Respekt und Liebe zum Buch<br />
und zum Leser. Eine feine Auswahl<br />
an 10 –12 Titeln pro Jahr mit besonderer<br />
Gestaltung und Inhalten, die das Buch<br />
als Mittel des Zeit-Anhaltens begreifen und<br />
nicht als bloßen Zeitvertreib.<br />
Die Verlags-Crew hat für uns in Innsbruck<br />
einen besonderen Abend vorbereitet. Verlegerin<br />
Andrea Best reist aus München an,<br />
gibt anhand einiger feiner Mitbringsel einen<br />
Einblick in die Buchmanufaktur<br />
und in sämtliche Bereiche eines Verlages.<br />
Das neue Programm wird nicht nur<br />
vorgestellt, nein, jede Besucherin, jeder<br />
Besucher kann auch ein Stück Wunderraum<br />
nach Hause nehmen!<br />
Wir bitten diesmal um Anmeldung<br />
unter literatur@wagnersche.at, damit<br />
wir alles für Ihren Besuch vorbereiten<br />
können, und sind uns sicher, auch<br />
Sie werden den Wunderraum Verlag in<br />
Zukunft wiedererkennen und gerne<br />
begleiten.<br />
20 21<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
In der deutschsprachigen Verlagslandschaft<br />
stehen wieder Veränderungen vor der<br />
Tür. Großartige Verlegerpersönlichkeiten<br />
verabschieden sich, Junge rücken nach,<br />
neue Verlage entstehen, neue Reihen<br />
entwickeln sich und Alte ändern radikal ihr<br />
Erscheinungsbild. Hinter all diesen<br />
Ver änderungen und Entscheidungen stehen<br />
– oft auch für den Außenstehenden –<br />
interessante Gedanken, die nicht nur mit<br />
Literatur im engeren Sinn zu tun haben.<br />
Natürlich spielen gesellschaftspolitische<br />
Entwicklungen, Marktverschiebungen und<br />
auch die eine oder andere private Begebenheit<br />
eine Rolle. Aber alle verbindet sie<br />
der Blick und Respekt gegenüber guter<br />
Literatur. Verlegerische Tätigkeit ist immer<br />
auch ein seismologischer Blick auf gesellschaftspolitische<br />
Veränderungen. Insofern<br />
freuen wir uns auf das Frühjahr 2018, denn<br />
gleich vier Schwerpunkte, in denen Verlegerpersönlichkeiten<br />
in den Mittelpunkt<br />
gerückt werden, gibt es in der Wagner’schen<br />
zu erleben.<br />
Seit über 70 Jahren verlegt Manesse<br />
Klassiker – Meisterwerke aller Epochen<br />
und Kulturkreise in Erst- oder Neuübersetzungen<br />
aus zwei Dutzend Weltsprachen.<br />
Bekannte Autoren stehen neben solchen,<br />
die in Vergessenheit geraten sind und die es<br />
verdienen, wiederentdeckt zu werden. Der<br />
1944 in Zürich gegründete Verlag wird seit<br />
dem Jahre 2000 nun von Horst Lauinger<br />
preisgesegnet durch die literarischen Wasser<br />
gelotst und nun auch einem optischen<br />
Relaunch unterzogen. Weltliteratur, neu<br />
übersetzt, sorgfältig redigiert und ediert,<br />
samt profunder Kommentierung und<br />
exklusiven Nachworten, und das alles in<br />
typographisch und ästhetisch ansprechenden<br />
bibliophilen Ausgaben. Neue Segel für<br />
ein bewährtes Schiff? Wir werden nachfragen,<br />
wenn er bei uns zu Gast ist.<br />
Aber nicht nur Horst Lauinger kommt,<br />
mit dabei ist auch Autor Heinrich Steinfest,<br />
der soeben seinen Roman „Die Büglerin“<br />
(Piper) vorgelegt, sondern auch ein<br />
gewitzt-gescheites Nachwort zu Sinclair<br />
Lewis’ „Main Street“ gefertigt hat. Der<br />
Roman selbst, eine als geniale Satire geformte<br />
Zeitdiagnose von erschreckend heutiger<br />
Gültigkeit. Nach einem ausführlichen<br />
Gespräch wird Heinrich Steinfest davon<br />
eindrücklich Beispiel geben.<br />
Buchtipp:<br />
Sinclair Lewis:<br />
Main Street<br />
Manesse Verlag, 1008 S.,<br />
€ 28,80<br />
Veranstaltung:<br />
„Manesse Verlag“<br />
Zu Gast: Verleger<br />
Horst Lauinger und Autor<br />
Heinrich Steinfest<br />
Moderation: Robert Renk<br />
Di., 24. April 2018, 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt frei!
Eine Verlegerpersönlichkeit<br />
besucht Innsbruck<br />
Verlage zu Gast III: Kiepenheuer & Witsch<br />
Wir glauben wetter unabhängig<br />
an gute Gestaltung sowie die Schönheit<br />
im Allgemeinen.<br />
23<br />
himmel. Studio für Design und Kommunikation<br />
www.himmel.co.at<br />
Bücher seit 1639<br />
Veränderungen in der Verlagslandschaft<br />
lassen immer auch Schlüsse zu Veränderungen<br />
in gesellschaftspolitischen Bedürfnissen<br />
zu. Es gibt wenige Verlage, die in relativ<br />
kurzer Zeit so viel erreicht und so viele Sichtweisen<br />
ganzer Generationen geprägt haben,<br />
wie der seit Anbeginn in Köln angesiedelte<br />
Verlag Kiepenheuer & Witsch.<br />
Ohne diesen Verlag wäre Joseph Roth<br />
wohl unter den längst Vergessenen zu<br />
suchen, schon 1949 beginnt Verleger Joseph<br />
C. Witsch die Herausgabe seines Werkes.<br />
Heinrich Böll ist seit 1953 Stammautor<br />
des Hauses, seit dem Jahr, in dem der Verlag<br />
ein eigenes Haus in Köln erwirbt, das bis<br />
2008 Verlagssitz bleiben soll. Und Böll wird<br />
nicht der einzige <strong>No</strong>belpreisträger sein,<br />
den Kiepenheuer & Witsch beheimatet.<br />
Bald kommen die Werke von Saul Bellow,<br />
Patrick White und Czeslaw Milosz ins<br />
Haus. Auch andere Autoren von Weltrang,<br />
vor allem aus dem englischsprachigen<br />
Raum, werden für den deutschsprachigen<br />
Raum entdeckt, etwa Salinger mit seinem<br />
„Fänger im Roggen“.<br />
Eine andere Verlegerpersönlichkeit<br />
wie Reinhold Neven Du Mont – der u. a.<br />
Günter Wallraff entdeckt und Gabriel<br />
García Márquez ans Haus bindet. Ihm folgt<br />
Helge Malchow, der Anfang der neunziger<br />
Jahre Cheflektor wird und heute Verleger<br />
von Kiepenheuer & Witsch ist. Unter seine<br />
„Amtszeit“ fallen weitere verlegerische<br />
Meilensteine. Er stärkt den englischsprachigen<br />
Bereich mit AutorInnen wie Don<br />
DeLillo, Bret Easton Ellis, Zadie Smith<br />
und nicht zuletzt Julian Barnes. Er lässt die<br />
deutschsprachige Literatur hochleben,<br />
indem er AutorInnen wie Katja Lange-<br />
Müller, Alois Hotschnig, Joachim Meyerhoff<br />
oder Eva Menasse entdeckt, lacht auf<br />
hohem Niveau, wenn er Harald Schmidt<br />
oder Helge Schneider verlegt, und sorgt für<br />
Diskussionen, indem er Alice Schwarzer<br />
oder Joschka Fischer publiziert.<br />
Nun gibt auch Helge Malchow das<br />
Zepter weiter, gut geordnet und bestens<br />
aufgestellt übernimmt Kerstin Gleba.<br />
Diese verlegerische Laufbahn, der wir Leser<br />
und wir Buchhändler so viel Freude<br />
zu verdanken haben, hat ein Dankeschön<br />
verdient. Deshalb laden wir Helge Malchow<br />
nach Innsbruck (= Hotschnigtown) ein,<br />
um ihn ein wenig zu feiern.<br />
„Ein Autorenverlag wie Kiepenheuer<br />
& Witsch muss immer zwei Dinge zugleich<br />
im Blick haben: Kontinuität und Weiterentwicklung“<br />
meint Helge Malchow. Und<br />
genau dem wollen wir an zwei Abenden<br />
gerecht werden. Wir freuen uns, wenn Sie<br />
dabei sind.<br />
Lesung:<br />
David Schalko:<br />
Schwere Knochen<br />
Infos siehe S. 25<br />
Veranstaltung:<br />
Ein Abend mit Helge Malchow<br />
Es sprechen und lesen:<br />
Alois Hotschnig, Eva Menasse<br />
und Katja Lange-Müller<br />
mit und für Helge Malchow<br />
Mi., 16. Mai 2018 um 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung in<br />
Zusammenarbeit mit 8ungKultur<br />
Eintritt frei!<br />
Helge Malchow – © Melanie Grande Katja Lange-Müller – © Ute Döring<br />
Eva Menasse – © juergen-bauer.com<br />
Alois Hotschnig – © Thomas Böhm
© Ingo Pertramer<br />
Die Gier von Gestern,<br />
Heute und Morgen …<br />
David Schalko ist ihr auf den Fersen, das ist böse, lustig und<br />
ebenso intelligent wie unterhaltsam. Von Robert Renk<br />
Buchtipp:<br />
David Schalko:<br />
Schwere Knochen<br />
Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />
576 S., € 24,70<br />
erscheint am 12.04.2018<br />
Letztendlich<br />
wird jede<br />
Wahrheit über<br />
die Jahre<br />
nur wahrer.<br />
David Schalko<br />
24 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
David Schalko ist einer der wichtigsten<br />
und witzigsten Drehbuchautoren des<br />
Landes. Er bereicherte uns mit Serien wie<br />
„Braunschlag“, „Altes Geld“ oder „Die<br />
Auf schneider“ (gem. mit Josef Hader). Er<br />
erfand Formate wie „Willkommen Österreich“<br />
oder „Die Sendung ohne Namen“.<br />
Theaterstücke und Romane sind ebenso<br />
in seinem Repertoire zu finden. Nun wendet<br />
er sich sowohl filmisch als auch als Autor<br />
der österreichischen Vergangenheit zu. Sein<br />
neuer Roman „Schwere Knochen“ erscheint<br />
im April beim renommierten Kölner Verlag<br />
Kiepenheuer & Witsch.<br />
Sehr geehrter Herr Schalko, wir<br />
erwischen Sie mitten in Dreharbeiten.<br />
Können Sie uns sagen, an welchem<br />
Projekt Sie z. Z. arbeiten?<br />
Ich drehe gerade ein sechsteiliges Remake<br />
von „M – eine Stadt sucht einen Mörder“.<br />
Wir haben die Handlung aus den 30er<br />
Jahren ins Heute gelegt, weil das Thema<br />
leider brandaktuell ist.<br />
Im Mai kommt Ihr neuer Roman<br />
„Schwere Knochen“ bei KiWi heraus.<br />
Können Sie uns schon ein wenig<br />
verraten?<br />
Es geht um eine nicht erzählte Geschichte,<br />
nämlich die der österreichischen Unterwelt<br />
zwischen 1935 und 1961. Es ist quasi die<br />
andere Seite der österreichischen Medaille.<br />
Im Mittelpunkt steht Ferdinand Krutzler,<br />
auch genannt der <strong>No</strong>twehr-Krutzler,<br />
der elf Mal wegen tödlicher <strong>No</strong>twehr freigesprochen<br />
wurde. Das Buch beginnt in den<br />
30er Jahren, da werden Krutzler und seine<br />
Freunde als Kleinganoven von Hitler ins<br />
KZ gesteckt. 1945 kommen sie als Kapitalverbrecher<br />
wieder raus und übernehmen<br />
in der Alliiertenzeit das aufgeteilte Wien.<br />
Es ist ein Epos über Aufstieg und Fall eines<br />
Imperiums.<br />
25<br />
Der Roman ist Personen nachempfunden,<br />
die es wirklich gegeben<br />
hat? Wie sind Sie auf diesen Trupp<br />
ausgebrannter, skrupelloser Ganoven<br />
in Wien der Nachkriegszeit gestoßen?<br />
Ja, viele Dinge sind wahr, viele sind<br />
Legende und vieles ist fiktionalisiert. Die<br />
Wahrheit ist in diesem Milieu ja immer<br />
eine Mischung aus allem. Und letztendlich<br />
wird jede Wahrheit über die Jahre nur<br />
wahrer, ergo pointierter. Der Roman lehnt<br />
sich in Andeutungen an reale Personen<br />
an. Aber ich darf natürlich keine Namen<br />
nennen.<br />
Es ist – wenn ich es recht überblicke –<br />
das erste Mal, dass Sie Ihren leicht<br />
zynischen (Zyniker nach Ambrose<br />
Bierce: Schuft, dessen fehlerhafte<br />
Sicht die Dinge sieht, wie sie sind,<br />
und nicht, wie sie sein sollten) Blick<br />
in die Vergangenheit werfen. Was<br />
unterscheidet die Gesellschaft der<br />
Nachkriegszeit von der heutigen?<br />
Also erstens würde ich meinen Blick auf<br />
die Welt nicht als zynisch bezeichnen. Ich<br />
beschäftige mich halt lieber mit Figuren,<br />
die auf den ersten Blick böse sind, denen<br />
man wenig abgewinnen kann, die erst<br />
auf den zweiten etwas offenbaren. Es gibt<br />
keinen Menschen, der nicht ein Mensch ist.<br />
Selbst Adolf Hitler war einer. Auch wenn<br />
das viele nicht wahrhaben wollen. Die<br />
Gesellschaft der Nachkriegszeit bestand vor<br />
allem aus Versehrten. Sowohl körperlich<br />
als auch seelisch. Das hat mich interessiert.<br />
Aus dieser verkrüppelten Gesellschaft ist<br />
das heutige Österreich entstanden, von dem<br />
damals überhaupt niemand gewusst hat,<br />
was es überhaupt sein soll.<br />
Sie haben bei der heurigen<br />
Nestroygala eine wunderbare Rede<br />
gehalten: „Wie gefährlich ist die<br />
Kunst – ohne Ministerium?“ Können<br />
Sie eine kurze Einschätzung zur<br />
näheren Zukunft der Kunst und<br />
Kultur unter türkisblau geben?<br />
Nun, wie ja inzwischen bemerkbar ist,<br />
befinden sich Medien und Künstler wenig<br />
überraschend unter Dauerbeschuss der<br />
FPÖ – allerdings unter der schweigenden<br />
Duldung eines Kanzlers, der jetzt noch<br />
ungreifbarer ist als vor der Wahl. Demokratiepolitisch<br />
müssen wir uns warm anziehen<br />
in Österreich und darum kämpfen, dass<br />
wir nicht bald das neue Ungarn sind. Wir<br />
nehmen viel zu viel als selbstverständlich<br />
und reparabel an, was sich in Wahrheit als<br />
sehr fragil und irreparabel erweisen wird.<br />
Wie sehr fühlen Sie sich dem<br />
Theater verbunden?<br />
Das Theater hat eine Qualität, die man ihm<br />
niemals nehmen kann und die es sonst auch<br />
nirgends gibt: Der Zauber findet live statt.<br />
Und das macht einen riesigen Unterschied.<br />
Abgesehen davon ist für mich das Theater<br />
der Tempel der Sprache und daher oft<br />
von größerem Interesse als Film oder Serie.<br />
Aber das Theater macht es sich auch in<br />
sich selbst gemütlich und glaubt oft, dass<br />
die Behauptung das gleiche ist wie Realität.<br />
Eine Theaterkantine ist vermutlich der<br />
fiktionalste Ort der Welt. Aber genau<br />
deshalb mag ich es. Es ist ein großer Zufluchtsort,<br />
wo wir so sein dürfen, wie<br />
wir nie sein werden.<br />
Vielen Dank für das Gespräch!<br />
David Schalko, geboren 1973 in Waidhofen<br />
an der Thaya, lebt in Wien. Er ist österreichischer<br />
Regisseur, Autor und Entwickler von Fernsehsendungen.<br />
U. a. „Braunschlag“, „Die Aufschneider“,<br />
„Altes Geld“, „Sendung ohne Namen“, „Willkommen<br />
Österreich“, „Wie man leben soll“,<br />
„Höhenstraße“ (Tatort) – ausgezeichnet mit dem<br />
deutscher Fernsehkrimipreis 2017. Romane<br />
u. a. „Weiße Nacht“ (Czernin 2009) und „KNOI“<br />
(Jung & Jung 2013).<br />
Buchpräsentation:<br />
David Schalko:<br />
Schwere Knochen<br />
Moderation: Stefanie Kratz<br />
(Lektorin)<br />
Mo., 14. Mai 2018, 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt frei!
© Dominique Hammer<br />
Wien hat den Ruf, eine morbide Stadt zu<br />
sein. Demzufolge ist „Autolyse Wien“ das<br />
perfekte Wien-Buch. Darin lässt die Autorin<br />
Karin Peschka die Stadt an der Donau<br />
nämlich immer wieder lustvoll untergehen<br />
und lenkt in ihren „Erzählungen vom Ende“<br />
die Aufmerksamkeit auf Einzelschicksale in<br />
postkatastrophalen Zeiten. Das klingt nach<br />
harter Kost, ist aber vielmehr eine saubere<br />
Sache, denn „Nach dem Tod beginnt die<br />
Selbstverdauung, die Selbstauflösung.“<br />
Peschka lässt Wien quasi sich selbst verdauen.<br />
Eine gute Idee der in Wien lebenden<br />
Oberösterreicherin und äußerst konsequent<br />
ausgeführt. Im ersten Teil stehen zahlreiche<br />
Figuren mit Problemen, die der neue Alltag<br />
bringt, im Mittelpunkt, im zweiten Teil verfolgen<br />
wir ein Ich, das seinen Abgang plant,<br />
und im dritten Teil dreht sich alles um das<br />
„Wiener Kindl“.<br />
„Wien? Endstation“ oder „Wien? Eine<br />
Enttäuschung“. So heben die Geschichten<br />
an, das Unglück fand stets schon statt. Die<br />
Lesenden dürfen sich die Apokalypse selbst<br />
ausmalen, geschult darin sind wir ja als<br />
Film- und SerienkonsumentInnen. Peschka<br />
deutet bloß an und konzentriert sich dann<br />
auf die Prozesse danach beziehungsweise<br />
Geschichten davor. Der Untergang selbst<br />
mag laut sein, was folgt, ist definitiv Stille.<br />
„Autolyse Wien“ ist ein stilles, ruhiges,<br />
unaufgeregtes Buch, das aber tief geht und<br />
im Trümmerhaufen der Apokalypse mit<br />
Beziehungen aufräumt. Allein die Hunde<br />
halten da und dort die Treue.<br />
Eine Figur in Autolyse hat ein Faible<br />
für Zombiefilme. „Um Ideen zu<br />
finden, wie man sich verhält, fällt<br />
einem der Himmel auf den Kopf.“<br />
Wie haben Sie für „Autolyse Wien“<br />
recherchiert?<br />
Durch das eigene Faible für Zombiefilme?<br />
Zumindest habe ich viele gesehen, gemeinsam<br />
mit meinem Partner. Auf unseren<br />
Spaziergängen stellen wir uns oft die Frage,<br />
ob ein Gebäude „zombiesicher“ ist. Oder:<br />
Was würden wir tun, wenn genau in diesem<br />
Moment die Zombies kämen? (Man muss<br />
Und wer ist Ihre Lieblingsfigur in<br />
„Walking Dead“? (jetzt hätt ich fast<br />
„Walking Dad“ geschrieben:)<br />
Carol bei den Frauen, Daryl bei den Männern.<br />
(Walking Dad klingt aber auch nach<br />
einer interessanten Serie.)<br />
Mit der Erzählung „Wiener Kindl“<br />
hat die in Eferding aufgewachsene<br />
Wirtstochter beim Ingeborg-<br />
Bachmann-Preis 2017 den<br />
Publikumspreis gewonnen, das<br />
macht sie für ein halbes Jahr auch<br />
zur Klagenfurter Stadtschreiberin.<br />
Verfolgen Sie dort ein konkretes<br />
Projekt? Hat Sie die Stadt gut<br />
aufgenommen? Oder wünschen Sie<br />
auch Klagenfurt eine Autolyse?<br />
Meine Stadtschreiberei beginnt erst mit<br />
Mai 2018. Dann werde ich – sechs Monate<br />
lang – immer wieder in Klagenfurt sein und<br />
mich mit etwas Konkretem beschäftigen.<br />
Soviel steht fest (das Konkrete noch nicht).<br />
Ob ich der Stadt eine Autolyse wünsche,<br />
wissen wir spätestens Ende Oktober. Bislang<br />
war sie sehr freundlich zu mir.<br />
Buchtipp:<br />
Karin Peschka:<br />
Autolyse Wien<br />
Erzählungen vom Ende<br />
Otto Müller Verlag,<br />
180 S., € 19,00<br />
Lesung:<br />
Ich bin schnell<br />
und kann<br />
Kung Fu.<br />
Karin Peschka<br />
Karin Peschka liest im<br />
26 27<br />
Rahmen des 16. Prosafestivals<br />
am Fr., 20. April 2018<br />
in der Wagner’schen<br />
Universitätsbuchhandlung Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Karin<br />
Peschka<br />
Eine der<br />
renommiertesten<br />
österreichischen<br />
Autorinnen liest im<br />
Rahmen des<br />
16. Prosafestivals in<br />
der Wagner’schen.<br />
Von Markus Köhle<br />
hier natürlich wissen, ob es sich um schnelle<br />
oder langsame Zombies handelt.)<br />
Wie auch immer: Diese Filme thematisieren<br />
immer das Ende einer Zivilisation,<br />
wie wir sie kennen. Ich hatte aber vor allem<br />
die Bilder der im 2. Weltkrieg zerbombten<br />
Städte vor Augen und jene der aktuell zerbombten<br />
Städte in Syrien und im Irak. Was<br />
kommt danach?<br />
Die Recherche für „Autolyse Wien“<br />
war nicht sehr aufwändig. Eher auf die<br />
Schreib-Situation bezogen: Welche Bäume<br />
stehen im Stadtpark? Wie sieht es im Sternwartepark<br />
aus? Wie züchtet man Pilze auf<br />
Tüchern? Die Handlungsorte der einzelnen<br />
Erzählungen habe ich beim Gehen durch<br />
die Stadt gesammelt.<br />
Eine andere Figur hat auf die Frage<br />
„Wie man leben soll“ einen klaren,<br />
kurzen Satz parat, Sie auch?<br />
Gut.<br />
Gut. Um kurz bei den schnellen<br />
Zombies einzuhaken: „28 Days later“<br />
oder „I am Legend“?<br />
Eindeutig „28 Days later“. „I am Legend“<br />
ist so eine verkappte Jesus-Geschichte.<br />
Mit Ihrem ersten Buch<br />
„Watschenmann“ (erschienen 2015<br />
und unter anderem mit dem Alphaund<br />
dem Wartholz-Literaturpreis<br />
ausgezeichnet) verarbeiteten Sie<br />
Vergangenheit, mit „FanniPold“<br />
(2016) behandelten Sie die<br />
Gegenwart und das aktuelle Werk<br />
blickt in eine mögliche Zukunft.<br />
Folgt auf die Dystopie vielleicht als<br />
nächstes eine Utopie?<br />
Im Sinne einer „neuen“ Gesellschaft?<br />
Darüber muss ich noch nachdenken.<br />
Konsequent wäre es.<br />
Vielleicht könnte das ja das Konkrete<br />
werden. Wie bereiten Sie sich auf<br />
Klagenfurt vor?<br />
Ich bin schnell und kann Kung Fu. Bestens<br />
gerüstet für Klagenfurt.<br />
In diesem Sinne: Möge die Stadtschreiberei<br />
beginnen. Viel Erfolg und<br />
danke für das Interview!<br />
Karin Peschka, geboren 1967, aufgewachsen<br />
in Eferding (OÖ) als Wirtstochter. Besuchte die<br />
Sozialakademie Linz und lebt seit 2000 in Wien.<br />
Arbeitete u. a. mit alkoholkranken Menschen und<br />
mit arbeitslosen Jugendlichen, aber auch im Bereich<br />
Onlineredaktion und Projektorganisation. Zuletzt<br />
erschien „FanniPold“ (2016) und „Autolyse Wien“<br />
(2017 – beide Otto Müller)
Das Programm<br />
des 16. Prosafestivals<br />
Von Bananama bis Gotland: Literatur, die alle Register zieht.<br />
Von Robert Renk<br />
Do., 19. April, 20 Uhr<br />
Stadtbücherei<br />
1 John Wray (USA/A)<br />
2 Angelika Reitzer (A)<br />
3 Tim Krohn (CH)<br />
4 Pedro Lenz (CH)<br />
© Flo Schneider<br />
© Flo Schneider © Flo Schneider<br />
© Flo Schneider<br />
Fr., 20. April, 20 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
1 Markus Orths (D)<br />
2 Tanja Paar (A)<br />
3 Karin Peschka (A)<br />
4 Simone Hirth (D /A)<br />
Zum 16. Mal schon geht das Prosafestival<br />
Innsbruck über die Bühne. Eine feste Station<br />
dabei ist die Wagner’sche Universitätsbuchhandlung!<br />
Begonnen hat das Festival 2003 im ehemaligen<br />
Kulturgasthaus Bierstindl. Dort<br />
war ja – eine gute Zeit vor der Einrichtung<br />
des Literaturhauses am Inn – die erste<br />
Adresse der Stadt zu finden, an der es ein<br />
regelmäßiges überregionales Literaturprogramm<br />
gab. Auch der erste Poetry Slam<br />
Österreichs fand dort statt, für den<br />
Papa Slam Markus Köhle verantwortlich<br />
zeichnete (womit sich dieser Spitzname<br />
von selbst erklärt!).<br />
Und seit Anbeginn moderieren Markus<br />
Köhle und Robert Renk das Prosafestival.<br />
Pro Abend lesen auf der (teilweise extra<br />
aufgebauten) Bühne je 4 AutorInnen aus<br />
neuer, teilweise unveröffentlichter Prosa.<br />
Die Eingeladenen kommen aus dem gesamten<br />
deutschen Sprachraum. Altersgrenzen,<br />
Geschmackspräferenzen oder Verlagsprovenienzen<br />
sind dabei nicht ausschlaggebend,<br />
viel mehr die Qualität der Texte, gepaart<br />
mit der Qualität, die eigenen Texte trefflich<br />
präsentieren zu können. Die kurzen Gesprächsmoderationen<br />
vor den Lesungen<br />
sind auch schon Tradition, ebenso wie<br />
die – sehr oft recht unkonventionellen –<br />
Geschenke, die von den charmanten Moderatoren<br />
verteilt werden.<br />
Viele Schriftsteller und Schriftstellerinnen<br />
kamen durch die Einladung zum<br />
Prosafestival zur ersten Lesung in Tirol,<br />
manches Mal überhaupt zur ersten Lesung<br />
im Ausland, wie Ursula Timea Rossel,<br />
Jochen Schmidt oder Volker Strübing (der<br />
Sa., 21. April, 20 Uhr<br />
BRUX<br />
1 Michael Stavaric (A)<br />
2 Michael Fehr (CH)<br />
3 Lydia Haider (A)<br />
4 Volker Surmann (D)<br />
zum ersten Mal in einem Flugzeug saß,<br />
um nach Innsbruck zu gelangen).<br />
Auch durchaus bekannte AutorInnen<br />
kamen zu ihrem Debut. Manch einer<br />
erinnert sich noch an den Abend im Jahre<br />
2004, an dem u. a. Daniel Kehlmann,<br />
Sibylle Lewitscharoff und Thomas Glavinic<br />
lasen. Auch nicht schlecht, könnt’ man sich<br />
heute kaum noch leisten.<br />
Nach dem Ende des Kulturgasthauses<br />
am Fuße des Bergisels hat sich das Prosafestival<br />
ins Zentrum begeben und bewusst<br />
verschiedene Orte aufgesucht. U. a. war<br />
man zu Gast im Treibhaus, in der Bäckerei,<br />
im Literaturhaus oder im vier und einzig.<br />
Die Orte, an denen das Festival heuer<br />
stattfinden wird, sind nun gewachsene<br />
Partner und so finden sich die Lesenden<br />
heuer wieder in der Stadtbücherei, der<br />
Wagner’schen Universitätsbuchhandlung<br />
und im Freien Theater Innsbruck, das sich<br />
seit heuer BRUX nennt. Dort wird auch<br />
ausgetanzt und der DJ des Vertrauens,<br />
Martin Fritz, bildet die Klammer des heurigen<br />
Festivals, wird er doch als Gastmoderator<br />
das Festival auch eröffnen.<br />
28<br />
Wagner’sche.<br />
Wie will man ein Buch nicht<br />
lieben, in dem der Hauptdarsteller<br />
Jackpot heißt. Und<br />
wie kann man ihm nicht gebannt<br />
folgen, wenn eine illustre<br />
Schar von Oltener Bohemiers<br />
der schönen Fanny verfällt.<br />
Lenz zeigt einmal mehr, dass<br />
man, wenn man die große Welt<br />
als solches beschreiben möchte,<br />
nicht mehr braucht als Olten.<br />
Und wie – vor allem – kann<br />
man ihm nicht verfallen,<br />
dem Charme des Pedro Lenz!<br />
Der Roman wurde übrigens im<br />
Dialekt geschrieben und von<br />
R. Urweider ins Hochdeutsche<br />
übertragen. Robert Renk<br />
Pedro Lenz:<br />
Die schöne Fanny<br />
Kein & Aber Verlag, 256 S., € 20,60<br />
Oskar Voxlauer wird noch<br />
als halbes Kind im ersten Weltkrieg<br />
an die Front geschickt,<br />
desertiert bei erster Gelegenheit,<br />
kehrt nach langem Aufenthalt<br />
in der Ukraine 1938 in seine<br />
Kärntner Heimat zurück<br />
und gerät dort mit den neuen<br />
Machthabern in Konflikt.<br />
John Wray, der US-Amerikaner<br />
mit Kärntner Wurzeln, zeigt<br />
bei Voxlauers Geschichte seine<br />
Vorliebe für literarische Außenseiterfiguren,<br />
das Zentraleuropa<br />
des 20. Jahrhunderts und seine<br />
Meisterschaft, so gekonnt<br />
wie unaufdringlich zu erzählen.<br />
Martin Fritz<br />
John Wray:<br />
Die rechte Hand des Schlafes<br />
Rowohlt Verlag, 384 S., € 11,30<br />
Biosphärenpark, Mikroplastik<br />
u. Ä. wird der 6-jährigen Erzählerin<br />
um die Ohren gehauen.<br />
Kein Wunder, dass diese am<br />
liebsten Wörter in Einmachgläser<br />
steckt und diese begräbt.<br />
Sie packt auch gerne Dinge<br />
in den Wunschkoffer und wär<br />
doch am liebsten einfach<br />
ein normales Mädchen. Aber<br />
die Eltern haben einen Traum.<br />
Einen Traum, aber keinen Plan.<br />
Aussteigen will gelernt sein.<br />
Die Heldin will raus aus dem<br />
planlosen Gegensystem,<br />
das ist nicht ganz einfach aber<br />
sehr poetisch und mitunter<br />
ganz schön komisch. Markus Köhle<br />
Simone Hirth:<br />
Bananama<br />
Kremayr & Scheriau Verlag,<br />
192 S., € 19,90<br />
Dieser Text wärmt. Dieser<br />
Text erzählt vom Glück. Dieser<br />
Text ist eine Liebesgeschichte.<br />
Dieser Text vergisst aber nicht<br />
darauf, auch die Schattenseiten<br />
aufzuzeigen. Denn Glück<br />
ist ein zartes Pflänzchen und<br />
will gehegt werden, und im<br />
Schattenreich gedeiht Zwiespalt.<br />
Reitzers Romane sind immer<br />
auf der Höhe der Zeit, ihre Figuren<br />
sind einem sehr vertraut,<br />
Probleme und Wünsche der<br />
Figuren ebenso. Reitzer zeigt,<br />
dass auch der Glückspfad eine<br />
Gratwanderung ist. Markus Köhle<br />
Angelika Reitzer:<br />
Obwohl es kalt ist draußen<br />
Jung und Jung Verlag, 212 S., € 20,00<br />
Gotland ist kein ganz normales<br />
Buch. Gotland ist ein schräges<br />
Buch. Schräg ist keine Kategorie.<br />
Gotland ist ein mutiges<br />
Unterfangen, in dem der Autor<br />
laut Eigenaussage einen gänzlich<br />
neuen Zugang zum Romanschreiben<br />
für sich gefunden hat.<br />
Gotland ist ein wahnwitziger<br />
und ja, auch größenwahnsinniger,<br />
dabei glaubensskeptischer<br />
und religionskritischer Roman.<br />
In Gotland ist gezielte Verstörung<br />
Programm. Gotland<br />
ist eine schamlose Wucht<br />
mit Bibelpathos und Schalk im<br />
Nacken. Gotland befreit und<br />
unterhält. Markus Köhle<br />
Michael Stavarič:<br />
Gotland<br />
Luchterhand Verlag, 352 S., € 20,60<br />
O süßes Gefühl der Scham!<br />
Nach drei Romanen präsentiert<br />
der Berliner Satiriker, Slamund<br />
Lesebühnenautor Volker<br />
Surmann nun seine zweite<br />
Geschichtensammlung: Ein<br />
Best-of zum unterhaltsamsten<br />
Gefühl der Menschheit. Wenn<br />
man nicht gerade selbst betroffen<br />
ist. Um so reizvoller<br />
ist es, mit wohligem Schauern<br />
davon zu lesen. Das tut weh<br />
und gut. Das trifft und berührt.<br />
Das unterhält, schafft ein Zusammengehörigkeitsgefühl<br />
und<br />
lässt einen immer wieder befreit<br />
auflachen. Markus Köhle<br />
Volker Surmann:<br />
Bloßmenschen<br />
Satyr Verlag, 208 S., € 16,40<br />
Tanja Paar erzählt mit beeindruckender<br />
Präzision eine<br />
Geschichte von Unglück, Eifersucht<br />
und Rache in genau dem<br />
Patchwork-Milieu, das unser<br />
Umfeld immer mehr prägt.<br />
Es ist ein harter Text, sehr<br />
präzise, sehr eindringlich. Und,<br />
ja, am Ende schreckt die Geschichte<br />
mit ihrem Mut. Denn<br />
manchmal ist das, was sich in<br />
einem Menschen aufgrund<br />
seines Alters oder einfach seiner<br />
Lebensverhältnisse dort transformiert,<br />
wo er keinen Zugriff<br />
darauf hat, das Unheimlichste<br />
schlechthin. Jenseits von Gut<br />
und Böse. Martin Prinz<br />
Tanja Paar:<br />
Die Unversehrten<br />
Haymon Verlag, 160 S., € 17,90<br />
Haider bleibt auch in ihrem<br />
zweiten Roman ihrem genuinen<br />
Sound treu: Bibel-Pathos<br />
trifft auf Gegenwartssprech. In<br />
„Rotten“ verarbeitet die Autorin<br />
die unmittelbare Geschichte<br />
ihrer Heimat. Im ersten Teil<br />
schickt Haider sieben Wirte und<br />
Nazi-Nachfahren in den Tod, da<br />
wird nicht mit Blut und Drastik<br />
gespart. Erzählt wird in der<br />
Wir-Form einer Gruppe Jugendlicher,<br />
da wird nicht mit Alkohol<br />
und Drogen gespart. Im zweiten<br />
Teil geht es um die „Mühlviertler<br />
Hasenjagd“ und immer geht<br />
es um die Sprache, und die ist<br />
einzigartig. Markus Köhle<br />
Lydia Haider:<br />
Rotten<br />
Müry Salzmann Verlag, 140 S., € 19,00
© Rita Newman<br />
Ich habe einen<br />
märchenhaften<br />
Blick auf die<br />
Welt.<br />
30<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Haben Sie sich auch schon einmal gefragt,<br />
was das Geheimnis der Märchen ausmacht?<br />
Warum sind sie so rätselhaft, was wollen uns<br />
die sonderbaren, uralten Geschichten sagen?<br />
Niemand vermag leidenschaftlicher und<br />
unterhaltsamer Antwort auf diese Fragen<br />
zu geben als Michael Köhlmeier.<br />
Fangen wir vielleicht von hinten an:<br />
Kann es je eine Zeit geben, in der uns die<br />
Märchen nichts mehr zu sagen haben?<br />
Ich weiß gar nicht, ob uns Märchen tatsächlich<br />
etwas zu sagen haben – außer<br />
das, was sie sagen, eben die Geschichte,<br />
die sie erzählen. Das genügt doch. All das,<br />
was Märchen „uns sagen“, ist Interpretation,<br />
das legt man in sie hinein. Märchen<br />
sind einfach, und sie sind schön.<br />
Nehmen wir eines der bekanntesten<br />
Märchen: „Hänsel und Gretel“ – was<br />
antwortest du einem, der wissen will,<br />
was er aus der Lektüre lernen soll?<br />
Er kann lernen, mit einer sehr seltsamen<br />
Schönheit umzugehen. Oder soll ich sagen:<br />
In seinem neuen<br />
Buch „Von den<br />
Märchen“ schwärmt<br />
er von der Einzigartigkeit<br />
dieser<br />
Gattung und<br />
feiert die Lust am<br />
Erzählen. Von<br />
Dorothea Zanon<br />
Er kann lernen, dass es nicht gut ist, Kinder<br />
im Wald auszusetzen, dass es nicht gut ist,<br />
von einem Haus abzuknabbern, dass es<br />
nicht gut ist, einen Buben in einen Käfig zu<br />
stecken und zu mästen, dass es nicht gut ist,<br />
eine alte Frau in einen Ofen zu schieben?<br />
Das aber wird in diesem Märchen erzählt,<br />
nur das. Dann kommen die Psychologen<br />
und Pädagogen und sagen, nein, nein, das,<br />
was da erzählt wird, ist doch nur metaphorisch<br />
gemeint, in Wahrheit bedeutet es ja<br />
etwas anderes. … Woher wissen sie das?<br />
Ich weiß es nicht. Ich nehme das Märchen<br />
so, wie es ist. Man kann nur lernen, diese<br />
Geschichte als das zu akzeptieren, was sie<br />
ist. Wenn ich so lange an ihr herumdeute, bis<br />
herauskommt, was ich vorher schon wusste,<br />
dann missbrauche ich sie als Argument<br />
für meine Meinung. Das gefällt mir nicht.<br />
In „Von den Märchen“ kommen<br />
viele Episoden aus deiner Kindheit<br />
vor, auch aus deinen Studienjahren.<br />
Inwiefern ist es vielleicht dein<br />
persönlichstes Buch?<br />
Michael<br />
Köhlmeier<br />
31<br />
Ich habe von mir erzählt, ganz ohne Absicht,<br />
ich habe mir so viele Gedanken über<br />
Märchen gemacht im Laufe meines Lebens,<br />
ich glaube gar, ich habe einen märchenhaften<br />
Blick auf die Welt, das ist ein guter,<br />
weil brauchbarer Blick. Er sieht hinter dem,<br />
was Wirklichkeit genannt wird, den Archetypus.<br />
Wenn ich einem Wohnungsmakler<br />
begegne, dann ist er sowohl dieser konkrete<br />
Wohnungsmakler, aber er ist auch als Archetypus<br />
derjenige, der ein Heim gibt. Ich glaube,<br />
so ein Blick erleichtert das Leben. Aber<br />
du hast mich ja gefragt, inwiefern dieses<br />
Buch mein persönlichstes ist. Vielleicht weil<br />
ich Ich meine, wenn ich Ich sage.<br />
Dein Vater spielt eine wichtige<br />
Rolle in deinem Heranwachsen zum<br />
Erzähler. Derweil konnte er mit<br />
Märchen rein gar nichts anfangen –<br />
was war da los?<br />
Kindheit war für meinen Vater eine<br />
Spanne im Leben des Menschen, die eigentlich<br />
nichts bringt, die man so schnell wie<br />
möglich durcheilen sollte. Märchen, meinte<br />
er, ziehen einen hinunter ins Kindsein. Er<br />
meinte, Kinder seien irrational, verträumt,<br />
dem Wunderbaren zugeneigt. Ich glaube<br />
das nicht. Ich jedenfalls war als Kind sehr<br />
rational, Träume bedeuteten mir gar nichts,<br />
ich glaubte nicht an Wunder. Aber ich<br />
glaubte, Wunder seien etwas Reales. Ich<br />
hätte geglaubt, dass es sprechende Katzen<br />
gibt, die Stiefel an den Füßen tragen. Es<br />
wäre mir ungewöhnlich erschienen, aber ich<br />
hätte mich sehr rasch damit abgefunden.<br />
Mein Vater wäre verrückt geworden, wenn<br />
ihm der gestiefelte Kater begegnet wäre.<br />
Dein Buch ist der Auftakt zu<br />
„HAYMON schwärmt“, einer neuen<br />
Reihe, in der AutorInnen über etwas<br />
schreiben, für das sie schon lange<br />
schwärmen. Bist du ein Schwärmer?<br />
Ich bin ein Begeisterter. Also bin ich<br />
wohl ein Schwärmer. Deshalb finde ich,<br />
die Reihe steht unter einer guten Devise.<br />
Ohne Begeisterung, ohne, dass wir für<br />
etwas schwärmen, sind wir doch nur langweilige<br />
Pflöcke.<br />
Vermutlich eine frevelhafte Frage<br />
für dich, aber ich trau mich trotzdem:<br />
Hast du ein Lieblingsmärchen?<br />
Einige. „Brüderchen und Schwesterchen“,<br />
„Der gestiefelte Kater“, „Hans, mein Igel“,<br />
„Die zwei Brüder“ – das sind Märchen<br />
der Brüder Grimm. Sie waren einfach die<br />
Besten. Besonders mag ich auch die<br />
Sammlung von Giambattista Basile „Das<br />
Pentamerone“. Und natürlich die Märchen<br />
aus 1001 Nacht.<br />
Michael Köhlmeier ist als Erzähler klassischer<br />
Märchen, antiker und heimischer Sagenstoffe und<br />
biblischer Geschichten bekannt. Auch seine<br />
Romane sind große Publikumserfolge. Bei Haymon<br />
erschien zuletzt „Der Mensch ist verschieden.<br />
Dreiunddreißig Charaktere“, verfasst gemeinsam<br />
mit seiner Frau Monika Helfer.<br />
Michael<br />
KöhlMeier<br />
Von den<br />
Märchen<br />
eine lebenslange<br />
liebe<br />
Buchtipp:<br />
Michael Köhlmeier:<br />
Von den Märchen<br />
Haymon Verlag, 208 S., € 20,00<br />
Buchpräsentation:<br />
Michael Köhlmeier:<br />
Von den Märchen<br />
Moderation: Dorothea Zanon<br />
Do., 26. April 2018, 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt frei!
© Yves <strong>No</strong>ir<br />
Fremdheiten<br />
werde ich<br />
immer wieder<br />
neu entdecken.<br />
Im Eingangsgedicht zu Abenteuer<br />
der deutschen Grammatik heißt<br />
es: „[…] Die ‚deutsche‘ Grammatik<br />
schreibt man klein // mit<br />
Größenwahn.“ Sie zeichnet ein<br />
besonderes Sprachgefühl aus.<br />
Was beobachten Sie am aktuellen<br />
deutschen Sprachgebrauch?<br />
Ich beobachte zum Beispiel, dass das Wort<br />
„Heimat“ wieder langsam salonfähig wird.<br />
In den achtziger Jahren konnte man es nicht<br />
benutzen. Mir fällt auch auf, dass ein Wort<br />
wie „biodeutsch“ unter dem pseudo-naturwissenschaftlichen<br />
Deckmantel unkritisch<br />
benutzt wird. „Migrationshintergrund“ ist<br />
auch ein problematisches Wort, das man<br />
öfter unter die Lupe nehmen sollte.<br />
Wie empfinden Sie dabei den<br />
Umgang mit dem Exotischen in der<br />
zeitgenössischen Literatur?<br />
Der Exotismus ist ein großes, historisches<br />
Thema. Da kenne ich mich leider nicht<br />
aus. Aber ich kann Folgendes sagen: Ein<br />
Stoff, eine Blume, ein Essen, die aus der<br />
Yoko<br />
Tawada<br />
Worte als Reisende.<br />
Ein Interview,<br />
geführt von<br />
Siljarosa Schletterer<br />
Ferne kommen, sprechen stark unsere<br />
Sinne an und ziehen die Aufmerksamkeit<br />
auf sich, weil etwas Ausländisches für die<br />
Einheimischen eine Gefahr oder auch eine<br />
neue Chance, um alte Probleme zu lösen,<br />
bedeuten kann.<br />
Durch (Fremd)Sprachen merkt man<br />
auch, wie fern die „eigene“ Sprache<br />
sein kann. Wie empfinden Sie den<br />
Umgang mit dem „Fremden“ in der<br />
deutschen Sprache?<br />
Deutsche Sprache ist mir nicht fremd,<br />
sondern sehr vertraut, aber es gibt Kleinigkeiten,<br />
die mir „unnatürlich“ vorkommen,<br />
weil ich sie nicht in der frühen Kindheit<br />
gelernt habe. Zum Beispiel das Wort „sich“,<br />
wenn es von einem reflexiven Verb verlangt<br />
wird. Solche Fremdheiten werde ich immer<br />
wieder neu entdecken und bewusst pflegen,<br />
weil sie mir eine Chance bietet, über die<br />
Sprache im Allgemeinen nachzudenken.<br />
José F. A. Oliver, der Namensgeber<br />
des Lyrikfestivals, schreibt über das<br />
fremdw:ort, dass es aus den Angeln<br />
gehobene Nähe sei. Er unterstreicht<br />
dabei den Zusammenhang von Wort<br />
und Ort. Inwiefern sind für Sie Worte<br />
an Orte gebunden? In Ihren Werken<br />
spielt Körperlichkeit bekanntlich eine<br />
wichtige Rolle.<br />
Mit meinem eigenen Körper kann ich<br />
tatsächlich deutsche Worte nach China<br />
bringen, wenn ich zum Beispiel vom Goethe<br />
Institut in China eingeladen werde, was<br />
schon oft passiert ist. Worte sind Reisende,<br />
nicht unbedingt sesshaft. Dort werden<br />
sie aber zum Teil anders oder gar nicht<br />
verstanden. Der Ortswechsel macht die Gesichter<br />
der Sprache spürbar. Ich kann auch<br />
mit meiner Zunge die japanische Sprache<br />
nach Österreich transportieren. Das macht<br />
den Ort, an dem ich ankomme, doppelt.<br />
keineswegs zweidimensional. Sie sind so<br />
präsent mit ihren Gewichten. Das habe<br />
ich in Hamburg und in Berlin manchmal<br />
vermisst. Aber die Österreicherin antwortete<br />
mir, ihr gefalle auch Innsbruck, aber aus<br />
dem umgekehrten Grund. Das Dorf, wo<br />
sie herkomme, liege im Tal und der Himmel<br />
sei so klein, dass die Sonne frühzeitig hinter<br />
dem Berg verschwinden müsse. Innsbruck<br />
hingegen sei ein großer offener Raum, weil<br />
die Berge weiter weg seien. Seitdem weiß<br />
ich, dass Innsbruck eine Nähe und eine<br />
Ferne bedeutet.<br />
Victor Hugo meint: „Musik fängt<br />
da an, wo Sprache aufhört.“<br />
Beiden zu eigen ist unter anderem<br />
die Klanglichkeit. Auch in unserem<br />
Festival wird mit der Veranstaltung<br />
klang.sprachen diese Gemeinsamkeit<br />
unterstrichen. Wie stehen Sie zur<br />
Musikalität der Sprache? Zur fluiden<br />
Grenze zwischen beiden Bereichen?<br />
Ein Roman ist als Kunst vielleicht nicht so<br />
„rein“ wie die Musik. Dafür kann er problemlos<br />
Umgangssprache, etwas Journalistisches<br />
oder Wissenschaftliches in sich aufnehmen.<br />
Die zeitgenössische Musik kommt<br />
ohne Literatur nicht mehr aus, weil ohne sie<br />
eine Bezugnahme auf die Gesellschaft, die<br />
Geschichte oder die Politik schwierig ist.<br />
Die Literatur hat noch nie verleugnet, dass<br />
die Musikalität für sie wichtig ist. Um das<br />
Besondere der poetischen Sprache herauszuarbeiten,<br />
kann man nicht anders als<br />
auf die musikalische Seite der Sprache zu<br />
achten. Mir scheint es aber genauso wichtig<br />
zu sein, dass die Literatur eine größere<br />
Freiheit hat als Musik, auf die Musikalität<br />
zu verzichten, wenn es nötig ist.<br />
YOKO TAWADA, 1960 in Tokyo/Japan geboren.<br />
1982 –2006 lebte sie in Hamburg, seit März 2006 in<br />
Berlin. Studium der Literaturwissenschaft in Tokyo,<br />
Hamburg und Zürich. Sie ist Mitglied der deutschen<br />
Akademie für Sprache und Dichtung. Zahlreiche<br />
Stipendien und Preise, u. a. Akutagawa-Sho“ (1992);<br />
Junichiro Tanizaki Literaturpreis (2003); Goethe-<br />
Medaille (2005); Tsubouchi-Shoyo-Taisho; Kleist-<br />
Preis (2016), Carl-Zuckmayer-Medaille (2018). Sie<br />
schreibt auf Deutsch und auf Japanisch, Romane,<br />
Prosa, Gedichte, Essays und Theaterstücke. Zuletzt<br />
erschienene Werke: akzentfrei (2018), Ein Balkon für<br />
flüchtige Abende (2017) u. a. www.yokotawada.de<br />
Buchtipp:<br />
Yoko Tawada:<br />
Etüden im Schnee<br />
Konkursbuch Verlag,<br />
320 S., € 13,30 32<br />
33<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Wie sehen Sie Innsbruck? Welchen<br />
Bezug haben Sie zu diesem W:ORT?<br />
Vor einigen Jahren erzählte ich einer sympathischen<br />
Österreicherin, die ich zufällig<br />
in Innsbruck kennenlernte, wie sehr ich<br />
Innsbruck mag. Vor allem dieses Gefühl,<br />
von allen Seiten die Nähe des Gebirges zu<br />
spüren. Die Berge sehen so groß aus und<br />
Lesung:<br />
Yoko Tawada<br />
eröffnet das 4. Lyrikfestivals<br />
W:ORTE am<br />
Do., 14. Juni 2018<br />
im Literaturhaus am Inn<br />
Eintritt frei!
W:ORTE –<br />
4. Lyrikfestival<br />
Der Herbst gehört dem Krimi, der ausgehende Frühling<br />
aber gehört der Lyrik. Von Robert Renk<br />
Veranstaltet von 8ungKultur und Literaturhaus am Inn<br />
14. bis 17. Juni 2018<br />
Durs Grünbein – © Tineke de Lange<br />
Zum vierten Mal wird im Frühjahr die<br />
Lyrik zum bestimmenden Thema in<br />
Innsbruck, wenn auch nur für 3 – 4 Tage.<br />
Nach dem überwältigenden Erfolg des<br />
1. Lyrikfestivals W:ORTE im Jahre 2015<br />
ist man überregional auf das Festival aufmerksam<br />
geworden und in den folgenden<br />
Jahren hat sich während des Festivals eine<br />
qualitative Dichte ergeben, die es außerhalb<br />
Wiens noch kaum gegeben hat.<br />
Zu Gast waren u. a. Maja Haderlap, José<br />
F. A. Oliver, Odile Kennel, Ulf Stolterfoht,<br />
Klaus Merz, Robert Schindel, Thomas<br />
Kunst, Armin Senser, Cvetka Lipuš, Raoul<br />
Schrott, Barbara Hundegger, Christoph<br />
W. Bauer, Ferdinand Schmatz, Lydia Daher,<br />
<strong>No</strong>ra Bossong, Sabine Gruber, Sepp Mall,<br />
Nico Bleutge u. e. a.<br />
Auch heuer werden mit Büchnerpreisträger<br />
Jan Wagner und Durs Grünbein, mit Yoko<br />
Tawada oder Raphael Urweider wieder<br />
wichtige Dichter die Straßen und Cafés<br />
Innsbrucks säumen.<br />
Am Eröffnungsabend (Donnerstag,<br />
14. Juni) lesen Yoko Tawada, José F. A.<br />
Oliver und Aleš Šteger.<br />
Die Lange Nacht der W:ORTE findet<br />
wieder in der Wagner’schen statt (Freitag,<br />
15. Juni um 19:30 Uhr), diesmal mit:<br />
Jan Wagner, Raphael Urweider, Angelika<br />
Rainer und <strong>No</strong>ra Gomringer (angefragt).<br />
Am Samstag gibt es ein Aufeinandertreffen<br />
von LyrikerInnen aus der Schweiz<br />
und aus Tirol und der Sonntag gehört<br />
ganz den „klang_sprachen“!<br />
Diese extra für das Festival entwickelte<br />
Konzertreihe verkündet das Wort aus dem<br />
Orchestergraben. Sie folgt dem Ansinnen<br />
einer stärkeren interdisziplinären Vernetzung<br />
von Kunstsparten in Tirol. Bei<br />
„klang_sprachen“ kommt es zu einem<br />
Brückenschlag zwischen zeitgenössischer<br />
Musik und Literatur. Dort wird also in<br />
Zusammenarbeit mit dem Tiroler Kammerorchester<br />
InnStrumenti und dem ORF-<br />
Tirol ein Abend musikalisch ganz einem<br />
Lyriker gewidmet. Kompositionen, Arrangements<br />
eines ganzen Kammerorchesters<br />
und der Lyriker mitten drin. Und kein<br />
geringerer als Durs Grünbein wird diesen<br />
Part 2018 übernehmen! (Sonntag, 17. Juni<br />
um 20:15 Uhr im ORF Studio 3).<br />
Genaues Programm ab Ende März zu sehen unter:<br />
www.wagnersche.at<br />
www.literaturhaus-am-inn.at<br />
34<br />
Wagner’sche.<br />
Endlich. Endlich. Endlich! Der<br />
neue Urweider ist da! Gedichte,<br />
bei denen die Sonne nie untergeht!<br />
Er umreist mindestens<br />
einmal die Welt, setzt die wortmächtige<br />
Beschreibung globaler<br />
Großstadtmoloche hart den<br />
feinen Verdichtungen von Holz<br />
und Früchten entgegen. Und<br />
zeigt dabei nicht nur sprachliche<br />
Brillanz, sondern vor allem Haltung.<br />
Geschüttelt und gerührt<br />
führt uns dieser Band durch<br />
die Verwerfungen der Jetztzeit,<br />
ohne sich dem Zeitgeist zu unterwerfen.<br />
10 Jahre Warten – es<br />
hat sich gelohnt! Robert Renk<br />
Raphael Urweider:<br />
Wildern<br />
Hanser Verlag, 128 S., € 18,50<br />
Angelika Rainer<br />
S e e ’ l e n<br />
HAYMON<br />
Angelika Rainers Prosa<br />
(„Luciferin“ und „Odradek“)<br />
ist auf wunderbare Weise lyrisch.<br />
So wundert es nicht, dass<br />
uns Rainer mit ihrem ersten<br />
Lyrikband hochverdichtete<br />
Geschichten und Gedanken,<br />
Beobachtungen und Begriffe<br />
erzählt. Sie lässt sich dabei vom<br />
Thema des Sees als Spiegel<br />
der Seele und dem Mythos von<br />
Narziss und Echo inspirieren.<br />
Und inspirierend sind sie alle,<br />
diese wunderbaren Sprachdiamanten.<br />
Die Sprache, klar<br />
wie ein nuancierter Bergsee. Die<br />
Gedanken, eine wohlfein überflutende<br />
Komposition. Selten<br />
schön! Robert Renk<br />
Angelika Rainer:<br />
See’len<br />
Haymon Verlag, 80 S., € 17,90<br />
erscheint am 24.04.2018<br />
83 Gedichte – 83 poetische<br />
Protokolle, Sequenzen, Gesprächspartikel,<br />
Traumstücke.<br />
Alltägliches steht unvermittelt<br />
neben philosophischen,<br />
politischen und last but not<br />
least erotischen Betrachtungen.<br />
So vielfältig wie die Themen<br />
sind die Formen, mit denen der<br />
Autor arbeitet: kurze Achtzeiler<br />
findet man ebenso wie mehrseitige<br />
Langgedichte, Prosa- und<br />
Fotogedichte. Ein großer Teil<br />
des Buches ist der Stadt Rom<br />
gewidmet, in der Grünbein lebt.<br />
Ein Buch, das man immer aufschlagen<br />
kann und das immer<br />
inspiriert. Klex Wolf<br />
Durs Grünbein:<br />
Zündkerzen<br />
Suhrkamp Verlag, 152 S., € 24,70<br />
Diese besondere Anthologie<br />
ist ein hehres Liebesbekenntnis.<br />
Monika Rinck oder Joachim<br />
Sartorius, Durs Grünbein<br />
oder <strong>No</strong>ra Gomringer<br />
haben Minnelieder aus dem<br />
Mittelhochdeutschen übertragen.<br />
Hier betreten wir ein<br />
über acht hundert Jahre altes<br />
Neuland, eine Welt, deren<br />
Begehren uns nah und fremd<br />
zugleich erscheint. Die fantastisch<br />
unterschiedlichen Übersetzungsweisen<br />
durch über<br />
sechzig heutige Dichter zeigen<br />
auch, was für Ideen<br />
die Gegenwartslyrik heute<br />
prägen. Robert Renk<br />
Jan Wagner/Tristan Marquardt (Hg.):<br />
Unmögliche Liebe<br />
Hanser Verlag, 304 S., € 32,90<br />
Dieser Lyrikband ist in vielerlei<br />
Hinsicht eine Reise. Einige<br />
Gedicht-Zyklen sind verortet:<br />
in den Regionen, Sprachen &<br />
Kulturen, die Oliver sich als<br />
Heimat erarbeitet, und in den<br />
Ländern, die er bereist hat. Diese<br />
Sammlung ist auch eine Reise<br />
durch die Zeit, denn sie enthält<br />
drei Jahrzehnte aus dem Schaffen<br />
des Autors. Oliver ist ein<br />
multilingualer Poet und so ist<br />
es mehr als eine Zweckgemeinschaft,<br />
wenn sich seine Gedichte<br />
auf Deutsch & in englischer<br />
Übersetzung lesen lassen. Der<br />
Übersetzer M. J. Mueller hat<br />
hier genau & kreativ gearbeitet.<br />
Klex Wolf<br />
José F. A. Oliver:<br />
Sandscript – selected poetry, zweisprachig<br />
White Pine Press, 273 S., € 20,00<br />
Wer sich von dem zweisprachigen<br />
Band „Kaschmir“ des<br />
slowenischen Dichters Aleš<br />
Šteger Reisegedichte über<br />
die Region zwischen Indien,<br />
Pakistan und China erwartet,<br />
würde enttäuscht werden. Denn<br />
Štegers Kaschmir ist am ehesten<br />
im Dazwischen zu verorten.<br />
Diesen Zustand greift der Autor<br />
auf und beschwört eine Welt<br />
zwischen Wachen und Träumen<br />
hervor. Dort, in einem „anderen<br />
Kaschmir“, begibt sich ein<br />
Ich auf eine Reise zu sich selbst.<br />
Eine schonungslose Konfrontation<br />
beginnt, denn: Ich ist ein<br />
anderer … Gabriele Wild<br />
Aleš Šteger:<br />
Kaschmir<br />
Edition Korrespondenzen Verlag,<br />
104 S., € 19,20<br />
Yoko Tawada, die Sprachspielerin,<br />
bringt in ihrem Gedichtband<br />
Worte und Syntax zum<br />
Tanzen. Lässt ab und an einen<br />
neuen ungewohnten Blick zu.<br />
Sie dekonstruiert dabei Sprache<br />
und entlarvt sie als etwas zu<br />
Hinterfragendes. Sprache ähnelt<br />
dabei eher dem Charakter des<br />
Wassers, das keine Grenzen<br />
kennt, dabei klingen hochaktuelle<br />
Aussagen mit: In ihrem<br />
Gedicht Passiv heißt es: „[…]<br />
Keiner hat einen Pass, der<br />
ihm passt // Dennoch passiert<br />
es täglich: die Grenzen // der<br />
Grammatik werden passiv überschritten“<br />
(S. 15) Siljarosa Schletterer<br />
Yoko Tawada:<br />
Abenteuer der deutschen Grammatik<br />
konkursbuch Verlag, 80 S., € 9,20<br />
In diesem Gedichtband hat<br />
Katharina Lanfranconi ihre<br />
Gedichte aus den Jahren 2002<br />
bis 2008 zusammengetragen,<br />
Herausgeber ist Markus Bundi.<br />
Ihre Gedichte sind inspiriert<br />
vom Leben selbst, Höhen und<br />
Tiefen und kindlichem Entdeckergeist.<br />
Präzise und optisch<br />
schlank, trotzdem prall an Inhalt<br />
und Emotionen. In diesem<br />
kleinen, aber feinen Band kann<br />
man sich von ihrer Kunst mit<br />
über 100 Gedichten verführen<br />
lassen. Lena Kripahle<br />
Katharina Lanfranconi:<br />
ich schrieb etwas kleines<br />
Wolfbach Verlag, S. 128, € 19,00
41. Innsbrucker<br />
Wochenendgespräche<br />
24. bis 26. Mai 2018 „Literatur und Musik“.<br />
Von Birgit Holzner und Joe Rabl<br />
Blutgrätschen nach<br />
der Nachspielzeit<br />
Stefan Gmünder und Klaus Zeyringer beleuchten<br />
die Schattenseiten des Fußballs. Von Martin Fritz<br />
Do., 24. Mai<br />
20:15 Uhr – ORF Tirol Studio 3, Rennweg 14<br />
Lesung: Stefan Slupetzky, Anne von Canal, Christoph W. Bauer,<br />
Jürg Beeler, Lisa Bassenge, Moderation: Birgit Holzner<br />
Fr., 25. Mai<br />
Gespräche im Ensembleproberaum des Tiroler Landestheaters<br />
(Eingang SoWi-Durchgang, neben dem Abo-Büro)<br />
Moderation: Stefan Slupetzky<br />
10 –12 Uhr – Peter Henisch, Lydia Haider, Anne von Canal<br />
15 –17 Uhr – Fritz Ostermayer, Raphael Urweider, Gerald Fiebig<br />
„De la musique avant toute chose“, hat<br />
der symbolistische Dichter Paul Verlaine<br />
in seiner „Art poétique“ gefordert und<br />
Charles Baudelaire spricht in „Les Fleurs<br />
du Mal“ von den „Correspondances“, wenn<br />
es heißt: „Les parfums, les couleurs et les<br />
sons se répondent“. Literatur und andere<br />
Künste gehören wohl zu den spannendsten<br />
Themen überhaupt. Neben bildender Kunst<br />
und Film ist es die Musik, die für uns eine<br />
besondere Anziehungskraft ausübt. Durch<br />
die Symbiose zwischen Sprache und Klang,<br />
Rhythmus und Melodie ist gute Literatur<br />
immer komponiert, man hört beim Lesen<br />
Atmosphären, Klänge, Musik. Das Wechselspiel<br />
von Musik und Literatur ist ein<br />
Paralleluniversum, in dem Bilder und Emotionen<br />
aufgehen. Während beim Lesen eines<br />
Textes der Fokus auf dem Inhalt liegt und<br />
der Geist mit dem Verständnis der Worte<br />
beschäftigt ist, schleicht sich die Musik<br />
klammheimlich um die Ecke, beleuchtet mit<br />
ihren Unter- und Nebentönen von hinten<br />
her andere Aspekte und erzeugt Stimmung.<br />
Wirklich gute Literatur, davon sind wir<br />
überzeugt, ist ganz nah an der Musik. Aus<br />
diesem Grund widmen sich die 41. Innsbrucker<br />
Wochenendgespräche der Balance<br />
zwischen Literatur und Musik.<br />
Als Gäste kann man heuer folgende Autorinnen<br />
und Autoren erleben: Die Berlinerin<br />
Lisa Bassenge hat sich in den letzten 20 Jahren<br />
mit ihrer urbanen Mischung aus Jazz,<br />
Sa., 26. Mai<br />
Blues und Chanson den Rang einer der<br />
besten deutschen Sängerinnen erobert. Die<br />
Lyrik von Christoph W. Bauer ist ein Dialog<br />
von hoher Musikalität und Unmittelbarkeit<br />
über die Zeiten hinweg und vereint stets<br />
Tradition und Moderne; mühelos setzt<br />
er Welten in Verbindung, knüpft an die<br />
Überlieferung antiker Poesie ebenso an wie<br />
an den legeren Tonfall moderner Popkultur<br />
und wechselt ungezwungen die Stimmungen<br />
und Tonlagen. Beim Schweizer Autor Jürg<br />
Beeler spielt die Musik seit Beginn seines<br />
Schreibens nicht nur thematisch immer wieder<br />
eine Rolle, sondern verbindet sich auch<br />
eng mit seiner poetischen und ästhetischen<br />
Haltung, die ihn bei seiner Arbeit leitet.<br />
Anne von Canal erzählt in ihrem Debüt<br />
„Der Grund“ die Geschichte des Kreuzfahrtpianisten<br />
Lawrence Alexander, der immer<br />
wieder gezwungen ist, sich neu zu erfinden.<br />
Gerald Fiebig, Grenzgänger zwischen<br />
Musik und Literatur par excellence, hat sich<br />
als Lyriker einen Namen gemacht, bevor<br />
er sich verstärkt der (elektroakustischen)<br />
Musik zuwandte, um neuerdings wieder den<br />
Lyriker in sich zu forcieren. Lydia Haider,<br />
die schon über Rhythmus als Subversion<br />
in Texten Thomas Bernhards und Ernst<br />
Jandls promovierte, hat in ihren Romanen<br />
„Kongregation“ und „Rotten“ überzeugend<br />
demonstriert, was musikalische Sprache tatsächlich<br />
bedeuten kann. Peter Henisch, Musiker<br />
wienerischer Provenienz und Autor<br />
hinreißender Romane, hat sich des Öfteren<br />
Gespräche im Ensembleproberaum des Tiroler Landestheaters<br />
Moderation: Stefan Slupetzky<br />
10 –12 Uhr – Christoph W. Bauer, Lisa Bassenge, Jürg Beeler<br />
15 –17 Uhr – Gespräch mit allen AutorInnen<br />
20:15 Uhr – ORF Tirol Studio 3, Rennweg 14<br />
Lesung: Fritz Ostermayer, Raphael Urweider, Peter Henisch,<br />
Gerald Fiebig, Lydia Haider, Moderation: Joe Rabl<br />
auch als Autor der Musik verschrieben; so<br />
etwa in den Romanen „Schwarzer Peter“<br />
und „Morrisons Versteck“, beide begleitet<br />
jeweils von einer CD-Veröffentlichung.<br />
Fritz Ostermayer, Radiomensch, Musiknarr<br />
und „Generaldilettant“ (Eigendefinition),<br />
leitet mit der Schule für Dichtung eine<br />
Institution, die sich immer wieder mit<br />
dem Grenzbereich zwischen Literatur und<br />
Musik auseinandersetzt. Raphael Urweider,<br />
Schweizer Autor und Musiker, hymnisch<br />
gelobt und mehrfach ausgezeichnet für drei<br />
legendäre Gedichtbände, hat unter anderem<br />
den Beweis erbracht, dass man in Berner<br />
Mundart hervorragend rappen kann. Mit<br />
seinem schrägen Trio Lepschi begeistert<br />
Stefan Slupetzky das Publikum seit vielen<br />
Jahren mit Wienerliedern im weitesten<br />
Sinn: Satanische Klezmer-Verse treffen auf<br />
Bossa-<strong>No</strong>va-Klagen eines schüchternen<br />
Voyeurs mit Sprachfehler, dadaistische, in<br />
Avantgardeklänge gewobene Gedichte auf<br />
Claude Debussys „Clair de Lune“ im winterlichen<br />
Wurstelprater. Als Krimi-Autor<br />
war Stefan Slupetzky bei den Innsbrucker<br />
Wochenendgesprächen 2016 zu Gast, heuer<br />
wird er die Gespräche moderieren.<br />
36 37<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Wenn es sie denn je gab, dann ist die<br />
Zeit, in der die Beschäftigung mit Fußball<br />
für Intellektuelle als unziemlich galt, inzwischen<br />
längst vorbei. So hat im Fußball-<br />
Diskurs inzwischen nicht nur ein gewisses<br />
Maß an Taktik-Wissen seinen Platz,<br />
sondern auch Ansätze, die Eiergoalies, Gurkerln<br />
und Stanglpässe mit gesellschaftlichen<br />
Phänomenen in Verbindung bringen und<br />
über die kulturelle Bedeutung von Wuchteln<br />
und Scheiberln nachdenken. Rar ist<br />
jedoch nach wie vor so etwas wie eine Kritische<br />
Fußballtheorie – oder weniger hochtrabend:<br />
eine fundierte Fußballkritik, die<br />
nicht bei den Geschehnissen auf dem Rasen<br />
verharrt und nicht auf ein reines Loblied<br />
des geliebten Ballsports hinausläuft.<br />
Diese Steilvorlage nehmen die beiden<br />
Literaturkritiker und – das ist ihren<br />
Ausführungen in jeder Zeile anzumerken<br />
– leidenschaftlichen Fußballfans Stefan<br />
Gmünder und Klaus Zeyringer in „Das<br />
wunde Leder“ gekonnt an. In diesem<br />
akribisch recherchierten, faktenstarken und<br />
spannend wie ein Krimi zu lesenden Essay<br />
verfolgen sie die negativen Auswirkungen<br />
der Kommerzialisierung des professionellen<br />
Männer-Fußballs. Bei ihrem Blick über den<br />
Spielfeldrand hinaus haben sie sich keine<br />
Jausengegner vorgenommen. Internationale<br />
Sportverbände wie die Fifa wurden einst als<br />
kleine, gemeinnützige Vereine gegründet.<br />
Heute sind sie jedoch durch die explosive<br />
wirtschaftliche Entwicklung des Sports, die<br />
vor allem durch das Fernsehen und die davon<br />
angelockten Sponsoren vorangetrieben<br />
wird, längst so mächtig wie ganze Staaten.<br />
Diese ihre Monopolstellung weidlich<br />
ausnützenden Verbände sind dazu noch<br />
fest in der Hand weniger Autokraten. Diese<br />
Organisationsstruktur des zeitgenössischen<br />
Fußballs begünstigt systematische Korruption<br />
und Steuerhinterziehung extrem,<br />
wie die beiden Autoren anhand zahlreicher<br />
Beispiele zeigen.<br />
Auch wenn viele der dunklen Machenschaften<br />
hinter der glänzenden Fassade<br />
der sportlichen Torjagd allmählich bekannt<br />
werden, fehlen wirklich unabhängige<br />
Kontrollinstanzen immer noch, und so<br />
können die Fußball-Mächtigen weiterhin<br />
ihre Gewinne privatisieren, die Kosten aber<br />
sozialisieren. <strong>No</strong>ch scheint dies der Marke,<br />
die Fifa und Co verkaufen und hinter der<br />
sie ihr Tun verstecken, nichts auszumachen:<br />
Fußball gilt wie bisher als unschuldiges, die<br />
Menschen verbindendes Spiel. Aber letztendlich,<br />
so der Clou dieser Fußball-Philippika,<br />
gibt es nur eines, das noch mächtiger<br />
ist als die sich um jeden Preis selbst bereichernden<br />
Fußballverbände: das Publikum,<br />
das nun am Ball ist.<br />
Stefan Gmünder, geboren 1965 in Bern, lebt seit<br />
22 Jahren in Wien. Er ist Literaturredakteur bei<br />
der Tageszeitung „Der Standard“, seit 2015 Juror<br />
beim Bachmannpreis, Verfasser zahlreicher Vorund<br />
Nachworte sowie von Texten für Anthologien<br />
und Herausgeber des Bandes „Die Republik<br />
Nizon. Eine Biographie in Gesprächen“ (2005,<br />
neu aufgelegt 2017).<br />
Klaus Zeyringer, geboren 1953, war Universitätsprofessor<br />
für Germanistik in Angers (FR),<br />
ist Literaturkritiker (u. a. für „Der Standard“,<br />
„Volltext“, „Literatur und Kritik“), Moderator der<br />
Veranstaltungsreihe „Grenzgänge“ sowie Autor<br />
von u. a. „Fußball. Eine Kulturgeschichte“ (2014),<br />
„Olympische Spiele. Eine Kulturgeschichte von 1896<br />
bis heute. Sommer“ (2016) und „Winter“ (2018)<br />
Klaus Zeyringer – © Philipp Naderer Stefan Gmünder – © Matthias Cremer<br />
Buchtipp:<br />
Stefan Gmünder/<br />
Klaus Zeyringer:<br />
Das wunde Leder –<br />
Wie Kommerz und Korruption<br />
den Fußball kaputt machen.<br />
Dazu ein Manifest von Ilija<br />
Trojanow und Klaus Zeyringer<br />
edition suhrkamp, 80 S., ca. € 10,30<br />
Veranstaltung:<br />
Stefan Gmünder<br />
& Klaus Zeyringer<br />
„Das wunde Leder“<br />
Mi., 30. Mai 2018 um 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt frei!
© Banu Cennetoglu<br />
7 × Fragen an Helmut Nindl<br />
Im Feber waren in unseren Fenstern zu sehen:<br />
Objekte von Helmut Nindl, die der Schwerkraft scheinbar<br />
trotzen, eine geometrische Ruhe ausstrahlen und dennoch<br />
so anziehend wirken. Von Gracia Kasenbacher-Harar<br />
Sicherheit<br />
ist Illusion,<br />
nicht geheuer.<br />
Helmut Nindl<br />
38 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Wobei vergessen Sie<br />
völlig die Zeit?<br />
Beim Suchen und Ausarbeiten<br />
von richtig guten<br />
und unverbrauchten Ideen.<br />
Was bewundern Sie an<br />
anderen Männern?<br />
Erfolg mit richtig guten und<br />
unverbrauchten Ideen.<br />
Was möchten Sie werden,<br />
wenn Sie groß sind?<br />
Aufrichtig, offen, sensibel,<br />
hilfsbereit und tolerant.<br />
Worauf hoffen Sie?<br />
Dass es einmal eine Zeit geben<br />
wird, wo wir uns aufrichtig,<br />
offen, sensibel, hilfsbereit<br />
und tolerant begegnen – ohne<br />
oben und unten, ohne konservativ<br />
und progressiv, ohne<br />
arm und reich, ohne Entwicklungsländer<br />
und A-Länder!<br />
Mit welcher berühmten<br />
Person, lebend oder schon<br />
gestorben, würden Sie<br />
gerne noch ein Gläschen<br />
heben?<br />
39<br />
Mit den Planern und Erbauern<br />
der Pyramiden (Ägypten<br />
und Südamerika), Giotto di<br />
Bondone, Raphael, Leonardo<br />
da Vinci, Wolfgang Amadeus<br />
Mozart, Johann Sebastian<br />
Bach, William Shakespeare,<br />
Katsushika Hokusai, Lucien<br />
Freud, Kasimir Malewitsch,<br />
Gottfried Bammes, Christoph<br />
Ransmayr, Frank Gehry,<br />
Thomas Junker, Christian<br />
Ankowitsch, William<br />
Kentridge und eventuell<br />
noch zwei oder drei J<br />
Sie verbringen eine Nacht<br />
in der Wagner’schen.<br />
Über welche Bücher<br />
gebeugt würde man Sie<br />
in der Früh finden?<br />
Das wäre schon fast ein<br />
paradiesischer Zustand!<br />
Der Stapel wäre vermutlich<br />
unüberschaubar – Beispiele<br />
aus Kunst, Philosophie,<br />
Architektur, Bühnenbild,<br />
Astronomie, Literatur J<br />
Welches geliehene<br />
Buch haben Sie nicht<br />
zurückgegeben?<br />
Den Titel kann ich nicht<br />
mehr erkennen, zu viele Passagen<br />
sind verloren gegangen.<br />
Ich denke, dass dieses Beispiel<br />
aus vergangenen Epochen,<br />
womöglich aus der Zeit des<br />
ersten Buchdrucks oder gar<br />
aus Zeiten der handgeschriebenen<br />
Kopien stammen<br />
könnte – oder sind es doch<br />
Pergamentrollen, oder gar<br />
Keilschrifttafeln – Sie sehen<br />
schon, da bin ich ziemlich<br />
unsicher.<br />
Helmut Nindl, lebt und arbeitet in Kramsach.<br />
1983 startet er mit der Diplompräsentation an<br />
der Akademie der bildenden Künste in München.<br />
Seitdem folgen Ausstellungen in regelmäßigem<br />
Abstand u. a. in der Schweiz, Bayern oder Italien.<br />
Er arbeitet gerne mit den Gegensätzen von schwerem<br />
und transparentem Material, mit in sich ruhender<br />
Dynamik, wie man es auch an seinem aktuellem<br />
Werk „CROSSING“ sehen kann. Ebenso wie sich<br />
Nindl mit Theorien und Themen unserer Zeit beschäftigt<br />
(QR-Code, Fingerprints etc.), beschäftigen<br />
sich Kuratoren und Kunstwissenschaftler mit seinem<br />
Werk, u. a. gibt es aufschlussreiche Texte von<br />
Maria Schuchter, Andreas Hapkemayer, Ingeborg<br />
Erhart oder Günther Moschig. Alles nachzulesen<br />
auf www.nindl.info<br />
Buchtipp:<br />
Thomas Junker:<br />
Die Evolution der Phantasie<br />
Hirzel Verlag, 235 S., € 25,60
Rumänien, ein weißer Fleck<br />
in blau-gelb-rot!<br />
Rund 40 Neuerscheinungen – viel mehr als sonst – haben<br />
die Rumänen für Leipzig im Gepäck. Von Robert Renk<br />
Rumänien wird als Gastland der Leipziger<br />
Buchmesse rund 40 Neuerscheinungen<br />
präsentieren. Das sei ein Vielfaches dessen,<br />
was sonst an rumänischer Literatur auf<br />
Deutsch erscheine, sagte Programmkoordinatorin<br />
Ioana Gruenwald. Jährlich kämen<br />
sonst etwa zehn Werke – Belletristik und<br />
Sachbuch zusammengenommen – heraus.<br />
Im Rahmenprogramm wird unter anderem<br />
die aus dem rumänischen Banat stammende<br />
Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller<br />
erwartet.<br />
Für die Leipziger Buchmesse stehen die<br />
Zeichen auf Wachstum, meint Messedirektor<br />
Oliver Zille. 2017 hatten die Buchmesse<br />
und das dazugehörige Lesefestival „Leipzig<br />
liest“ den Rekordwert von 285.000 Besuchern<br />
gezählt.<br />
Gastland Rumänien<br />
Die „rumänische Literatur“ beginnt mit<br />
dem Brief eines Bauern namens Bojaren<br />
Neacșu aus dem Jahre 1521. Wie in einigen<br />
europäischen Ländern, waren die Grenzen<br />
Rumäniens viel auf Wanderschaft. Invasionen<br />
der Mongolen, Bulgaren, Osmanen,<br />
Griechen oder Ungarn machten es lange<br />
schwer, von einem geeinten Rumänien zu<br />
sprechen. Am 8. Dezember 1861 proklamierte<br />
Alexandru Ioan Cuza die Bildung<br />
des Fürstentums Rumänien aus den Donaufürstentümern<br />
Moldau und Walachei.<br />
1862 wurden die beiden Fürstentümer auch<br />
formal vereinigt und bildeten Rumänien<br />
mit Bukarest als Hauptstadt. Aber schon<br />
1866 musste Cuza abdanken. Der deutsche<br />
Prinz Karl von Hohenzollern-Sigmaringen<br />
wurde zum Fürsten von Rumänien ernannt,<br />
seine Nachkommen sollten als Könige von<br />
Rumänien bis zum Sturz durch die Kommunisten<br />
1947 herrschen.<br />
Vor allem in der Zwischenkriegszeit entwickelten<br />
sich starke, an Westeuropa (vor<br />
allem Frankreich) angelehnte literarische<br />
Strömungen. Die wurden aber gleich nach<br />
dem 2. Weltkrieg und der Gründung der<br />
Volksrepublik (1947) gekappt und Literatur<br />
allenfalls zum Instrument der „sozialistischen<br />
Bewusstseinsbildung“ und Volkserziehung<br />
erklärt.<br />
Viele wichtige Stimmen gingen in „innere<br />
Emigration“ oder ins Exil, vornehmlich<br />
nach Frankreich (E. Ionesco, M. Eliade,<br />
É. M. Cioran).<br />
Der Sturz des Diktators Ceaușescu<br />
(1989) und die folgenden gesellschaftlichen<br />
Umwälzungen führten zu tief greifenden<br />
Veränderungen des rumänischen Literaturlebens,<br />
wobei der „kulturelle Apparat“<br />
– ähnlich wie in Bulgarien – auch<br />
in Rumänien durchaus noch auf etliche<br />
Regimegetreue setzte. Ab nun aber entwickelte<br />
sich bis heute eine vielfältige Literaturlandschaft,<br />
mit Besonderheiten (wie z. B.<br />
Siebenbürgen), die durchaus auf europäischem<br />
Niveau agiert und dennoch bei uns<br />
noch mit dem Exotenstempel versehen ist.<br />
Die uns bekanntesten Vertreter sind<br />
allesamt in den deutschsprachigen Raum<br />
ausgewandert, allem voran <strong>No</strong>belpreisträgerin<br />
Herta Müller. Weiters zu nennen sind<br />
u. a. Ernest Wichner, Oskar Pastior und in<br />
jüngerer Zeit Dana Grigorcea oder Catalin<br />
Dorian Florescu.<br />
Zu den bekannten rumänischen AutorInnen,<br />
die nicht im deutschsprachigen<br />
Raum leben, zählen u. a. <strong>No</strong>rman Manea<br />
(USA), Mircea Cărtărescu, Varujan Vosganian,<br />
Liliana Corobca, Dan Lungu, Daniel<br />
Bănulescu oder Cătălin Mihuleac.<br />
Also, ein <strong>No</strong>roc! auf die rumänische<br />
Literatur, da gibt es viel zu entdecken!<br />
Vor allem gilt es einen großen Klassiker zu<br />
entdecken, der nun erstmals ins Deutsche<br />
übertragen werden konnte, und den legt<br />
uns die in der Schweiz lebende, rumänische<br />
Autorin Dana Grigorcea ans Herz.<br />
Es gilt zu entdecken:<br />
Ion Luca Caragiale<br />
Von Dana Grigorcea<br />
Kein anderer Schriftsteller erfreut sich in<br />
Rumänien des Bekanntheitsgrads eines<br />
Ion Luca Caragiale. Er ist allgegenwärtig,<br />
als Statue, Briefmarke, auf dem schnell<br />
umlaufenden 100-Lei-Geldschein, in<br />
der Alltagssprache mit Ausdrücken und<br />
Redewendungen aus seinen zahlreichen<br />
Werken. (...) Caragiale wurde in all diesen<br />
Epochen als der rumänische Autor gefeiert,<br />
als der Künstler, dem es am besten und<br />
prägnantesten gelungen ist, eine ewiggültige<br />
Bestandsaufnahme der rumänischen Gesellschaft<br />
vorzulegen.<br />
Das eigentlich Verwunderliche an dieser<br />
ungebrochenen Verehrung Caragiales<br />
ist, dass sein Bild von der rumänischen<br />
Gesellschaft kein schmeichelhaftes ist, im<br />
Gegenteil, wo doch das rumänische Publikum<br />
traditionell wenig empfänglich für<br />
Gesellschaftskritik ist – die deutschsprachige<br />
Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller<br />
beispielsweise wird in ihrem Heimatland<br />
Rumänien kaum wahrgenommen.<br />
Wie lässt sich Ion Luca Caragiales Publikumserfolg<br />
nur erklären? Jeder rumänische<br />
Schüler wird es wissen: Caragiale ist beliebt<br />
wegen seines Humors. Es handelt sich um<br />
einen Humor, den die Schulbücher und die<br />
meisten Literaturkritiker typisch rumänisch<br />
nennen und den Caragiale entweder in der<br />
rumänischen Gesellschaft aufgespürt oder<br />
eben für diese erfunden hat.<br />
Wäre die rumänische Sprache eine<br />
Weltsprache, so wäre Caragiale längst ein<br />
Weltautor, sagte der französisch-rumänische<br />
Dramatiker Eugène Ionesco, der sich<br />
oft als Jünger Caragiales bezeichnet hatte.<br />
Da er es aber nicht ist, bleibt Caragiale den<br />
Rumänen vorbehalten. Oder doch nicht?<br />
In diesem Kontext ist das vorliegende<br />
Buch ein kühnes Unterfangen, an das der<br />
Verlag und die so akribische wie inspirierte<br />
Übersetzerin Eva Ruth Wemme als erste<br />
geglaubt haben. Und es ist ein wahres<br />
Wunder geschehen, eines der geglückten<br />
Übersetzung. Wer dieses Buch liest, wird<br />
sofort in eine Welt hineinkatapultiert, in der<br />
ein immer biegsameres und phantastischeres<br />
Deutsch geredet wird, ein Deutsch wie<br />
in einem idealen Traum.<br />
Wer aber war Ion Luca Caragiale,<br />
dieser Sprachkünstler und Visionär? Schon<br />
anhand seines abenteuerlichen Lebens lässt<br />
sich sehr plastisch eine Zeit der Umbrüche<br />
darstellen, in die sich mit leichter, beschwichtigender<br />
Verfremdung die heutige<br />
spiegeln lässt. Ion Luca Caragiale wurde am<br />
30. Januar 1852 in dem Bergdorf Haimanale<br />
geboren. Der Name des Dorfs ist ein Plural<br />
des türkischen Worts haymana, das sich<br />
mit Leichtfuß oder Windhund übersetzen<br />
ließe. Caragiale hat später den Namen oft<br />
erwähnt. Seine Familie war griechischer<br />
Herkunft und widmete sich teils, sehr<br />
erfolgreich, dem Handel und teils, ebenso<br />
erfolgreich, dem Theater. In dieser Dichotomie<br />
– Unternehmergeist versus musische<br />
Beschäftigung – lebte die ganze Familie<br />
Caragiale. Hin- und hergerissen zwischen<br />
diesen Polen lebte auch der junge Ion Luca.<br />
Aus existentieller <strong>No</strong>twendigkeit wandte er<br />
sich dem Handel zu, wobei er seine Geschäfte<br />
wiederum als Inspirationsquelle für die<br />
Kunst verwenden sollte. Im Unterschied zu<br />
vielen seiner Künstlerkollegen aber wird er<br />
seine zeitlich beengten Verhältnisse nie thematisieren,<br />
geschweige denn romantisieren.<br />
Zum Fotografen wird er nur mit Krawatte<br />
gehen und mit gekämmtem Schnurrbart.<br />
Der Nachwelt hinterließ er nur Bilder von<br />
sich als bourgeoisem Bonvivant.<br />
Seinen 60. Geburtstag 1912 feierte man<br />
in Rumänien zwar ohne ihn, aber dennoch<br />
mit Pomp. Caragiale sagte, er möge es nicht,<br />
gefeiert zu werden. Kurz darauf starb er unerwartet,<br />
im Schlaf, und sein Leichnam wurde<br />
nach Bukarest gebracht. Alle Zeitungen<br />
berichteten mit großer Konsternation von<br />
Caragiales Tod, manche lancierten eine sensationelle<br />
Theorie von Komplott und Mord.<br />
© Ayşe Yavas<br />
Caragiale erhielt ein Staatsbegräbnis<br />
erster Klasse: offizieller Nationaltrauertag,<br />
alle Ämter geschlossen, fünfzig Prozent<br />
Ermäßigung im öffentlichen Verkehr, damit<br />
alle Menschen dabei sein können, auch aus<br />
der Provinz. Der Trauerzug war von einem<br />
nie dagewesenen Ausmaß, es gingen Popen,<br />
Politiker, Kulturmenschen, Schüler und das<br />
ganze restliche Volk – Mache und Lache –,<br />
Blumenkränze von der Königin und von<br />
allen Theatern wurden mitgetragen. Auch<br />
deutsche, italienische, französische und<br />
spanische Zeitungen berichteten vom<br />
Begräbnis und schlossen sich der Trauer an.<br />
„Der große Caragiale ist tot!“, schrieben sie,<br />
übernahmen dabei auch Überschriften aus<br />
rumänischen Zeitungen: „Ein Titan ist von<br />
uns gegangen.“<br />
Dabei war er, mit kleinen Ausnahmen,<br />
gar nicht in ihre Sprachen übersetzt<br />
worden, und sie kannten ihn nicht.<br />
Diese absurde Tatsache hätte Caragiale<br />
amüsiert.<br />
Abdruck der Auszüge aus dem Vorwort mit<br />
freundlicher Genehmigung des Guggolz Verlages!<br />
Buchtipps:<br />
Liliana Corobca:<br />
Die Zensur. Für Anfänger<br />
Edition Thanhäuser Verlag,<br />
96 S., € 20,00<br />
Herta Müller:<br />
Vater telefoniert mit den Fliegen<br />
Fischer Taschenbuch Verlag,<br />
208 S., € 11,30<br />
<strong>No</strong>rman Manea:<br />
Wir sind alle im Exil<br />
Hanser Verlag, 224 S.,<br />
€ 20,50<br />
Oskar Pastior:<br />
sünden waffen sorgenfeig<br />
Hanser Verlag, 384 S., € 28,80<br />
erscheint am 03.04.2018<br />
Catalin Mihualec:<br />
Oxenberg & Bernstein<br />
Zsolnay Verlag, 368 S.,<br />
€ 24,70<br />
Varujan Vosganian:<br />
Als die Welt ganz war<br />
Zsolnay Verlag, 336 S.,<br />
€ 24,70<br />
Dana Grigorcea:<br />
Die Dame mit dem<br />
maghrebinischen Hündchen<br />
Dörlemann, 128 S., € 16,50<br />
Ion Luca Caragiale:<br />
Humbug und Variationen<br />
Guggolz Verlag, 431 S.,<br />
€ 24,70
Eine Nacht im Paradies<br />
Buchhandlungen sind Seismografen der Gegenwart.<br />
Von Ilija Trojanow – ein Auszug<br />
Ein Jugendtraum: Eingesperrt zu sein<br />
unter lauter Büchern, eine ganze Nacht<br />
lang. Alleingelassen mit all der Pracht,<br />
ungestörte Zweisamkeit mit Literatur<br />
in jeglicher Form, die Ruhe, die Zeit.<br />
Paradiesisch.<br />
Nicht in einer Bibliothek, wo die Bücher<br />
schon zugerichtet sind, mit Nummern<br />
versehen wie Häftlinge, sondern in einer<br />
Buchhandlung, einer mittelgroßen, um aus<br />
dem Vollen schöpfen zu können, ohne sich<br />
zu verlaufen. Mit anderen Worten: in der<br />
Wagner’schen. Nach einer Nacht in dieser<br />
Wunderkammer wird einem bewusst, dass<br />
solche Buchhandlungen viel mehr als bloße<br />
Geschäfte sind. Es sind vielfältig fiebrige<br />
Kulturräume, unerlässliche Quellen für das,<br />
was wir Geist nennen und dessen Entwicklung.<br />
Solange der Mensch noch selbst denkt<br />
(manche haben diese Tätigkeit ja schon<br />
ausgelagert), wird er Buchhandlungen<br />
brauchen. Folglich benötigt jede Stadt gut<br />
sortierte intellektuelle Tankstellen.<br />
22:00 Uhr<br />
Für weniger geübte, nicht traumwandlerisch<br />
zwischen den Regalen schwebende<br />
Leser und Leserinnen stehen am Eingang,<br />
neben der Kasse, zwei Stellwände mit<br />
„Blind Dates“, anonym eingepackten<br />
Büchern, die einen zu Hause überraschen<br />
sollen. Die graue Verpackung verspricht<br />
nichts anderes als in einer kurzen handschriftlichen<br />
Beschreibung enthalten. Die<br />
Bände seien sehr begehrt, berichtet der<br />
leitende Buchhändler, ein bärtiger Mann<br />
namens Robert Renk, ein Patriot des<br />
Buches, mit dem ich die erste Stunde verbringe,<br />
bevor er mich allein lässt.<br />
© Thomas Dorn<br />
23:00 Uhr<br />
Ich beginne bei der „Erotik“. Trotz der gesellschaftlichen<br />
Liberalisierung des Sexuellen<br />
immer noch ein wenig versteckt in einer<br />
Ausbuchtung hinten links im Erdgeschoss.<br />
Zu meinem Erstaunen erwartet mich trotz<br />
der Schwemme an kostenfreien lustverstärkenden<br />
Bildern und Filmen im Internet<br />
ein ganzer Meter Erotik. Aber wie soll ein<br />
potentieller Kunde nun das richtige Buch<br />
für sich finden? Schließlich kann er schlecht<br />
zu der netten Ute gehen und verkünden:<br />
„Ich bin 51 und stehe auf dicke Fesseln und<br />
flotte Dreier.“<br />
Die angebotene Produktion stammt fast<br />
ausschließlich von Autorinnen, die Titel<br />
bzw. Untertitel beinhalten stets „Versuchung“,<br />
„Verlangen“, „Verführung“,<br />
„verbotene Liebe“ oder „leidenschaftliches<br />
Versprechen“. Zur Erotik gehören folglich<br />
Bücher, die ohne ein „ver-“ im Titel nicht<br />
auskommen können. Ich schlage auf gut<br />
Glück den Roman „Dirty Secrets“ auf:<br />
„Das erste Mal war liebevoll und zärtlich<br />
und wunderschön gewesen, trotz der<br />
furchtbaren Umstände. Es war eine Flucht<br />
gewesen. Eine Befreiung.“ So erotikfrei geht<br />
es weiter. Ich nippe am Weinglas und sehne<br />
mich nach Josefine Mutzenbacher.<br />
24:00 Uhr<br />
Die Romantik ist mit vier Metern erheblich<br />
Platz einnehmender. Die einzige Abteilung,<br />
in der ich keine der Autorinnen (wiederum<br />
fast nur Frauen) kenne. Auch nicht Carrie<br />
Price. „Zoe“ lautet ein Band aus der Reihe<br />
„New York Diaries“ – Erotik und Romantik<br />
kommt meist in Reihen daher und spielt<br />
in New York, dem Liebeszentrum der Welt.<br />
Ich stolpere über den Satz: „Nach meinem<br />
niedergeschlagenen Anruf, der dieser fatalen<br />
Audition gefolgt war …“ – schlechtes<br />
Deutsch wirkt auf mich unromantisch. Der<br />
Verlag verschweigt, welche Software dieses<br />
Buch (nicht) übersetzt hat. Ich beschränke<br />
mich des Weiteren darauf, lediglich die Titel<br />
zu lesen.<br />
00:50 Uhr<br />
Ich wende mich etwas unbefriedigt den<br />
Verkaufstischen zu, die in blauen Farben<br />
Bücher seit 1639<br />
Sommerlektüre versprechen, samt Muscheln,<br />
Korallen, Papageien, Fischen, Sand<br />
und einer vermeintlichen Sommerbrise.<br />
Robert Renk hatte mir das Prinzip einleuchtend<br />
erklärt: „Hier ziehen die populären<br />
Titel die weniger bekannten mit. So<br />
kann ich einem Geheimtipp Aufmerksamkeit<br />
verschaffen.“ Donna Leon ist also die<br />
Tempoläuferin für Christoph W. Bauer (es<br />
funktioniert wohl). Passend „Der Klang<br />
der Stille“ von Sergio Bambaren. Angeblich<br />
laut Klappentext ein Buch für Mutige, also<br />
greife ich in der Geisterstunde beherzt zu.<br />
Der erste Satz ist eine Ohrfeige (man sollte<br />
nie ein Buch kaufen, ohne den ersten Satz<br />
gelesen zu haben; dieser erzwingt zwar selten<br />
einen Kauf, spricht aber umso häufiger<br />
eine klare Warnung aus): „Jede Minute, die<br />
vergeht, ist eine Gelegenheit, alles zu verändern,<br />
jeder Augenblick eine Chance, alles zu<br />
verbessern.“ Wie sehr habe ich mein Leben<br />
verschwendet, was sind all die Menschen,<br />
die ich bewundere, doch für Luschen, da<br />
sie ein Leben lang mit gemischtem Erfolg<br />
versucht haben, etwas zu verändern, die<br />
Welt ein wenig zu verbessern. Hätten wir<br />
doch nur Bambaren gelesen. Der paradoxe<br />
Titel wird auf Seite 34 erklärt: „Vergiss nie,<br />
dass die Stille, die du nur hörst, schwer zu<br />
finden und noch schwerer zu verstehen ist.“<br />
Ich höre im Klang der Wagner’schen Stille,<br />
wie auf einem Nebentisch Franz Schuh<br />
verächtlich schnaubt. Und Karl Kraus das<br />
Wortmesser wetzt.<br />
Buchhandlungen sind unendlich tolerante<br />
Reiche. Hier tummeln sich Meuchelmörder<br />
der Sprache wie Herr Bambaren neben Rettern<br />
und Rittern des Wortes, wie auf dem<br />
Tisch gegenüber. Vier Bücher des Mundzu-Mund-Beatmers<br />
der Literatur, Alois<br />
Hotschnig, die großartige <strong>No</strong>velle „Der<br />
Argentinier“ von Klaus Merz, der Roman<br />
„Himmelfarb“ meines ehemaligen Verlegers<br />
Michael Krüger, die intelligenten und gebildeten<br />
Essays von Karl-Markus Gauß.<br />
01:30 Uhr<br />
Die breiten Regale mit den Krimis empfinde<br />
ich als wenig einladend, weil die Umschläge<br />
schon von Weitem eine breite, uniforme<br />
rot-schwarze Front aufweisen. Offensichtlich<br />
haben die Verlage den ultimativen visuellen<br />
Köder gefunden (schwarz für Drama,<br />
rot für Blut), die Kunden beißen zuverlässig<br />
an, gerade weil es wenig subtil ist und daher<br />
nur noch reproduziert werden muss.<br />
Andere Tische hingegen beschwören reihenweise<br />
persönliche Erinnerungen herauf:<br />
43<br />
Michail Schischkin (ein gemeinsamer Drink<br />
in einem Zelt auf der Buchmesse), David<br />
Albahari (traurige Gespräche spätabends<br />
beim ersten Münchner Literaturfest), Michael<br />
Köhlmeier (vor Kurzem eine absurde<br />
Zusammenkunft mit dem <strong>No</strong>ch-Kanzler<br />
Kern, der uns „Intellektuelle“ mit einer<br />
klaren Positionierung gegen rechts übertrumpfte,<br />
die er schon am nächsten Morgen<br />
beim Kuschelgespräch mit Strache vergessen<br />
hatte), Meja Mwangi (mein erstes<br />
Tusker-Bier als Jugendlicher in Kenia,<br />
als wir aufgeregt auf einen Auftritt von<br />
Mwangi warteten, der aber nie erschien),<br />
Yu Hua (gemeinsam die Pekingente verspeist,<br />
während wir über Auflagen redeten,<br />
seine stets um eine Null höher als meine),<br />
Katja Lange-Müller (die mir neulich wie ein<br />
Rohrspatz schimpfend im Gang eines Zuges<br />
entgegenlief), T. C. Boyle (der mir erzählte,<br />
auch er höre beim Schreiben vor allem<br />
Opern, am liebsten Barockopern), Aslı<br />
Erdoğan (vor deren Gefängnis in Istanbul<br />
wir noch im <strong>No</strong>vember protestierten, die<br />
inzwischen freigelassen worden ist). Mir<br />
wird bewusst, wie viele Erlebnisse meines<br />
Lebens sich um Bücher und Autoren ranken,<br />
wie viele der anwesenden Kolleginnen<br />
und Kollegen ich kenne, ob persönlich oder<br />
als Leser. Es stellt sich ein rührendes Gefühl<br />
ein, als wären wir eine Familie, mit vielen<br />
Freundschaften, aber auch dem einen oder<br />
anderen schwarzen Schaf (schon fällt mein<br />
Blick auf Christian Kracht). Denn ich stehe<br />
vor der breitesten aller Regalwände, der<br />
Literatur.<br />
02:38 Uhr<br />
Auf einmal überkommt mich ein merkwürdiger<br />
Drang aufzuräumen. Ich ordne herumliegende<br />
Exemplare ins Regal, sorge für<br />
alphabetische Ordnung, von Hector Abad<br />
bis Wu Ming. Das bereitet mir großen<br />
Spaß, danach schmerzt mir der Rücken. Es<br />
ist alles vertreten, sogar eine handsignierte<br />
Gesamtausgabe des leider noch nicht kanonisierten<br />
Edgar Hilsenrath.<br />
03:44 Uhr<br />
Zeit nun für den wirklich großen Elefanten<br />
in der Buchhandlung. Er heißt George R. R.<br />
Martin und nimmt alleine mehr Platz ein<br />
als die Erotik und halb so viel wie die<br />
Klassik! Tolkien hält sich wacker, zu meiner<br />
Begeisterung ist Lovecraft auch noch gut<br />
im Rennen, aber alle anderen sind mir<br />
unbekannt (Harry Potter ausgenommen).<br />
Erstaunlich wie wenig man sich auskennt<br />
in gewissen Genres.<br />
04:26 Uhr<br />
Ich habe das Erdgeschoß nun einmal<br />
umrundet (an den vielen Reiseführern bin<br />
ich vorbeigegangen wie ein Vegetarier an<br />
einem Metzgerladen; wer mit Reiseführern<br />
aufbricht, hindert sich selbst am Reisen).<br />
Gegenüber der Kasse – wie in jeder<br />
Buchhandlung – die Bestseller. Mal sehen,<br />
wie gut Sie sich, liebe liebe Leserin, lieber<br />
Leser,, in der Buchbranche auskennen: Die<br />
Bestseller hier stammen von Schuh, Jergović,<br />
Muschg, Bärfuss und einigen anderen.<br />
Fällt Ihnen etwas auf? Ja, wenn der Wunsch<br />
Vater des Verkaufs wäre, dann würde die<br />
Bestsellerliste in etwa so aussehen. Im real<br />
existierenden Kapitalismus aber nicht, nie<br />
und nimmer!<br />
05:02 Uhr<br />
Auf in den ersten Stock. Hier finden sich<br />
mehr Bücher, die die Umwelt begrünen als<br />
die Welt verbessern wollen. Vielleicht weil<br />
viele glauben, mit dem Ersteren sei es schon<br />
getan?!<br />
Auffällig ist die Dominanz der individuellen<br />
Glücksversprechen. Das Glück<br />
des Einzelnen steht öfter im Fokus als das<br />
Glück der Gesellschaft. Obwohl Studien<br />
wiederholt erwiesen haben, dass das<br />
Glücksempfinden der Bürger in gerechteren<br />
Gesellschaften erheblich höher ist. Anders<br />
gesagt: Soziale Ungerechtigkeit macht die<br />
ganze Gesellschaft unglücklich. Der beste<br />
Weg, das eigene Wohlbefinden zu steigern,<br />
wäre, das Leben aller zu verbessern. Das<br />
widerspricht aber dem Zeitgeist und dieser<br />
äußert sich, nicht nur in diesem Punkt, immer<br />
wieder – wie sollte es auch anders sein<br />
– in der Auswahl der Bücher. Buchhandlungen<br />
sind Seismografen der Gegenwart. Sie<br />
können unmodische Angebote unterbreiten<br />
(viel Lyrik und experimentelle Literatur),<br />
aber sie müssen auch die Wünsche der Kunden<br />
respektieren. So könnte man nach einer<br />
Nacht in der Wagner’schen den Reichtum<br />
menschlicher Kreativität ebenso feiern<br />
wie die dekadente Dummheit unserer Zeit<br />
beklagen.<br />
06:06 Uhr<br />
Beim Einschlafen zähle ich anstatt Schafen<br />
Bücher, mein Blick vom Vorüberziehen der<br />
Bücherrücken so müde, dass er nichts mehr<br />
hält.<br />
Der komplette Text ist nachzulesen in QUART<br />
Nr. 30 oder auf unserer homepage: www.wagnersche.at<br />
Buchtipp:<br />
Quart Heft für Kultur Tirol 30/2017<br />
Haymon Verlag, 128 S., € 16,–
Jung,<br />
aber<br />
oho!<br />
Bücher<br />
für<br />
Kinder<br />
und<br />
Jugend:<br />
Stella lebt mit ihren drei<br />
bösartigen und lieblosen Tanten<br />
in einem Hotel. Dort wird<br />
sie Zeugin eines mysteriösen<br />
Verbrechens. Sie kommt in<br />
den Besitz eines Päckchens<br />
mit dem Auftrag, gut darauf<br />
aufzupassen. Somit beginnt eine<br />
abenteuerliche Verfolgungsjagd,<br />
packend und sprachlich hervorragend<br />
erzählt, bei der Stella<br />
einem Rätsel ihrer eigenen<br />
Geschichte sehr nahe kommt.<br />
Ein Abenteuerroman ab 10 Jahren,<br />
in Australien mit mehreren<br />
Preisen ausgezeichnet und mit<br />
feinen Zeichnungen der Autorin<br />
versehen! Silvia Spiegl<br />
Judith Rossel:<br />
Stella Montgomery und die bedauerliche<br />
Verwandlung des Mr Filbert<br />
Thienemann Verlag, 272 S., € 14,40<br />
Seit dem Tod ihrer Mutter<br />
wächst Esther bei ihrer<br />
Großmutter auf, als sie 12 ist,<br />
überfallen Pickel ihr Gesicht.<br />
Sie bestellt sich ein sogenanntes<br />
„Wundermittel“ im Internet,<br />
nur leider hat es eine ganz<br />
andere Wirkung, es macht<br />
nämlich unsichtbar. Für viele<br />
ein Traum, aber nicht für<br />
Esther. Damit fängt das Chaos<br />
erst so richtig an, oder kann<br />
es doch hilfreich sein, den fiesen<br />
Zwillingen einen Denkzettel<br />
zu verpassen? Oder noch andere<br />
Geheimnisse aufdecken?<br />
Ein ernster und humorvoller<br />
Roman. Andrea Scheiber<br />
Ross Willeford:<br />
Was du niemals tun solltest,<br />
wenn du unsichtbar bist<br />
Coppenrath Verlag, 384 S., € 15,40<br />
Kann es wirklich sein, dass<br />
sich ein Pony in ein Mädchen<br />
verwandeln kann? Als wäre<br />
Pias Leben nicht schon chaotisch<br />
genug. Ihre Mutter ist den<br />
Liebesschmökern verfallen und<br />
ihre beste Freundin Moppie<br />
liebt es, ihr die Haare zu schneiden,<br />
weswegen sie sich nur mehr<br />
mit Perücke aus dem Haus<br />
traut; da taucht plötzlich Penny<br />
auf, die ein großes Geheimnis<br />
birgt. Ehe es sich Pia versieht,<br />
steckt sie schon mitten drin im<br />
Abenteuer und einer geheimnisvollen<br />
Mission. Mitreißend,<br />
humorvoll, einfach zum Tränen<br />
Lachen. Andrea Scheiber<br />
Patricia Schröder:<br />
Plötzlich Pony (Bd. 1) –<br />
Eine Freundin zum Pferdestehlen<br />
Coppenrath Verlag, 144 S., € 11,30<br />
„Ich will nicht“, protestiert<br />
Lina, als ihre Mutter verkündet,<br />
die Ferien auf Onkel Hapes<br />
Hof zu verbringen, der verreist<br />
ist, aber jemand muss ja auf<br />
die Koikarpfen aufpassen. Und<br />
noch schrecklicher ist das, da<br />
dort dieses Pony Bulli ist und<br />
Lina nicht in Ruhe lässt, dabei<br />
hat sie doch solche Angst vor<br />
Pferden. Es kommt wie’s kommen<br />
muss, sie freundet sich mit<br />
ihm an. Und es ist auch sicher<br />
eines der intelligentesten Ponys<br />
überhaupt, das auch sehr hilfreich<br />
war beim Fang des Diebes<br />
der Karpfen. Andrea Scheiber<br />
Frauke Scheunemann:<br />
Bulli & Lina (Bd. 1) –<br />
Ein Pony verliebt sich<br />
Loewe Verlag, 152 S., € 13,40<br />
Als wir mit dem neuen Lebensgefährten<br />
meiner Mutter in<br />
ein neues Haus ziehen, das<br />
ehrlich gesagt so gut wie auseinanderfällt<br />
und zum größten<br />
Übel nicht mal WLAN hat,<br />
bin ich am Verzweifeln. Zur<br />
Ablenkung, um über Papa<br />
hinwegzukommen, fange ich an,<br />
Song-Texte zu schreiben, wobei<br />
ich sicher bin, dass es keinen<br />
interessiert. Doch plötzlich<br />
taucht ein Video von mir im<br />
Net auf, wo ich singe und<br />
spiele. Dann kommt noch die<br />
Geschichte mit dem Plattenvertrag<br />
dazu! Das Chaos hat<br />
begonnen … Andrea Scheiber<br />
Marianne Levy:<br />
Plötzlich Superstar (Bd. 1) – Katies Song<br />
Egmont Verlag, 352 S., € 14,40<br />
Was passiert, wenn Ellas<br />
Mutter dreimal mit den Fuß<br />
stampft, in die Hände klatscht,<br />
mit dem Po wackelt und<br />
Marshmallow ruft? Genau, sie<br />
wird zur Fee, Mami-Fee. Später<br />
werde ich selber mal eine Fee<br />
sein, aber ich hoffe, dass ich<br />
besser bin, denn bei Mami geht<br />
viel daneben. Statt Milch steht<br />
plötzlich eine Kuh in der Küche,<br />
oder der Wischmop spielt lieber<br />
Verstecken, bis hin zum bockigen<br />
Mehl. Es geht drunter und<br />
drüber, und erst recht, als sie<br />
die Feengrippe erwischt und sie<br />
versucht, sich selbst zu heilen …<br />
Andrea Scheiber<br />
Sophie Kinsella:<br />
Mami Fee & ich –<br />
Der große Cupcake-Zauber<br />
cbj Verlag, 120 S., € 12,40<br />
Happi ist ein kleines Erdhörnchen,<br />
dessen Aufgabe ist,<br />
Wintervorräte zu sammeln.<br />
Aber er ist auch sehr neugierig<br />
und er findet viele Schätze,<br />
sei es eine Muschel oder eine<br />
Vogelfeder. Als er eines Tages<br />
den sicheren Futterpfad verlässt<br />
und auf Entdeckungsreise geht,<br />
begegnet er einem Wolf, der<br />
verletzt ist. Er beschließt, ihm<br />
zu helfen, obwohl der Wolf einer<br />
seiner größten Feinde ist. Er<br />
bringt ihm Beeren und Kräuter,<br />
sie haben wahnsinnigen Spaß<br />
zusammen. Ein wunderbares<br />
Buch über Freundschaft und<br />
Mut. Andrea Scheiber<br />
Oliver Scherz:<br />
Ein Freund wie kein anderer<br />
Thienemann Verlag, 128 S., € 14,40<br />
Die Zwillinge Tess und Theo<br />
und ihr Freund Jamie müssen<br />
unbedingt den sagenumwobenen<br />
Code knacken, den die<br />
berüchtigten Morningstar<br />
Zwillinge vor 150 Jahren aufgestellt<br />
haben. Sie und viele andere<br />
Familien werden sonst ihr<br />
Zuhause verlieren. Ihnen bleibt<br />
nicht viel Zeit, um zu schaffen,<br />
woran so viele vor ihnen gescheitert<br />
sind. „Chroniken von<br />
York“ ist ein rasantes Jugendbuch<br />
mit Steampunk-Elementen<br />
und einer unglaublich spannenden<br />
Schnitzeljagd durch<br />
ein fantastisches New York.<br />
Marlene Walder<br />
Laura Ruby:<br />
Die Chroniken von York (Bd. 1) –<br />
Die Suche nach dem Schattencode<br />
Loewe Verlag, 448 S., € 20,60<br />
Tom soll seine Ferien bei seinem<br />
Onkel in England verbringen –<br />
ohne Internet und ohne Fernseher.<br />
Nur umgeben von Büchern.<br />
Doch schon bald überschlagen<br />
sich die Ereignisse –<br />
sein Onkel wird entführt und<br />
er findet eine Seite, auf der<br />
wie von Zauberhand Worte<br />
erscheinen. Zusammen mit dem<br />
Diener seines Onkels, Will,<br />
bereist er drei Kontinente und<br />
erlebt das größte Abenteuer<br />
seines Lebens. Ein grandioses<br />
Buch über das Lesen, das<br />
Schreiben und die großen Persönlichkeiten<br />
der Weltliteratur!<br />
Marlene Walder<br />
Akram El-Bahay:<br />
Wortwächter<br />
Ueberreuter Verlag, 384 S., € 15,40<br />
Maus lebt auf dem Segelschiff<br />
„Jägerin“ und soll später einmal,<br />
so wie ihre Oma, Captain<br />
werden. Sie liebt das Leben auf<br />
dem Meer, umringt von Walgesang<br />
und Mondelfen. Doch<br />
dann verschwindet ihr Vater<br />
und ihr kleiner Bruder gerät in<br />
Gefahr. Hängt das alles etwa<br />
mit dem neuen Steuermann<br />
der Jägerin zusammen? Und ist<br />
die Sturmopalkrone vielleicht<br />
mehr als nur eine Legende?<br />
Das hochgelobte Fantasy-<br />
Debüt aus Großbritannien!<br />
Wild, fantastisch und einfallsreich.<br />
Marlene Walder<br />
Sarah Driver:<br />
Die drei Opale<br />
Carlsen Verlag, 368 S., € 15,50<br />
Weil Parkers Bruder allergisch<br />
gegen Hundehaare ist, musste<br />
Alaska weggegeben werden.<br />
Parker ist darüber todunglücklich.<br />
Eines Tages sieht<br />
sie die Hündin wieder – als<br />
Hilfshund für den gemeinsten<br />
Jungen in ihrer neuen Klasse.<br />
Also schmiedet Parker einen<br />
Plan, wie sie ihre geliebte<br />
Alaska wieder zurückholen<br />
kann. Ein rasantes Buch über<br />
Freundschaft – einfühlsam und<br />
federleicht erzählt. Anna Woltz<br />
verbindet einen ausgezeichneten<br />
Schreibstil mit einem humorvollen<br />
Abenteuer. Marlene Walder<br />
Anna Woltz:<br />
Für immer Alaska<br />
Carlsen Verlag, 176 S., € 12,40<br />
Elli ist gerade mit ihrer Familie<br />
und den drei Hühnern umgezogen.<br />
Ihr Großvater, Leonardo,<br />
betreibt dort die beliebteste<br />
Eisdiele der Stadt. Und schon<br />
bald merkt Elli, dass sie dieselbe<br />
Fähigkeit wie er hat. Sie kann<br />
magisches Eis herstellen.<br />
Leonardo beharrt darauf,<br />
ihr das Handwerk Schritt für<br />
Schritt beizubringen, doch<br />
Elli geht das zu langsam. Sie<br />
schleicht sich in das Eislabor<br />
und stellt ein Quatsch-Eis her.<br />
Doch als sie dieses ihren<br />
Mitschülern serviert, gerät alles<br />
aus dem Ruder … Marlene Walder<br />
Heike Eva Schmidt:<br />
Der zauberhafte Eisladen (Bd. 1) –<br />
Vanille, Erdbeer und Magie<br />
Boje Verlag, 208 S., € 10,30<br />
Verlage suchen nach neuen<br />
Wegen, um Kinder für<br />
das Lesen zu begeistern, und<br />
reagieren mit gestalterischen<br />
und inhaltlichen Veränderungen.<br />
So erscheint erstmals im<br />
Tessloff Verlag eine erzählende<br />
Kinderbuchreihe für LeserInnen<br />
ab 8 Jahren: Grundlage<br />
dafür bietet Peter Schillings<br />
Lied „Major Tom“. Der kleine<br />
Major Tom erlebt gemeinsam<br />
mit seiner Freundin Stella und<br />
der Roboterkatze Plutinchen in<br />
seinem Space Racer so manches<br />
Abenteuer im Weltall. Silvia Spiegl<br />
Bernd Flessner:<br />
Der kleine Major Tom (Bd. 1) –<br />
Völlig losgelöst<br />
Tessloff Verlag, 72 S., € 9,20<br />
Der zweite Band der neuen<br />
Reihe vom Tessloff Verlag.<br />
Das Raumschiff Space Racer<br />
ist endlich fertig und der kleine<br />
Major Tom und seine Freunde<br />
dürfen es testen. Und natürlich<br />
geht es zur Erde. Die größeren<br />
Zeilenabstände und die Unterteilung<br />
in mehrere Kapitel<br />
machen es für jüngere Leser<br />
leichter, den Text zu lesen.<br />
Und durch die vielen liebevollen<br />
Illustrationen wird<br />
die Geschichte belebt und<br />
aufge lockert. Ein spannendes<br />
Abenteuer und viel Sachwissen<br />
sorgen für galaktische Unterhaltung!<br />
Marlene Walder<br />
Bernd Flessner:<br />
Der kleine Major Tom (Bd. 2) –<br />
Rückkehr zur Erde<br />
Tessloff Verlag, 72 S., € 9,20
fake<br />
news<br />
fakenews<br />
7 grandiose<br />
literarische fakes<br />
fake<br />
your<br />
self<br />
7 literarische Trumpbücher,<br />
die bleiben<br />
Im<br />
Zoom<br />
Rumänien<br />
7 Tipps zum Buchmessenschwerpunkt<br />
in Leipzig<br />
3×7<br />
Best<br />
aber<br />
Seller:<br />
1<br />
2<br />
Das<br />
Die Naziliteratur in Amerika<br />
Roberto Bolano<br />
FischerTB, € 10,30<br />
kleine Lexikon<br />
der Provinzliteratur<br />
Pedro Lenz<br />
1<br />
2<br />
Golden<br />
Pussy<br />
Howard Jacobson<br />
Tropen, € 16,50<br />
House<br />
Salman Rushdie<br />
C. Bertelsmann, € 25,70<br />
1<br />
2<br />
Die<br />
Sünden, Waffen, sorgenfeig<br />
Oskar Pastior<br />
Hanser, € 28,80<br />
Zensur. Für Anfänger<br />
Liliana Corobca<br />
Ed. Thanhäuser, € 20,00<br />
46<br />
Wagner’sche.<br />
3<br />
Lexikon<br />
4<br />
Örtliche<br />
5<br />
S.<br />
6<br />
Zur<br />
7<br />
Vaterland<br />
Ricco Bilger, € 24,70<br />
der imaginären<br />
philosophischen Werke<br />
Andreas Urs Sommer<br />
Die Andere Bibliothek, € 37,00<br />
Leidenschaften.<br />
Barbara Bongartz<br />
Druckhaus Galrev, € 22,70<br />
– Das Schiff des Theseus<br />
J. J. Abrams/Doug Dorst<br />
Kiepenheuer & Witsch, € 46,30<br />
Stadt Paris<br />
Peter Bichsel<br />
Suhrkamp, € 8,80<br />
Robert Harris<br />
Heyne, € 11,30<br />
3<br />
American<br />
4<br />
Das<br />
5<br />
Donald<br />
6<br />
Der<br />
7<br />
Weil<br />
War<br />
Omar El Akkad<br />
S. Fischer, € 24,70<br />
ist bei uns nicht möglich<br />
Sinclair Lewis<br />
Manesse, € 24,70<br />
Trump –<br />
Literaturwettbewerb<br />
Milena, € 18,90<br />
Präsident<br />
Sam Bourne<br />
Bastei Lübbe, € 10,30<br />
ich einfach sehr gut<br />
aussehe – Erschreckende wahre<br />
Worte von Donald J. Trump<br />
Moritz Piehler (Hg.)<br />
Rowohlt, € 6,20<br />
3<br />
Atemschaukel<br />
4<br />
Balkanische<br />
5<br />
Kyra<br />
6<br />
Der<br />
7<br />
Die<br />
Herta Müller<br />
S. Fischer, € 10,30<br />
Alphabete:<br />
Rumänien<br />
Ernest Wichner (Hg.)<br />
Wunderhorn, € 18,30<br />
Kyralina<br />
Panait Istrati<br />
Wagenbach, € 18,50<br />
Hund, die Frau und<br />
die Liebäugler<br />
Constantin Virgil Banescu<br />
Wunderhorn, € 18,50<br />
schönen Fremden<br />
Mircea Cărtărescu<br />
Zsolnay, € 22,60
Mit<br />
den<br />
besten<br />
Empfehlungen:<br />
Margriet<br />
„Das Schönste waren die<br />
weißen Hemden.“ So beginnt<br />
der neue Roman vom literarischen<br />
Tausendsassa Steinfest.<br />
Aber das stimmt gar nicht.<br />
Das Schönste war, wie man<br />
von diesem neuen Roman<br />
aufs Tiefste berührt wird, um<br />
gleichzeitig aufs Beste unterhalten<br />
zu werden! Tonja Schreiber,<br />
die glaubt, eine große Schuld<br />
ausbügeln zu müssen, trifft den<br />
Gemüsefachmann Dyballa.<br />
Die Geschichte einer außergewöhnlichen<br />
Buße mit großartigen<br />
Umwegen. Natürlich<br />
wieder skurril, aber tief aus den<br />
Schubladen des Menschlichen<br />
gegriffen! Robert Renk<br />
Heinrich Steinfest:<br />
Die Büglerin<br />
Piper Verlag, 288 S., € 20,60<br />
Im neuen Buch von Arno<br />
Geiger wird von Veit Kolbe<br />
berichtet, einem Wiener Soldaten,<br />
der sich seit vier Jahren<br />
im Krieg befindet und jetzt in<br />
Mondsee zur Erholung wohnt.<br />
Drachenwand heißen die Felsen<br />
oberhalb. Kolbes Tagebuch<br />
ist eine Chronik der Schrecken<br />
und Absurditäten des Krieges.<br />
Gleichzeitig zeigen seine Eintragungen,<br />
welche Verheerungen<br />
Krieg abseits der Front bei den<br />
Menschen erzeugt. Eingefügte<br />
Passagen aus Briefen zeigen,<br />
dass der Mensch auch im Krieg<br />
menschlich bleiben möchte. Oft<br />
vergeblich. Ein schreckliches,<br />
ein wichtiges Buch. Michael Carli<br />
Arno Geiger:<br />
Unter der Drachenwand<br />
Hanser Verlag, 480 S., € 26,80<br />
Ein Anwalt, eine Schriftstellerin,<br />
New York und Tel Aviv.<br />
„Waldes Dunkel“ erzählt<br />
von Menschenleben, die irgendwann<br />
„brechen“. Nicht nur<br />
verschwindet Epstein, der reiche<br />
amerikanische Anwalt, vorher<br />
verscherbelt er sein Vermögen,<br />
um sich treiben zu lassen und<br />
einer verrückten Idee (in Israel)<br />
nachzujagen. Währenddessen<br />
sitzt eine Schriftstellerin mittleren<br />
Alters im Hilton Hotel<br />
in Tel Aviv und grübelt über<br />
den Sinn des Lebens nach.<br />
Ein feiner Roman, der mit viel<br />
Aufmerksamkeit gelesen werden<br />
will. Ágnes Czingulszki<br />
Nicole Krauss:<br />
Waldes Dunkel<br />
Rowohlt Verlag, 384 S., € 24,70<br />
In den Rezensionen wird<br />
Elizabeth Winthrop mit<br />
Faulkner und Steinbeck verglichen,<br />
aber das hat sie nicht<br />
nötig. Sie entwirft aus vielen<br />
Perspektiven Vorgeschichte und<br />
Vorbereitung einer Hinrichtung.<br />
Jeder weiß, dass das Todesurteil<br />
ein Skandal ist. Klug charakterisiert<br />
werden der Todeskandidat,<br />
der sich ins Schicksal fügt,<br />
und der Staatsanwalt, der an<br />
dem Urteil zweifelt. Und viele<br />
andere beleben den hitzeschweren<br />
Kosmos des amerikanischen<br />
Südens. Bis zum (überraschenden)<br />
Ende legt man dieses<br />
Buch nicht mehr aus der Hand.<br />
Ganz famos! Michael Carli<br />
Elisabeth H. Winthrop:<br />
Mercy Seat<br />
C. H. Beck Verlag, 251 S., € 22,70<br />
Ort: Kaltenbruch. Status:<br />
Provinznest. Genau dorthin<br />
wird Kommissar Peter<br />
Hoffmann versetzt – nach einer<br />
vorlauten Bemerkung über<br />
die braune Vergangenheit seines<br />
Chefs. Wir schreiben das Jahr<br />
1954. Natürlich möchte<br />
Hoffmann so schnell als möglich<br />
wieder weg, aber nix da.<br />
Ein Mord, eine aufgebrachte<br />
Landbevölkerung und Kriegsnarben,<br />
die lange nicht verheilt<br />
sind, sondern die bei den<br />
Ermittlungen von Hoffmann<br />
und seiner Mitarbeiterin<br />
Lisbeth Pfau Schreckliches<br />
offenbaren … Robert Renk<br />
Michaela Küpper:<br />
Kaltenbruch<br />
Droemer Knaur Verlag, 368 S., € 20,60<br />
Nachdem sie vor vier Jahren<br />
mit 50 Jahren ihr vielbeachtetes<br />
Romandebüt „Der Mauerläufer“<br />
vorgelegt hat, hält die<br />
US-Autorin Nell Zink nun bereits<br />
bei ihrem dritten Roman.<br />
Und „Nikotin“ wird ihren Ruf<br />
als ebenso schräge wie unzimperliche<br />
Autorin gewiss festigen<br />
können. Straighten und glaubhaften<br />
Plot darf man sich keinen<br />
erwarten, dafür wartet diese<br />
zwischen Familienmelodram<br />
und Milieusatire changierende<br />
Geschichte um ein besetztes<br />
Haus und deren Bewohner mit<br />
reichlich Sex, Smoke & Slapstick<br />
auf. Klaus Nüchtern<br />
Nell Zink:<br />
Nikotin<br />
Rowohlt Verlag, 400 S., € 23,60<br />
48<br />
Wagner’sche.<br />
de Moor (Jg. 1941)<br />
gilt als die Grande Dame der<br />
niederländischen Literatur, hat<br />
nun aber einen ziemlich undamenhaften<br />
Roman vorgelegt.<br />
„Von Vögeln und Menschen“,<br />
der u. a. vom tragischen Mordgeständnis<br />
einer Unschuldigen<br />
handelt, beeindruckt nicht nur<br />
durch das äußerst plastisch und<br />
mit sichtlicher Sympathie gestaltete<br />
Personal – allen vor die<br />
zwei Protagonistinnen, Mutter<br />
und Tochter –, sondern auch<br />
die Souveränität und Lässigkeit,<br />
mit der de Moor die Zeitebenen<br />
und Perspektiven wechselt.<br />
Klaus Nüchtern<br />
Magriet de Moor:<br />
Von Vögeln und Menschen.<br />
Hanser Verlag, 263 S., € 23,70<br />
Im neuen Buch von Ferdinand<br />
von Schirach geht es um zwölf<br />
Fälle, anhand derer Fragen<br />
nach Wahrheit und Lüge,<br />
Wirklichkeit und scheinbar<br />
vorgezeichneter Wege abgehandelt<br />
werden. Als Leser denkt<br />
man gerne mit, liegt manchmal<br />
richtig, viel öfter aber täuscht<br />
man sich gewaltig. Dass es möglich<br />
wird, „ganz dabei zu sein“,<br />
ist neben der flüssigen Schreibe<br />
eine der großen Stärken. Am<br />
Schluss wird zumindest eines<br />
klar: Gerechtigkeit gibt es nicht,<br />
im besten Fall nähert man sich<br />
ihr an. Äußerst lesenswert.<br />
Michael Carli<br />
Ferdinand von Schirach:<br />
Strafe<br />
Luchterhand Verlag, 192 S., € 18,50<br />
Die Eltern der neunjährigen<br />
weißen Robin werden ermordet.<br />
Zur selben Zeit eskaliert der<br />
Südafrikanische Konflikt unter<br />
dem Apartheidregime. Die<br />
Tochter der verwitweten Xhosa<br />
Beauty ist seit den Schüleraufständen<br />
in Soweto unauffindbar.<br />
Robins und Beautys<br />
Lebensbahnen begegnen sich im<br />
Sumpf der Ereignisse. Beauty<br />
wird zur Pflegemutter des<br />
Mädchens. Rasch entwickeln sie<br />
eine innige Bindung zueinander.<br />
Ein historisches Drama mit<br />
soghafter Wirkung, einfühlsam<br />
geschildert, erschreckend real.<br />
Ein grandioses Debüt!<br />
Isabel Hörmann<br />
Bianca Marais:<br />
Summ, wenn du das Lied nicht kennst<br />
Wunderraum Verlag, 512 S., € 23,70<br />
Ist dieses Buch eine interessante<br />
Satire über die Möglichkeiten<br />
und Grenzen des autobiografischen<br />
Schreibens? Christoph<br />
trifft Lena, die ihn an seine<br />
ehemalige Geliebte Magdalena<br />
erinnert. Lenas Freund ist<br />
Chris, der wie er ein erfolgsloser<br />
Autor ist. Er will ihr seine<br />
Geschichte erzählen, sie vor<br />
dem warnen, was er hinter sich<br />
hat. Es ist ein raffiniertes Spiel<br />
mit Doppelgängermotiven und<br />
Déjà-vu’s, in dem Realität und<br />
Fiktion zu verschwimmen drohen.<br />
Wollen wir die Geschichte<br />
unseres Lebens schon als Buch<br />
vor uns haben? Gabi Unterberger<br />
Peter Stamm:<br />
Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt<br />
S. Fischer Verlag, 160 S., € 20,60<br />
Ein Trip nach Texas wird für<br />
Martin und seinen Großvater<br />
Franz zu einer Reise in die<br />
Vergangenheit. Hannes Köhler<br />
beschreibt in seinem neuen<br />
Roman das Leben in einem<br />
amerikanischen Gefangenenlager.<br />
Die Geschichte erzählt von<br />
Angst, Hass und Verzweiflung,<br />
aber auch von Freundschaft<br />
und Hoffnung. Franz findet<br />
endlich einen Weg, um seine<br />
Vergangenheit zu bewältigen.<br />
Eine feinfühlige, berührende<br />
Familiengeschichte mit historischem<br />
Hintergrund, die nur<br />
schwer wieder aus der Hand zu<br />
legen ist. Ursula Reicholf<br />
Hannes Köhler:<br />
Ein mögliches Leben<br />
Ullstein Verlag, 352 S., € 22,70<br />
Im Russland in den 1990er<br />
Jahren gibt es jede Menge<br />
Oligarchen, Putsch, Sex und<br />
Geschäfte zu erleben. Anton<br />
aus Deutschland ist als<br />
Analyst für einen Investor unterwegs<br />
und bekommt vor allem<br />
blasse Helden zu sehen, die das<br />
Tageslicht scheuen. Heimliche<br />
Währung sind die Bodyguards,<br />
wer sie nicht jede Nacht neu<br />
schmiert, erlebt seinen eigenen<br />
Auftrag nicht mehr. „Alles<br />
Leben ist Problemlösen.“<br />
Helmuth Schönauer<br />
Arthur Isarin:<br />
Blasse Helden<br />
Knaus Verlag, S. 317, € 22,70
Erri De Luca hat sich für<br />
seinen neuen Roman wohl<br />
in Innsbruck umgeschaut.<br />
Bekanntlich hat es bei uns<br />
gleich drei Skandale um eine<br />
Jesusfigur ohne Lendenschurz<br />
gegeben. In einem Bergdorf in<br />
Italien soll ein Bildhauer einen<br />
ungewöhnlichen Auftrag übernehmen:<br />
Er soll die lebensgroße<br />
Statue eines gekreuzigten Jesus<br />
„entkleiden“ und ist ratlos.<br />
Er wendet sich an den Bischof,<br />
spricht mit einem Rabbiner und<br />
einem muslimischen Arbeiter,<br />
während ihm sich die Erfahrung<br />
des Glaubens immer tiefer<br />
erschließt. Robert Renk<br />
Erri De Luca:<br />
Den Himmel finden<br />
List Verlag, 192 S., € 17,50<br />
erscheint am 11.05.2018<br />
Der in Deutschland lebende<br />
Spanier Aramburu legt einen<br />
welthaltigen Roman über<br />
Schuld und Vergebung, Freundschaft<br />
und Liebe vor, der sich<br />
als „Kulisse“ die komplexe<br />
historische Geschichte rund um<br />
die baskische Untergrundorganisation<br />
ETA ausgewählt hat.<br />
Das Thema Patriotismus wird<br />
glänzend hinterfragt. Anhand<br />
zweier Familien aus demselben<br />
Dorf zeigt der Autor grandios,<br />
wie Terrorismus den inneren<br />
Kern einer Gemeinschaft angreift<br />
und wie lange es dauert,<br />
bis die Menschen wieder<br />
zueinander finden. Robert Renk<br />
Fernando Aramburu:<br />
Patria<br />
Rowohlt Verlag, 764 S., € 25,70<br />
Diesen Roman darf ich schon<br />
jetzt zu meinen absoluten<br />
Favoriten zählen: Drei Frauen<br />
über drei Kontinente hinweg<br />
verbindet eines, ihre Willenskraft.<br />
Smita aus Indien ist eine<br />
Unberührbare (Dalit) und will<br />
diesem Teufelskreis entfliehen.<br />
Giulia aus Italien will die<br />
Familientradition und somit<br />
die Cascatura im sizilianischen<br />
Palermo aufrecht erhalten.<br />
Sarah aus Montreal wird<br />
schmerzlich bewusst, dass ihr<br />
Job nicht alles ist – und was die<br />
drei Frauen außer ihrem Mut<br />
verbindet, müssen Sie selbst<br />
lesen. Ganz große Empfehlung!<br />
Evelyn Unterfrauner<br />
Laetitia Colombani:<br />
Der Zopf<br />
S. Fischer Verlag, 288 S., € 20,60<br />
erscheint am 21.03.2018<br />
In ihrem dritten Buch lässt die<br />
Autorin Wien quasi sich selbst<br />
verdauen. Eine gute Idee der<br />
in Wien lebenden Oberösterreicherin,<br />
und äußerst konsequent<br />
ausgeführt. Im ersten Teil<br />
stehen zahlreiche Figuren mit<br />
Problemen, die der neue Alltag<br />
bringt, im Mittelpunkt, im<br />
zweiten Teil verfolgen wir ein<br />
Ich, das seinen Abgang plant,<br />
und im dritten Teil dreht sich<br />
alles um das „Wiener Kindl“.<br />
Eine dieser „Erzählungen<br />
vom Ende“ wurde letztes Jahr<br />
in Klagenfurt mit dem Publikumspreis<br />
gewürdigt. Markus Köhle<br />
Karin Peschka:<br />
Autolyse Wien<br />
Otto Müller Verlag, 180 S., € 19,00<br />
Es ist selten, aber manchmal<br />
kommt es vor, dass man schon<br />
bei den ersten Seiten erkennt,<br />
dass man ein außergewöhnliches<br />
Buch in Händen hält.<br />
Wenn es dann noch ein Debütroman<br />
ist, dann überrascht<br />
dies ganz besonders. Dem finnischen<br />
Autor Tommi Kinnunen<br />
gelingt dieses Kunststück.<br />
Sein Generationenroman<br />
über drei starke Frauen mit<br />
dunklen Geheimnissen ist ein<br />
eindrucksvolles Plädoyer<br />
für die Würde des Menschen.<br />
Für mich jetzt schon eine der<br />
schönsten Neuerscheinungen<br />
im Frühjahr. Markus Renk<br />
Tommi Kinnunen:<br />
Wege, die sich kreuzen<br />
DVA Verlag, 336 S., € 20,60<br />
Die Schatten von 1938 lassen<br />
Titus auch zwanzig Jahre später<br />
nicht los. Die Erinnerung,<br />
als Kind gezwungen worden zu<br />
sein, eine Mauer mit dem Wort<br />
„Jud“ zu versehen, lässt ihn<br />
explodieren. Ein Gedanke treibt<br />
ihn von nun an voran: Gleiches<br />
mit Gleichem zu vergelten.<br />
Dass der Täter „Hämmerlein“<br />
heißt, ist eine von vielen Anspielungen,<br />
die sich, teils zutiefst<br />
ironisch, durch die Geschichte<br />
ziehen. Mit Wortwitz und<br />
feinem Sprachsinn zeichnet<br />
Thiel eine Figur, die sich beklemmend<br />
echt anfühlt.<br />
Sarah Caliciotti<br />
Georg Thiel:<br />
Jud<br />
Braumüller Verlag, 224 S., € 22,00<br />
Berlin, Sommer 1949:<br />
Der zweite Weltkrieg hat der<br />
Redakteurin Vera Lessing ihre<br />
Familie genommen. Sie will<br />
diese Erlebnisse für immer<br />
hinter sich lassen. Doch als ihr<br />
Kollege Jonathan bei einem<br />
mysteriösen Autounfall stirbt,<br />
muss sie sich damit auseinandersetzen<br />
und findet heraus, woran<br />
Jonathan wirklich gearbeitet<br />
hat. Ein großartiges Buch:<br />
schöner und unterhaltsamer<br />
Schreibstil, feingezeichnete<br />
Charaktere und ein dunkles<br />
Geheimnis vor einer authentischen<br />
Kulisse. Große Leseempfehlung!<br />
Marlene Walder<br />
Claire Winter:<br />
Die geliehene Schuld<br />
Diana Verlag, 576 S., € 22,70<br />
Bis dato hat Antonin Varenne<br />
vor allem mit seinen archaischen<br />
Thrillern auf sich<br />
aufmerksam gemacht. Mit<br />
„Äquator“ setzt er eines drauf<br />
und erfindet den Abenteuerroman<br />
für Erwachsene neu:<br />
Pete Ferguson flieht vor seinem<br />
Jähzorn und seinen Geistern<br />
und macht sich um 1871 von<br />
Nebraska auf den Weg in<br />
Richtung Süden. Er hat gehört<br />
vom sagenhaften Land namens<br />
Äquator, wo das Wasser aufwärts<br />
fließt und die Menschen<br />
sich beschweren müssen, um<br />
nicht abzuheben. Dort erwartet<br />
er Läuterung, findet aber die<br />
Liebe. Robert Renk<br />
Antonin Varenne:<br />
Äquator<br />
C. Bertelsmann Verlag, 432 S., € 20,60<br />
Der Tag der Apokalypse<br />
steht bevor. Peter Gottlieb, der<br />
Hildmeyer (den Gottlieb mit<br />
seinem Auto vorher umgefahren<br />
hat), Polizist Stieger und andere<br />
Auferstandene versammeln sich<br />
im Gasthaus Lamm. Warum<br />
muss der Tag des jüngsten<br />
Gerichts ausgerechnet in einem<br />
kleinen Dorf stattfinden. Ein<br />
Stromausfall und andere merkwürdige<br />
Ereignisse verschieben<br />
die Grenze des <strong>No</strong>rmalen.<br />
Mit trockenem Humor und<br />
sprachlicher Präzision genießt<br />
der Leser diesen Roman.<br />
Lena Kripahle<br />
Christian Mähr:<br />
Der jüngste Tag des Peter Gottlieb<br />
Braumüller Verlag, 361 S., € 24,00<br />
Hans Pleschinskis neues Buch<br />
„Wiesenstein“ ist ein ausuferndbarocker<br />
Roman über die<br />
letzten Monate des Großschriftstellers<br />
und <strong>No</strong>belpreisträgers<br />
Gerhart Hauptmann und eine<br />
Parabel über die Grausamkeiten<br />
der menschlichen Natur,<br />
erzählt anhand der politischen<br />
Wirren in Schlesien kurz nach<br />
Kriegsende 1945. Eindrücklich<br />
erinnert Pleschinski daran,<br />
dass das heutige Europa auf<br />
den Trümmern einer großen<br />
Katastrophe gegründet wurde,<br />
von Flüchtlingen wie von<br />
Kollaborateuren; in Blut, Zorn<br />
und Schuld. Bernd Schuchter<br />
Hans Pleschinski:<br />
Wiesenstein<br />
C. H. Beck Verlag, 552 S., € 24,70<br />
Frida steht kurz vor ihren<br />
Prüfungen an der Polizeischule<br />
Hamburg. Ihr Handy klingelt:<br />
Ihr Vater wurde nach seinem<br />
Besuch in der Kneipe brutal<br />
niedergeschlagen. Widerwillig<br />
fährt sie in ihr Heimatdorf.<br />
Kommissar Haverkorn erinnert<br />
sich an seinen letzten Besuch<br />
vor 20 Jahren, damals wurde die<br />
beste Freundin von Frida tot in<br />
einer Scheune gefunden. Vieles<br />
hat sich seitdem verändert, aber<br />
die Wunden sind noch nicht<br />
geschlossen. Deutsche Provinz<br />
und spannend wie die Fälle von<br />
Pia Kirchhoff. Lena Kripahle<br />
Romy Fölck:<br />
Totenweg<br />
Bastei Lübbe Verlag, 410 S., € 20,60<br />
Lange musste ich auf ein neues<br />
Buch von Anthony Horowitz<br />
warten, es hat sich gelohnt.<br />
Atticus Pünd, ein genialer<br />
Detektiv, erfunden von seinem<br />
Autor Alan Conway. Leider ist<br />
dieser verschwunden und hat<br />
seiner Lektorin nicht das ganze<br />
Manuskript hinterlassen. Zwei<br />
Leichen in Saxby-on-Avon<br />
und der verschwundene Autor,<br />
zwei Fälle, die nun von der<br />
Lektorin gelöst werden müssen.<br />
Spannung und eine Liebe<br />
fürs Detail lassen einen jede<br />
Seite verschlingen. Lena Kripahle<br />
Anthony Horowitz:<br />
Die Morde von Pye Hall<br />
Suhrkamp Verlag, 600 S., € 24,70<br />
Solange sie sich zurückerinnert,<br />
wird Sabine von ihrer Mutter<br />
kontrolliert, kritisiert und bevormundet.<br />
Auch als sie längst erwachsen<br />
ist, kann sie sich nicht<br />
aus dem Bannkreis der Mutter<br />
befreien. Bis Sabine nicht mehr<br />
kann und ein Gedanke immer<br />
lauter wird: Die Mutter muss<br />
sterben! Die Grenzen zwischen<br />
Gut und Böse verschwimmen<br />
in Dutzlers neuem Krimi, der<br />
einen von Seite zu Seite tiefer in<br />
die destruktive Gedankenwelt<br />
einer jungen Frau zieht, die nur<br />
noch einen Wunsch hat: sich<br />
zu rächen. Packend! Markus Renk<br />
Herbert Dutzler:<br />
Am Ende bist du still<br />
Haymon Verlag, 312 S., € 19,90<br />
Der Gletscherforscher Richard<br />
und seine Frau Natascha, eine<br />
erfolgreiche Schriftstellerin,<br />
überlassen ihr Sommerhaus<br />
einer Flüchtlingsfamilie<br />
aus Damaskus. Doch fühlt<br />
sich Richard bald unwohl<br />
im Dunstkreis von Nataschas<br />
humanitärem Eifer. Er ergreift<br />
eine Flucht, die schon lange<br />
in ihm schwelt. Vor der Kulisse<br />
tausende Jahre alten Schnees<br />
erzählt <strong>No</strong>rbert Gstrein von<br />
einer bröckelnden Ehe, von der<br />
Gefahr, die einer gutgemeinten<br />
Geste innewohnen kann, und<br />
dennoch von der Schönheit des<br />
Augenblicks. Dorothea Zanon<br />
<strong>No</strong>rbert Gstrein:<br />
Die kommenden Jahre<br />
Hanser Verlag, 288 S., € 22,70<br />
In ihrer Wohnung wird die<br />
junge Julie übel zugerichtet<br />
gefunden. Sie ist gerade erst für<br />
ihr Studium nach Kopenhagen<br />
gezogen. Die beiden Polizisten<br />
Jeppe Kørner und Anette<br />
Werner beginnen mit ihren<br />
Ermittlungen und stoßen dabei<br />
auf ein Manuskript zu einem<br />
neuen Roman – oder hat ihr<br />
unbekannter neuer Freund<br />
etwas damit zu tun? Ein neuer<br />
Genuss auf den dänischen<br />
Krimi-Tellern, geheimnisvoll<br />
und verdammt spannend.<br />
Lena Kripahle<br />
Katrine Engberg:<br />
Krokodilwächter<br />
Diogenes Verlag, 512 S., € 22,70<br />
erscheint, 28.03.2018<br />
„Wann immer mir dieses Leben,<br />
das ich führe, nicht genug ist,<br />
denke ich mir andere hinzu.“<br />
Francois aus Marseille gibt sich<br />
den Status eines Findelkindes,<br />
seit er von seiner Mutter in<br />
einem Einkaufswagen abgestellt<br />
worden ist. Als Kleinkrimineller<br />
tastet er die Peripherie der<br />
Gesellschaft ab und wird<br />
in New York und Montreal<br />
prompt abgeworfen. Nach<br />
einem Absturz an der Steilküste<br />
überlegt er sich eine trittfeste<br />
Identität. Helmuth Schönauer<br />
Hans Platzgumer:<br />
Drei Sekunden Jetzt<br />
Zsolnay Verlag, 251 S., € 22,70
Sofia und ihre Mutter Rose<br />
reisen nach Südspanien.<br />
Dr. Gomez, ein Spezialist,<br />
soll sie dort behandeln. Roses<br />
letzter Versuch, ihr lebenslanges<br />
Leiden, das wiederkehrende<br />
Versagen ihrer Beine zu heilen.<br />
Auch Sofia ist auf der Suche.<br />
Zerrissen scheint ihr Leben.<br />
Das jahrelange Kümmern um<br />
ihre Mutter hat sie vom Weg<br />
abgebracht. Um ihre Identität<br />
wiederzufinden, stürzt sie sich<br />
in Liebesbeziehungen, befreit<br />
Pablo und begegnet immer<br />
wieder den schmerzzufügenden<br />
Medusen. Eine Mischung<br />
aus Träumerei, Kühnheit und<br />
Spannung. Astrid Eme<br />
Deborah Levy:<br />
Heiße Milch<br />
Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />
288 S., € 20,60<br />
<strong>No</strong>rwegen im Jahr 2017. Die<br />
Natur wird verbaut und die<br />
Gletscher schmelzen. Die fast<br />
70-jährige Umweltaktivistin<br />
Signe sticht mit ihrem Segelboot<br />
in See, an Bord eine<br />
kostbare Ladung. Ihr Ziel: die<br />
Küste Frankreichs. Zwanzig<br />
Jahre später ist Wasser in vielen<br />
südlichen Gebieten Luxus.<br />
Eine schreckliche Dürre und<br />
verheerende Brände lassen Tausende<br />
zu Flüchtlingen werden,<br />
darunter auch David und seine<br />
Tochter Lou. Eine fesselnde<br />
Mischung aus dystopischer<br />
Zukunftsvision und aktuellen<br />
Umweltentwicklungen. Klaudia<br />
Grünfelder<br />
Maja Lunde:<br />
Die Geschichte des Wassers<br />
btb Verlag, 480 S., € 20,60<br />
erscheint am 19.03.2018<br />
Wie alle dicken Bücher hat<br />
mich auch dieses abgeschreckt.<br />
<strong>No</strong>ch dazu fängt es mit einem<br />
Protagonisten an, der im Sterben<br />
liegt. Aber ziemlich schnell<br />
merkt man, was hier Sache ist.<br />
Über unser heutiges Europa,<br />
seine Vergangenheit und leider<br />
auch seine Zukunft lässt es sich<br />
nur dann erzählen, wenn man<br />
Schwarz trägt. Und dennoch ist<br />
dieser Trip am Ende nicht deprimierend,<br />
sondern erhellend.<br />
Und Humor ist auch da. Was<br />
will man mehr von einem Buch?<br />
Radek Knapp<br />
Maxim Kantor:<br />
Rotes Licht<br />
Zsolnay Verlag, 704 S., € 29,90<br />
Er ist wohl der älteste Konflikt<br />
der Welt, jener der Kinder, die<br />
Neues wollen, gegen ihre Eltern.<br />
1861 wagte sich Iwan Turgenjew<br />
an das Thema und schuf ein<br />
Meisterwerk, nun von Ganna-<br />
Maria Braungardt exzellent<br />
neu übersetzt. Arkadi und der<br />
Medizinstudent Basarow sind<br />
die Aufbegehrer, zweiterer ein<br />
überzeugter Nihilist, ersterer<br />
sein Schüler. Doch was bleibt<br />
von der Theorie, wenn in der<br />
Praxis eine schöne Frau<br />
erscheint. Basarow verzweifelt<br />
daran und stirbt, Arkadi begibt<br />
sich auf den Weg, jener Vater zu<br />
werden, gegen den die nächste<br />
Generation aufbegehren wird.<br />
Andreas Hauser<br />
Iwan Turgenjew:<br />
Väter und Söhne<br />
dtv Verlag, 334 S., 26,80<br />
Er war der „King of the Beats“<br />
und flüchtete vor Fans und<br />
Medien ins Haus seiner Mutter<br />
nach Florida. Dort stöbert die<br />
junge Literaturstudentin Jan<br />
Weintraub den schwer (alkohol-)<br />
kranken Jack Kerouac auf, eine<br />
Biografie ist ihr ehrgeiziges Ziel.<br />
Doch nicht nur über das Leben<br />
ihres Idols, auch über jenes seiner<br />
Figuren und Wegbegleiter.<br />
Neal Cassady etwa, oder Joan<br />
Haverty, Kerouacs zweite Frau –<br />
und Jans Mutter, wie sie Jack<br />
gesteht. Der „plötzliche“ Vater<br />
nimmt Jan auf, einzig sein Neffe<br />
Petey glaubt nicht an das neue<br />
Familienglück. Eine Hommage<br />
an Kerouac, meisterhaft und<br />
augenzwinkernd. Andreas Hauser<br />
Anthony McCarten:<br />
Jack<br />
Diogenes Verlag, 256 S., € 22,70<br />
Südengland, 1348. Der von<br />
Gott entsandte Schwarze Tod<br />
wütet in Dörfern und Städten.<br />
Lady Anne von Develish,<br />
eine gebildete Adelige, handelt<br />
schnell und verbarrikadiert<br />
sich mit ihren Bauern auf ihrem<br />
Anwesen. Auf so beengtem<br />
Raum kommt es über kurz<br />
oder lang zu Unmut, doch<br />
Anne weiß die Komplotte<br />
machthungriger Männer und<br />
intriganter Edelfräulein mit<br />
Gewitztheit zu kontern. Minette<br />
Walters hat mit Lady Anne eine<br />
selbst- und furchtlose Heldin<br />
geschaffen, die mit messerscharfem<br />
Verstand den Wirren ihrer<br />
Zeit trotzt. Klaudia Grünfelder<br />
Minette Walters:<br />
Die letzte Stunde<br />
Heyne Verlag, 656 S., € 22,70<br />
Vier Schüler. Ein Mord. Die<br />
Aufmerksamkeit der Polizei gilt<br />
dem vorbestraften Nate, der<br />
Beauty-Queen Addy, der<br />
Einser schülerin Bronwyn und<br />
dem Baseball-Star Cooper.<br />
Jeder der vier hütet ein Geheimnis<br />
und hätte allen Grund,<br />
Simon, den Urheber der<br />
schulweiten Gossip-App, umzubringen.<br />
Langsam bröckelt<br />
die Fassade der – zu Unrecht? –<br />
Verdächtigten, während sich das<br />
Netz aus Lügen und Geheimnissen<br />
immer weiter zuzieht.<br />
Ein packendes und tiefgründiges<br />
Jugendbuch, in dem<br />
man niemandem trauen sollte.<br />
Klaudia Grünfelder<br />
Karen M. McManus:<br />
One of us is lying<br />
cbj Verlag, 448 S., € 18,50<br />
Wer vermutet schon in ruhiger<br />
norwegischer Fjordlandschaft<br />
einen hochexplosiven Ökokrimi?<br />
Leo Vangen wird zum Aufklären<br />
von brutalen Anschlägen<br />
auf Fischzuchtanlagen und<br />
Genlabors in den <strong>No</strong>rden des<br />
Landes gerufen. Ökoaktivisten<br />
und Lachsfarmer halten ihn<br />
auf Trab. Durch Hören von<br />
exzellenter Musik, Einnahme<br />
von Valium und einer Portion<br />
nordischen Humors scheint<br />
er Herr der Lage zu sein. Das<br />
brisante Naturschutzthema der<br />
Lachsfischerei lassen einen nun<br />
jeden Lachs mit etwas anderen<br />
Augen sehen. Elisabeth Wiederin<br />
Lars Lenth:<br />
Der Lärm der Fische beim Fliegen<br />
Limes Verlag, 288 S., € 18,50<br />
Das Meer, Sehnsucht und<br />
Grauen zugleich. Für die<br />
beiden jungen Frauen Teresa,<br />
Fischereibeobachterin für<br />
die EU, und Ragna, Umweltaktivistin<br />
mit einem Vater als<br />
Lobbyist, wird das Meer mehr<br />
zum Grauen als zu einem<br />
Ort der Sehnsucht. Können<br />
die Männer in ihrem Leben sie<br />
retten, denn von politischer<br />
Seite scheint keine Hoffnung zu<br />
kommen. Realistisch, politisch<br />
und spannend präsentiert sich<br />
dieser neue Thriller. Lena Kripahle<br />
Wolfram Fleischhauer:<br />
Das Meer<br />
Droemer Verlag, 443 S., € 20,60<br />
Marlene kannte die Kombination<br />
des Safes, in ihm lagen<br />
die Saphire. Es hatte bereits<br />
begonnen zu schneien, als sie<br />
sich mit ihrem kleinen Schatz<br />
aus dem Haus stahl. Auf der<br />
Flucht vor ihrem Mann, mitten<br />
in der Nacht durch die winterliche<br />
Bergwelt Südtirols. Ihr<br />
Auto kam von der Straße ab,<br />
Simon Keller dachte, sie wäre<br />
tot. Dunkle Geheimnisse, die<br />
Vergangenheit lässt einen nicht<br />
los. Auch der zweite Thriller<br />
zieht einen in seinen Bann,<br />
absolut packend. Lena Kripahle<br />
Luca D’Andrea:<br />
Das Böse, es bleibt<br />
DVA Verlag, 432 S., € 15,50<br />
Jack Price ist Drogendealer der<br />
Extraklasse: kundenorientiert,<br />
höflich und auf optimales<br />
Marketing bedacht. Dass die<br />
Seven Demons, eine Gruppe<br />
Elite-Auftragskiller, auf ihn<br />
angesetzt sind, empfindet<br />
Price als Kompliment und gute<br />
PR. Schade eigentlich, dass<br />
er sie umbringen muss. Fluchend<br />
mordet sich Price auf<br />
blutig-kreative Weise zu den<br />
Hitmen durch, um die Seven<br />
Demons persönlich zur Hölle<br />
zu jagen. Im Stil eines inneren<br />
Monologes geschrieben:<br />
sarkastisch, dreckig und absolut<br />
genial. Klaudia Grünfelder<br />
Aidan Truhen:<br />
Fuck you very much<br />
Suhrkamp Verlag, 350 S., € 15,40<br />
erscheint am 16.04.2018<br />
Hollywood in den goldenen<br />
Zwanzigern, die Zeit der<br />
Stummfilme und wilden Partys.<br />
Hardy Engel ist eigentlich<br />
Schauspieler, aber es läuft nicht<br />
sehr gut. Früher war er Polizist<br />
in Mannheim, jetzt beginnt<br />
er sein zweites Standbein als<br />
Detektiv. Zwei kleine Fälle<br />
konnte er bereits lösen, doch in<br />
seinem neuen Fall scheint alles<br />
ein wenig anders zu sein. Hardy<br />
macht sich auf die Suche nach<br />
einer jungen Schauspielerin.<br />
Nicht jeder wird Hardy lieben,<br />
aber seinen Fall ganz bestimmt.<br />
Lena Kripahle<br />
Christof Weigold:<br />
Der Mann, der nicht mitspielt<br />
Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />
628 S., € 22,70<br />
Was ist der Sinn des Lebens?<br />
Was ist ein gutes und glückliches<br />
Leben? In seinem neuen<br />
Buch lässt der Bestsellerautor<br />
den siebzigjährigen Henry<br />
auf sein Leben zurückblicken.<br />
Im Dialog begibt er sich von<br />
der Kindheit bis hin zur Gegenwart<br />
und reflektiert dabei sein<br />
Denken und Handeln. Poetisch,<br />
feinsinnig und würdevoll<br />
erzählt. Es regt zum Denken<br />
und Reflektieren an. Das Buch<br />
enthält darüber hinaus auch<br />
mehrere Methoden, selbst mit<br />
seinem inneren Kind in Verbindung<br />
zutreten. Marlene Walder<br />
Uwe Böschemeyer:<br />
Der alte Mann und sein inneres Kind<br />
Benevento Verlag, 104 S., €12,00<br />
Ist es ein Roman oder eine<br />
Biographie? Finnegan erzählt,<br />
wie er dem Surfen verfällt. Er<br />
erzählt von seinen Reisen nach<br />
Samoa, Indonesien, Australien<br />
oder Südafrika. Er erzählt<br />
davon, wie er – trotz Familie<br />
und Job in New York – das<br />
Surfvirus nicht zähmen kann<br />
und will. Dieses ultimative<br />
Gefühl der Naturverbundenheit,<br />
der Freiheit. Nur wie<br />
er das erzählt, das ist literarisch<br />
vom Feinsten. Liest sich<br />
wie Knausgard, nur mit Pep!<br />
Robert Renk<br />
William Finnegan:<br />
Barbarentage<br />
Suhrkamp Verlag, 566 S., € 18,50<br />
Nachdem Martin Prinz zuletzt<br />
die Lebensgeschichte einer<br />
späten Habsburgerin und<br />
frühen Sozialistin erzählt hat,<br />
wird es nun – so scheint es –<br />
autobiografisch. Der Großvater<br />
amtierte knapp dreißig<br />
Jahre als Bürgermeister von<br />
Lilienfeld. Der Enkel kennt das<br />
Wort Politik lange, bevor er es<br />
begreifen kann. Wie beeinflusst<br />
das unauflösliche Ineinander<br />
von Politik und Familie das<br />
Heranwachsen und wie blickt<br />
der erwachsene Schriftsteller<br />
darauf zurück? Wenn es gut<br />
sein soll, dann so wie Martin<br />
Prinz! Robert Renk<br />
Martin Prinz:<br />
Die unsichtbaren Seiten<br />
Insel Verlag, 220 S., ca. € 22,70<br />
erscheint am 16.04.18<br />
Erst in Italien wäre Goethe zum<br />
großen Dichter geworden, so<br />
Adalbert Stifter. Esther Kinsky<br />
hat die Grand Tour unternommen<br />
und beschreibt mit<br />
geschultem Blick Landschaften<br />
voller Vögel und Baumgruppen.<br />
Trifft sie Menschen? Die Frauen<br />
scheinen im Privaten verschwunden,<br />
die Landschaft ist<br />
ein heiliger Hain mit Müllmännern.<br />
Sie trauert. Um M. Um<br />
den Vater. Um eine kindliche<br />
Sichtweise auf die Welt, die vergangen<br />
ist. Sprachlich machen<br />
die traurigen Sätze große Freude,<br />
drehen uns allerdings auch<br />
den Rücken zu. Mieze Medusa<br />
Esther Kinsky:<br />
Hain<br />
Suhrkamp Verlag, 287 S., € 24,70
© Stadtbücherei Innsbruck<br />
Die „Grenzgänge“ der<br />
Stadtbücherei Innsbruck<br />
Bis an den Horizont und darüber hinaus.<br />
Von Boris Schön und Markus Jäger<br />
Besondere<br />
Ausweitung des<br />
literarischen<br />
Veranstaltungsangebotes<br />
…<br />
Boris Schön<br />
54 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Die „Grenzgänge“ sind zu einer Institution<br />
des Innsbrucker Literaturbetriebs geworden.<br />
2013 wurden sie von der Stadtbücherei<br />
Innsbruck in Zusammenarbeit mit 8ung<br />
Kultur ins Leben gerufen und locken zweimal<br />
jährlich die BesucherInnen in die erweiterten<br />
Arbeitszimmer interessanter AutorInnen.<br />
Ob nun kulturell oder politisch, Genreoder<br />
Themen-, Stil- oder Handlung – das<br />
Über schreiten von Grenzen erweitert den<br />
Horizont. Besonders in dieser Horizonterweiterung<br />
liegt die Faszination der<br />
Veranstaltungsreihe der Stadtbücherei.<br />
Die „Grenzgänge“ ermöglichen regelmäßig<br />
Einblicke in das künstlerische Schaffen<br />
spannender SchriftstellerInnen. Dabei wird<br />
stets eine literarische Stimme aus <strong>No</strong>rd-,<br />
Ost- oder Südtirol eingeladen, um mit<br />
einer Kollegin oder einem Kollegen aus<br />
dem deutschsprachigen Raum in einem<br />
Werkstattgespräch literarische Grenzen zu<br />
diskutieren. Interessante Konstellationen<br />
– die in der Stadtbücherei aufeinandertrafen<br />
– waren etwa Katja Lange-Müller und<br />
Alois Hotschnig, Sabine Gruber und Ilija<br />
Trojanow, Christoph W. Bauer und Heinrich<br />
Steinfest sowie Doron Rabinovici und<br />
Barbara Hundegger.<br />
Bei allen Unterschieden zwischen den<br />
literarischen Gästen schafft Moderator<br />
Klaus Zeyringer es immer wieder, durch<br />
seine beeindruckende Recherchearbeit<br />
Parallelen herauszuarbeiten und die Abende<br />
gleichermaßen informativ und unterhaltsam<br />
zu gestalten. In den Gesprächen geht es um<br />
Thematik, Arbeitsweise, Genre und noch<br />
zahlreiche weitere Facetten des Schreibens.<br />
Lesungen aus den aktuellen Werken der<br />
GrenzgängerInnen runden die Abende ab.<br />
55<br />
Letzter Gang<br />
im alten Haus<br />
Für den 11. Grenzgang kamen kürzlich Robert<br />
Prosser aus Tirol und Urs Mannhart<br />
aus der Schweiz zusammen, um über Finessen<br />
ihrer schriftstellerischen Tätigkeit zu<br />
diskutieren. Robert Prosser erzählte davon,<br />
wie sehr die Forschungsarbeit als Student<br />
der Anthropologie auch sein literarisches<br />
Arbeiten beeinflusst, und Urs Mannhart reflektierte<br />
über die unterschiedlichen Erfahrungen<br />
als Verfasser von Reportagen sowie<br />
von preisgekrönten literarischen Texten.<br />
Mannhart, der etwa auch für den Ingeborg-Bachmann-Preis<br />
nominiert war, las<br />
aus seinem letzten Roman „Bergsteigen im<br />
Flachland“ und erläuterte, was es mit diesem<br />
Titel auf sich hat. Prosser trug aus seinem<br />
Roman „Phantome“ vor, der auf der<br />
Longlist des Deutschen Buchpreises 2017<br />
zu finden war, und bewies einmal mehr,<br />
dass die Rhythmik von Literatur nicht von<br />
der Handlung entkoppelt werden kann.<br />
Den Spoken-Word-Mann Prosser hielt es<br />
nicht auf dem Stuhl, sodass sein Schweizer<br />
Kollege zur Konklusion kam: „Wenn ich<br />
gewusst hätte, dass Robert das so vorträgt,<br />
dann hätte ich den Gurt mitgebracht, um<br />
mich anzuschnallen.“<br />
Die neue Innsbrucker<br />
Stadtbibliothek<br />
In der neuen Innsbrucker Stadtbibliothek in<br />
der Amraser Straße kann das Medienangebot<br />
auf 150.000 erweitert werden. Der neue<br />
Standort gegenüber dem Einkaufszentrum<br />
Sillpark verbindet die Innenstadt mit Pradl<br />
und den angrenzenden östlichen Stadtteilen<br />
und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
aus allen Richtungen bestens erreichbar.<br />
Im Zentrum des neuen Bibliothekskonzepts<br />
steht die Bibliothek als öffentlicher Raum.<br />
Ihre Kernaufgaben sind:<br />
• die Bibliothek als Ort der Begegnung<br />
und sozialer Treffpunkt<br />
• die Bibliothek als Ort des Lernens<br />
mit zahlreichen Lernplätzen<br />
• die Bibliothek als Kooperationspartner<br />
von Bildungsinstitutionen<br />
• die Bibliothek als Veranstaltungsort<br />
mit eigenem Veranstaltungsraum<br />
• die Bibliothek als lesepädagogisches<br />
Zentrum für schulische und außerschulische<br />
Leseförderung<br />
Ein oben bereits erwähntes Herzstück ist<br />
der Veranstaltungsraum, der nicht nur eine<br />
höhere Anzahl, sondern auch ein inhaltlich<br />
größeres Spektrum von Veranstaltungen der<br />
Stadtbibliothek sowie vielfältige Kooperationsmöglichkeiten<br />
bietet. Die Kooperation<br />
zwischen der Stadtbücherei Innsbruck und<br />
8ung Kultur führt auf diesem Weg weiterhin<br />
zu einer ganz besonderen Ausweitung<br />
des literarischen Veranstaltungsangebotes<br />
der Tiroler Landeshauptstadt. Innsbruck<br />
darf gespannt sein, wie sich die Möglichkeiten<br />
der neuen Stadtbibliothek auf die<br />
Entwicklung der „Grenzgänge“ und alle<br />
anderen Veranstaltungsformate auswirken.<br />
Buchtipp:<br />
Urs Mannhart:<br />
Bergsteigen im Flachland<br />
Secession Verlag, 660 S., € 25,70<br />
Veranstaltung:<br />
Grenzgänge XII<br />
Mit Felix Mitterer und<br />
Klaus Zeyringer<br />
Mi. 21. <strong>No</strong>vember 2018 um<br />
19:00 Uhr<br />
Neue Innsbrucker Stadtbibliothek<br />
Pema 2, Amraser Straße<br />
Eintritt frei!
Vorschau: Herbst 2018<br />
Zwei, die sich schätzen, jeder von ihnen ein Kapazunder<br />
auf seinem Gebiet. Zwei, die sich gefunden haben.<br />
Ein rares Vergnügen, ein sehr rares, sie beide an einem<br />
Abend zu erleben! Von Robert Renk<br />
Zeit der Zauberer – Das große<br />
Jahrzehnt der Philosophie<br />
Ludwig Wittgenstein, Walter Benjamin, Ernst Cassirer<br />
und Martin Heidegger. Von Markus Renk<br />
© links: friedlundpartner.at – rechts: Christoph Haderer<br />
Buchtipp:<br />
Peter Turrini:<br />
Rozznjogd (Rattenjagd)<br />
gezeichnet von Gerhard Haderer<br />
Haymon Verlag, 224 S., € 24,90<br />
© MichaelHeck<br />
Veranstaltung:<br />
Literarisch-Cartoonistisches<br />
Doppel: Peter Turrini<br />
& Georg Haderer,<br />
Moderation: Sylvia Treudl<br />
Fr., 7. September 2018 um<br />
19:00 Uhr<br />
Spanischer Saal –<br />
Schloss Ambras Innsbruck<br />
Eintritt: 15,– / 12,–<br />
VVK: Wagner’sche Buchhandlung<br />
und Ö-Ticket<br />
veranstaltet von 8ungKultur in<br />
Kooperation mit der<br />
Wagner’schen<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Vor unglaublichen 47 Jahren machte ein<br />
Stück Peter Turrini schlagartig bekannt.<br />
Die „Rozznjogd“ (Uraufführung am<br />
22. Jänner 1971 im Wiener Volkstheater)<br />
ist und bleibt ein Highlight der österreichischen<br />
Theatergeschichte. Zwei Menschen<br />
– Mann und Frau – landen bei ihrem<br />
ersten Date in einem Cabrio am Müllplatz.<br />
Anstatt sich von der besten Seite zu zeigen,<br />
setzen sie alles auf eine Karte. In einem<br />
richtiggehenden Rausch entledigen sie sich<br />
Stück für Stück der Fassade: ihrer Kleider,<br />
ihrer Habseligkeiten, ihrer Moral. Was ist<br />
es, das übrig bleibt?<br />
Die „Rozznjogd“ wird inzwischen<br />
weltweit gespielt, zurzeit u. a. in Syrien!<br />
Aber auch Übersetzungen ins Arabische,<br />
Chinesische, Englische, Französische<br />
oder Spanische liegen vor. Nun gibt es<br />
eine weitere, beglückende Übersetzung:<br />
ins Cartoonistische!<br />
Gerhard Haderer, einer der bedeutendsten<br />
satirischen Zeichner im deutschsprachigen<br />
Raum, der ebenso international<br />
wie zutiefst österreichisch sein kann, hat<br />
die „Rozznjogd“ für sich entdeckt. Und<br />
der Scherz & Schund-Spezialist legt eine<br />
waschechte österreichische Graphic <strong>No</strong>vel<br />
vor, seine erste!<br />
Gerhard Haderer – Der Zeichner und Karikaturist<br />
Gerhard Haderer ist nicht nur ein Meister der<br />
komischen Kunst – er ist gleichzeitig ein begnadeter<br />
Chronist menschlicher Verwerfungen. Seine<br />
Karikaturen erscheinen u. a. in den Magazinen<br />
STERN, NEWS und PROFIL, das politische<br />
Leben kann man regelmäßig in Haderers beliebten<br />
„Jahr büchern“ nachschauen. Im <strong>No</strong>vember 2017<br />
eröffnete Haderer auf dem Areal der Tabakfabrik<br />
in Linz die Denkwerkstatt SCHULE DES<br />
UNGEHORSAMS. Neben der Dauerausstellung<br />
seiner Werke werden dort außerdem Workshops,<br />
Themenabende oder Diskussionen zum Thema<br />
„Ungehorsam“ stattfinden.<br />
Peter Turrini, geboren 1944 in St. Margarethen<br />
in Kärnten. Mit seinen Theaterstücken und Drehbüchern<br />
gilt er als einer der führenden deutschsprachigen<br />
Dramatiker der Gegenwart, er verfasst<br />
zudem Gedichte und Essays. Seine Werke wurden in<br />
viele Sprachen übersetzt und seine Stücke weltweit<br />
gespielt. Zudem wurde Peter Turrini mehrfach<br />
ausgezeichnet, zuletzt etwa mit dem Vinzenz-Rizzi-<br />
Preis (2014) oder dem Nestroy-Theaterpreis für<br />
sein Lebenswerk (2011). Bei HAYMONtb sind seine<br />
Stücke „Jedem das Seine“ (gemeinsam mit Silke<br />
Hassler, 2016) und „Sieben Sekunden Ewigkeit“<br />
(2017) erschienen. Am 28. 1. 2018 feierte sein neuestes<br />
Stück „Fremdenzimmer“ Premiere am Theater<br />
an der Josefstadt.<br />
56 57<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Was passiert, wenn vier geniale Philosophen<br />
in einer goldenen Zeitära der Kreativität<br />
sich gegenseitig zu Höchstleistungen vorantreiben<br />
und ihre erstaunlichen geistigen<br />
Fähigkeiten dazu nutzen, um der Frage<br />
nachzugehen: „Was ist der Mensch?“<br />
Wolfram Eilenberger, Bestsellerautor,<br />
langjähriger Herausgeber des „Philosophie<br />
Magazins“ und der wohl begabteste und<br />
zurzeit auffälligste Vermittler von Geistesgeschichte<br />
im deutschsprachigen Raum, erweckt<br />
die Philosophie der Zwanziger Jahre<br />
und mit ihr ein ganzes Jahrzehnt zwischen<br />
Lebenslust und Wirtschaftskrise, Nachkrieg<br />
und aufkommendem Nationalsozialismus<br />
zum Leben. Der kometenhafte Aufstieg<br />
Martin Heideggers und dessen Liebe<br />
zu Hannah Arendt. Der taumelnde Walter<br />
Benjamin, dessen amourfou auf Capri<br />
mit einer lettischen Anarchistin ihn selber<br />
zum Revolutionär macht. Der Genius und<br />
Milliardärssohn Wittgenstein, der, während<br />
er in Cambridge als Gott der Philosophie<br />
verehrt wird, in der oberösterreichischen<br />
Provinz vollkommen verarmt Grundschüler<br />
unterrichtet. Und schließlich Ernst Cassirer,<br />
der Jahre vor seiner Emigration in den<br />
bürgerlichen Vierteln Hamburgs am eigenen<br />
Leib den aufsteigenden Antisemitismus<br />
erfährt. In den Lebenswegen und dem revolutionären<br />
Denken dieser vier Ausnahmephilosophen<br />
sieht Wolfram Eilenberger den<br />
Ursprung unserer heutigen Welt begründet.<br />
Dank der großen Erzählkunst des Autors<br />
ist uns der Rückblick auf die Zwanziger<br />
Jahre zugleich Inspiration und Mahnung,<br />
aber in allererster Linie ein mitreißendes<br />
Lesevergnügen.<br />
Die großen Philosophen Ludwig Wittgenstein,<br />
Walter Benjamin, Ernst Cassirer<br />
und Martin Heidegger prägten diese<br />
Epoche und ließen die deutsche Sprache<br />
ein letztes Mal vor der Katastrophe des<br />
Zweiten Weltkriegs zur Sprache des Geistes<br />
werden.<br />
Wolfram Eilenberger, geboren 1972, ist Philosoph,<br />
Publizist und Schriftsteller. Seine Leidenschaft ist<br />
die Anwendung philosophischer Gedanken auf die<br />
heutige Lebenswelt, sei es in Fragen der Politik, der<br />
Kultur oder des Sports. Er lehrte an der University<br />
of Toronto (Kanada), der Indiana University (USA)<br />
und an der Berliner Universität der Künste. Zudem<br />
ist er Programmleiter des Berliner Verlags Nicolai<br />
Publishing & Intelligence.<br />
Buchtipp:<br />
Wolfram Eilenberger:<br />
Zeit der Zauberer<br />
Klett-Cotta Verlag, 431 S.,<br />
ca. € 25,80
Autorinnen und Autoren<br />
dieser Ausgabe<br />
Sarah Caliciotti, gelernte Buchhändlerin, studiert Vergleichende<br />
Literaturwissenschaft in Innsbruck. Sie arbeitet<br />
außerdem (u. a. Licht und Ton) im Innsbrucker Keller theater<br />
und ist nebenbei immer wieder als Regieassistentin an verschiedenen<br />
Theatern tätig.<br />
Markus Jäger, geboren 1976. Studium der Anglistik<br />
und Amerikanistik (Dr. phil.) und Politikwissenschaft<br />
(Mag. phil.). Seit 2008 im Team der Stadtbücherei.<br />
Zuständig u. a. für die fremdsprachige Literatur, Öffentlichkeitsarbeit<br />
und den LGBT Bestand.<br />
Boris Schön, geboren 1983, studierte Germanistik und hat<br />
nach Tätigkeiten im Buchhandel und verschiedenen Verlagen<br />
seine Heimat in der Innsbrucker Stadtbücherei gefunden.<br />
Dort ist er zuständig für das Veranstaltungswesen und den<br />
Einkauf Belletristik.<br />
Y O U R M A G A Z I N E<br />
2 0<br />
1 8<br />
F A S H I O N B E A U T Y L I F E S T Y L E K U L T U R<br />
Michael Carli, gelernter Kulturvermittler, Werber und<br />
Lebensmittelhändler. Lebt in Innsbruck, liebt Sardinien.<br />
Erna Cuesta, in Salzburg geborene Spanierin mit französischer<br />
Schulausbildung. Langjährige Fernsehjournalistin<br />
(ORF, ARD Korrespondentenbüro, 3sat etc.), Moderatorin,<br />
Printredakteurin, Pressereferentin und Autorin.<br />
Ágnes Czingulszki, 1987 geboren in Baja (Südungarn),<br />
lebt – nach einigen Stationen in Europa – nun als Journalistin<br />
und Autorin in Innsbruck.<br />
Astrid Eme, vor 27 Jahren von Niederösterreich nach<br />
Tirol übersiedelt. Arbeitet seit 2008 in der Wagner’schen.<br />
Mit großer Freude betreut sie Kunden im Bereich der<br />
Kasse und Abholfach, <strong>No</strong>nbooks und Geschenkbuch<br />
befinden sich auch in ihrer Obhut.<br />
Martin Fritz, geboren 1982, hört sich in seiner Freizeit gerne<br />
DJ Patex’ Coverversion des Songs „I Wish I Was Him“ an.<br />
Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien<br />
sowie „intrinsische süßigkeit“ (Lyrik, Berger Verlag 2013),<br />
zuletzt: Performance „HIDDEN TRACK“ (brux – Freies<br />
Theater Innsbruck, 2017), Weblog: assotsiationsklimbim.<br />
twoday.net<br />
Dana Grigorcea, geboren 1979 in Bukarest, studierte<br />
Deutsche und Niederländische Philologie. Sie schreibt<br />
Romane und Kinderbücher und lebt mit Familie in Zürich.<br />
Soeben erschien „Die Dame mit dem maghrebinischen<br />
Hündchen“ (Dörlemann).<br />
Klaudia Grünfelder, 1995 in Brixen (Südtirol) geboren.<br />
Hat bereits in Brixen und Salzburg in Buchhandlungen<br />
gearbeitet und ist seit 2016 in der Wagner’schen tätig.<br />
Markus Hatzer, geboren 1966 in Prägraten (Osttirol),<br />
seit 1981 Buchhändler, Verleger des Haymon Verlags,<br />
des Löwenzahn und Studienverlags und des Universitätsverlags<br />
Wagner. 2015 als Partner bei der Wagner’schen<br />
Universitätsbuchhandlung eingestiegen.<br />
Andreas Hauser erbte die Liebe zur Kriminalliteratur von<br />
seinem Vater, schrieb lang im Tiroler Magazin ECHO Beiträge<br />
zu Wissenschaft und Zeitgeschichte, Empfehlungen von<br />
Krimis, Thrillern und Literatur. Seit 2015 Mitarbeiter und<br />
CP-Redakteur der KULTIG Werbeagentur in Innsbruck.<br />
Birgit Holzner, 1974 in Innsbruck geboren, Studium der<br />
Romanistik und Germanistik in Innsbruck, 1995 –1996<br />
EU-Fremdsprachenassistentin am Lycée franco-finlandais<br />
d’Helsinki, längere Aufenthalte in Frankreich, seit 2008<br />
Verlagsleiterin der innsbruck university press und der edition<br />
laurin, veranstaltet zusammen mit Joe Rabl die Innsbrucker<br />
Wochenendgespräche.<br />
Gracia Kasenbacher-Harar, Choreografin und Tanzpädagogin,<br />
geboren in Utrecht, wohnt in Innsbruck und betreut seit<br />
Oktober 2015 die Schaufenster in der Wagner’schen.<br />
Radek Knapp ist Autor und Obstverkäufer in Wien. Zahlreiche<br />
Publikationen, zuletzt: „Der Mann der Luft zum<br />
Frühstück aß“ (Deuticke). www.hanser-literaturverlage.de/<br />
autor/radek-knapp<br />
Markus Köhle ist Sprachinstallateur, Literaturzeitschriftenaktivist<br />
und Papa Slam Österreichs. Zahlreiche Publikationen,<br />
zuletzt: „Jammern auf hohem Niveau“ (Sonderzahl).<br />
www.autohr.at<br />
Lena Kripahle, 1984 geboren und Buchhändlerin. Bereits<br />
seit der 1. Klasse süchtig nach Druckerschwärze und<br />
Hörbüchern. Seit <strong>No</strong>vember 2015 ist die Wagner’sche ihre<br />
neue Heimat.<br />
Mieze Medusa ist Autorin, Rapperin und Pionierin der<br />
österreichischen Poetry Slam Szene. www.miezemedusa.com<br />
Klaus Nüchtern, geboren 1961 in Wien. Seit 1990 Kulturredakteur<br />
beim Falter; seine Kolumnen „Nüchtern betrachtet“<br />
liegen gesammelt in 5 Bänden vor. Nach Wittgenstein<br />
und Buster Keaton widmete er sich zuletzt dem Kontinent<br />
Doderer.<br />
Martin Prinz, geboren 1973, aufgewachsen in Lilienfeld<br />
(Niederösterreich), studierte Theaterwissenschaft und<br />
Germanistik und lebt als Schriftsteller in Wien. Zuletzt<br />
erschienen „Die letzte Prinzessin“ und soeben „Die unsichtbaren<br />
Seiten“ (beide Insel).<br />
Joe Rabl, geboren in Kufstein; Studium der Komparatistik<br />
und Germanistik in Innsbruck; war in diversen Verlagen<br />
beschäftigt; arbeitet als freier Lektor; veranstaltet zusammen<br />
mit Birgit Holzner die Innsbrucker Wochenendgespräche.<br />
Ursula Reicholf, geboren 1970 in Innsbruck. Als gelernte<br />
Drogistin arbeitete sie viele Jahre im Naturkostbereich. Seit<br />
einem Jahr ist sie im Team der Wagner’schen.<br />
Markus Renk, seit 30 Jahren in der Buchbranche. Fachgruppen-Obmann<br />
der Buch- und Medienwirtschaft Tirol<br />
und seit Oktober 2015 Chef der Wagner’schen.<br />
Robert Renk, Buchhändler und Kulturveranstalter. Moderiert<br />
gerne in Leukerbad, Hausach und in der Wagner’schen.<br />
Gastdozent an der Uni Innsbruck. Sortimentsleiter in der<br />
Wagner’schen. Gibt das Magazin „Wagner einmalig“ heraus.<br />
Nina Rettenbacher brachte uns der Koch- und Gärtnergott in<br />
die Wagner’sche. Erste Stadtgärtnerin und grandiose Köchin<br />
& Gastgeberin im 1. Stock.<br />
Helmuth Schönauer, geboren 1953, ist gerichtlich anerkannter<br />
Schriftsteller und (noch) Bibliothekar. „Tagebuch<br />
eines Bibliothekars“, 5 Bände; Klagenfurt, Sisyphus 2016;<br />
„Krautig“, 13 Kurzromane, welche die Tiroler ums Verrecken<br />
nicht schreiben wollen, Wien: Kyrene 2016.<br />
Bernd Schuchter, geboren 1977 in Innsbruck, studierte<br />
Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Universität<br />
Innsbruck. Autor und Verleger (Limbus Verlag). Zuletzt:<br />
„Herr Maschine oder vom wunderlichen Leben und Sterben<br />
des Julien Offray de La Mettrie“ (2018), braumüller.<br />
Silvia Spiegl, Germanistin, seit 1991 Buchhändlerin in der<br />
Wagner’schen.<br />
Ilija Trojanow geboren 1965 in Sofia, floh mit seiner<br />
Familie 1971 nach Deutschland, wo sie politisches Asyl<br />
erhielt. Weitere Stationen: Nairobi. Bombay. Kapstadt.<br />
Wien. Zuletzt erschien der aphoristische Essayband „Nach<br />
der Flucht“ (S. Fischer). Im Feber erhielt er den Usedomer<br />
Literaturpreis. Im Juni letzten Jahres verbrachte er eine<br />
Nacht in der Wagner’schen.<br />
Gabi Unterberger, teilzeitbeschäftigte Reisebüroangestellte<br />
und ehrenamtliche Bibliothekarin vom Lande mit umfassendem<br />
Haus(buch)bestand und Hausverstand.<br />
Evelyn Unterfrauner ist 24 und in Südtirol aufgewachsen.<br />
Aktuell ist sie als PR-Beraterin bei der Agentur P8<br />
Marketing tätig. Sie betreibt den Book Broker Blog auf<br />
bookbroker.wordpress.com und moderiert die Buchsendung<br />
auf Tirol TV.<br />
Marlene Walder, geb. 1994. Seit 2013 in der Wagner’schen.<br />
Steckt hinter den Blind Dates und ist seit <strong>No</strong>vember 2017<br />
Abteilungsleiterin für Ratgeber und Kinderbuch.<br />
Elisabeth Wiederin, nach mehrjähriger Pause wieder in der<br />
Wagner’schen. Bewegt dort mit viel Leidenschaft tonnenschwere<br />
Büchertürme im Bereich „Schulbuch“ – und für<br />
die Entspannung gibt es nordische Literatur am besten in<br />
nordischen Landschaften.<br />
Gabriele Wild liest momentan hauptsächlich Bilderbücher<br />
mit ihrer kleinen Tochter, wird aber bald wieder als begeisterte<br />
Literaturvermittlerin und Gestalterin des Literaturhaus-Programms<br />
zu erleben sein.<br />
Klex Wolf, geboren 1968 in Innsbruck. Musiker, Komponist<br />
und Musiktherapeut. Mitbegründer und Obmann-Stellv.<br />
sowohl bei 8ungKultur als auch beim Kammerorchester<br />
InnStrumenti. Als Musiker u. a. zusammen mit Hannes<br />
Sprenger als Fransen unterwegs. Zuletzt CD „Die Siebentagewoche“<br />
(Fransen, Markus Köhle und Ursula Timea<br />
Rossel).<br />
Isabel Karoline Hörmann, geboren 1979 in Innsbruck, als<br />
Texterin im Alpenresort Schwarz (Mieming) tätig. Lesehungrig,<br />
schreibverliebt, fasziniert von Wort und Sprache.<br />
Merle Rüdisser stammt aus Vorarlberg, übersiedelte<br />
zwecks Studium (Literaturwissenschaft und Philosophie)<br />
nach Innsbruck, arbeitet als Lektorin (Limbus Verlag)<br />
und Korrekturleserin und schreibt eigentlich nicht.<br />
Dorothea Zanon, geboren 1980 in Lienz/Osttirol, Studium<br />
der Literaturwissenschaft in Innsbruck und Wien. Lektorin<br />
und Programmleiterin des Haymon Verlags.<br />
Andrea Scheiber ist seit 1992 in der Wagner’schen, liest<br />
natürlich gerne bevorzugterweise Kinderbücher und Krimis,<br />
liebt Backen und lange Spaziergänge.<br />
INNSBRUCKS NEUES LIFESTYLE MAGAZIN<br />
Bücher seit 1639<br />
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Siljarosa Schletterer, geboren 1991 in Innsbruck, studiert<br />
u. a. Musikwissenschaft an der Universität Innsbruck. Frühe<br />
Beschäftigung mit Texten. Mehrere Lesungen, zusätzlich<br />
wurden Werke von ihr vertont.
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Museumstraße 4<br />
6020 Innsbruck<br />
T. +43 512 59505 0<br />
info@wagnersche.at<br />
www.wagnersche.at