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Wagnereinmalig No. 6

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Das Buchmagazin der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung — 03.2018<br />

Wagner<br />

eı˙nmalı˙g<br />

#<strong>No</strong>. 6


© Andreas Licht<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Menschen, die lesen, leben<br />

länger! – Die amerikanische<br />

Schauspielerin Helen Hayes<br />

hat den schönen Satz geprägt:<br />

„Von seinen Eltern lernt man<br />

lieben, lachen und laufen.<br />

Doch erst wenn man mit Büchern<br />

in Berührung kommt,<br />

entdeckt man, dass man Flügel<br />

hat.“ Dementsprechend<br />

motiviert und beflügelt gestaltet<br />

sich unser Berufsalltag<br />

und wir freuen uns, dass<br />

wir dies mit unseren Kunden<br />

teilen können. Außerdem hat<br />

eine Studie der Yale University<br />

School of Public Health<br />

herausgefunden, dass Menschen,<br />

die viel lesen, einen<br />

„signifikanten Überlebensvorteil“<br />

gegenüber Menschen<br />

haben, die keine Bücher<br />

lesen. Die Forscher stellten<br />

fest, dass Menschen, die<br />

Bücher lesen, im Durchschnitt<br />

zwei Jahre länger leben als<br />

Menschen, die nicht lesen.<br />

Sie sehen, ein Besuch in der<br />

Wagner’schen Buchhandlung<br />

lohnt sich in mehrerlei Hinsicht<br />

! Viel Spaß beim Lesen!<br />

Markus Renk (re.), Markus Hatzer<br />

Inhalt<br />

6 Mit dem Taxi ins O-Dorf<br />

Unsere Buchreihe wird immer beliebter …<br />

10 Literarisches Tirol<br />

Heimische Perlen aus der Flut der Neuerscheinungen<br />

14 Stefan Zweig auf der Bühne<br />

Susanne Schmelcher & Matthias Tuzar im Gespräch …<br />

16 Buchpräsentationen<br />

Bernd Schuchter in der Kunstpause und Susanne Gurschler<br />

in ganz Innsbruck<br />

20 Verlagspräsentationen<br />

Der Schwerpunkt bei uns im Frühjahr: Die Verlage Wunderraum,<br />

Manesse und Kiepenheuer & Witsch bei uns zu Gast<br />

24 David Schalko<br />

präsentiert – in einer Drehpause – seinen neuen Roman „Schwere Knochen“<br />

26 Peschka lässt Wien untergehen<br />

Karin Peschka präsentiert ihren neuen Roman beim 16. Prosafestival<br />

30 Märchenhaft<br />

Michael Köhlmeier schwärmt in der Wagner’schen<br />

32 Eine Nähe – eine Ferne<br />

Yoko Tawada eröffnet das 4. Lyrikfestival W:ORTE<br />

37 Leidenschaft, die Leiden schafft<br />

Stefan Gmünder und Klaus Zeyringer machen sich Gedanken<br />

rund ums runde Leder<br />

40 Rumänien bei der Buchmesse<br />

Dana Grigorcea legt uns einen Klassiker ans Herz<br />

42 Trojanow übernachtete …<br />

Eine Nacht, 10.000 Bücher und noch mehr Eindrücke<br />

46 3×7 Best aber Seller<br />

Impressum<br />

Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich:<br />

Wagner’sche Universitätsbuchhandlung, Medici Buchhandels GmbH,<br />

Museumstraße 4, 6020 Innsbruck<br />

info@wagnersche.at — www.wagnersche.at<br />

Redaktion: Robert Renk<br />

© der Textbeiträge bei den Autorinnen und Autoren<br />

Grafische Ausstattung: himmel. Studio für Design und Kommunikation<br />

© der Abbildungen bei den jeweiligen Rechteinhabern<br />

Titelbild: CROSSING, Plexiglas – fluoreszierend,<br />

Laserschnitt – montiert, Maße variabel, 2016,<br />

Helmut Nindl, Bildhauer<br />

Fehler, Änderungen und Irrtümer vorbehalten.<br />

© 03.2018 – alle Rechte vorbehalten<br />

2 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

3<br />

© Thomas Schrott<br />

48 Mit den besten Empfehlungen<br />

54 Nachschau nach vorne<br />

Boris Schön & Markus Jäger berichten von den letzten Grenzgängen<br />

und freuen sich auf die neue Stadtbibliothek<br />

56 Vorschau ins Schloss<br />

Peter Turrini und Georg Haderer machen gemeinsame Sache


© Tanja Cammerlander<br />

Manege für unsere Buchkunden<br />

Die Wagner’sche ist die Homebase für eine Reise in andere<br />

Welten, eine Reise ohne wegzufahren.<br />

Jedes Buch<br />

kann den<br />

Leser in eine<br />

andere Welt<br />

entführen …<br />

Markus Renk<br />

4 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Im Jahr 2015 sind wir angetreten, die ehrwürdige<br />

Wagner’sche Buchhandlung wieder<br />

mit Leben zu erfüllen und den Tirolern<br />

wieder als das Buchhaus in Innsbruck und<br />

Tirol zurückzugeben. Mit 99 % Buch anteil<br />

haben wir uns wieder voll auf unsere<br />

Kernkompetenz spezialisiert. Die Backlist<br />

ist uns wichtig und das gebundene Buch<br />

wird forciert. Bewusst setzen wir auf außergewöhnliche<br />

Buchtitel und nicht nur auf<br />

Mainstream. Warengruppen wie Lyrik,<br />

Prosa und andere „Randthemen“ werden<br />

über mehrere Regale angeboten. Die<br />

Wagner’sche ist nicht Buchhandlung alleine,<br />

sie eröffnet vielmehr Menschen über ihr<br />

Angebot Inspirations-, Fantasie- und<br />

Erfahrungswelten. Sie ist Homebase für<br />

eine Reise in andere Welten, eine Reise<br />

ohne wegzufahren.<br />

„Cirque du Soleil“<br />

des Buchhandels<br />

Als Buchhändler mit Herz und Hand<br />

fürs richtige Buch sehen wir uns als Reisebegleiter,<br />

jedes Buch kann den Leser in<br />

eine andere Welt entführen, dementsprechend<br />

haben wir unseren Beratungsservice<br />

weiter ausgebaut und arbeiten ständig<br />

an Verbesserungen. Die vielen positiven<br />

Bewertungen auf Google, Facebook<br />

und Co., aber natürlich vor allem die vielen<br />

persönlichen Rückmeldungen motivieren<br />

uns. Als „Cirque du Soleil“ des Buchhandels<br />

sind wir die Manege für unsere Buchkunden.<br />

Der Kunde soll bei uns eine Welt<br />

der Inspiration, Fantasie und Erfahrung<br />

erleben können. In einem ausgiebigen<br />

Marken-Optimierungsprozess haben wir,<br />

gemeinsam mit allen Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern, das Alleinstellungsmerkmal<br />

der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung<br />

herausgearbeitet.<br />

5<br />

Strategische Konzeption<br />

der Marke Wagner’sche<br />

Letztendlich geht es um Freude, Begeisterung<br />

und Atmosphäre. Letztendlich geht<br />

es um MitarbeiterInnen, die leidenschaftlich<br />

beseelt sind, Menschen bei ihrer<br />

Wahl der unvergesslichsten Abenteuer im<br />

Kopf zu begleiten. Aber auch das Wohlfühlmoment<br />

ist entscheidend. Einkehr im<br />

schönsten literarischen Wohnzimmer,<br />

der Besuch der Wagner’schen soll eine Auszeit<br />

für die Seele sein. Unser Bistro bietet<br />

unseren Gästen nicht nur ein kulinarisches<br />

Erlebnis, sondern erhöht die Verweildauer.<br />

Unser Urban-Gardening-Projekt, mit den<br />

Hochbeeten auf unserer Terrasse, ermöglicht<br />

Garten- und Kochworkshops. Die<br />

Buchhandlung von heute funktioniert nur<br />

mit Emotionen – neben dem Bistro haben<br />

wir zahlreiche andere Ideen bereits umgesetzt.<br />

Ob es unsere „Blind Dates“ sind,<br />

wo sich Kunden überraschen lassen, oder<br />

unsere Bücherbrunch-Veranstaltungen<br />

am Sonntag; lange Nächte oder gar Übernachtungen<br />

mit internationalen Bestsellerautoren;<br />

unsere mit Tiroler Künstlern<br />

gestalteten Auslagen bzw. Poetry Slams:<br />

Nur mit Persönlichkeit und Kreativität<br />

kann man heute punkten. Besonders<br />

zu erwähnen ist auch unser kostenloser<br />

Fahrrad-Zustelldienst Wagner’sche bringt’s.<br />

Hier garantieren wir eine Lieferung innerhalb<br />

drei Stunden. Kostenlos, ökologisch<br />

und schnell, das kann kein Amazon! Auch<br />

sehen wir uns als Bildungs- und Kulturstätte<br />

Tirols und als Dialog-Plattform für<br />

namhafte Schriftsteller, Literaten & alle,<br />

die Bücher lieben.<br />

Im Bereich E-Commerce bieten wir<br />

neben unserer individualisierten Website,<br />

die wir heuer komplett einem Relaunch<br />

unterziehen, eine Facebook-Seite, einen<br />

Newsletter, unsere Instagram-Seite, einen<br />

YouTube-Kanal mit selbst gedrehten<br />

Buchbesprechungen und einen Family Blog.<br />

Zusätzlich strahlen wir gemeinsam mit<br />

dem Tirol TV zweimal im Monat eine<br />

eigene Buchsendung aus, moderiert wird<br />

dieser Buchblog von Evelyn Unterfrauner,<br />

Tirols meistgelesener Buchbloggerin.<br />

Außer dem haben wir unser E-Book-<br />

Angebot erweitert und verkaufen als einzige<br />

Buchhandlung Österreichs Tolino und<br />

Pocketbook E-Reader. Um unser Service<br />

weiter auszubauen, können Sie die<br />

Wagner’sche Gutscheinkarte jetzt neu auch<br />

in der Haymon Buchhandlung einlösen<br />

und umgekehrt. Natürlich funktioniert die<br />

Gutscheinkarte auch in unserem Webshop.<br />

Zweimal im Jahr geben wir ein hauseigenes<br />

Buchmagazin heraus, dessen neueste<br />

Ausgabe gerade in Ihren Händen liegt.<br />

Leseförderung ist uns sehr wichtig.<br />

Wir sind fixer Partner des Landesschulrates,<br />

bieten Weiterbildungen für Bibliothekare<br />

an, arbeiten sehr eng mit allen Innsbrucker<br />

Bildungshäusern zusammen, sponsern<br />

den Känguruwettbewerb Read & Win und<br />

haben den Tiroler Vorlesetag ins Leben<br />

gerufen und organisieren ihn. Hier wird in<br />

allen 279 Gemeinden vorgelesen, in Schulen,<br />

Altersheimen und Büchereien.<br />

Heuer sind wir auf Wunsch des Forum<br />

Alpbach dessen Partnerbuchhandlung und<br />

werden hier ein komplett neues Konzept<br />

umsetzen.<br />

Ein wichtiges Anliegen ist uns auch,<br />

regionale Erinnerungen zu sammeln und<br />

zu publizieren. So haben wir einen eigenen<br />

kleinen Verlag gegründet. Das Motto:<br />

„Es darf nicht vergessen werden.“ Drei<br />

Bücher sind bereits erschienen, bis zum<br />

Sommer sind zwei weitere geplant.<br />

Das Wagnis Wagner’sche haben wir noch<br />

keine Minute bereut, das Feedback der<br />

Kunden gibt uns recht. Die Kunden spüren,<br />

dass wir für die Sache brennen und es<br />

uns ein Anliegen ist, Büchern wieder den<br />

Stellenwert zu geben, den sie sich verdienen.<br />

In vielen Dingen besinnen wir uns wieder<br />

zurück, zurück nach den Tugenden des früheren<br />

Buchhandels. Unser Erfolgs geheimnis<br />

ist, dass wir dem Buch wieder mehr zutrauen.<br />

Unter anderem zutrauen, dass man<br />

mit Büchern eine Buchhandlung mit rund<br />

1.000 m 2 wirtschaftlich führen kann.<br />

All diese Projekte konnten wir nur<br />

umsetzen, weil Sie uns als Kunde so tatkräftig<br />

unterstützt haben, dafür möchten<br />

wir uns herzlichst bedanken!<br />

Und jetzt wünschen wir Ihnen viel Spaß<br />

beim Lesen!<br />

Ihr Markus Renk


Erinnerungen an Innsbruck<br />

Vom Verlag der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung.<br />

Von Markus Renk<br />

Bis 1916 hatte die Wagner’sche Universitätsbuchhandlung<br />

einen eigenen Buchverlag.<br />

Die Wirren des 1. Weltkriegs haben<br />

es wirtschaftlich notwendig gemacht,<br />

die Druckerei (spätere WUB), aber auch<br />

diesen Verlag, den Universitätsverlag<br />

Wagner, übrigens der älteste noch bestehende<br />

deutschsprachige Buchverlag der Welt,<br />

zu verkaufen. Schon bei der Übernahme<br />

der Wagner’schen war mir klar, dass<br />

ich die Tradition des hauseigenen Verlags<br />

wieder aufleben lassen will. Beginnend<br />

mit unserem alljährlich erscheinenden<br />

Innsbruck Kalender – DDr. Lukas<br />

Morscher „Innsbruck, wie es früher war“,<br />

haben wir begonnen, dieses Projekt eifrig<br />

© Andreas Friedle<br />

6 7<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

voranzutreiben. Stolz waren wir im April<br />

2017, als unser erstes Buchprojekt fertig<br />

in unseren Händen gelegen ist, das Buch<br />

von Josef Wallinger „Kindheit in Pradl“,<br />

dieses befindet sich bereits in der zweiten<br />

Auflage. Die Serie „Erinnerungen an<br />

Innsbruck“ hat sich zum Ziel gesetzt,<br />

wichtige Gegebenheiten und Erlebnisse<br />

aufzubewahren und schriftlich festzuhalten.<br />

Rasch wurde klar, dass wir mit diesem<br />

Konzept der Regionalität und der persönlichen<br />

Erinnerungen einen Puls der Zeit<br />

getroffen haben. Bereits im <strong>No</strong>vember<br />

konnten wir die Serie mit dem Band von<br />

Hubert Flattinger „Kindheit in Hötting“<br />

fortsetzen.<br />

Vor wenigen Tagen ist unser drittes<br />

Buchprojekt erschienen: Gernot Zimmermanns<br />

Erinnerungen an seine Taxizeit<br />

„Eine Million Kilometer durch Innsbruck“.<br />

Gernot Zimmermann ist ab 1983 fast ein<br />

Vierteljahrhundert lang in Innsbruck als<br />

Taxifahrer unterwegs gewesen – nahezu<br />

ausschließlich in der Nacht. In dieser Zeit<br />

fuhr er 1.000.000 Kilometer mit dem<br />

Taxi durch Innsbruck und hat dabei mehr<br />

als 200.000 Fahrgäste befördert. Er führt<br />

uns mit seinem Taxi in das Innsbruck der<br />

frühen 1980er-Jahre zurück und erinnert<br />

an längst geschlossene Lokale ebenso wie<br />

an die eine oder andere „Rotlicht-Größe“.<br />

In zahlreichen Anekdoten gibt Zimmermann<br />

einen humorvollen Einblick in<br />

den Alltag eines Innsbrucker Taxifahrers<br />

und zeigt auf, warum dieser Beruf<br />

mit keinem anderen zu vergleichen ist.<br />

Wir möchten Ihnen die Kundenrezension<br />

von Herrn Andreas Donder<br />

aus Hamburg nicht vorenthalten:<br />

„Das Buch ist ein irres Roadmovie<br />

über eine Million Straßen-Kilometer. Aber<br />

innerhalb einer Stadt. Zimmermann macht<br />

nicht Strecke, sondern durchkurvt Innsbruck<br />

als Taxifahrer. Dabei lernt der Leser nicht<br />

nur die Stadt, das Nachtleben, die Eigenheiten<br />

ihrer Bewohner kennen. Sondern trifft<br />

auch knarzige Individualisten, Halbweltler,<br />

Drogenhändler und sogar Killer hautnah.<br />

Du blickst in die Abgründe des Lebens,<br />

aber auch in die Hochherzigkeit von Menschen.<br />

Das ganze Panoptikum menschlicher<br />

Existenz entfaltet sich vor deinen Augen.<br />

Die Stadt und ihre Bewohner ist ein<br />

Universum. Du wirst nie wieder in den<br />

Urlaub fahren wollen. Fahr einfach Taxi.<br />

Am besten mit Gernot Zimmermann.“<br />

Der Leser lernt: Wie werde ich ein<br />

Geier? Wie rette ich mein Leben, wenn’s<br />

ums Ganze geht? Wie komme ich aus<br />

verschneiten Sackgassen wieder raus?<br />

Und vieles mehr. Man lernt taxlerisch als<br />

Sprache. Oder weißt du, was „abbrennen“<br />

bedeutet oder „auflegen“? Du musst es<br />

lesen. Als Innsbrucker sowieso. Du wirst<br />

deine Stadt noch mehr lieben.<br />

Ende März erscheint ein weiteres Buch<br />

in unserer Serie: Ewald Strohmar-Mauler<br />

„Wahre Kriminalgeschichten aus Innsbruck“.<br />

Ewald Strohmar-Mauler, seines Zeichens<br />

Fremdenführer und Krimi-Begeisterter,<br />

nimmt seine Leserinnen und Leser mit auf<br />

eine abenteuerliche Reise zu historischen<br />

Schauplätzen des Verbrechens und ihrer<br />

Gerichtsprozesse. Seine Geschichten über<br />

spektakuläre Mordfälle, Überfälle und<br />

Betrügereien – untermauert von eindrucksvollen<br />

Details aus alten Zeitungsartikeln,<br />

Zeitzeugenberichten und Gerichtsakten –<br />

spannen einen Bogen vom mittelalterlichen<br />

Anpruggen bis zum heutigen Innsbruck.<br />

Ewald Strohmar-Mauler, geboren 1965<br />

in Wien, lebt seit 2005 in der Nähe<br />

von Innsbruck, wo er als staatlich geprüfter<br />

Fremdenführer neben diversen Themenführungen<br />

auch seine „Krimiführung<br />

Innsbruck“ anbietet.<br />

Im Juni erscheint dann in der Wagner’schen<br />

Reihe „Erinnerungen an Innsbruck“<br />

der Band 5: Markus Koschuh „O-Dorf.<br />

Kleinstadt im Weltdorf“.<br />

Seine ersten sieben Lebensjahre verbrachte<br />

Tirols bekanntester Kabarettist<br />

Markus Koschuh im Olympischen<br />

Dorf, dem jüngsten Stadtteil Innsbrucks.<br />

<strong>No</strong>ch heute erinnern ihn Narben am Kopf<br />

an den wilden Ruf, den das Viertel einst<br />

hatte. Was hat es mit diesem Ruf auf sich?<br />

Und wie wild ist das O-Dorf, um das sich<br />

Legenden und Mythen ranken, heute noch?<br />

Quer durch die Häuserschluchten dieser<br />

Kleinstadt im Weltdorf Innsbruck begibt<br />

sich Markus Koschuh auf Spurensuche.<br />

Spannend, nah und äußerst unterhaltsam.<br />

Markus Koschuh, geboren 1977, lebt als<br />

Kabarettist und Schriftsteller in Innsbruck.<br />

Keine Literaturpreise, da er noch jede<br />

Einreichfrist versäumt hat, dafür zweifacher<br />

österreichischer Poetry-Slam-Meister (2010<br />

und 2011) und Vize-Europameister im<br />

Poetry Slam 2011.<br />

Weitere Bände unserer Serie sind schon<br />

in Vorbereitung, welche diese sind,<br />

verrate ich Ihnen dann gerne in unserem<br />

Herbst-Magazin.<br />

Buchtipps:<br />

Josef Wallinger:<br />

Kindheit in Pradl<br />

120 S., € 9,95<br />

Hubert Flattinger:<br />

Kindheit in Hötting<br />

96 S., € 9,95<br />

Buchtipps:<br />

Ewald Strohmar-Mauler:<br />

Wahre Kriminalgeschichten aus<br />

Innsbruck<br />

ca. 120 S., € 9,95<br />

erscheint Ende März<br />

Markus Koschuh:<br />

O-Dorf – Kleinstadt<br />

im Weltdorf<br />

ca. 120 S., € 9,95<br />

erscheint Ende Mai<br />

Gernot Zimmermann:<br />

Ein Million Kilometer durch<br />

Innsbruck<br />

262 S., € 12,95<br />

Lesungen:<br />

Ewald Strohmar-Mauler:<br />

Wahre Kriminalgeschichten aus<br />

Innsbruck<br />

Di., 10. April 2018, 19:30 Uhr<br />

Markus Koschuh:<br />

O-Dorf – Kleinstadt im<br />

Weltdorf<br />

Do., 7. Juni 2018, 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Eintritt frei!


über.leben<br />

Osterfestival Tirol<br />

Seit 30 Jahren Alte und Neue Musik,<br />

Performance, Tanz, Film und Aktionen<br />

Reclam-<br />

Reihe:<br />

100 Seiten<br />

Die 3 Zeiten der Meierei:<br />

Frühstück, Mittagessen,<br />

Kaffee & Kuchen<br />

Und zu jeder Tageszeit ist alles selbstgemacht<br />

und von höchster Qualität, von<br />

den verschiedensten Säften und Tees,<br />

vom besten Kaffee und feinstem, selbstgemachten<br />

Kuchen bis zu den Mittagsmenüs,<br />

die man inzwischen nur noch genießen<br />

kann, wenn man ein bis zwei Tage im<br />

Voraus reserviert! Aber das, ja das muss<br />

man sich einfach einmal gönnen …<br />

© Thomas Schrott<br />

© Reclam Verlag<br />

Veranstaltung:<br />

40 Orte<br />

im Rahmen des 30. Osterfestival<br />

Tirol<br />

Cornelia Senoner (Flöte) und<br />

Christian Köll (Klarinette)<br />

spielen Schnabel, Braun,<br />

Klingler, Gasser, Strawinsky<br />

und Andexlinger.<br />

Fr., 23. März 2018,<br />

15 –15:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Eintritt frei!<br />

30 Jahre überleben als freie Kultureinrichtung,<br />

immer höchstes Niveau im Blick<br />

und dennoch nicht als pleite, sondern sogar<br />

als etabliert gelten, das ist fürwahr nicht<br />

leicht.<br />

Vielleicht hat sich die 30. Auflage<br />

des Osterfestival Tirol deshalb den Titel<br />

über.leben auf die Fahnen geheftet?<br />

Von Alter zu Neuer Musik, von Performance,<br />

Tanz bis zu außereuropäischen<br />

Kulturen, von Film über Aktionen, bis hin<br />

zu jungen – am Beginn stehenden – und<br />

weltbekannten Künstlern: alles das vereint<br />

das 30. Osterfestival Tirol unter diesem<br />

Motto.<br />

Im Vorfeld des Osterfestival Tirol führen<br />

40 Orte mit Musik, Text und Aktionen<br />

durch die Fastenzeit. Junge Tiroler Musiker<br />

spielen Werke unterschiedlicher Epochen –<br />

eine Form von Inseln der Stille, des Innehaltens,<br />

in der sonst so getriebenen Zeit.<br />

Und damit ist das Osterfestival auch wieder<br />

zu Gast in der Wagner’schen und wir freuen<br />

uns drauf!<br />

© Oster festival<br />

Der Reclam Verlag glänzt mit neuer Reihe:<br />

Keine gelben Klassiker, nein, diesmal wird’s<br />

bunt und populärwissenschaftlich.<br />

Sie wollten schon immer etwas wissen<br />

über „Superhelden“? Und zwar fundiert<br />

und doch flott. Von jemandem, der sich<br />

nicht nur auskennt, nein, der sich regelrecht<br />

damit sozialisiert hat: Willkommen,<br />

Sie greifen zu 100 Seiten Dietmar Dath.<br />

„Als Kind brauchte ich diese Figuren,<br />

als Jugendlicher mochte ich sie, dann habe<br />

ich sie eine Weile vergessen. Will ich sie<br />

heute wiedertreffen, kann ich mir aussuchen,<br />

in welchem ihrer Lebensabschnitte<br />

das geschehen soll: Meine Comic-Bibliothek<br />

hat Türen zu ihren schlechtesten und<br />

ihren besten Zeiten.“<br />

Oder 100 Seiten fundiertes und persönliches<br />

Wissen zu Ötzi, kein Problem.<br />

In hellblau gehalten der Band von Albert<br />

Zink, seines Zeichens Leiter des Instituts<br />

für Mumien in Bozen, wo der Eismann<br />

schlummert.<br />

Knapp 40 Bände gibt es bereits, zu<br />

finden auch bei uns, im bunten Drehständer<br />

im 1. Stock in der Wissenschaftsabteilung.<br />

Denn auch schwere und weltbestimmende<br />

Themen wie: „Gilmore Girls“, „Peanuts“<br />

oder „Bud Spencer“ gehört in jedem Fall<br />

nachgelesen.<br />

Weitere Infos unter www.reclam.de/<br />

100Seiten<br />

8<br />

Wagner’sche.<br />

Die beste<br />

und schönste<br />

Wohnküche<br />

der Welt.<br />

Andreas Klingler<br />

Ei ei einiges<br />

los in<br />

der Meierei<br />

Karin Kreisl<br />

Es gibt tatsächlich<br />

noch ganz wunderbare<br />

Orte, die man<br />

nicht im Internet,<br />

sondern zwischen<br />

Büchern findet.<br />

unbekannt<br />

Buchtipp:<br />

Richard Rauch, Katharina Seiser<br />

Die Jahreszeiten-Kochschule:<br />

Frühling<br />

Brandstätter Verlag,<br />

240 S., € 34,90<br />

Öffnungszeiten<br />

1639. Die Meierei:<br />

Montag bis Freitag: 9 – 17 Uhr<br />

Samstag: 9 – 13:30 Uhr<br />

Sonn- & Feiertage geschlossen<br />

T. +43 650 940 308 0<br />

Sprengt<br />

herkömmliche<br />

Kategorien auf<br />

köstliche Weise<br />

Ernst Werus


Heimische Perlen aus der Flut<br />

der Neuerscheinungen<br />

Literatur aus Tirol 2017/2018<br />

Im Herbst<br />

Wenn die Neuerscheinungsflut über die<br />

Hallen der Frankfurter Messe hereinbricht,<br />

dann geht es auch um einen prestigeträchtigen<br />

Preis, den Deutschen Buchpreis.<br />

Alleine dort nominiert zu sein bedeutet<br />

rapide Steigerung von Bekanntheit und<br />

Verkaufszahlen.<br />

Und siehe da, auf der Longlist steht<br />

der Tiroler Autor Robert Prosser. Eine<br />

Auszeichnung, mit der der 1983 in Alpbach<br />

geborene wohl selbst nicht gerechnet<br />

hätte. Prossers fulminanter Balkanroman<br />

Robert Renk, Robert Prosser, Ágnes Czingulszki – © Günther Egger 2018<br />

„Phantome“ schildert, drastisch und<br />

äußerst sorgfältig recherchiert, das dunkle<br />

Kapitel des Jugoslawienkriegs. Zwischen<br />

dem Wien des Jahres 2015 und dem Bosnien<br />

des Jahres 1992 switchend, erzählt er die<br />

Geschichte eines jungen abgeklärten Wiener<br />

Sprayers, der sich auf eine Bosnienreise<br />

mit Freundin Sara begibt, auf Spuren von<br />

deren Mutter und ihrem Freund, die beide<br />

den Krieg miterlebt haben. Prosser dringt<br />

tief in die Vergangenheit, vermag es aber<br />

auch, die Problematik der aktuellen Flüchtlingskrise<br />

zu spiegeln.<br />

Für den Österreichischen Buchpreis in<br />

der Kategorie „Debut“ war im <strong>No</strong>vember<br />

Mascha Dabić nominiert. Ihren Erstling<br />

„Reibungsverlust“ (Ed.) hatte sie noch<br />

im April präsentiert. Übrigens gemeinsam<br />

mit Ágnes Czingulszki, eine andere<br />

neue und leuchtende Stimme am Tiroler<br />

Literaturhimmel.<br />

Den Beweis (so es eines solchen bedurfte),<br />

dass man redlich sprachtrunken und<br />

berauscht werden kann, ohne auch nur<br />

das klitzekleinste alkoholische Getränk<br />

zu sich zu nehmen, lieferte Markus Köhle.<br />

Oliver Jungen schreibt denn auch in der<br />

FAZ Folgendes: „Markus Köhles kalauerwuchtiges<br />

‚Barhocker- Oratorium‘ wird<br />

seinem Titel ‚Jammern auf hohem Niveau‘<br />

formidabel gerecht. So poetisch, ehrlich,<br />

weise und sprachsturzbesoffen überrollt<br />

uns diese multiperspektivische Bierlaunendramödie,<br />

dass selbst trinkfeste Thomas-<br />

Kapielski- Wegbecherer anerkennend das<br />

Glas heben dürften. (…) Schlag auf Schlag<br />

setzt es drollige, schief-grässliche, zauberhafte<br />

Wort auffahrunfälle, in denen nicht<br />

selten der berühmte Krümel Wahrheit steckt,<br />

an dem man sich prompt verschluckt –<br />

und folglich gleich das nächste Krügerl<br />

kippt.“Bevor Köhle zu seinem dreiteiligen<br />

Schwerpunkt nach Innsbruck anrauschte,<br />

füllte Judith W. Taschler mit ihrem neuen<br />

Roman „David“ unsere Buchhandlung.<br />

Ein Roman, über den Sebastian Fasthuber<br />

im Falter schreibt: „‚David‘ beweist, dass<br />

Taschler es tatsächlich versteht, den Leser<br />

zu fesseln. … Man kann das Buch kaum<br />

aus der Hand legen, weil die Sprache<br />

glasklar ist und gut getaktet.“<br />

Gut getaktet hat auch der sympathische<br />

„Vorstadtweiber“-Erfinder Uli Brée das<br />

Erscheinen seines Buches „Schwindelfrei“.<br />

Parallel zur neuen Staffel seiner „Weiber“<br />

erzählt er darin von den Frauen seines<br />

Lebens: aufrichtig oder verlogen, poetisch<br />

oder erfrischend komisch. Ein lustvolles<br />

und fast ehr liches Buch, das nun durchs<br />

Staatstheater auch auf die Bühne kommt<br />

(Treibhaus) und das Uli Brée den Frauen<br />

seines Lebens widmet: von A wie Anfang<br />

bis Z wie Zores.<br />

Bei L wie Lyrik findet sich … nix. Das<br />

überlässt er Margit Jordan, Barbara Tilg<br />

und Carolina Schutti.<br />

Jordan, die rührige graue Eminenz<br />

des Turmbundes, hat nach jahrelangem<br />

Arbeiten für die Literatur nun ihr erstes<br />

Buch veröffentlicht: „fenstertage“ (Turmbund).<br />

Und die Zammerin Barbara Tilg<br />

legt mit „Den Silberfaden spinnen“ (TAK)<br />

auch ihr Debüt vor, das Lyrik und Prosa<br />

vereint. Am gewichtigsten scheint der<br />

schmale Band „Nerbenfieber“ (Ed. Laurin)<br />

der renommierten Autorin Carolina<br />

Schutti.<br />

Äußerst amüsant und doch schonungslos<br />

ehrlich begegnet uns Erich Leders berger.<br />

In „Als mein Ich verschwand“ seziert er<br />

messerscharf an der Linie entlang, die die<br />

Wirklichkeit der Vergangenheit und die<br />

Wirklichkeit der gegenwärtigen Erinnerung<br />

trennt, zeigt, wie der Schein im Sein nur<br />

noch blass scheint. Gut und gscheit, was<br />

will man mehr!<br />

In Kufstein aufgewachsen ist Kirstin<br />

Breitenfellner. Im Roman „Bevor die Welt<br />

unterging“ führt sie den Leser nostalgisch<br />

in die 80er und zeigt gleich zeitig, wie<br />

die Endzeitstimmung von damals sich im<br />

Heute spiegelt! Besonders gelungen ist<br />

die sprachliche Präzision gepaart mit der<br />

Idee, Lyrics von Abba bis Nina Hagen lustvoll<br />

in den Text zu schmuggeln. Das macht<br />

das Ganze absolut atmosphärisch!<br />

Atmosphärisch dicht lesen sich immer<br />

auch Romane und Erzählungen des Meraners<br />

Sepp Mall. Kein Wunder, gehört er<br />

zu den profiliertesten Lyrikern des Landes.<br />

Im neuen Roman „Hoch über Allem“<br />

zeichnet er mit feinstem Strich die Lebenswege<br />

dreier Figuren nach, die sich erst spät<br />

kennenlernen: Vater, Mutter und Tochter.<br />

Aus Südtirol kam im Herbst noch viel<br />

Interessantes. Etwa von Astrid Kofler oder<br />

Josef Zoderer (beide Haymon), ein neuer<br />

Roman von Selma Mahlknecht (Raetia)<br />

und ein wunderbarer Romanessay (ja,<br />

das gibt es und das ist extrem spannend!)<br />

von Maxi Obexer (Verbrecher Verlag).<br />

Nicht zu vergessen der neue Krimi von<br />

Lenz Koppelstätter (KiWi).<br />

Der Krimi selbst scheint sich – nach dem<br />

fulminanten Krimi-Festival im Oktober –<br />

etwas auszuruhen. Bernhard Aichners<br />

„Totenfrau“ kommt im Juni auf die Bühne<br />

des Landestheaters, womit wir aber schon<br />

tief im Frühjahr stecken.<br />

Im Frühjahr<br />

Hier schwebt über allem das Buch mit<br />

dem schlicht-eleganten Titel „Mein Lebenslauf“.<br />

Darin beschreibt Felix Mitterer sich,<br />

aber – bescheiden wie er ist – erzählt er viel<br />

mehr von seinen vielen WeggenossInnen.<br />

Ein 500-Seiten-Buch, das man in drei Tagen<br />

wegliest.<br />

Einer, der darin vorkommt und – sozusagen<br />

– den Schreibtisch von Mitterer erbte<br />

(im Zoll), ist leider schon verstorben, viel<br />

zu früh. Das ebenso wuchtige, wie schmale<br />

„Gesammelte Werk“ des Osttirolers Gerold<br />

Foidl kommt in einem Band bei Haymon<br />

heraus.<br />

Auf mehrere Bände angelegt ist dort<br />

die Werkausgabe von Hans Haid.<br />

Eindrücke zu den neuen Büchern<br />

von Susanne Gurschler, Bernd Schuchter,<br />

Markus Koschuh finden Sie ausführlich<br />

in diesem Heft, wir dürfen sie nämlich bei<br />

uns präsentieren.<br />

Im Rahmen des 4. Lyrikfestivals W:ORTE<br />

liest auch die wunderbare Angelika Rainer<br />

aus ihrem neuesten Wurf „See’len“.<br />

Darin lässt sie sich vom Thema des Sees<br />

als Spiegel der Seele und dem Mythos<br />

von Narziss und Echo inspirieren.<br />

Auch zwei wohlbekannte Gesichter werfen<br />

sich wieder in die Verkaufsschlacht am<br />

Buchmarkt. <strong>No</strong>rbert Gstrein berichtet mit<br />

„Die kommenden Jahre“ von einem Sommer,<br />

von Veränderung, der Suche nach dem<br />

Selbst, dem Älterwerden. Und von Zeit,<br />

die, dem Gletschereis gleich, knapper wird.<br />

Und Raoul Schrott verschreibt sich mit<br />

„Politiken & Ideen“ diesmal ganz der Wissenschaft<br />

und tut dies in vier großen Essays,<br />

wie immer, äußerst klug und anregend.<br />

Zum Schluss blicken wir wieder auf die<br />

Longlist. Im Herbst 2016 stand dort ein<br />

Autor aus Innsbruck, den es als Musiker<br />

schon in die ganze Welt verschlagen hat.<br />

Nun legt er mit dem Roman „Drei Sekunden<br />

Jetzt“ ordentlich nach.<br />

Die Rede ist von Hans Platzgumer,<br />

der mit seinem Findelkind François, das<br />

nie verloren geht, eine wunderbare Figur<br />

ersonnen hat. Die lässt er an die Küste von<br />

Marseille, in die Ungewissheit New Yorks<br />

und bald – blind vor Liebe – nach Montreal<br />

reisen, immer dieselbe Frage im spärlichen<br />

Gepäck: Kann man leben, ohne zu wissen,<br />

wer man wirklich ist?<br />

Selbst das kann man, wenn man die richtigen<br />

Bücher im Gepäck hat.<br />

Ihr Robert Renk<br />

Buchtipps:<br />

Robert Prosser:<br />

Phantome<br />

Ullstein Fünf Verlag,<br />

336 S., € 20,60<br />

Ágnes Czingulszki:<br />

ich dachte an siracusa<br />

edition exil Verlag, 155 S.,<br />

€ 12,40<br />

Maxi Obexer:<br />

Eurpas längster Sommer<br />

Verbrecher Verlag, 150 S.,<br />

€ 19,60<br />

Kirstin Breitenfellner:<br />

Bevor die Welt unterging<br />

Picus Verlag, 240 S.,<br />

€ 22,00<br />

Hans Platzgumer:<br />

Drei Sekunden Jetzt<br />

Zsolnay Verlag, 256 S.,<br />

€ 22,70<br />

Erich Ledersberger:<br />

Als mein Ich verschwand<br />

Erich Ledersberger Verlag,<br />

116 S., € 18,50<br />

Felix Mitterer:<br />

Mein Lebenslauf<br />

Haymon Verlag, 528 S.,<br />

€ 29,90<br />

Raoul Schrott:<br />

Politiken & Ideen<br />

Hanser Verlag, 248 S.,<br />

€ 23,70


Wagner’sche & Reiseliteratur –<br />

eine lange Tradition<br />

Vom Erfinder des Reiseführers. Von Markus Renk<br />

© MairDumont<br />

12 13<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Wanderführer, Karten und Reiseberichte<br />

waren immer schon ein wichtiger Schwerpunkt<br />

in der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung.<br />

Auch der hauseigene<br />

Verlag produzierte knapp vor dem Ersten<br />

Weltkrieg eigene Reiseführer und touristische<br />

Werke. Der von Kunibert Zimmeter<br />

geschriebene „Führer durch die Hofkirche<br />

in Innsbruck“ erschien z. B. zwischen<br />

1902 bis 1928 in mehreren Sprachen und<br />

in mehr als fünf Auflagen.<br />

Ein absoluter Bestseller von einem<br />

anderen Verlag war der erste Baedeker<br />

Tirols, der seinerzeit den Reiseführermarkt<br />

revolutionierte.<br />

Karl Baedeker –<br />

Der Erfinder des Reiseführers<br />

Vor bald 200 Jahren begann in Koblenz<br />

eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte:<br />

Karl Baedeker erfand den modernen Reiseführer.<br />

Sein Name ist zum Synonym für<br />

die Kategorie Reiseführer geworden. Vieles,<br />

was uns heute selbstverständlich erscheint,<br />

hat Karl Baedeker erfunden. So z. B. die<br />

detaillierten Reiseziel-Beschreibungen, aber<br />

auch die kompetente Sterne-Bewertungen.<br />

Er war es, der erstmals präzise Karten<br />

seinen Reiseführern beilegte, aber auch die<br />

bis heute klassische Dreiteilung „Allgemeines,<br />

Praktisches, Merkwürdiges“ hat<br />

heute noch seine Gültigkeit. Bereits 1839<br />

verspricht Baedeker in seinen Neuauflagen:<br />

„Der Reisende wird mancherlei Winke<br />

finden, welche ihm Mühe, Zeit und Geld zu<br />

ersparen geeignet sind!“<br />

2018 wird Baedeker das Original der<br />

Premium-Reiseführer neu beleben,<br />

Grund genug für uns, dieser besonderen<br />

Reiseführer-Serie einen präsenten Platz<br />

in unserem Magazin einzuräumen.<br />

Buchtipps:<br />

Reiseführer Kuba<br />

Baedeker, 366 S., € 26,99<br />

Reiseführer Mallorca<br />

Baedeker, 362 S., € 24,99<br />

Reiseführer Rom<br />

Baedeker, 402 S., € 24,99<br />

Die besten Seiten der Welt –<br />

so lässig und gutaussehend wie nie<br />

Magische Momente zum Schwärmen,<br />

überraschende Erlebnisse für Entdecker<br />

und faszinierende Geschichten,<br />

die man sonst eher selten zu lesen<br />

bekommt: Der neue Baedeker schlägt<br />

die besten Seiten der Welt auf. Er lädt<br />

ein zum Lesevergnügen und eröffnet<br />

neue Zugänge zu den Reisezielen.<br />

So informativ und tiefgründig wie je,<br />

bleibt er doch gelassen. Er schreibt<br />

nicht vor, wann man wo in welcher<br />

Reihenfolge zu sein hat, denn sein<br />

alphabetisches Prinzip lässt alle Freiheit<br />

der Reiseplanung. Und er sieht<br />

auch noch gut aus dank hochwertiger<br />

Veredelung und Ausstattung, harmonischem<br />

Layout und dem farbigen<br />

Gummiband als i-Tüpfelchen.<br />

Baedeker Reiseführer<br />

Baedeker-Reiseführer bieten eine<br />

fulminante Bandbreite an Wissen für<br />

unterwegs in fünf Kapiteln:<br />

• Hintergrund: fundierte Informationen<br />

zu Natur, Kultur und<br />

Geschichte<br />

• Erleben und Genießen: Themen,<br />

die die Reise unvergesslich werden<br />

lassen<br />

• Touren: zu den schönsten und<br />

interessantesten Plätzen<br />

• Reiseziele: detaillierte Beschreibung<br />

in alphabetischer Reihenfolge<br />

• Praktische Informationen: von „A“<br />

wie Auskunft bis „Z“ wie Zeit<br />

BAEDEKER WISSEN zeigt noch<br />

mehr vom Reiseziel:<br />

• Infografiken visualisieren Informationen<br />

und machen Lust auf Entdeckungen.<br />

• 3D-Grafiken eröffnen phantastische<br />

Perspektiven auf die berühmtesten<br />

Bauwerke und Plätze der Erde.<br />

• Textspecials gehen ins Detail und<br />

vertiefen Themen.<br />

• Tipp- und Wissensboxen empfehlen<br />

Restaurants und Hotels mit Atmosphäre,<br />

Läden und Originelles am<br />

Wegesrand und stellen Außergewöhnliches,<br />

Typisches, Amüsantes<br />

und Ausgefallenes vor.<br />

• Baedeker-Sterne markieren die<br />

Highlights des Reiseziels.<br />

Als Extra enthält jeder Baedeker-<br />

Reiseführer eine große Reisekarte<br />

oder einen Cityplan in einer<br />

Einschiebetasche.


© Thomas Schrott<br />

Ungeduld des Herzens<br />

Von der Schwierigkeit zu lieben, zu vertrauen, zu verstehen …<br />

Das Landestheater bringt die großen Fragen aus<br />

Stefan Zweig’s Roman „Ungeduld des Herzens“ auf die Bühne.<br />

Von Erna Cuesta<br />

Auf den ersten<br />

Blick sieht<br />

man einen<br />

Wohltäter.<br />

Matthias Tuzar<br />

14 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Und der großen Fragen gibt es viele:<br />

Virtuos hat sich der österreichische Autor<br />

Stefan Zweig Zeit seines Lebens mit<br />

dem Menschsein, mit gesellschaftlichen<br />

Phänomenen, politischen Gedanken<br />

auseinandergesetzt und in literarischer<br />

Form – vergeistigt, visionär, gefühlsbetont,<br />

selbst trivial, wie man ihm gelegentlich vorwerfen<br />

sollte – aufgearbeitet. Ein moderner<br />

Autor, ein europäischer Vordenker, gleichzeitig<br />

der Welt von Gestern verhaftet …<br />

So grau – fernab von Schwarz-Weiß-<br />

Malerei – sind auch die Figuren aus Stefan<br />

Zweigs Feder gezeichnet, wie etwa der<br />

hochdekorierte junge Leutnant Hofmiller,<br />

um den sich alles in „Ungeduld des<br />

Herzens“ dreht. Er ist Held und Anti-Held<br />

gleichermaßen, ein guter Mensch oder doch<br />

in seiner Schwäche nur gutmütig? Hofmiller<br />

verkörpert in „Ungeduld des Herzens“ die<br />

ganze Bandbreite des lebensnotwendigen,<br />

oft missverstandenen, gar missbrauchten<br />

Mitleids.<br />

Der Wiener Matthias Tuzar, der Schauspiel<br />

studiert und dafür sein Medizinstudium<br />

an den Nagel hängt, ist seit der Spielzeit<br />

2016/17 Ensemblemitglied des Tiroler<br />

Landestheaters; er wird den typischen<br />

österreichischen Offizier spielen und weiß<br />

von den Tücken einer solchen Rolle.<br />

„Es ist reizvoll, einen Charakter zu spielen,<br />

den man auf den ersten Blick als Wohltäter<br />

ansieht, dem es Freude bereitet, anderen<br />

zu helfen, und ihnen scheinbar Mitgefühl<br />

entgegenbringt, der aber bei genauer Betrachtung<br />

eigentlich aus Egoismus handelt<br />

und der trotz guter Absichten doch nur<br />

Schaden anrichtet. Warum? Ob er tatsächlich<br />

nur an sich denkt, ob er zu dumm<br />

ist oder ob er einfach zu schwach ist? Das<br />

werden wir sehen.“ Und davon wird er<br />

wohl auch in dem Künstlergespräch in der<br />

Wagner’schen erzählen.<br />

Gemeinsam mit der deutschen Regisseurin<br />

Susanne Schmelcher – ihre Innsbrucker<br />

Inszenierung von „Anna Karenina“ wurde<br />

15<br />

2015 mit dem Wiener Theaterpreis Nestroy<br />

als „Beste Bundesländer-Aufführung“ ausgezeichnet<br />

– will das Ensemble den Dingen<br />

in dieser Produktion auf den Grund gehen.<br />

„Das Zusammenleben zwischen Menschen<br />

im Kleinen wird bei Zweig als Spiegelbild<br />

einer großen Zerrüttung der Gesellschaft<br />

gezeigt. Was nützt dann noch Mitleid,<br />

wenn es doch keine aktive, selbsteinschränkende<br />

Konsequenz hat?“, stellt Susanne<br />

Schmelcher u. a. zur Diskussion und führt<br />

damit auch jene Gedanken fort, die Stefan<br />

Zweig in seinem 1939 erschienenen Roman<br />

„Ungeduld des Herzens“ aufwirft. „Das<br />

eine, das schwachmütige und sentimentale<br />

[Mitleid], das eigentlich nur Ungeduld<br />

des Herzens ist, sich möglichst schnell freizumachen<br />

von der peinlichen Ergriffenheit<br />

vor einem fremden Unglück, jenes Mitleid,<br />

das gar nicht Mit-leiden ist, sondern nur<br />

instinktive Abwehr des fremden Leidens<br />

von der eigenen Seele. Und das andere,<br />

das einzig zählt – das unsentimentale,<br />

aber schöpferische Mitleid, das weiß, was<br />

es will, und entschlossen ist, geduldig<br />

und mitduldend alles durchzustehen bis<br />

zum Letzten seiner Kraft und noch über<br />

dies Letzte hinaus.“<br />

Wie schwer es also fällt, zu vertrauen,<br />

zu lieben und vor allem zu verstehen,<br />

will dieses Schauspiel, das Thomas Jonigk<br />

aus Stefan Zweigs Roman herausdestilliert<br />

hat, zeigen; als eine Auseinandersetzung mit<br />

der Fragwürdigkeit von Mitleid. Mitleid,<br />

das ohne die Konsequenz konkreter Handlungen<br />

nutzlos oder gar schädlich ist.<br />

„Ungeduld des Herzens“ ist eine<br />

Erzählung ihrer Zeit, ein Stück Zeit-<br />

Geschichte … Aber kann, wie so oft, als<br />

Abbild anderer Zeitenwenden, der<br />

Neu- oder der Jetzt-Zeit, gelesen werden.<br />

Wie sehr geht es am Theater um Aktualität<br />

und wenn sie sich nicht offenbart, sucht<br />

man sie. Für Regisseurin Schmelcher liegt<br />

sie auf der Hand: „Die Zeit vor dem Ersten<br />

Weltkrieg als Zeitalter der Sicherheit und<br />

des Fortschritts kommt uns so bekannt vor.<br />

Sie spiegelt sich im Zusammenleben der<br />

Figuren aus Zweigs Roman – und beides<br />

läuft in erschreckender Parallelität auf<br />

die Katastrophe zu.“<br />

Um dieser Tatsache Nachdruck<br />

zu verleihen, ist der Theaterfassung von<br />

„Ungeduld des Herzens“ ein Auszug<br />

aus dem geschichtsphilosophischen Aufsatz<br />

von Walter Benjamin vorangestellt:<br />

„Der Engel der Geschichte hat das Antlitz<br />

der Vergangenheit zugewendet. Wo eine<br />

Kette von Begebenheiten vor uns erscheint,<br />

da sieht er eine einzige Katastrophe, die<br />

unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und<br />

sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte<br />

wohl verweilen, die Toten wecken und<br />

das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein<br />

Sturm weht vom Paradiese her, der sich in<br />

seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist,<br />

dass der Engel sie nicht mehr schließen kann.<br />

Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die<br />

Zukunft, der er den Rücken kehrt, während<br />

der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel<br />

wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen,<br />

ist dieser Sturm.“<br />

Theatertipp:<br />

Ungeduld des Herzens<br />

Premiere am 22. April 2018,<br />

Kammerspiele in der Messe<br />

Regie: Susanne Schmelcher<br />

Bühne & Kostüme:<br />

Marion Hauer<br />

Mit: Marion Fuhs, Janine<br />

Wegener, Lisa Weidenmüller;<br />

Jan-Hinnerk Arnke, Jan<br />

Schreiber, Matthias Tuzar<br />

Veranstaltung:<br />

Künstlergespräch<br />

mit Susanne Schmelcher<br />

& Matthias Tuzar<br />

Mi., 4. April 2018 um 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Eintritt frei!


© Peter Gründhammer<br />

Diesseits, Denken, Diskussion<br />

Bernd Schuchter heftet sich an die Fersen eines der<br />

bekanntesten unbekannten Philosophen der französischen<br />

Aufklärung. Von Merle Rüdisser<br />

Buchtipp:<br />

Bernd Schuchter:<br />

Herr Maschine oder vom<br />

wunderlichen Leben und Sterben<br />

des Julien Offray de La Mettrie<br />

Braumüller Verlag, 176 S.,<br />

€ 20,00<br />

Denken Sie<br />

wagemutig,<br />

aber verbergen<br />

Sie sich.<br />

La Mettrie<br />

16 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Im Jahr 1747 machte ein Buch einen<br />

Mann schlagartig europaweit berühmt,<br />

berüchtigt und gesellschaftlich isoliert:<br />

L’Homme Machine – Der Mensch eine<br />

Maschine drückte seinem Autor Julien<br />

Offray de La Mettrie einen Stempel auf,<br />

der die Erinnerung an das Werk dieses<br />

Philosophen weit über seinen Tod hinaus<br />

prägte. Bis heute kennt man den Titel<br />

als Schlagwort – mehr aber meist nicht.<br />

Julien Offray de La Mettrie wurde 1709<br />

in Saint-Malo in der Bretagne geboren,<br />

studierte Medizin und machte sich gleich<br />

bei den Mächtigen seiner Branche unbeliebt,<br />

weil er – Merkmal seines Denkens –<br />

nichts weiter so machen wollte, wie<br />

man es eben macht, wenn er durchschaut<br />

hatte, dass es falsch war. In der Philosophie<br />

setzte er dieses Prinzip gleich fort: Die<br />

französischen Aufklärer waren in ihrer Auseinandersetzung<br />

mit der Theologie schon<br />

ein gutes Stück weit gekommen, zauderten<br />

dann aber, um es sich mit Kirche und<br />

Staat – an dessen Spitze immerhin der von<br />

Gott inthronisierte König stand – nicht zu<br />

verscherzen. Bei einzelnen Denkern kamen<br />

auch persönliche Skrupel dazu, ein Denis<br />

Diderot zum Beispiel wollte einfach gerne<br />

noch an Gott glauben dürfen. Zaudern<br />

ist allerdings La Mettries Sache nicht, er<br />

denkt den Materialismus fertig und kommt<br />

zu dem Schluss, dass Religion nicht nur<br />

nicht fehlt, hat man sie einmal beseitigt,<br />

sondern im Gegenteil: dass viele Übel mit<br />

der Religion verschwinden.<br />

17<br />

Das ist der Punkt, der La Mettrie<br />

für den heutigen Menschen so interessant<br />

macht. Bernd Schuchter – Autor, Verleger,<br />

studierter Philosoph – hat sich mit La<br />

Mettrie beschäftigt und festgestellt, dass<br />

die heutige Gesellschaft, wie aufgeklärt<br />

und säkularisiert sie sich auch fühlen<br />

mag, in vielen Fragen noch keinen Schritt<br />

weitergekommen ist – in zweihundertfünfzig<br />

Jahren! Grund genug, La Mettrie<br />

wieder aus dem Schatten ganz unten<br />

im Bücherregal der Philosophie, wo die<br />

Materialisten vor sich hin vegetieren,<br />

herauszuholen und ans Licht zu stellen.<br />

Das Ende La Mettries möge Schuchter<br />

erspart bleiben: In Frankreich und bald<br />

auch in den Niederlanden war er nicht<br />

mehr erwünscht. Glücklicherweise sammelte<br />

Friedrich II. in Preußen gerade radikale<br />

Denker, und so verschlug es den Bretonen<br />

nach Preußen. In illustrer Männerrunde<br />

wurde diskutiert, philosophiert, getrunken<br />

und gevöllert, denn wer sich um das Jenseits<br />

nicht mehr zu kümmern braucht, hat die<br />

Verpflichtung, aus dem Diesseits das Beste<br />

zu machen. Eines Abends im <strong>No</strong>vember<br />

1751 übertrieb La Mettrie es aber doch<br />

mit der Sinnenfreude, überaß sich an einer<br />

Pastete und starb.<br />

Diese diskutierenden, geistig beweglichen<br />

Runden aber sollte man sich als<br />

aufgeklärter Mensch jeglichen Geschlechts<br />

zum Vorbild nehmen: Anstatt ein solches<br />

Buch mit dem üblichen Glas Wasser auf<br />

dem Tischchen des Lesenden zu präsentieren,<br />

wird der sinnenfrohe, kompromisslose,<br />

radikale, imponierend gescheite Julien<br />

Offray de La Mettrie gefeiert mit Essen und<br />

Trinken in guter Gesellschaft.<br />

Bernd Schuchter, 1977 in Innsbruck geboren,<br />

Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie<br />

an der Universität Innsbruck, seit 2006<br />

Verleger des Limbus Verlag, lebt mit seiner Familie<br />

in Innsbruck. Zahlreiche Stipendien und Preise,<br />

u. a. Förderpreis des Theodor Körner Fonds (2017).<br />

Zuletzt erschienen die Romane „Link und Lerke“<br />

(2013) und „Föhntage“ (2014), der literarische Reiseführer<br />

„Innsbruck abseits der Pfade“ (2015), der<br />

historische Essay „Jacques Callot und die Erfindung<br />

des Individuums“ (2016) sowie die „Gebrauchsanweisung<br />

für Tirol“ (2017). Seine Bücher wurden<br />

bisher ins Ukrainische, Polnische und Englische<br />

übersetzt. www.berndschuchter.at<br />

Buchpräsentation<br />

für (*fast) alle Sinne:<br />

Bernd Schuchter liest aus<br />

„Herr Maschine oder vom<br />

wunderlichen Leben und Sterben<br />

des Julien Offray de La Mettrie“<br />

Lesung mit Galadiner à la<br />

Mettrie<br />

Mi., 28. März 2018, 19:00 Uhr<br />

Café Restaurant Kunstpause,<br />

Museumstr. 15, 6020 Innsbruck<br />

Eine Veranstaltung der<br />

Wagner’schen<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Eintritt: € 20,00 (inklusive dreigängigem<br />

Menü und Aperitif)<br />

Begrenzte Teilnehmerzahl,<br />

Anmeldung obligatorisch<br />

(Zuhörerplätze ohne Galadiner<br />

auf Anfrage) unter<br />

literatur@wagnersche.at oder<br />

T. 0512/595 05-0<br />

Info:<br />

In Anlehnung an Friedrichs<br />

Tafelrunde sollen an diesem<br />

Abend neben dem intellektuellen<br />

Austausch auch die<br />

leiblichen Genüsse nicht zu kurz<br />

kommen. Friedrich selbst fand<br />

mitunter, dass acht Schüsseln<br />

(also acht Gänge des Menüs)<br />

genug seien, mit Vorliebe<br />

verspeisten der Philosophenkönig<br />

und seine Tischgesellen<br />

Täubchen in verschiedenen<br />

Variationen und feierten ihre<br />

neuesten Bücher mit reichlich<br />

Champagne Rosé, den Friedrich<br />

in einem Billet einmal das Quellwasser<br />

von Hippokrene nannte.<br />

Dem nachempfunden soll das<br />

Galadiner à la Mettrie Speisen<br />

aus der Zeit des Philosophenkönigs<br />

bieten; aber * Vorsicht<br />

bei der Trüffelpastete!


© Fotowerk<br />

Spannend sind<br />

dıe Dinge, die<br />

selbst dıe Leute<br />

in der Region oft<br />

nicht kennen.<br />

18 Wagner’sche.<br />

Sie sind seit 20 Jahren Journalistin in<br />

Tirol. Was hat sich geändert?<br />

Die Tiroler Medienlandschaft ist mittlerweile<br />

wieder sehr konzentriert, die Bedingungen<br />

für freie Journalistinnen und Journalisten<br />

haben sich spürbar verschlechtert. Dieses<br />

Immer-schneller-immer-mehr-produzieren-Müssen,<br />

um vom Journalismus leben<br />

zu können, geht auf Kosten der Qualität<br />

und widerspricht meiner Herangehensweise:<br />

Ich beschäftige mich gerne intensiv mit<br />

Themen und gehe gerne in die Tiefe.<br />

Wie hat es sich damals mit dem Emons<br />

Verlag, in dem Ihr Buch „111 Orte<br />

in Tirol“ 2016 erschien, entwickelt?<br />

Als ich „111 Orte in Südtirol, die man<br />

gesehen haben muss“ von Peter Eickhoff<br />

und Sabine Gruber las, hatte ich sofort das<br />

Gefühl: Das ist meins. Das Konzept, wenig<br />

bekannte Orte zu zeigen, den Blick für<br />

Ungewöhnliches, Unscheinbares zu schärfen,<br />

kommt mir sehr entgegen. Ich habe den<br />

Verlag angeschrieben und wider Erwarten<br />

war Tirol noch zu haben. Ich musste also<br />

„nur“ 111 Orte finden. Dabei hat mir sehr<br />

geholfen, dass ich schon lange als Journalistin<br />

tätig bin, zudem habe ich mir Tipps<br />

von Freunden und Bekannten geholt.<br />

Interessant war, dass die meisten zunächst<br />

die üblichen Verdächtigen, also bekannte<br />

Sehenswürdigkeiten, nannten. Die 111-<br />

Orte-Reihe will aber Dinge vor den<br />

Vorhang holen, die oft selbst die Leute<br />

in der Region kaum oder nicht kennen.<br />

Wie ist es Ihnen mit der<br />

Innsbrucker Aufgabe gegangen?<br />

Für mich war von Anfang an klar, dass ich<br />

auch die 111 Orte Innsbruck machen will.<br />

Das war noch einmal eine besondere Herausforderung,<br />

denn einige Stadtteile kenne<br />

ich sehr gut, andere weniger und manche<br />

Ecken waren für mich eine Entdeckung.<br />

Welche Stadtteile kannten Sie nicht<br />

so gut?<br />

Ich bin viel und gern zu Fuß unterwegs. Bei<br />

Pradl, der Innenstadt, Wilten, Hötting oder<br />

der Reichenau tat ich mich relativ leicht,<br />

Susanne<br />

Gurschler<br />

Ein Gespräch<br />

mit der Wahl-<br />

Innsbruckerin<br />

über Journalismus,<br />

Weinbau in Hötting<br />

und ihr neues<br />

Buch, das im April<br />

im Emons Verlag<br />

erscheint: 111 Orte<br />

in Innsbruck, die<br />

man gesehen haben<br />

muss. Von Ágnes<br />

Czingulszki<br />

obwohl ich natürlich auch da recherchieren<br />

musste. Richtung Technik hinaus oder<br />

im O-Dorf war’s schwerer. Aber ich mag ja,<br />

wenn mich etwas fordert. Letztlich ist<br />

es immer der eigene Blick, der einen leitet.<br />

Und so sind die „111 Orte in Innsbruck,<br />

die man gesehen haben muss“ein Spiegel<br />

dessen, was ich interessant finde.<br />

Was ist Ihnen in Innsbruck wichtig?<br />

Was ich in Innsbruck total schätze, ist die<br />

Überschaubarkeit. Die Stadt hat enorme<br />

Lebensqualität. Es ist alles da, was ein<br />

urbaner Raum braucht. Gleichzeitig bin ich<br />

binnen kürzester Zeit in der Natur. Das ist<br />

schon etwas Besonderes. Ich fahre nach wie<br />

vor gern nach Südtirol, fahre heim, wenn<br />

ich über den Brenner Richtung Süden fahre,<br />

und heim, wenn ich wieder retour komme.<br />

Das wird sich wohl nie ändern. Aber wenn<br />

ich von der Autobahn aus die <strong>No</strong>rdkette<br />

sehe, dann ist da ein richtig tolles Gefühl,<br />

ein echtes Heimkommen. Ist vielleicht pathetisch,<br />

aber ich mag dieses Gefühl sehr.<br />

Kann man Ihnen überhaupt noch was<br />

Neues über Innsbruck sagen?<br />

Natürlich! Es wäre vermessen zu sagen,<br />

man könne mir nichts mehr erzählen. Im<br />

Gegenteil: Ich habe im Zuge der Recherchen<br />

zum Buch viel gelernt und tue das<br />

auch weiter. Ich wollte im Buch zum<br />

Beispiel unbedingt die Geschichte des Weinbaus<br />

in Hötting unterbringen, also ging<br />

es darum, einen Ort zu finden, an dem ich<br />

diese Geschichte festmachen kann. Über<br />

einen Bekannten bin ich auf Siggi Ploner<br />

gestoßen, der seinen eigenen Wein keltert.<br />

Solche Geschichten mag ich!<br />

Mir ist bei der Vorarbeit zu diesem<br />

Interview immer ein Zitat von<br />

Robert Musil in den Sinn gekommen:<br />

„Städte lassen sich an ihrem Gang<br />

erkennen, wie Menschen“. Können<br />

Sie das unterschreiben und welchen<br />

Gang hat Innsbruck für Sie?<br />

(Lacht, denkt nach). Wenn ich mir jetzt<br />

„Innsbruck im Gehen“ vorstelle, dann hat<br />

diese Stadt einen lässig-lockeren Gang.<br />

Ich lebe sehr gerne hier und kann nicht<br />

verstehen, wenn sie jemand schlecht redet.<br />

Im Kulturbereich würde ich mir manchmal<br />

allerdings mehr Pfeffer wünschen. – Vieles<br />

ist zu nett, zu wohnzimmermäßig. Aus der<br />

Reibung entsteht Energie – der Kampfgeist<br />

geht mir ein bisschen ab.<br />

Die gebürtige Südtirolerin Susanne Gurschler kam<br />

zum Germanistikstudium nach Innsbruck und<br />

verliebte sich in die Stadt. Als Kulturjournalistin und<br />

Autorin hat sie sich intensiv mit Tirol auseinandergesetzt.<br />

Selbst überzeugen kann man sich davon<br />

in ihrem Buch „111 Orte, die man in Tirol gesehen<br />

haben muss“ (Emons Verlag, 2016; auf Platz 10 der<br />

Emons-Bestsellerliste-International). Ende April<br />

erscheint „111 Orte in Innsbruck, die man gesehen<br />

haben muss“.<br />

Buchtipp:<br />

Susanne Gurschler:<br />

111 Orte in Innsbruck,<br />

die man gesehen haben muss<br />

emons: Verlag, 240 S.,<br />

ca. € 17,50<br />

Buchpräsentation:<br />

Susanne Gurschler:<br />

111 Orte in Innsbruck, die man<br />

gesehen haben muss<br />

Do., 3. Mai 2018, 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Eintritt frei!


Ein neuer Verlag<br />

meldet sich zu Wort<br />

Ein traditionsreicher<br />

Verlag erfindet sich neu<br />

Verlage zu Gast I: Wunderraum<br />

Verlage zu Gast II: Manesse<br />

© Wunderraumverlag<br />

© Wunderraumverlag<br />

Horst Lauinger – © Manesse Verlag<br />

Heinrich Steinfest – © Flo Schneider<br />

Buchtipp:<br />

Bianca Marais:<br />

Summ, wenn du das Lied<br />

nicht kennst<br />

Wunderraum Verlag,<br />

512 S., € 23,70<br />

Veranstaltung:<br />

„Wunderraum & friends –<br />

Einblick in die<br />

Buchmanufaktur“<br />

Zu Gast: Verlagsleiterin<br />

Andrea Best<br />

Mo., 19. März 2018, 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Eintritt frei!<br />

Wunderraum steht für Geschichten, die<br />

vom Kopf ins Herz gehen. Für Leser,<br />

die sich in Büchern verlieren, um sich<br />

im Leben wiederzufinden. Und für eine<br />

unverwechselbare Gestaltung, die unsere<br />

Liebe zu Büchern in jedem Ausstattungsdetail<br />

fühlbar macht. So steht es zu<br />

lesen und so ist es auch.<br />

Seit dem Herbst 2017 liegen sie bei uns<br />

in der Wagner’schen auf, diese besonders<br />

schön und durchdacht gemachten Bücher<br />

des Verlages Wunderraum.<br />

Ein schöner Überraschungserfolg war<br />

sicher der Fidschi-Roman von Anne Ostby.<br />

Er erzählt eindrücklich von alten Freundschaften,<br />

neuem Mut, von einer Reise<br />

ans andere Ende der Welt, die fünf ehemalige<br />

Freundinnen aus <strong>No</strong>rwegen wagen,<br />

um dort auf einer Kakaoplantage<br />

das Leben von der Schokoladenseite<br />

her zu betrachten.<br />

Aber auch Bücher von Jeanette<br />

Winterson, Wladimir Kaminer oder Emma<br />

Donoghue findet man im Programm.<br />

Acht Personen haben sich in München<br />

getroffen, haben sich Gedanken gemacht,<br />

ob man einen Verlag auch anders aufziehen<br />

kann, ohne Schielen auf teure Übersetzungsrechte<br />

und große Werbebudgets.<br />

Aber mit Respekt und Liebe zum Buch<br />

und zum Leser. Eine feine Auswahl<br />

an 10 –12 Titeln pro Jahr mit besonderer<br />

Gestaltung und Inhalten, die das Buch<br />

als Mittel des Zeit-Anhaltens begreifen und<br />

nicht als bloßen Zeitvertreib.<br />

Die Verlags-Crew hat für uns in Innsbruck<br />

einen besonderen Abend vorbereitet. Verlegerin<br />

Andrea Best reist aus München an,<br />

gibt anhand einiger feiner Mitbringsel einen<br />

Einblick in die Buchmanufaktur<br />

und in sämtliche Bereiche eines Verlages.<br />

Das neue Programm wird nicht nur<br />

vorgestellt, nein, jede Besucherin, jeder<br />

Besucher kann auch ein Stück Wunderraum<br />

nach Hause nehmen!<br />

Wir bitten diesmal um Anmeldung<br />

unter literatur@wagnersche.at, damit<br />

wir alles für Ihren Besuch vorbereiten<br />

können, und sind uns sicher, auch<br />

Sie werden den Wunderraum Verlag in<br />

Zukunft wiedererkennen und gerne<br />

begleiten.<br />

20 21<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

In der deutschsprachigen Verlagslandschaft<br />

stehen wieder Veränderungen vor der<br />

Tür. Großartige Verlegerpersönlichkeiten<br />

verabschieden sich, Junge rücken nach,<br />

neue Verlage entstehen, neue Reihen<br />

entwickeln sich und Alte ändern radikal ihr<br />

Erscheinungsbild. Hinter all diesen<br />

Ver änderungen und Entscheidungen stehen<br />

– oft auch für den Außenstehenden –<br />

interessante Gedanken, die nicht nur mit<br />

Literatur im engeren Sinn zu tun haben.<br />

Natürlich spielen gesellschaftspolitische<br />

Entwicklungen, Marktverschiebungen und<br />

auch die eine oder andere private Begebenheit<br />

eine Rolle. Aber alle verbindet sie<br />

der Blick und Respekt gegenüber guter<br />

Literatur. Verlegerische Tätigkeit ist immer<br />

auch ein seismologischer Blick auf gesellschaftspolitische<br />

Veränderungen. Insofern<br />

freuen wir uns auf das Frühjahr 2018, denn<br />

gleich vier Schwerpunkte, in denen Verlegerpersönlichkeiten<br />

in den Mittelpunkt<br />

gerückt werden, gibt es in der Wagner’schen<br />

zu erleben.<br />

Seit über 70 Jahren verlegt Manesse<br />

Klassiker – Meisterwerke aller Epochen<br />

und Kulturkreise in Erst- oder Neuübersetzungen<br />

aus zwei Dutzend Weltsprachen.<br />

Bekannte Autoren stehen neben solchen,<br />

die in Vergessenheit geraten sind und die es<br />

verdienen, wiederentdeckt zu werden. Der<br />

1944 in Zürich gegründete Verlag wird seit<br />

dem Jahre 2000 nun von Horst Lauinger<br />

preisgesegnet durch die literarischen Wasser<br />

gelotst und nun auch einem optischen<br />

Relaunch unterzogen. Weltliteratur, neu<br />

übersetzt, sorgfältig redigiert und ediert,<br />

samt profunder Kommentierung und<br />

exklusiven Nachworten, und das alles in<br />

typographisch und ästhetisch ansprechenden<br />

bibliophilen Ausgaben. Neue Segel für<br />

ein bewährtes Schiff? Wir werden nachfragen,<br />

wenn er bei uns zu Gast ist.<br />

Aber nicht nur Horst Lauinger kommt,<br />

mit dabei ist auch Autor Heinrich Steinfest,<br />

der soeben seinen Roman „Die Büglerin“<br />

(Piper) vorgelegt, sondern auch ein<br />

gewitzt-gescheites Nachwort zu Sinclair<br />

Lewis’ „Main Street“ gefertigt hat. Der<br />

Roman selbst, eine als geniale Satire geformte<br />

Zeitdiagnose von erschreckend heutiger<br />

Gültigkeit. Nach einem ausführlichen<br />

Gespräch wird Heinrich Steinfest davon<br />

eindrücklich Beispiel geben.<br />

Buchtipp:<br />

Sinclair Lewis:<br />

Main Street<br />

Manesse Verlag, 1008 S.,<br />

€ 28,80<br />

Veranstaltung:<br />

„Manesse Verlag“<br />

Zu Gast: Verleger<br />

Horst Lauinger und Autor<br />

Heinrich Steinfest<br />

Moderation: Robert Renk<br />

Di., 24. April 2018, 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Eintritt frei!


Eine Verlegerpersönlichkeit<br />

besucht Innsbruck<br />

Verlage zu Gast III: Kiepenheuer & Witsch<br />

Wir glauben wetter unabhängig<br />

an gute Gestaltung sowie die Schönheit<br />

im Allgemeinen.<br />

23<br />

himmel. Studio für Design und Kommunikation<br />

www.himmel.co.at<br />

Bücher seit 1639<br />

Veränderungen in der Verlagslandschaft<br />

lassen immer auch Schlüsse zu Veränderungen<br />

in gesellschaftspolitischen Bedürfnissen<br />

zu. Es gibt wenige Verlage, die in relativ<br />

kurzer Zeit so viel erreicht und so viele Sichtweisen<br />

ganzer Generationen geprägt haben,<br />

wie der seit Anbeginn in Köln angesiedelte<br />

Verlag Kiepenheuer & Witsch.<br />

Ohne diesen Verlag wäre Joseph Roth<br />

wohl unter den längst Vergessenen zu<br />

suchen, schon 1949 beginnt Verleger Joseph<br />

C. Witsch die Herausgabe seines Werkes.<br />

Heinrich Böll ist seit 1953 Stammautor<br />

des Hauses, seit dem Jahr, in dem der Verlag<br />

ein eigenes Haus in Köln erwirbt, das bis<br />

2008 Verlagssitz bleiben soll. Und Böll wird<br />

nicht der einzige <strong>No</strong>belpreisträger sein,<br />

den Kiepenheuer & Witsch beheimatet.<br />

Bald kommen die Werke von Saul Bellow,<br />

Patrick White und Czeslaw Milosz ins<br />

Haus. Auch andere Autoren von Weltrang,<br />

vor allem aus dem englischsprachigen<br />

Raum, werden für den deutschsprachigen<br />

Raum entdeckt, etwa Salinger mit seinem<br />

„Fänger im Roggen“.<br />

Eine andere Verlegerpersönlichkeit<br />

wie Reinhold Neven Du Mont – der u. a.<br />

Günter Wallraff entdeckt und Gabriel<br />

García Márquez ans Haus bindet. Ihm folgt<br />

Helge Malchow, der Anfang der neunziger<br />

Jahre Cheflektor wird und heute Verleger<br />

von Kiepenheuer & Witsch ist. Unter seine<br />

„Amtszeit“ fallen weitere verlegerische<br />

Meilensteine. Er stärkt den englischsprachigen<br />

Bereich mit AutorInnen wie Don<br />

DeLillo, Bret Easton Ellis, Zadie Smith<br />

und nicht zuletzt Julian Barnes. Er lässt die<br />

deutschsprachige Literatur hochleben,<br />

indem er AutorInnen wie Katja Lange-<br />

Müller, Alois Hotschnig, Joachim Meyerhoff<br />

oder Eva Menasse entdeckt, lacht auf<br />

hohem Niveau, wenn er Harald Schmidt<br />

oder Helge Schneider verlegt, und sorgt für<br />

Diskussionen, indem er Alice Schwarzer<br />

oder Joschka Fischer publiziert.<br />

Nun gibt auch Helge Malchow das<br />

Zepter weiter, gut geordnet und bestens<br />

aufgestellt übernimmt Kerstin Gleba.<br />

Diese verlegerische Laufbahn, der wir Leser<br />

und wir Buchhändler so viel Freude<br />

zu verdanken haben, hat ein Dankeschön<br />

verdient. Deshalb laden wir Helge Malchow<br />

nach Innsbruck (= Hotschnigtown) ein,<br />

um ihn ein wenig zu feiern.<br />

„Ein Autorenverlag wie Kiepenheuer<br />

& Witsch muss immer zwei Dinge zugleich<br />

im Blick haben: Kontinuität und Weiterentwicklung“<br />

meint Helge Malchow. Und<br />

genau dem wollen wir an zwei Abenden<br />

gerecht werden. Wir freuen uns, wenn Sie<br />

dabei sind.<br />

Lesung:<br />

David Schalko:<br />

Schwere Knochen<br />

Infos siehe S. 25<br />

Veranstaltung:<br />

Ein Abend mit Helge Malchow<br />

Es sprechen und lesen:<br />

Alois Hotschnig, Eva Menasse<br />

und Katja Lange-Müller<br />

mit und für Helge Malchow<br />

Mi., 16. Mai 2018 um 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung in<br />

Zusammenarbeit mit 8ungKultur<br />

Eintritt frei!<br />

Helge Malchow – © Melanie Grande Katja Lange-Müller – © Ute Döring<br />

Eva Menasse – © juergen-bauer.com<br />

Alois Hotschnig – © Thomas Böhm


© Ingo Pertramer<br />

Die Gier von Gestern,<br />

Heute und Morgen …<br />

David Schalko ist ihr auf den Fersen, das ist böse, lustig und<br />

ebenso intelligent wie unterhaltsam. Von Robert Renk<br />

Buchtipp:<br />

David Schalko:<br />

Schwere Knochen<br />

Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />

576 S., € 24,70<br />

erscheint am 12.04.2018<br />

Letztendlich<br />

wird jede<br />

Wahrheit über<br />

die Jahre<br />

nur wahrer.<br />

David Schalko<br />

24 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

David Schalko ist einer der wichtigsten<br />

und witzigsten Drehbuchautoren des<br />

Landes. Er bereicherte uns mit Serien wie<br />

„Braunschlag“, „Altes Geld“ oder „Die<br />

Auf schneider“ (gem. mit Josef Hader). Er<br />

erfand Formate wie „Willkommen Österreich“<br />

oder „Die Sendung ohne Namen“.<br />

Theaterstücke und Romane sind ebenso<br />

in seinem Repertoire zu finden. Nun wendet<br />

er sich sowohl filmisch als auch als Autor<br />

der österreichischen Vergangenheit zu. Sein<br />

neuer Roman „Schwere Knochen“ erscheint<br />

im April beim renommierten Kölner Verlag<br />

Kiepenheuer & Witsch.<br />

Sehr geehrter Herr Schalko, wir<br />

erwischen Sie mitten in Dreharbeiten.<br />

Können Sie uns sagen, an welchem<br />

Projekt Sie z. Z. arbeiten?<br />

Ich drehe gerade ein sechsteiliges Remake<br />

von „M – eine Stadt sucht einen Mörder“.<br />

Wir haben die Handlung aus den 30er<br />

Jahren ins Heute gelegt, weil das Thema<br />

leider brandaktuell ist.<br />

Im Mai kommt Ihr neuer Roman<br />

„Schwere Knochen“ bei KiWi heraus.<br />

Können Sie uns schon ein wenig<br />

verraten?<br />

Es geht um eine nicht erzählte Geschichte,<br />

nämlich die der österreichischen Unterwelt<br />

zwischen 1935 und 1961. Es ist quasi die<br />

andere Seite der österreichischen Medaille.<br />

Im Mittelpunkt steht Ferdinand Krutzler,<br />

auch genannt der <strong>No</strong>twehr-Krutzler,<br />

der elf Mal wegen tödlicher <strong>No</strong>twehr freigesprochen<br />

wurde. Das Buch beginnt in den<br />

30er Jahren, da werden Krutzler und seine<br />

Freunde als Kleinganoven von Hitler ins<br />

KZ gesteckt. 1945 kommen sie als Kapitalverbrecher<br />

wieder raus und übernehmen<br />

in der Alliiertenzeit das aufgeteilte Wien.<br />

Es ist ein Epos über Aufstieg und Fall eines<br />

Imperiums.<br />

25<br />

Der Roman ist Personen nachempfunden,<br />

die es wirklich gegeben<br />

hat? Wie sind Sie auf diesen Trupp<br />

ausgebrannter, skrupelloser Ganoven<br />

in Wien der Nachkriegszeit gestoßen?<br />

Ja, viele Dinge sind wahr, viele sind<br />

Legende und vieles ist fiktionalisiert. Die<br />

Wahrheit ist in diesem Milieu ja immer<br />

eine Mischung aus allem. Und letztendlich<br />

wird jede Wahrheit über die Jahre nur<br />

wahrer, ergo pointierter. Der Roman lehnt<br />

sich in Andeutungen an reale Personen<br />

an. Aber ich darf natürlich keine Namen<br />

nennen.<br />

Es ist – wenn ich es recht überblicke –<br />

das erste Mal, dass Sie Ihren leicht<br />

zynischen (Zyniker nach Ambrose<br />

Bierce: Schuft, dessen fehlerhafte<br />

Sicht die Dinge sieht, wie sie sind,<br />

und nicht, wie sie sein sollten) Blick<br />

in die Vergangenheit werfen. Was<br />

unterscheidet die Gesellschaft der<br />

Nachkriegszeit von der heutigen?<br />

Also erstens würde ich meinen Blick auf<br />

die Welt nicht als zynisch bezeichnen. Ich<br />

beschäftige mich halt lieber mit Figuren,<br />

die auf den ersten Blick böse sind, denen<br />

man wenig abgewinnen kann, die erst<br />

auf den zweiten etwas offenbaren. Es gibt<br />

keinen Menschen, der nicht ein Mensch ist.<br />

Selbst Adolf Hitler war einer. Auch wenn<br />

das viele nicht wahrhaben wollen. Die<br />

Gesellschaft der Nachkriegszeit bestand vor<br />

allem aus Versehrten. Sowohl körperlich<br />

als auch seelisch. Das hat mich interessiert.<br />

Aus dieser verkrüppelten Gesellschaft ist<br />

das heutige Österreich entstanden, von dem<br />

damals überhaupt niemand gewusst hat,<br />

was es überhaupt sein soll.<br />

Sie haben bei der heurigen<br />

Nestroygala eine wunderbare Rede<br />

gehalten: „Wie gefährlich ist die<br />

Kunst – ohne Ministerium?“ Können<br />

Sie eine kurze Einschätzung zur<br />

näheren Zukunft der Kunst und<br />

Kultur unter türkisblau geben?<br />

Nun, wie ja inzwischen bemerkbar ist,<br />

befinden sich Medien und Künstler wenig<br />

überraschend unter Dauerbeschuss der<br />

FPÖ – allerdings unter der schweigenden<br />

Duldung eines Kanzlers, der jetzt noch<br />

ungreifbarer ist als vor der Wahl. Demokratiepolitisch<br />

müssen wir uns warm anziehen<br />

in Österreich und darum kämpfen, dass<br />

wir nicht bald das neue Ungarn sind. Wir<br />

nehmen viel zu viel als selbstverständlich<br />

und reparabel an, was sich in Wahrheit als<br />

sehr fragil und irreparabel erweisen wird.<br />

Wie sehr fühlen Sie sich dem<br />

Theater verbunden?<br />

Das Theater hat eine Qualität, die man ihm<br />

niemals nehmen kann und die es sonst auch<br />

nirgends gibt: Der Zauber findet live statt.<br />

Und das macht einen riesigen Unterschied.<br />

Abgesehen davon ist für mich das Theater<br />

der Tempel der Sprache und daher oft<br />

von größerem Interesse als Film oder Serie.<br />

Aber das Theater macht es sich auch in<br />

sich selbst gemütlich und glaubt oft, dass<br />

die Behauptung das gleiche ist wie Realität.<br />

Eine Theaterkantine ist vermutlich der<br />

fiktionalste Ort der Welt. Aber genau<br />

deshalb mag ich es. Es ist ein großer Zufluchtsort,<br />

wo wir so sein dürfen, wie<br />

wir nie sein werden.<br />

Vielen Dank für das Gespräch!<br />

David Schalko, geboren 1973 in Waidhofen<br />

an der Thaya, lebt in Wien. Er ist österreichischer<br />

Regisseur, Autor und Entwickler von Fernsehsendungen.<br />

U. a. „Braunschlag“, „Die Aufschneider“,<br />

„Altes Geld“, „Sendung ohne Namen“, „Willkommen<br />

Österreich“, „Wie man leben soll“,<br />

„Höhenstraße“ (Tatort) – ausgezeichnet mit dem<br />

deutscher Fernsehkrimipreis 2017. Romane<br />

u. a. „Weiße Nacht“ (Czernin 2009) und „KNOI“<br />

(Jung & Jung 2013).<br />

Buchpräsentation:<br />

David Schalko:<br />

Schwere Knochen<br />

Moderation: Stefanie Kratz<br />

(Lektorin)<br />

Mo., 14. Mai 2018, 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Eintritt frei!


© Dominique Hammer<br />

Wien hat den Ruf, eine morbide Stadt zu<br />

sein. Demzufolge ist „Autolyse Wien“ das<br />

perfekte Wien-Buch. Darin lässt die Autorin<br />

Karin Peschka die Stadt an der Donau<br />

nämlich immer wieder lustvoll untergehen<br />

und lenkt in ihren „Erzählungen vom Ende“<br />

die Aufmerksamkeit auf Einzelschicksale in<br />

postkatastrophalen Zeiten. Das klingt nach<br />

harter Kost, ist aber vielmehr eine saubere<br />

Sache, denn „Nach dem Tod beginnt die<br />

Selbstverdauung, die Selbstauflösung.“<br />

Peschka lässt Wien quasi sich selbst verdauen.<br />

Eine gute Idee der in Wien lebenden<br />

Oberösterreicherin und äußerst konsequent<br />

ausgeführt. Im ersten Teil stehen zahlreiche<br />

Figuren mit Problemen, die der neue Alltag<br />

bringt, im Mittelpunkt, im zweiten Teil verfolgen<br />

wir ein Ich, das seinen Abgang plant,<br />

und im dritten Teil dreht sich alles um das<br />

„Wiener Kindl“.<br />

„Wien? Endstation“ oder „Wien? Eine<br />

Enttäuschung“. So heben die Geschichten<br />

an, das Unglück fand stets schon statt. Die<br />

Lesenden dürfen sich die Apokalypse selbst<br />

ausmalen, geschult darin sind wir ja als<br />

Film- und SerienkonsumentInnen. Peschka<br />

deutet bloß an und konzentriert sich dann<br />

auf die Prozesse danach beziehungsweise<br />

Geschichten davor. Der Untergang selbst<br />

mag laut sein, was folgt, ist definitiv Stille.<br />

„Autolyse Wien“ ist ein stilles, ruhiges,<br />

unaufgeregtes Buch, das aber tief geht und<br />

im Trümmerhaufen der Apokalypse mit<br />

Beziehungen aufräumt. Allein die Hunde<br />

halten da und dort die Treue.<br />

Eine Figur in Autolyse hat ein Faible<br />

für Zombiefilme. „Um Ideen zu<br />

finden, wie man sich verhält, fällt<br />

einem der Himmel auf den Kopf.“<br />

Wie haben Sie für „Autolyse Wien“<br />

recherchiert?<br />

Durch das eigene Faible für Zombiefilme?<br />

Zumindest habe ich viele gesehen, gemeinsam<br />

mit meinem Partner. Auf unseren<br />

Spaziergängen stellen wir uns oft die Frage,<br />

ob ein Gebäude „zombiesicher“ ist. Oder:<br />

Was würden wir tun, wenn genau in diesem<br />

Moment die Zombies kämen? (Man muss<br />

Und wer ist Ihre Lieblingsfigur in<br />

„Walking Dead“? (jetzt hätt ich fast<br />

„Walking Dad“ geschrieben:)<br />

Carol bei den Frauen, Daryl bei den Männern.<br />

(Walking Dad klingt aber auch nach<br />

einer interessanten Serie.)<br />

Mit der Erzählung „Wiener Kindl“<br />

hat die in Eferding aufgewachsene<br />

Wirtstochter beim Ingeborg-<br />

Bachmann-Preis 2017 den<br />

Publikumspreis gewonnen, das<br />

macht sie für ein halbes Jahr auch<br />

zur Klagenfurter Stadtschreiberin.<br />

Verfolgen Sie dort ein konkretes<br />

Projekt? Hat Sie die Stadt gut<br />

aufgenommen? Oder wünschen Sie<br />

auch Klagenfurt eine Autolyse?<br />

Meine Stadtschreiberei beginnt erst mit<br />

Mai 2018. Dann werde ich – sechs Monate<br />

lang – immer wieder in Klagenfurt sein und<br />

mich mit etwas Konkretem beschäftigen.<br />

Soviel steht fest (das Konkrete noch nicht).<br />

Ob ich der Stadt eine Autolyse wünsche,<br />

wissen wir spätestens Ende Oktober. Bislang<br />

war sie sehr freundlich zu mir.<br />

Buchtipp:<br />

Karin Peschka:<br />

Autolyse Wien<br />

Erzählungen vom Ende<br />

Otto Müller Verlag,<br />

180 S., € 19,00<br />

Lesung:<br />

Ich bin schnell<br />

und kann<br />

Kung Fu.<br />

Karin Peschka<br />

Karin Peschka liest im<br />

26 27<br />

Rahmen des 16. Prosafestivals<br />

am Fr., 20. April 2018<br />

in der Wagner’schen<br />

Universitätsbuchhandlung Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Karin<br />

Peschka<br />

Eine der<br />

renommiertesten<br />

österreichischen<br />

Autorinnen liest im<br />

Rahmen des<br />

16. Prosafestivals in<br />

der Wagner’schen.<br />

Von Markus Köhle<br />

hier natürlich wissen, ob es sich um schnelle<br />

oder langsame Zombies handelt.)<br />

Wie auch immer: Diese Filme thematisieren<br />

immer das Ende einer Zivilisation,<br />

wie wir sie kennen. Ich hatte aber vor allem<br />

die Bilder der im 2. Weltkrieg zerbombten<br />

Städte vor Augen und jene der aktuell zerbombten<br />

Städte in Syrien und im Irak. Was<br />

kommt danach?<br />

Die Recherche für „Autolyse Wien“<br />

war nicht sehr aufwändig. Eher auf die<br />

Schreib-Situation bezogen: Welche Bäume<br />

stehen im Stadtpark? Wie sieht es im Sternwartepark<br />

aus? Wie züchtet man Pilze auf<br />

Tüchern? Die Handlungsorte der einzelnen<br />

Erzählungen habe ich beim Gehen durch<br />

die Stadt gesammelt.<br />

Eine andere Figur hat auf die Frage<br />

„Wie man leben soll“ einen klaren,<br />

kurzen Satz parat, Sie auch?<br />

Gut.<br />

Gut. Um kurz bei den schnellen<br />

Zombies einzuhaken: „28 Days later“<br />

oder „I am Legend“?<br />

Eindeutig „28 Days later“. „I am Legend“<br />

ist so eine verkappte Jesus-Geschichte.<br />

Mit Ihrem ersten Buch<br />

„Watschenmann“ (erschienen 2015<br />

und unter anderem mit dem Alphaund<br />

dem Wartholz-Literaturpreis<br />

ausgezeichnet) verarbeiteten Sie<br />

Vergangenheit, mit „FanniPold“<br />

(2016) behandelten Sie die<br />

Gegenwart und das aktuelle Werk<br />

blickt in eine mögliche Zukunft.<br />

Folgt auf die Dystopie vielleicht als<br />

nächstes eine Utopie?<br />

Im Sinne einer „neuen“ Gesellschaft?<br />

Darüber muss ich noch nachdenken.<br />

Konsequent wäre es.<br />

Vielleicht könnte das ja das Konkrete<br />

werden. Wie bereiten Sie sich auf<br />

Klagenfurt vor?<br />

Ich bin schnell und kann Kung Fu. Bestens<br />

gerüstet für Klagenfurt.<br />

In diesem Sinne: Möge die Stadtschreiberei<br />

beginnen. Viel Erfolg und<br />

danke für das Interview!<br />

Karin Peschka, geboren 1967, aufgewachsen<br />

in Eferding (OÖ) als Wirtstochter. Besuchte die<br />

Sozialakademie Linz und lebt seit 2000 in Wien.<br />

Arbeitete u. a. mit alkoholkranken Menschen und<br />

mit arbeitslosen Jugendlichen, aber auch im Bereich<br />

Onlineredaktion und Projektorganisation. Zuletzt<br />

erschien „FanniPold“ (2016) und „Autolyse Wien“<br />

(2017 – beide Otto Müller)


Das Programm<br />

des 16. Prosafestivals<br />

Von Bananama bis Gotland: Literatur, die alle Register zieht.<br />

Von Robert Renk<br />

Do., 19. April, 20 Uhr<br />

Stadtbücherei<br />

1 John Wray (USA/A)<br />

2 Angelika Reitzer (A)<br />

3 Tim Krohn (CH)<br />

4 Pedro Lenz (CH)<br />

© Flo Schneider<br />

© Flo Schneider © Flo Schneider<br />

© Flo Schneider<br />

Fr., 20. April, 20 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

1 Markus Orths (D)<br />

2 Tanja Paar (A)<br />

3 Karin Peschka (A)<br />

4 Simone Hirth (D /A)<br />

Zum 16. Mal schon geht das Prosafestival<br />

Innsbruck über die Bühne. Eine feste Station<br />

dabei ist die Wagner’sche Universitätsbuchhandlung!<br />

Begonnen hat das Festival 2003 im ehemaligen<br />

Kulturgasthaus Bierstindl. Dort<br />

war ja – eine gute Zeit vor der Einrichtung<br />

des Literaturhauses am Inn – die erste<br />

Adresse der Stadt zu finden, an der es ein<br />

regelmäßiges überregionales Literaturprogramm<br />

gab. Auch der erste Poetry Slam<br />

Österreichs fand dort statt, für den<br />

Papa Slam Markus Köhle verantwortlich<br />

zeichnete (womit sich dieser Spitzname<br />

von selbst erklärt!).<br />

Und seit Anbeginn moderieren Markus<br />

Köhle und Robert Renk das Prosafestival.<br />

Pro Abend lesen auf der (teilweise extra<br />

aufgebauten) Bühne je 4 AutorInnen aus<br />

neuer, teilweise unveröffentlichter Prosa.<br />

Die Eingeladenen kommen aus dem gesamten<br />

deutschen Sprachraum. Altersgrenzen,<br />

Geschmackspräferenzen oder Verlagsprovenienzen<br />

sind dabei nicht ausschlaggebend,<br />

viel mehr die Qualität der Texte, gepaart<br />

mit der Qualität, die eigenen Texte trefflich<br />

präsentieren zu können. Die kurzen Gesprächsmoderationen<br />

vor den Lesungen<br />

sind auch schon Tradition, ebenso wie<br />

die – sehr oft recht unkonventionellen –<br />

Geschenke, die von den charmanten Moderatoren<br />

verteilt werden.<br />

Viele Schriftsteller und Schriftstellerinnen<br />

kamen durch die Einladung zum<br />

Prosafestival zur ersten Lesung in Tirol,<br />

manches Mal überhaupt zur ersten Lesung<br />

im Ausland, wie Ursula Timea Rossel,<br />

Jochen Schmidt oder Volker Strübing (der<br />

Sa., 21. April, 20 Uhr<br />

BRUX<br />

1 Michael Stavaric (A)<br />

2 Michael Fehr (CH)<br />

3 Lydia Haider (A)<br />

4 Volker Surmann (D)<br />

zum ersten Mal in einem Flugzeug saß,<br />

um nach Innsbruck zu gelangen).<br />

Auch durchaus bekannte AutorInnen<br />

kamen zu ihrem Debut. Manch einer<br />

erinnert sich noch an den Abend im Jahre<br />

2004, an dem u. a. Daniel Kehlmann,<br />

Sibylle Lewitscharoff und Thomas Glavinic<br />

lasen. Auch nicht schlecht, könnt’ man sich<br />

heute kaum noch leisten.<br />

Nach dem Ende des Kulturgasthauses<br />

am Fuße des Bergisels hat sich das Prosafestival<br />

ins Zentrum begeben und bewusst<br />

verschiedene Orte aufgesucht. U. a. war<br />

man zu Gast im Treibhaus, in der Bäckerei,<br />

im Literaturhaus oder im vier und einzig.<br />

Die Orte, an denen das Festival heuer<br />

stattfinden wird, sind nun gewachsene<br />

Partner und so finden sich die Lesenden<br />

heuer wieder in der Stadtbücherei, der<br />

Wagner’schen Universitätsbuchhandlung<br />

und im Freien Theater Innsbruck, das sich<br />

seit heuer BRUX nennt. Dort wird auch<br />

ausgetanzt und der DJ des Vertrauens,<br />

Martin Fritz, bildet die Klammer des heurigen<br />

Festivals, wird er doch als Gastmoderator<br />

das Festival auch eröffnen.<br />

28<br />

Wagner’sche.<br />

Wie will man ein Buch nicht<br />

lieben, in dem der Hauptdarsteller<br />

Jackpot heißt. Und<br />

wie kann man ihm nicht gebannt<br />

folgen, wenn eine illustre<br />

Schar von Oltener Bohemiers<br />

der schönen Fanny verfällt.<br />

Lenz zeigt einmal mehr, dass<br />

man, wenn man die große Welt<br />

als solches beschreiben möchte,<br />

nicht mehr braucht als Olten.<br />

Und wie – vor allem – kann<br />

man ihm nicht verfallen,<br />

dem Charme des Pedro Lenz!<br />

Der Roman wurde übrigens im<br />

Dialekt geschrieben und von<br />

R. Urweider ins Hochdeutsche<br />

übertragen. Robert Renk<br />

Pedro Lenz:<br />

Die schöne Fanny<br />

Kein & Aber Verlag, 256 S., € 20,60<br />

Oskar Voxlauer wird noch<br />

als halbes Kind im ersten Weltkrieg<br />

an die Front geschickt,<br />

desertiert bei erster Gelegenheit,<br />

kehrt nach langem Aufenthalt<br />

in der Ukraine 1938 in seine<br />

Kärntner Heimat zurück<br />

und gerät dort mit den neuen<br />

Machthabern in Konflikt.<br />

John Wray, der US-Amerikaner<br />

mit Kärntner Wurzeln, zeigt<br />

bei Voxlauers Geschichte seine<br />

Vorliebe für literarische Außenseiterfiguren,<br />

das Zentraleuropa<br />

des 20. Jahrhunderts und seine<br />

Meisterschaft, so gekonnt<br />

wie unaufdringlich zu erzählen.<br />

Martin Fritz<br />

John Wray:<br />

Die rechte Hand des Schlafes<br />

Rowohlt Verlag, 384 S., € 11,30<br />

Biosphärenpark, Mikroplastik<br />

u. Ä. wird der 6-jährigen Erzählerin<br />

um die Ohren gehauen.<br />

Kein Wunder, dass diese am<br />

liebsten Wörter in Einmachgläser<br />

steckt und diese begräbt.<br />

Sie packt auch gerne Dinge<br />

in den Wunschkoffer und wär<br />

doch am liebsten einfach<br />

ein normales Mädchen. Aber<br />

die Eltern haben einen Traum.<br />

Einen Traum, aber keinen Plan.<br />

Aussteigen will gelernt sein.<br />

Die Heldin will raus aus dem<br />

planlosen Gegensystem,<br />

das ist nicht ganz einfach aber<br />

sehr poetisch und mitunter<br />

ganz schön komisch. Markus Köhle<br />

Simone Hirth:<br />

Bananama<br />

Kremayr & Scheriau Verlag,<br />

192 S., € 19,90<br />

Dieser Text wärmt. Dieser<br />

Text erzählt vom Glück. Dieser<br />

Text ist eine Liebesgeschichte.<br />

Dieser Text vergisst aber nicht<br />

darauf, auch die Schattenseiten<br />

aufzuzeigen. Denn Glück<br />

ist ein zartes Pflänzchen und<br />

will gehegt werden, und im<br />

Schattenreich gedeiht Zwiespalt.<br />

Reitzers Romane sind immer<br />

auf der Höhe der Zeit, ihre Figuren<br />

sind einem sehr vertraut,<br />

Probleme und Wünsche der<br />

Figuren ebenso. Reitzer zeigt,<br />

dass auch der Glückspfad eine<br />

Gratwanderung ist. Markus Köhle<br />

Angelika Reitzer:<br />

Obwohl es kalt ist draußen<br />

Jung und Jung Verlag, 212 S., € 20,00<br />

Gotland ist kein ganz normales<br />

Buch. Gotland ist ein schräges<br />

Buch. Schräg ist keine Kategorie.<br />

Gotland ist ein mutiges<br />

Unterfangen, in dem der Autor<br />

laut Eigenaussage einen gänzlich<br />

neuen Zugang zum Romanschreiben<br />

für sich gefunden hat.<br />

Gotland ist ein wahnwitziger<br />

und ja, auch größenwahnsinniger,<br />

dabei glaubensskeptischer<br />

und religionskritischer Roman.<br />

In Gotland ist gezielte Verstörung<br />

Programm. Gotland<br />

ist eine schamlose Wucht<br />

mit Bibelpathos und Schalk im<br />

Nacken. Gotland befreit und<br />

unterhält. Markus Köhle<br />

Michael Stavarič:<br />

Gotland<br />

Luchterhand Verlag, 352 S., € 20,60<br />

O süßes Gefühl der Scham!<br />

Nach drei Romanen präsentiert<br />

der Berliner Satiriker, Slamund<br />

Lesebühnenautor Volker<br />

Surmann nun seine zweite<br />

Geschichtensammlung: Ein<br />

Best-of zum unterhaltsamsten<br />

Gefühl der Menschheit. Wenn<br />

man nicht gerade selbst betroffen<br />

ist. Um so reizvoller<br />

ist es, mit wohligem Schauern<br />

davon zu lesen. Das tut weh<br />

und gut. Das trifft und berührt.<br />

Das unterhält, schafft ein Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

und<br />

lässt einen immer wieder befreit<br />

auflachen. Markus Köhle<br />

Volker Surmann:<br />

Bloßmenschen<br />

Satyr Verlag, 208 S., € 16,40<br />

Tanja Paar erzählt mit beeindruckender<br />

Präzision eine<br />

Geschichte von Unglück, Eifersucht<br />

und Rache in genau dem<br />

Patchwork-Milieu, das unser<br />

Umfeld immer mehr prägt.<br />

Es ist ein harter Text, sehr<br />

präzise, sehr eindringlich. Und,<br />

ja, am Ende schreckt die Geschichte<br />

mit ihrem Mut. Denn<br />

manchmal ist das, was sich in<br />

einem Menschen aufgrund<br />

seines Alters oder einfach seiner<br />

Lebensverhältnisse dort transformiert,<br />

wo er keinen Zugriff<br />

darauf hat, das Unheimlichste<br />

schlechthin. Jenseits von Gut<br />

und Böse. Martin Prinz<br />

Tanja Paar:<br />

Die Unversehrten<br />

Haymon Verlag, 160 S., € 17,90<br />

Haider bleibt auch in ihrem<br />

zweiten Roman ihrem genuinen<br />

Sound treu: Bibel-Pathos<br />

trifft auf Gegenwartssprech. In<br />

„Rotten“ verarbeitet die Autorin<br />

die unmittelbare Geschichte<br />

ihrer Heimat. Im ersten Teil<br />

schickt Haider sieben Wirte und<br />

Nazi-Nachfahren in den Tod, da<br />

wird nicht mit Blut und Drastik<br />

gespart. Erzählt wird in der<br />

Wir-Form einer Gruppe Jugendlicher,<br />

da wird nicht mit Alkohol<br />

und Drogen gespart. Im zweiten<br />

Teil geht es um die „Mühlviertler<br />

Hasenjagd“ und immer geht<br />

es um die Sprache, und die ist<br />

einzigartig. Markus Köhle<br />

Lydia Haider:<br />

Rotten<br />

Müry Salzmann Verlag, 140 S., € 19,00


© Rita Newman<br />

Ich habe einen<br />

märchenhaften<br />

Blick auf die<br />

Welt.<br />

30<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Haben Sie sich auch schon einmal gefragt,<br />

was das Geheimnis der Märchen ausmacht?<br />

Warum sind sie so rätselhaft, was wollen uns<br />

die sonderbaren, uralten Geschichten sagen?<br />

Niemand vermag leidenschaftlicher und<br />

unterhaltsamer Antwort auf diese Fragen<br />

zu geben als Michael Köhlmeier.<br />

Fangen wir vielleicht von hinten an:<br />

Kann es je eine Zeit geben, in der uns die<br />

Märchen nichts mehr zu sagen haben?<br />

Ich weiß gar nicht, ob uns Märchen tatsächlich<br />

etwas zu sagen haben – außer<br />

das, was sie sagen, eben die Geschichte,<br />

die sie erzählen. Das genügt doch. All das,<br />

was Märchen „uns sagen“, ist Interpretation,<br />

das legt man in sie hinein. Märchen<br />

sind einfach, und sie sind schön.<br />

Nehmen wir eines der bekanntesten<br />

Märchen: „Hänsel und Gretel“ – was<br />

antwortest du einem, der wissen will,<br />

was er aus der Lektüre lernen soll?<br />

Er kann lernen, mit einer sehr seltsamen<br />

Schönheit umzugehen. Oder soll ich sagen:<br />

In seinem neuen<br />

Buch „Von den<br />

Märchen“ schwärmt<br />

er von der Einzigartigkeit<br />

dieser<br />

Gattung und<br />

feiert die Lust am<br />

Erzählen. Von<br />

Dorothea Zanon<br />

Er kann lernen, dass es nicht gut ist, Kinder<br />

im Wald auszusetzen, dass es nicht gut ist,<br />

von einem Haus abzuknabbern, dass es<br />

nicht gut ist, einen Buben in einen Käfig zu<br />

stecken und zu mästen, dass es nicht gut ist,<br />

eine alte Frau in einen Ofen zu schieben?<br />

Das aber wird in diesem Märchen erzählt,<br />

nur das. Dann kommen die Psychologen<br />

und Pädagogen und sagen, nein, nein, das,<br />

was da erzählt wird, ist doch nur metaphorisch<br />

gemeint, in Wahrheit bedeutet es ja<br />

etwas anderes. … Woher wissen sie das?<br />

Ich weiß es nicht. Ich nehme das Märchen<br />

so, wie es ist. Man kann nur lernen, diese<br />

Geschichte als das zu akzeptieren, was sie<br />

ist. Wenn ich so lange an ihr herumdeute, bis<br />

herauskommt, was ich vorher schon wusste,<br />

dann missbrauche ich sie als Argument<br />

für meine Meinung. Das gefällt mir nicht.<br />

In „Von den Märchen“ kommen<br />

viele Episoden aus deiner Kindheit<br />

vor, auch aus deinen Studienjahren.<br />

Inwiefern ist es vielleicht dein<br />

persönlichstes Buch?<br />

Michael<br />

Köhlmeier<br />

31<br />

Ich habe von mir erzählt, ganz ohne Absicht,<br />

ich habe mir so viele Gedanken über<br />

Märchen gemacht im Laufe meines Lebens,<br />

ich glaube gar, ich habe einen märchenhaften<br />

Blick auf die Welt, das ist ein guter,<br />

weil brauchbarer Blick. Er sieht hinter dem,<br />

was Wirklichkeit genannt wird, den Archetypus.<br />

Wenn ich einem Wohnungsmakler<br />

begegne, dann ist er sowohl dieser konkrete<br />

Wohnungsmakler, aber er ist auch als Archetypus<br />

derjenige, der ein Heim gibt. Ich glaube,<br />

so ein Blick erleichtert das Leben. Aber<br />

du hast mich ja gefragt, inwiefern dieses<br />

Buch mein persönlichstes ist. Vielleicht weil<br />

ich Ich meine, wenn ich Ich sage.<br />

Dein Vater spielt eine wichtige<br />

Rolle in deinem Heranwachsen zum<br />

Erzähler. Derweil konnte er mit<br />

Märchen rein gar nichts anfangen –<br />

was war da los?<br />

Kindheit war für meinen Vater eine<br />

Spanne im Leben des Menschen, die eigentlich<br />

nichts bringt, die man so schnell wie<br />

möglich durcheilen sollte. Märchen, meinte<br />

er, ziehen einen hinunter ins Kindsein. Er<br />

meinte, Kinder seien irrational, verträumt,<br />

dem Wunderbaren zugeneigt. Ich glaube<br />

das nicht. Ich jedenfalls war als Kind sehr<br />

rational, Träume bedeuteten mir gar nichts,<br />

ich glaubte nicht an Wunder. Aber ich<br />

glaubte, Wunder seien etwas Reales. Ich<br />

hätte geglaubt, dass es sprechende Katzen<br />

gibt, die Stiefel an den Füßen tragen. Es<br />

wäre mir ungewöhnlich erschienen, aber ich<br />

hätte mich sehr rasch damit abgefunden.<br />

Mein Vater wäre verrückt geworden, wenn<br />

ihm der gestiefelte Kater begegnet wäre.<br />

Dein Buch ist der Auftakt zu<br />

„HAYMON schwärmt“, einer neuen<br />

Reihe, in der AutorInnen über etwas<br />

schreiben, für das sie schon lange<br />

schwärmen. Bist du ein Schwärmer?<br />

Ich bin ein Begeisterter. Also bin ich<br />

wohl ein Schwärmer. Deshalb finde ich,<br />

die Reihe steht unter einer guten Devise.<br />

Ohne Begeisterung, ohne, dass wir für<br />

etwas schwärmen, sind wir doch nur langweilige<br />

Pflöcke.<br />

Vermutlich eine frevelhafte Frage<br />

für dich, aber ich trau mich trotzdem:<br />

Hast du ein Lieblingsmärchen?<br />

Einige. „Brüderchen und Schwesterchen“,<br />

„Der gestiefelte Kater“, „Hans, mein Igel“,<br />

„Die zwei Brüder“ – das sind Märchen<br />

der Brüder Grimm. Sie waren einfach die<br />

Besten. Besonders mag ich auch die<br />

Sammlung von Giambattista Basile „Das<br />

Pentamerone“. Und natürlich die Märchen<br />

aus 1001 Nacht.<br />

Michael Köhlmeier ist als Erzähler klassischer<br />

Märchen, antiker und heimischer Sagenstoffe und<br />

biblischer Geschichten bekannt. Auch seine<br />

Romane sind große Publikumserfolge. Bei Haymon<br />

erschien zuletzt „Der Mensch ist verschieden.<br />

Dreiunddreißig Charaktere“, verfasst gemeinsam<br />

mit seiner Frau Monika Helfer.<br />

Michael<br />

KöhlMeier<br />

Von den<br />

Märchen<br />

eine lebenslange<br />

liebe<br />

Buchtipp:<br />

Michael Köhlmeier:<br />

Von den Märchen<br />

Haymon Verlag, 208 S., € 20,00<br />

Buchpräsentation:<br />

Michael Köhlmeier:<br />

Von den Märchen<br />

Moderation: Dorothea Zanon<br />

Do., 26. April 2018, 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Eintritt frei!


© Yves <strong>No</strong>ir<br />

Fremdheiten<br />

werde ich<br />

immer wieder<br />

neu entdecken.<br />

Im Eingangsgedicht zu Abenteuer<br />

der deutschen Grammatik heißt<br />

es: „[…] Die ‚deutsche‘ Grammatik<br />

schreibt man klein // mit<br />

Größenwahn.“ Sie zeichnet ein<br />

besonderes Sprachgefühl aus.<br />

Was beobachten Sie am aktuellen<br />

deutschen Sprachgebrauch?<br />

Ich beobachte zum Beispiel, dass das Wort<br />

„Heimat“ wieder langsam salonfähig wird.<br />

In den achtziger Jahren konnte man es nicht<br />

benutzen. Mir fällt auch auf, dass ein Wort<br />

wie „biodeutsch“ unter dem pseudo-naturwissenschaftlichen<br />

Deckmantel unkritisch<br />

benutzt wird. „Migrationshintergrund“ ist<br />

auch ein problematisches Wort, das man<br />

öfter unter die Lupe nehmen sollte.<br />

Wie empfinden Sie dabei den<br />

Umgang mit dem Exotischen in der<br />

zeitgenössischen Literatur?<br />

Der Exotismus ist ein großes, historisches<br />

Thema. Da kenne ich mich leider nicht<br />

aus. Aber ich kann Folgendes sagen: Ein<br />

Stoff, eine Blume, ein Essen, die aus der<br />

Yoko<br />

Tawada<br />

Worte als Reisende.<br />

Ein Interview,<br />

geführt von<br />

Siljarosa Schletterer<br />

Ferne kommen, sprechen stark unsere<br />

Sinne an und ziehen die Aufmerksamkeit<br />

auf sich, weil etwas Ausländisches für die<br />

Einheimischen eine Gefahr oder auch eine<br />

neue Chance, um alte Probleme zu lösen,<br />

bedeuten kann.<br />

Durch (Fremd)Sprachen merkt man<br />

auch, wie fern die „eigene“ Sprache<br />

sein kann. Wie empfinden Sie den<br />

Umgang mit dem „Fremden“ in der<br />

deutschen Sprache?<br />

Deutsche Sprache ist mir nicht fremd,<br />

sondern sehr vertraut, aber es gibt Kleinigkeiten,<br />

die mir „unnatürlich“ vorkommen,<br />

weil ich sie nicht in der frühen Kindheit<br />

gelernt habe. Zum Beispiel das Wort „sich“,<br />

wenn es von einem reflexiven Verb verlangt<br />

wird. Solche Fremdheiten werde ich immer<br />

wieder neu entdecken und bewusst pflegen,<br />

weil sie mir eine Chance bietet, über die<br />

Sprache im Allgemeinen nachzudenken.<br />

José F. A. Oliver, der Namensgeber<br />

des Lyrikfestivals, schreibt über das<br />

fremdw:ort, dass es aus den Angeln<br />

gehobene Nähe sei. Er unterstreicht<br />

dabei den Zusammenhang von Wort<br />

und Ort. Inwiefern sind für Sie Worte<br />

an Orte gebunden? In Ihren Werken<br />

spielt Körperlichkeit bekanntlich eine<br />

wichtige Rolle.<br />

Mit meinem eigenen Körper kann ich<br />

tatsächlich deutsche Worte nach China<br />

bringen, wenn ich zum Beispiel vom Goethe<br />

Institut in China eingeladen werde, was<br />

schon oft passiert ist. Worte sind Reisende,<br />

nicht unbedingt sesshaft. Dort werden<br />

sie aber zum Teil anders oder gar nicht<br />

verstanden. Der Ortswechsel macht die Gesichter<br />

der Sprache spürbar. Ich kann auch<br />

mit meiner Zunge die japanische Sprache<br />

nach Österreich transportieren. Das macht<br />

den Ort, an dem ich ankomme, doppelt.<br />

keineswegs zweidimensional. Sie sind so<br />

präsent mit ihren Gewichten. Das habe<br />

ich in Hamburg und in Berlin manchmal<br />

vermisst. Aber die Österreicherin antwortete<br />

mir, ihr gefalle auch Innsbruck, aber aus<br />

dem umgekehrten Grund. Das Dorf, wo<br />

sie herkomme, liege im Tal und der Himmel<br />

sei so klein, dass die Sonne frühzeitig hinter<br />

dem Berg verschwinden müsse. Innsbruck<br />

hingegen sei ein großer offener Raum, weil<br />

die Berge weiter weg seien. Seitdem weiß<br />

ich, dass Innsbruck eine Nähe und eine<br />

Ferne bedeutet.<br />

Victor Hugo meint: „Musik fängt<br />

da an, wo Sprache aufhört.“<br />

Beiden zu eigen ist unter anderem<br />

die Klanglichkeit. Auch in unserem<br />

Festival wird mit der Veranstaltung<br />

klang.sprachen diese Gemeinsamkeit<br />

unterstrichen. Wie stehen Sie zur<br />

Musikalität der Sprache? Zur fluiden<br />

Grenze zwischen beiden Bereichen?<br />

Ein Roman ist als Kunst vielleicht nicht so<br />

„rein“ wie die Musik. Dafür kann er problemlos<br />

Umgangssprache, etwas Journalistisches<br />

oder Wissenschaftliches in sich aufnehmen.<br />

Die zeitgenössische Musik kommt<br />

ohne Literatur nicht mehr aus, weil ohne sie<br />

eine Bezugnahme auf die Gesellschaft, die<br />

Geschichte oder die Politik schwierig ist.<br />

Die Literatur hat noch nie verleugnet, dass<br />

die Musikalität für sie wichtig ist. Um das<br />

Besondere der poetischen Sprache herauszuarbeiten,<br />

kann man nicht anders als<br />

auf die musikalische Seite der Sprache zu<br />

achten. Mir scheint es aber genauso wichtig<br />

zu sein, dass die Literatur eine größere<br />

Freiheit hat als Musik, auf die Musikalität<br />

zu verzichten, wenn es nötig ist.<br />

YOKO TAWADA, 1960 in Tokyo/Japan geboren.<br />

1982 –2006 lebte sie in Hamburg, seit März 2006 in<br />

Berlin. Studium der Literaturwissenschaft in Tokyo,<br />

Hamburg und Zürich. Sie ist Mitglied der deutschen<br />

Akademie für Sprache und Dichtung. Zahlreiche<br />

Stipendien und Preise, u. a. Akutagawa-Sho“ (1992);<br />

Junichiro Tanizaki Literaturpreis (2003); Goethe-<br />

Medaille (2005); Tsubouchi-Shoyo-Taisho; Kleist-<br />

Preis (2016), Carl-Zuckmayer-Medaille (2018). Sie<br />

schreibt auf Deutsch und auf Japanisch, Romane,<br />

Prosa, Gedichte, Essays und Theaterstücke. Zuletzt<br />

erschienene Werke: akzentfrei (2018), Ein Balkon für<br />

flüchtige Abende (2017) u. a. www.yokotawada.de<br />

Buchtipp:<br />

Yoko Tawada:<br />

Etüden im Schnee<br />

Konkursbuch Verlag,<br />

320 S., € 13,30 32<br />

33<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Wie sehen Sie Innsbruck? Welchen<br />

Bezug haben Sie zu diesem W:ORT?<br />

Vor einigen Jahren erzählte ich einer sympathischen<br />

Österreicherin, die ich zufällig<br />

in Innsbruck kennenlernte, wie sehr ich<br />

Innsbruck mag. Vor allem dieses Gefühl,<br />

von allen Seiten die Nähe des Gebirges zu<br />

spüren. Die Berge sehen so groß aus und<br />

Lesung:<br />

Yoko Tawada<br />

eröffnet das 4. Lyrikfestivals<br />

W:ORTE am<br />

Do., 14. Juni 2018<br />

im Literaturhaus am Inn<br />

Eintritt frei!


W:ORTE –<br />

4. Lyrikfestival<br />

Der Herbst gehört dem Krimi, der ausgehende Frühling<br />

aber gehört der Lyrik. Von Robert Renk<br />

Veranstaltet von 8ungKultur und Literaturhaus am Inn<br />

14. bis 17. Juni 2018<br />

Durs Grünbein – © Tineke de Lange<br />

Zum vierten Mal wird im Frühjahr die<br />

Lyrik zum bestimmenden Thema in<br />

Innsbruck, wenn auch nur für 3 – 4 Tage.<br />

Nach dem überwältigenden Erfolg des<br />

1. Lyrikfestivals W:ORTE im Jahre 2015<br />

ist man überregional auf das Festival aufmerksam<br />

geworden und in den folgenden<br />

Jahren hat sich während des Festivals eine<br />

qualitative Dichte ergeben, die es außerhalb<br />

Wiens noch kaum gegeben hat.<br />

Zu Gast waren u. a. Maja Haderlap, José<br />

F. A. Oliver, Odile Kennel, Ulf Stolterfoht,<br />

Klaus Merz, Robert Schindel, Thomas<br />

Kunst, Armin Senser, Cvetka Lipuš, Raoul<br />

Schrott, Barbara Hundegger, Christoph<br />

W. Bauer, Ferdinand Schmatz, Lydia Daher,<br />

<strong>No</strong>ra Bossong, Sabine Gruber, Sepp Mall,<br />

Nico Bleutge u. e. a.<br />

Auch heuer werden mit Büchnerpreisträger<br />

Jan Wagner und Durs Grünbein, mit Yoko<br />

Tawada oder Raphael Urweider wieder<br />

wichtige Dichter die Straßen und Cafés<br />

Innsbrucks säumen.<br />

Am Eröffnungsabend (Donnerstag,<br />

14. Juni) lesen Yoko Tawada, José F. A.<br />

Oliver und Aleš Šteger.<br />

Die Lange Nacht der W:ORTE findet<br />

wieder in der Wagner’schen statt (Freitag,<br />

15. Juni um 19:30 Uhr), diesmal mit:<br />

Jan Wagner, Raphael Urweider, Angelika<br />

Rainer und <strong>No</strong>ra Gomringer (angefragt).<br />

Am Samstag gibt es ein Aufeinandertreffen<br />

von LyrikerInnen aus der Schweiz<br />

und aus Tirol und der Sonntag gehört<br />

ganz den „klang_sprachen“!<br />

Diese extra für das Festival entwickelte<br />

Konzertreihe verkündet das Wort aus dem<br />

Orchestergraben. Sie folgt dem Ansinnen<br />

einer stärkeren interdisziplinären Vernetzung<br />

von Kunstsparten in Tirol. Bei<br />

„klang_sprachen“ kommt es zu einem<br />

Brückenschlag zwischen zeitgenössischer<br />

Musik und Literatur. Dort wird also in<br />

Zusammenarbeit mit dem Tiroler Kammerorchester<br />

InnStrumenti und dem ORF-<br />

Tirol ein Abend musikalisch ganz einem<br />

Lyriker gewidmet. Kompositionen, Arrangements<br />

eines ganzen Kammerorchesters<br />

und der Lyriker mitten drin. Und kein<br />

geringerer als Durs Grünbein wird diesen<br />

Part 2018 übernehmen! (Sonntag, 17. Juni<br />

um 20:15 Uhr im ORF Studio 3).<br />

Genaues Programm ab Ende März zu sehen unter:<br />

www.wagnersche.at<br />

www.literaturhaus-am-inn.at<br />

34<br />

Wagner’sche.<br />

Endlich. Endlich. Endlich! Der<br />

neue Urweider ist da! Gedichte,<br />

bei denen die Sonne nie untergeht!<br />

Er umreist mindestens<br />

einmal die Welt, setzt die wortmächtige<br />

Beschreibung globaler<br />

Großstadtmoloche hart den<br />

feinen Verdichtungen von Holz<br />

und Früchten entgegen. Und<br />

zeigt dabei nicht nur sprachliche<br />

Brillanz, sondern vor allem Haltung.<br />

Geschüttelt und gerührt<br />

führt uns dieser Band durch<br />

die Verwerfungen der Jetztzeit,<br />

ohne sich dem Zeitgeist zu unterwerfen.<br />

10 Jahre Warten – es<br />

hat sich gelohnt! Robert Renk<br />

Raphael Urweider:<br />

Wildern<br />

Hanser Verlag, 128 S., € 18,50<br />

Angelika Rainer<br />

S e e ’ l e n<br />

HAYMON<br />

Angelika Rainers Prosa<br />

(„Luciferin“ und „Odradek“)<br />

ist auf wunderbare Weise lyrisch.<br />

So wundert es nicht, dass<br />

uns Rainer mit ihrem ersten<br />

Lyrikband hochverdichtete<br />

Geschichten und Gedanken,<br />

Beobachtungen und Begriffe<br />

erzählt. Sie lässt sich dabei vom<br />

Thema des Sees als Spiegel<br />

der Seele und dem Mythos von<br />

Narziss und Echo inspirieren.<br />

Und inspirierend sind sie alle,<br />

diese wunderbaren Sprachdiamanten.<br />

Die Sprache, klar<br />

wie ein nuancierter Bergsee. Die<br />

Gedanken, eine wohlfein überflutende<br />

Komposition. Selten<br />

schön! Robert Renk<br />

Angelika Rainer:<br />

See’len<br />

Haymon Verlag, 80 S., € 17,90<br />

erscheint am 24.04.2018<br />

83 Gedichte – 83 poetische<br />

Protokolle, Sequenzen, Gesprächspartikel,<br />

Traumstücke.<br />

Alltägliches steht unvermittelt<br />

neben philosophischen,<br />

politischen und last but not<br />

least erotischen Betrachtungen.<br />

So vielfältig wie die Themen<br />

sind die Formen, mit denen der<br />

Autor arbeitet: kurze Achtzeiler<br />

findet man ebenso wie mehrseitige<br />

Langgedichte, Prosa- und<br />

Fotogedichte. Ein großer Teil<br />

des Buches ist der Stadt Rom<br />

gewidmet, in der Grünbein lebt.<br />

Ein Buch, das man immer aufschlagen<br />

kann und das immer<br />

inspiriert. Klex Wolf<br />

Durs Grünbein:<br />

Zündkerzen<br />

Suhrkamp Verlag, 152 S., € 24,70<br />

Diese besondere Anthologie<br />

ist ein hehres Liebesbekenntnis.<br />

Monika Rinck oder Joachim<br />

Sartorius, Durs Grünbein<br />

oder <strong>No</strong>ra Gomringer<br />

haben Minnelieder aus dem<br />

Mittelhochdeutschen übertragen.<br />

Hier betreten wir ein<br />

über acht hundert Jahre altes<br />

Neuland, eine Welt, deren<br />

Begehren uns nah und fremd<br />

zugleich erscheint. Die fantastisch<br />

unterschiedlichen Übersetzungsweisen<br />

durch über<br />

sechzig heutige Dichter zeigen<br />

auch, was für Ideen<br />

die Gegenwartslyrik heute<br />

prägen. Robert Renk<br />

Jan Wagner/Tristan Marquardt (Hg.):<br />

Unmögliche Liebe<br />

Hanser Verlag, 304 S., € 32,90<br />

Dieser Lyrikband ist in vielerlei<br />

Hinsicht eine Reise. Einige<br />

Gedicht-Zyklen sind verortet:<br />

in den Regionen, Sprachen &<br />

Kulturen, die Oliver sich als<br />

Heimat erarbeitet, und in den<br />

Ländern, die er bereist hat. Diese<br />

Sammlung ist auch eine Reise<br />

durch die Zeit, denn sie enthält<br />

drei Jahrzehnte aus dem Schaffen<br />

des Autors. Oliver ist ein<br />

multilingualer Poet und so ist<br />

es mehr als eine Zweckgemeinschaft,<br />

wenn sich seine Gedichte<br />

auf Deutsch & in englischer<br />

Übersetzung lesen lassen. Der<br />

Übersetzer M. J. Mueller hat<br />

hier genau & kreativ gearbeitet.<br />

Klex Wolf<br />

José F. A. Oliver:<br />

Sandscript – selected poetry, zweisprachig<br />

White Pine Press, 273 S., € 20,00<br />

Wer sich von dem zweisprachigen<br />

Band „Kaschmir“ des<br />

slowenischen Dichters Aleš<br />

Šteger Reisegedichte über<br />

die Region zwischen Indien,<br />

Pakistan und China erwartet,<br />

würde enttäuscht werden. Denn<br />

Štegers Kaschmir ist am ehesten<br />

im Dazwischen zu verorten.<br />

Diesen Zustand greift der Autor<br />

auf und beschwört eine Welt<br />

zwischen Wachen und Träumen<br />

hervor. Dort, in einem „anderen<br />

Kaschmir“, begibt sich ein<br />

Ich auf eine Reise zu sich selbst.<br />

Eine schonungslose Konfrontation<br />

beginnt, denn: Ich ist ein<br />

anderer … Gabriele Wild<br />

Aleš Šteger:<br />

Kaschmir<br />

Edition Korrespondenzen Verlag,<br />

104 S., € 19,20<br />

Yoko Tawada, die Sprachspielerin,<br />

bringt in ihrem Gedichtband<br />

Worte und Syntax zum<br />

Tanzen. Lässt ab und an einen<br />

neuen ungewohnten Blick zu.<br />

Sie dekonstruiert dabei Sprache<br />

und entlarvt sie als etwas zu<br />

Hinterfragendes. Sprache ähnelt<br />

dabei eher dem Charakter des<br />

Wassers, das keine Grenzen<br />

kennt, dabei klingen hochaktuelle<br />

Aussagen mit: In ihrem<br />

Gedicht Passiv heißt es: „[…]<br />

Keiner hat einen Pass, der<br />

ihm passt // Dennoch passiert<br />

es täglich: die Grenzen // der<br />

Grammatik werden passiv überschritten“<br />

(S. 15) Siljarosa Schletterer<br />

Yoko Tawada:<br />

Abenteuer der deutschen Grammatik<br />

konkursbuch Verlag, 80 S., € 9,20<br />

In diesem Gedichtband hat<br />

Katharina Lanfranconi ihre<br />

Gedichte aus den Jahren 2002<br />

bis 2008 zusammengetragen,<br />

Herausgeber ist Markus Bundi.<br />

Ihre Gedichte sind inspiriert<br />

vom Leben selbst, Höhen und<br />

Tiefen und kindlichem Entdeckergeist.<br />

Präzise und optisch<br />

schlank, trotzdem prall an Inhalt<br />

und Emotionen. In diesem<br />

kleinen, aber feinen Band kann<br />

man sich von ihrer Kunst mit<br />

über 100 Gedichten verführen<br />

lassen. Lena Kripahle<br />

Katharina Lanfranconi:<br />

ich schrieb etwas kleines<br />

Wolfbach Verlag, S. 128, € 19,00


41. Innsbrucker<br />

Wochenendgespräche<br />

24. bis 26. Mai 2018 „Literatur und Musik“.<br />

Von Birgit Holzner und Joe Rabl<br />

Blutgrätschen nach<br />

der Nachspielzeit<br />

Stefan Gmünder und Klaus Zeyringer beleuchten<br />

die Schattenseiten des Fußballs. Von Martin Fritz<br />

Do., 24. Mai<br />

20:15 Uhr – ORF Tirol Studio 3, Rennweg 14<br />

Lesung: Stefan Slupetzky, Anne von Canal, Christoph W. Bauer,<br />

Jürg Beeler, Lisa Bassenge, Moderation: Birgit Holzner<br />

Fr., 25. Mai<br />

Gespräche im Ensembleproberaum des Tiroler Landestheaters<br />

(Eingang SoWi-Durchgang, neben dem Abo-Büro)<br />

Moderation: Stefan Slupetzky<br />

10 –12 Uhr – Peter Henisch, Lydia Haider, Anne von Canal<br />

15 –17 Uhr – Fritz Ostermayer, Raphael Urweider, Gerald Fiebig<br />

„De la musique avant toute chose“, hat<br />

der symbolistische Dichter Paul Verlaine<br />

in seiner „Art poétique“ gefordert und<br />

Charles Baudelaire spricht in „Les Fleurs<br />

du Mal“ von den „Correspondances“, wenn<br />

es heißt: „Les parfums, les couleurs et les<br />

sons se répondent“. Literatur und andere<br />

Künste gehören wohl zu den spannendsten<br />

Themen überhaupt. Neben bildender Kunst<br />

und Film ist es die Musik, die für uns eine<br />

besondere Anziehungskraft ausübt. Durch<br />

die Symbiose zwischen Sprache und Klang,<br />

Rhythmus und Melodie ist gute Literatur<br />

immer komponiert, man hört beim Lesen<br />

Atmosphären, Klänge, Musik. Das Wechselspiel<br />

von Musik und Literatur ist ein<br />

Paralleluniversum, in dem Bilder und Emotionen<br />

aufgehen. Während beim Lesen eines<br />

Textes der Fokus auf dem Inhalt liegt und<br />

der Geist mit dem Verständnis der Worte<br />

beschäftigt ist, schleicht sich die Musik<br />

klammheimlich um die Ecke, beleuchtet mit<br />

ihren Unter- und Nebentönen von hinten<br />

her andere Aspekte und erzeugt Stimmung.<br />

Wirklich gute Literatur, davon sind wir<br />

überzeugt, ist ganz nah an der Musik. Aus<br />

diesem Grund widmen sich die 41. Innsbrucker<br />

Wochenendgespräche der Balance<br />

zwischen Literatur und Musik.<br />

Als Gäste kann man heuer folgende Autorinnen<br />

und Autoren erleben: Die Berlinerin<br />

Lisa Bassenge hat sich in den letzten 20 Jahren<br />

mit ihrer urbanen Mischung aus Jazz,<br />

Sa., 26. Mai<br />

Blues und Chanson den Rang einer der<br />

besten deutschen Sängerinnen erobert. Die<br />

Lyrik von Christoph W. Bauer ist ein Dialog<br />

von hoher Musikalität und Unmittelbarkeit<br />

über die Zeiten hinweg und vereint stets<br />

Tradition und Moderne; mühelos setzt<br />

er Welten in Verbindung, knüpft an die<br />

Überlieferung antiker Poesie ebenso an wie<br />

an den legeren Tonfall moderner Popkultur<br />

und wechselt ungezwungen die Stimmungen<br />

und Tonlagen. Beim Schweizer Autor Jürg<br />

Beeler spielt die Musik seit Beginn seines<br />

Schreibens nicht nur thematisch immer wieder<br />

eine Rolle, sondern verbindet sich auch<br />

eng mit seiner poetischen und ästhetischen<br />

Haltung, die ihn bei seiner Arbeit leitet.<br />

Anne von Canal erzählt in ihrem Debüt<br />

„Der Grund“ die Geschichte des Kreuzfahrtpianisten<br />

Lawrence Alexander, der immer<br />

wieder gezwungen ist, sich neu zu erfinden.<br />

Gerald Fiebig, Grenzgänger zwischen<br />

Musik und Literatur par excellence, hat sich<br />

als Lyriker einen Namen gemacht, bevor<br />

er sich verstärkt der (elektroakustischen)<br />

Musik zuwandte, um neuerdings wieder den<br />

Lyriker in sich zu forcieren. Lydia Haider,<br />

die schon über Rhythmus als Subversion<br />

in Texten Thomas Bernhards und Ernst<br />

Jandls promovierte, hat in ihren Romanen<br />

„Kongregation“ und „Rotten“ überzeugend<br />

demonstriert, was musikalische Sprache tatsächlich<br />

bedeuten kann. Peter Henisch, Musiker<br />

wienerischer Provenienz und Autor<br />

hinreißender Romane, hat sich des Öfteren<br />

Gespräche im Ensembleproberaum des Tiroler Landestheaters<br />

Moderation: Stefan Slupetzky<br />

10 –12 Uhr – Christoph W. Bauer, Lisa Bassenge, Jürg Beeler<br />

15 –17 Uhr – Gespräch mit allen AutorInnen<br />

20:15 Uhr – ORF Tirol Studio 3, Rennweg 14<br />

Lesung: Fritz Ostermayer, Raphael Urweider, Peter Henisch,<br />

Gerald Fiebig, Lydia Haider, Moderation: Joe Rabl<br />

auch als Autor der Musik verschrieben; so<br />

etwa in den Romanen „Schwarzer Peter“<br />

und „Morrisons Versteck“, beide begleitet<br />

jeweils von einer CD-Veröffentlichung.<br />

Fritz Ostermayer, Radiomensch, Musiknarr<br />

und „Generaldilettant“ (Eigendefinition),<br />

leitet mit der Schule für Dichtung eine<br />

Institution, die sich immer wieder mit<br />

dem Grenzbereich zwischen Literatur und<br />

Musik auseinandersetzt. Raphael Urweider,<br />

Schweizer Autor und Musiker, hymnisch<br />

gelobt und mehrfach ausgezeichnet für drei<br />

legendäre Gedichtbände, hat unter anderem<br />

den Beweis erbracht, dass man in Berner<br />

Mundart hervorragend rappen kann. Mit<br />

seinem schrägen Trio Lepschi begeistert<br />

Stefan Slupetzky das Publikum seit vielen<br />

Jahren mit Wienerliedern im weitesten<br />

Sinn: Satanische Klezmer-Verse treffen auf<br />

Bossa-<strong>No</strong>va-Klagen eines schüchternen<br />

Voyeurs mit Sprachfehler, dadaistische, in<br />

Avantgardeklänge gewobene Gedichte auf<br />

Claude Debussys „Clair de Lune“ im winterlichen<br />

Wurstelprater. Als Krimi-Autor<br />

war Stefan Slupetzky bei den Innsbrucker<br />

Wochenendgesprächen 2016 zu Gast, heuer<br />

wird er die Gespräche moderieren.<br />

36 37<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Wenn es sie denn je gab, dann ist die<br />

Zeit, in der die Beschäftigung mit Fußball<br />

für Intellektuelle als unziemlich galt, inzwischen<br />

längst vorbei. So hat im Fußball-<br />

Diskurs inzwischen nicht nur ein gewisses<br />

Maß an Taktik-Wissen seinen Platz,<br />

sondern auch Ansätze, die Eiergoalies, Gurkerln<br />

und Stanglpässe mit gesellschaftlichen<br />

Phänomenen in Verbindung bringen und<br />

über die kulturelle Bedeutung von Wuchteln<br />

und Scheiberln nachdenken. Rar ist<br />

jedoch nach wie vor so etwas wie eine Kritische<br />

Fußballtheorie – oder weniger hochtrabend:<br />

eine fundierte Fußballkritik, die<br />

nicht bei den Geschehnissen auf dem Rasen<br />

verharrt und nicht auf ein reines Loblied<br />

des geliebten Ballsports hinausläuft.<br />

Diese Steilvorlage nehmen die beiden<br />

Literaturkritiker und – das ist ihren<br />

Ausführungen in jeder Zeile anzumerken<br />

– leidenschaftlichen Fußballfans Stefan<br />

Gmünder und Klaus Zeyringer in „Das<br />

wunde Leder“ gekonnt an. In diesem<br />

akribisch recherchierten, faktenstarken und<br />

spannend wie ein Krimi zu lesenden Essay<br />

verfolgen sie die negativen Auswirkungen<br />

der Kommerzialisierung des professionellen<br />

Männer-Fußballs. Bei ihrem Blick über den<br />

Spielfeldrand hinaus haben sie sich keine<br />

Jausengegner vorgenommen. Internationale<br />

Sportverbände wie die Fifa wurden einst als<br />

kleine, gemeinnützige Vereine gegründet.<br />

Heute sind sie jedoch durch die explosive<br />

wirtschaftliche Entwicklung des Sports, die<br />

vor allem durch das Fernsehen und die davon<br />

angelockten Sponsoren vorangetrieben<br />

wird, längst so mächtig wie ganze Staaten.<br />

Diese ihre Monopolstellung weidlich<br />

ausnützenden Verbände sind dazu noch<br />

fest in der Hand weniger Autokraten. Diese<br />

Organisationsstruktur des zeitgenössischen<br />

Fußballs begünstigt systematische Korruption<br />

und Steuerhinterziehung extrem,<br />

wie die beiden Autoren anhand zahlreicher<br />

Beispiele zeigen.<br />

Auch wenn viele der dunklen Machenschaften<br />

hinter der glänzenden Fassade<br />

der sportlichen Torjagd allmählich bekannt<br />

werden, fehlen wirklich unabhängige<br />

Kontrollinstanzen immer noch, und so<br />

können die Fußball-Mächtigen weiterhin<br />

ihre Gewinne privatisieren, die Kosten aber<br />

sozialisieren. <strong>No</strong>ch scheint dies der Marke,<br />

die Fifa und Co verkaufen und hinter der<br />

sie ihr Tun verstecken, nichts auszumachen:<br />

Fußball gilt wie bisher als unschuldiges, die<br />

Menschen verbindendes Spiel. Aber letztendlich,<br />

so der Clou dieser Fußball-Philippika,<br />

gibt es nur eines, das noch mächtiger<br />

ist als die sich um jeden Preis selbst bereichernden<br />

Fußballverbände: das Publikum,<br />

das nun am Ball ist.<br />

Stefan Gmünder, geboren 1965 in Bern, lebt seit<br />

22 Jahren in Wien. Er ist Literaturredakteur bei<br />

der Tageszeitung „Der Standard“, seit 2015 Juror<br />

beim Bachmannpreis, Verfasser zahlreicher Vorund<br />

Nachworte sowie von Texten für Anthologien<br />

und Herausgeber des Bandes „Die Republik<br />

Nizon. Eine Biographie in Gesprächen“ (2005,<br />

neu aufgelegt 2017).<br />

Klaus Zeyringer, geboren 1953, war Universitätsprofessor<br />

für Germanistik in Angers (FR),<br />

ist Literaturkritiker (u. a. für „Der Standard“,<br />

„Volltext“, „Literatur und Kritik“), Moderator der<br />

Veranstaltungsreihe „Grenzgänge“ sowie Autor<br />

von u. a. „Fußball. Eine Kulturgeschichte“ (2014),<br />

„Olympische Spiele. Eine Kulturgeschichte von 1896<br />

bis heute. Sommer“ (2016) und „Winter“ (2018)<br />

Klaus Zeyringer – © Philipp Naderer Stefan Gmünder – © Matthias Cremer<br />

Buchtipp:<br />

Stefan Gmünder/<br />

Klaus Zeyringer:<br />

Das wunde Leder –<br />

Wie Kommerz und Korruption<br />

den Fußball kaputt machen.<br />

Dazu ein Manifest von Ilija<br />

Trojanow und Klaus Zeyringer<br />

edition suhrkamp, 80 S., ca. € 10,30<br />

Veranstaltung:<br />

Stefan Gmünder<br />

& Klaus Zeyringer<br />

„Das wunde Leder“<br />

Mi., 30. Mai 2018 um 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Eintritt frei!


© Banu Cennetoglu<br />

7 × Fragen an Helmut Nindl<br />

Im Feber waren in unseren Fenstern zu sehen:<br />

Objekte von Helmut Nindl, die der Schwerkraft scheinbar<br />

trotzen, eine geometrische Ruhe ausstrahlen und dennoch<br />

so anziehend wirken. Von Gracia Kasenbacher-Harar<br />

Sicherheit<br />

ist Illusion,<br />

nicht geheuer.<br />

Helmut Nindl<br />

38 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Wobei vergessen Sie<br />

völlig die Zeit?<br />

Beim Suchen und Ausarbeiten<br />

von richtig guten<br />

und unverbrauchten Ideen.<br />

Was bewundern Sie an<br />

anderen Männern?<br />

Erfolg mit richtig guten und<br />

unverbrauchten Ideen.<br />

Was möchten Sie werden,<br />

wenn Sie groß sind?<br />

Aufrichtig, offen, sensibel,<br />

hilfsbereit und tolerant.<br />

Worauf hoffen Sie?<br />

Dass es einmal eine Zeit geben<br />

wird, wo wir uns aufrichtig,<br />

offen, sensibel, hilfsbereit<br />

und tolerant begegnen – ohne<br />

oben und unten, ohne konservativ<br />

und progressiv, ohne<br />

arm und reich, ohne Entwicklungsländer<br />

und A-Länder!<br />

Mit welcher berühmten<br />

Person, lebend oder schon<br />

gestorben, würden Sie<br />

gerne noch ein Gläschen<br />

heben?<br />

39<br />

Mit den Planern und Erbauern<br />

der Pyramiden (Ägypten<br />

und Südamerika), Giotto di<br />

Bondone, Raphael, Leonardo<br />

da Vinci, Wolfgang Amadeus<br />

Mozart, Johann Sebastian<br />

Bach, William Shakespeare,<br />

Katsushika Hokusai, Lucien<br />

Freud, Kasimir Malewitsch,<br />

Gottfried Bammes, Christoph<br />

Ransmayr, Frank Gehry,<br />

Thomas Junker, Christian<br />

Ankowitsch, William<br />

Kentridge und eventuell<br />

noch zwei oder drei J<br />

Sie verbringen eine Nacht<br />

in der Wagner’schen.<br />

Über welche Bücher<br />

gebeugt würde man Sie<br />

in der Früh finden?<br />

Das wäre schon fast ein<br />

paradiesischer Zustand!<br />

Der Stapel wäre vermutlich<br />

unüberschaubar – Beispiele<br />

aus Kunst, Philosophie,<br />

Architektur, Bühnenbild,<br />

Astronomie, Literatur J<br />

Welches geliehene<br />

Buch haben Sie nicht<br />

zurückgegeben?<br />

Den Titel kann ich nicht<br />

mehr erkennen, zu viele Passagen<br />

sind verloren gegangen.<br />

Ich denke, dass dieses Beispiel<br />

aus vergangenen Epochen,<br />

womöglich aus der Zeit des<br />

ersten Buchdrucks oder gar<br />

aus Zeiten der handgeschriebenen<br />

Kopien stammen<br />

könnte – oder sind es doch<br />

Pergamentrollen, oder gar<br />

Keilschrifttafeln – Sie sehen<br />

schon, da bin ich ziemlich<br />

unsicher.<br />

Helmut Nindl, lebt und arbeitet in Kramsach.<br />

1983 startet er mit der Diplompräsentation an<br />

der Akademie der bildenden Künste in München.<br />

Seitdem folgen Ausstellungen in regelmäßigem<br />

Abstand u. a. in der Schweiz, Bayern oder Italien.<br />

Er arbeitet gerne mit den Gegensätzen von schwerem<br />

und transparentem Material, mit in sich ruhender<br />

Dynamik, wie man es auch an seinem aktuellem<br />

Werk „CROSSING“ sehen kann. Ebenso wie sich<br />

Nindl mit Theorien und Themen unserer Zeit beschäftigt<br />

(QR-Code, Fingerprints etc.), beschäftigen<br />

sich Kuratoren und Kunstwissenschaftler mit seinem<br />

Werk, u. a. gibt es aufschlussreiche Texte von<br />

Maria Schuchter, Andreas Hapkemayer, Ingeborg<br />

Erhart oder Günther Moschig. Alles nachzulesen<br />

auf www.nindl.info<br />

Buchtipp:<br />

Thomas Junker:<br />

Die Evolution der Phantasie<br />

Hirzel Verlag, 235 S., € 25,60


Rumänien, ein weißer Fleck<br />

in blau-gelb-rot!<br />

Rund 40 Neuerscheinungen – viel mehr als sonst – haben<br />

die Rumänen für Leipzig im Gepäck. Von Robert Renk<br />

Rumänien wird als Gastland der Leipziger<br />

Buchmesse rund 40 Neuerscheinungen<br />

präsentieren. Das sei ein Vielfaches dessen,<br />

was sonst an rumänischer Literatur auf<br />

Deutsch erscheine, sagte Programmkoordinatorin<br />

Ioana Gruenwald. Jährlich kämen<br />

sonst etwa zehn Werke – Belletristik und<br />

Sachbuch zusammengenommen – heraus.<br />

Im Rahmenprogramm wird unter anderem<br />

die aus dem rumänischen Banat stammende<br />

Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller<br />

erwartet.<br />

Für die Leipziger Buchmesse stehen die<br />

Zeichen auf Wachstum, meint Messedirektor<br />

Oliver Zille. 2017 hatten die Buchmesse<br />

und das dazugehörige Lesefestival „Leipzig<br />

liest“ den Rekordwert von 285.000 Besuchern<br />

gezählt.<br />

Gastland Rumänien<br />

Die „rumänische Literatur“ beginnt mit<br />

dem Brief eines Bauern namens Bojaren<br />

Neacșu aus dem Jahre 1521. Wie in einigen<br />

europäischen Ländern, waren die Grenzen<br />

Rumäniens viel auf Wanderschaft. Invasionen<br />

der Mongolen, Bulgaren, Osmanen,<br />

Griechen oder Ungarn machten es lange<br />

schwer, von einem geeinten Rumänien zu<br />

sprechen. Am 8. Dezember 1861 proklamierte<br />

Alexandru Ioan Cuza die Bildung<br />

des Fürstentums Rumänien aus den Donaufürstentümern<br />

Moldau und Walachei.<br />

1862 wurden die beiden Fürstentümer auch<br />

formal vereinigt und bildeten Rumänien<br />

mit Bukarest als Hauptstadt. Aber schon<br />

1866 musste Cuza abdanken. Der deutsche<br />

Prinz Karl von Hohenzollern-Sigmaringen<br />

wurde zum Fürsten von Rumänien ernannt,<br />

seine Nachkommen sollten als Könige von<br />

Rumänien bis zum Sturz durch die Kommunisten<br />

1947 herrschen.<br />

Vor allem in der Zwischenkriegszeit entwickelten<br />

sich starke, an Westeuropa (vor<br />

allem Frankreich) angelehnte literarische<br />

Strömungen. Die wurden aber gleich nach<br />

dem 2. Weltkrieg und der Gründung der<br />

Volksrepublik (1947) gekappt und Literatur<br />

allenfalls zum Instrument der „sozialistischen<br />

Bewusstseinsbildung“ und Volkserziehung<br />

erklärt.<br />

Viele wichtige Stimmen gingen in „innere<br />

Emigration“ oder ins Exil, vornehmlich<br />

nach Frankreich (E. Ionesco, M. Eliade,<br />

É. M. Cioran).<br />

Der Sturz des Diktators Ceaușescu<br />

(1989) und die folgenden gesellschaftlichen<br />

Umwälzungen führten zu tief greifenden<br />

Veränderungen des rumänischen Literaturlebens,<br />

wobei der „kulturelle Apparat“<br />

– ähnlich wie in Bulgarien – auch<br />

in Rumänien durchaus noch auf etliche<br />

Regimegetreue setzte. Ab nun aber entwickelte<br />

sich bis heute eine vielfältige Literaturlandschaft,<br />

mit Besonderheiten (wie z. B.<br />

Siebenbürgen), die durchaus auf europäischem<br />

Niveau agiert und dennoch bei uns<br />

noch mit dem Exotenstempel versehen ist.<br />

Die uns bekanntesten Vertreter sind<br />

allesamt in den deutschsprachigen Raum<br />

ausgewandert, allem voran <strong>No</strong>belpreisträgerin<br />

Herta Müller. Weiters zu nennen sind<br />

u. a. Ernest Wichner, Oskar Pastior und in<br />

jüngerer Zeit Dana Grigorcea oder Catalin<br />

Dorian Florescu.<br />

Zu den bekannten rumänischen AutorInnen,<br />

die nicht im deutschsprachigen<br />

Raum leben, zählen u. a. <strong>No</strong>rman Manea<br />

(USA), Mircea Cărtărescu, Varujan Vosganian,<br />

Liliana Corobca, Dan Lungu, Daniel<br />

Bănulescu oder Cătălin Mihuleac.<br />

Also, ein <strong>No</strong>roc! auf die rumänische<br />

Literatur, da gibt es viel zu entdecken!<br />

Vor allem gilt es einen großen Klassiker zu<br />

entdecken, der nun erstmals ins Deutsche<br />

übertragen werden konnte, und den legt<br />

uns die in der Schweiz lebende, rumänische<br />

Autorin Dana Grigorcea ans Herz.<br />

Es gilt zu entdecken:<br />

Ion Luca Caragiale<br />

Von Dana Grigorcea<br />

Kein anderer Schriftsteller erfreut sich in<br />

Rumänien des Bekanntheitsgrads eines<br />

Ion Luca Caragiale. Er ist allgegenwärtig,<br />

als Statue, Briefmarke, auf dem schnell<br />

umlaufenden 100-Lei-Geldschein, in<br />

der Alltagssprache mit Ausdrücken und<br />

Redewendungen aus seinen zahlreichen<br />

Werken. (...) Caragiale wurde in all diesen<br />

Epochen als der rumänische Autor gefeiert,<br />

als der Künstler, dem es am besten und<br />

prägnantesten gelungen ist, eine ewiggültige<br />

Bestandsaufnahme der rumänischen Gesellschaft<br />

vorzulegen.<br />

Das eigentlich Verwunderliche an dieser<br />

ungebrochenen Verehrung Caragiales<br />

ist, dass sein Bild von der rumänischen<br />

Gesellschaft kein schmeichelhaftes ist, im<br />

Gegenteil, wo doch das rumänische Publikum<br />

traditionell wenig empfänglich für<br />

Gesellschaftskritik ist – die deutschsprachige<br />

Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller<br />

beispielsweise wird in ihrem Heimatland<br />

Rumänien kaum wahrgenommen.<br />

Wie lässt sich Ion Luca Caragiales Publikumserfolg<br />

nur erklären? Jeder rumänische<br />

Schüler wird es wissen: Caragiale ist beliebt<br />

wegen seines Humors. Es handelt sich um<br />

einen Humor, den die Schulbücher und die<br />

meisten Literaturkritiker typisch rumänisch<br />

nennen und den Caragiale entweder in der<br />

rumänischen Gesellschaft aufgespürt oder<br />

eben für diese erfunden hat.<br />

Wäre die rumänische Sprache eine<br />

Weltsprache, so wäre Caragiale längst ein<br />

Weltautor, sagte der französisch-rumänische<br />

Dramatiker Eugène Ionesco, der sich<br />

oft als Jünger Caragiales bezeichnet hatte.<br />

Da er es aber nicht ist, bleibt Caragiale den<br />

Rumänen vorbehalten. Oder doch nicht?<br />

In diesem Kontext ist das vorliegende<br />

Buch ein kühnes Unterfangen, an das der<br />

Verlag und die so akribische wie inspirierte<br />

Übersetzerin Eva Ruth Wemme als erste<br />

geglaubt haben. Und es ist ein wahres<br />

Wunder geschehen, eines der geglückten<br />

Übersetzung. Wer dieses Buch liest, wird<br />

sofort in eine Welt hineinkatapultiert, in der<br />

ein immer biegsameres und phantastischeres<br />

Deutsch geredet wird, ein Deutsch wie<br />

in einem idealen Traum.<br />

Wer aber war Ion Luca Caragiale,<br />

dieser Sprachkünstler und Visionär? Schon<br />

anhand seines abenteuerlichen Lebens lässt<br />

sich sehr plastisch eine Zeit der Umbrüche<br />

darstellen, in die sich mit leichter, beschwichtigender<br />

Verfremdung die heutige<br />

spiegeln lässt. Ion Luca Caragiale wurde am<br />

30. Januar 1852 in dem Bergdorf Haimanale<br />

geboren. Der Name des Dorfs ist ein Plural<br />

des türkischen Worts haymana, das sich<br />

mit Leichtfuß oder Windhund übersetzen<br />

ließe. Caragiale hat später den Namen oft<br />

erwähnt. Seine Familie war griechischer<br />

Herkunft und widmete sich teils, sehr<br />

erfolgreich, dem Handel und teils, ebenso<br />

erfolgreich, dem Theater. In dieser Dichotomie<br />

– Unternehmergeist versus musische<br />

Beschäftigung – lebte die ganze Familie<br />

Caragiale. Hin- und hergerissen zwischen<br />

diesen Polen lebte auch der junge Ion Luca.<br />

Aus existentieller <strong>No</strong>twendigkeit wandte er<br />

sich dem Handel zu, wobei er seine Geschäfte<br />

wiederum als Inspirationsquelle für die<br />

Kunst verwenden sollte. Im Unterschied zu<br />

vielen seiner Künstlerkollegen aber wird er<br />

seine zeitlich beengten Verhältnisse nie thematisieren,<br />

geschweige denn romantisieren.<br />

Zum Fotografen wird er nur mit Krawatte<br />

gehen und mit gekämmtem Schnurrbart.<br />

Der Nachwelt hinterließ er nur Bilder von<br />

sich als bourgeoisem Bonvivant.<br />

Seinen 60. Geburtstag 1912 feierte man<br />

in Rumänien zwar ohne ihn, aber dennoch<br />

mit Pomp. Caragiale sagte, er möge es nicht,<br />

gefeiert zu werden. Kurz darauf starb er unerwartet,<br />

im Schlaf, und sein Leichnam wurde<br />

nach Bukarest gebracht. Alle Zeitungen<br />

berichteten mit großer Konsternation von<br />

Caragiales Tod, manche lancierten eine sensationelle<br />

Theorie von Komplott und Mord.<br />

© Ayşe Yavas<br />

Caragiale erhielt ein Staatsbegräbnis<br />

erster Klasse: offizieller Nationaltrauertag,<br />

alle Ämter geschlossen, fünfzig Prozent<br />

Ermäßigung im öffentlichen Verkehr, damit<br />

alle Menschen dabei sein können, auch aus<br />

der Provinz. Der Trauerzug war von einem<br />

nie dagewesenen Ausmaß, es gingen Popen,<br />

Politiker, Kulturmenschen, Schüler und das<br />

ganze restliche Volk – Mache und Lache –,<br />

Blumenkränze von der Königin und von<br />

allen Theatern wurden mitgetragen. Auch<br />

deutsche, italienische, französische und<br />

spanische Zeitungen berichteten vom<br />

Begräbnis und schlossen sich der Trauer an.<br />

„Der große Caragiale ist tot!“, schrieben sie,<br />

übernahmen dabei auch Überschriften aus<br />

rumänischen Zeitungen: „Ein Titan ist von<br />

uns gegangen.“<br />

Dabei war er, mit kleinen Ausnahmen,<br />

gar nicht in ihre Sprachen übersetzt<br />

worden, und sie kannten ihn nicht.<br />

Diese absurde Tatsache hätte Caragiale<br />

amüsiert.<br />

Abdruck der Auszüge aus dem Vorwort mit<br />

freundlicher Genehmigung des Guggolz Verlages!<br />

Buchtipps:<br />

Liliana Corobca:<br />

Die Zensur. Für Anfänger<br />

Edition Thanhäuser Verlag,<br />

96 S., € 20,00<br />

Herta Müller:<br />

Vater telefoniert mit den Fliegen<br />

Fischer Taschenbuch Verlag,<br />

208 S., € 11,30<br />

<strong>No</strong>rman Manea:<br />

Wir sind alle im Exil<br />

Hanser Verlag, 224 S.,<br />

€ 20,50<br />

Oskar Pastior:<br />

sünden waffen sorgenfeig<br />

Hanser Verlag, 384 S., € 28,80<br />

erscheint am 03.04.2018<br />

Catalin Mihualec:<br />

Oxenberg & Bernstein<br />

Zsolnay Verlag, 368 S.,<br />

€ 24,70<br />

Varujan Vosganian:<br />

Als die Welt ganz war<br />

Zsolnay Verlag, 336 S.,<br />

€ 24,70<br />

Dana Grigorcea:<br />

Die Dame mit dem<br />

maghrebinischen Hündchen<br />

Dörlemann, 128 S., € 16,50<br />

Ion Luca Caragiale:<br />

Humbug und Variationen<br />

Guggolz Verlag, 431 S.,<br />

€ 24,70


Eine Nacht im Paradies<br />

Buchhandlungen sind Seismografen der Gegenwart.<br />

Von Ilija Trojanow – ein Auszug<br />

Ein Jugendtraum: Eingesperrt zu sein<br />

unter lauter Büchern, eine ganze Nacht<br />

lang. Alleingelassen mit all der Pracht,<br />

ungestörte Zweisamkeit mit Literatur<br />

in jeglicher Form, die Ruhe, die Zeit.<br />

Paradiesisch.<br />

Nicht in einer Bibliothek, wo die Bücher<br />

schon zugerichtet sind, mit Nummern<br />

versehen wie Häftlinge, sondern in einer<br />

Buchhandlung, einer mittelgroßen, um aus<br />

dem Vollen schöpfen zu können, ohne sich<br />

zu verlaufen. Mit anderen Worten: in der<br />

Wagner’schen. Nach einer Nacht in dieser<br />

Wunderkammer wird einem bewusst, dass<br />

solche Buchhandlungen viel mehr als bloße<br />

Geschäfte sind. Es sind vielfältig fiebrige<br />

Kulturräume, unerlässliche Quellen für das,<br />

was wir Geist nennen und dessen Entwicklung.<br />

Solange der Mensch noch selbst denkt<br />

(manche haben diese Tätigkeit ja schon<br />

ausgelagert), wird er Buchhandlungen<br />

brauchen. Folglich benötigt jede Stadt gut<br />

sortierte intellektuelle Tankstellen.<br />

22:00 Uhr<br />

Für weniger geübte, nicht traumwandlerisch<br />

zwischen den Regalen schwebende<br />

Leser und Leserinnen stehen am Eingang,<br />

neben der Kasse, zwei Stellwände mit<br />

„Blind Dates“, anonym eingepackten<br />

Büchern, die einen zu Hause überraschen<br />

sollen. Die graue Verpackung verspricht<br />

nichts anderes als in einer kurzen handschriftlichen<br />

Beschreibung enthalten. Die<br />

Bände seien sehr begehrt, berichtet der<br />

leitende Buchhändler, ein bärtiger Mann<br />

namens Robert Renk, ein Patriot des<br />

Buches, mit dem ich die erste Stunde verbringe,<br />

bevor er mich allein lässt.<br />

© Thomas Dorn<br />

23:00 Uhr<br />

Ich beginne bei der „Erotik“. Trotz der gesellschaftlichen<br />

Liberalisierung des Sexuellen<br />

immer noch ein wenig versteckt in einer<br />

Ausbuchtung hinten links im Erdgeschoss.<br />

Zu meinem Erstaunen erwartet mich trotz<br />

der Schwemme an kostenfreien lustverstärkenden<br />

Bildern und Filmen im Internet<br />

ein ganzer Meter Erotik. Aber wie soll ein<br />

potentieller Kunde nun das richtige Buch<br />

für sich finden? Schließlich kann er schlecht<br />

zu der netten Ute gehen und verkünden:<br />

„Ich bin 51 und stehe auf dicke Fesseln und<br />

flotte Dreier.“<br />

Die angebotene Produktion stammt fast<br />

ausschließlich von Autorinnen, die Titel<br />

bzw. Untertitel beinhalten stets „Versuchung“,<br />

„Verlangen“, „Verführung“,<br />

„verbotene Liebe“ oder „leidenschaftliches<br />

Versprechen“. Zur Erotik gehören folglich<br />

Bücher, die ohne ein „ver-“ im Titel nicht<br />

auskommen können. Ich schlage auf gut<br />

Glück den Roman „Dirty Secrets“ auf:<br />

„Das erste Mal war liebevoll und zärtlich<br />

und wunderschön gewesen, trotz der<br />

furchtbaren Umstände. Es war eine Flucht<br />

gewesen. Eine Befreiung.“ So erotikfrei geht<br />

es weiter. Ich nippe am Weinglas und sehne<br />

mich nach Josefine Mutzenbacher.<br />

24:00 Uhr<br />

Die Romantik ist mit vier Metern erheblich<br />

Platz einnehmender. Die einzige Abteilung,<br />

in der ich keine der Autorinnen (wiederum<br />

fast nur Frauen) kenne. Auch nicht Carrie<br />

Price. „Zoe“ lautet ein Band aus der Reihe<br />

„New York Diaries“ – Erotik und Romantik<br />

kommt meist in Reihen daher und spielt<br />

in New York, dem Liebeszentrum der Welt.<br />

Ich stolpere über den Satz: „Nach meinem<br />

niedergeschlagenen Anruf, der dieser fatalen<br />

Audition gefolgt war …“ – schlechtes<br />

Deutsch wirkt auf mich unromantisch. Der<br />

Verlag verschweigt, welche Software dieses<br />

Buch (nicht) übersetzt hat. Ich beschränke<br />

mich des Weiteren darauf, lediglich die Titel<br />

zu lesen.<br />

00:50 Uhr<br />

Ich wende mich etwas unbefriedigt den<br />

Verkaufstischen zu, die in blauen Farben<br />

Bücher seit 1639<br />

Sommerlektüre versprechen, samt Muscheln,<br />

Korallen, Papageien, Fischen, Sand<br />

und einer vermeintlichen Sommerbrise.<br />

Robert Renk hatte mir das Prinzip einleuchtend<br />

erklärt: „Hier ziehen die populären<br />

Titel die weniger bekannten mit. So<br />

kann ich einem Geheimtipp Aufmerksamkeit<br />

verschaffen.“ Donna Leon ist also die<br />

Tempoläuferin für Christoph W. Bauer (es<br />

funktioniert wohl). Passend „Der Klang<br />

der Stille“ von Sergio Bambaren. Angeblich<br />

laut Klappentext ein Buch für Mutige, also<br />

greife ich in der Geisterstunde beherzt zu.<br />

Der erste Satz ist eine Ohrfeige (man sollte<br />

nie ein Buch kaufen, ohne den ersten Satz<br />

gelesen zu haben; dieser erzwingt zwar selten<br />

einen Kauf, spricht aber umso häufiger<br />

eine klare Warnung aus): „Jede Minute, die<br />

vergeht, ist eine Gelegenheit, alles zu verändern,<br />

jeder Augenblick eine Chance, alles zu<br />

verbessern.“ Wie sehr habe ich mein Leben<br />

verschwendet, was sind all die Menschen,<br />

die ich bewundere, doch für Luschen, da<br />

sie ein Leben lang mit gemischtem Erfolg<br />

versucht haben, etwas zu verändern, die<br />

Welt ein wenig zu verbessern. Hätten wir<br />

doch nur Bambaren gelesen. Der paradoxe<br />

Titel wird auf Seite 34 erklärt: „Vergiss nie,<br />

dass die Stille, die du nur hörst, schwer zu<br />

finden und noch schwerer zu verstehen ist.“<br />

Ich höre im Klang der Wagner’schen Stille,<br />

wie auf einem Nebentisch Franz Schuh<br />

verächtlich schnaubt. Und Karl Kraus das<br />

Wortmesser wetzt.<br />

Buchhandlungen sind unendlich tolerante<br />

Reiche. Hier tummeln sich Meuchelmörder<br />

der Sprache wie Herr Bambaren neben Rettern<br />

und Rittern des Wortes, wie auf dem<br />

Tisch gegenüber. Vier Bücher des Mundzu-Mund-Beatmers<br />

der Literatur, Alois<br />

Hotschnig, die großartige <strong>No</strong>velle „Der<br />

Argentinier“ von Klaus Merz, der Roman<br />

„Himmelfarb“ meines ehemaligen Verlegers<br />

Michael Krüger, die intelligenten und gebildeten<br />

Essays von Karl-Markus Gauß.<br />

01:30 Uhr<br />

Die breiten Regale mit den Krimis empfinde<br />

ich als wenig einladend, weil die Umschläge<br />

schon von Weitem eine breite, uniforme<br />

rot-schwarze Front aufweisen. Offensichtlich<br />

haben die Verlage den ultimativen visuellen<br />

Köder gefunden (schwarz für Drama,<br />

rot für Blut), die Kunden beißen zuverlässig<br />

an, gerade weil es wenig subtil ist und daher<br />

nur noch reproduziert werden muss.<br />

Andere Tische hingegen beschwören reihenweise<br />

persönliche Erinnerungen herauf:<br />

43<br />

Michail Schischkin (ein gemeinsamer Drink<br />

in einem Zelt auf der Buchmesse), David<br />

Albahari (traurige Gespräche spätabends<br />

beim ersten Münchner Literaturfest), Michael<br />

Köhlmeier (vor Kurzem eine absurde<br />

Zusammenkunft mit dem <strong>No</strong>ch-Kanzler<br />

Kern, der uns „Intellektuelle“ mit einer<br />

klaren Positionierung gegen rechts übertrumpfte,<br />

die er schon am nächsten Morgen<br />

beim Kuschelgespräch mit Strache vergessen<br />

hatte), Meja Mwangi (mein erstes<br />

Tusker-Bier als Jugendlicher in Kenia,<br />

als wir aufgeregt auf einen Auftritt von<br />

Mwangi warteten, der aber nie erschien),<br />

Yu Hua (gemeinsam die Pekingente verspeist,<br />

während wir über Auflagen redeten,<br />

seine stets um eine Null höher als meine),<br />

Katja Lange-Müller (die mir neulich wie ein<br />

Rohrspatz schimpfend im Gang eines Zuges<br />

entgegenlief), T. C. Boyle (der mir erzählte,<br />

auch er höre beim Schreiben vor allem<br />

Opern, am liebsten Barockopern), Aslı<br />

Erdoğan (vor deren Gefängnis in Istanbul<br />

wir noch im <strong>No</strong>vember protestierten, die<br />

inzwischen freigelassen worden ist). Mir<br />

wird bewusst, wie viele Erlebnisse meines<br />

Lebens sich um Bücher und Autoren ranken,<br />

wie viele der anwesenden Kolleginnen<br />

und Kollegen ich kenne, ob persönlich oder<br />

als Leser. Es stellt sich ein rührendes Gefühl<br />

ein, als wären wir eine Familie, mit vielen<br />

Freundschaften, aber auch dem einen oder<br />

anderen schwarzen Schaf (schon fällt mein<br />

Blick auf Christian Kracht). Denn ich stehe<br />

vor der breitesten aller Regalwände, der<br />

Literatur.<br />

02:38 Uhr<br />

Auf einmal überkommt mich ein merkwürdiger<br />

Drang aufzuräumen. Ich ordne herumliegende<br />

Exemplare ins Regal, sorge für<br />

alphabetische Ordnung, von Hector Abad<br />

bis Wu Ming. Das bereitet mir großen<br />

Spaß, danach schmerzt mir der Rücken. Es<br />

ist alles vertreten, sogar eine handsignierte<br />

Gesamtausgabe des leider noch nicht kanonisierten<br />

Edgar Hilsenrath.<br />

03:44 Uhr<br />

Zeit nun für den wirklich großen Elefanten<br />

in der Buchhandlung. Er heißt George R. R.<br />

Martin und nimmt alleine mehr Platz ein<br />

als die Erotik und halb so viel wie die<br />

Klassik! Tolkien hält sich wacker, zu meiner<br />

Begeisterung ist Lovecraft auch noch gut<br />

im Rennen, aber alle anderen sind mir<br />

unbekannt (Harry Potter ausgenommen).<br />

Erstaunlich wie wenig man sich auskennt<br />

in gewissen Genres.<br />

04:26 Uhr<br />

Ich habe das Erdgeschoß nun einmal<br />

umrundet (an den vielen Reiseführern bin<br />

ich vorbeigegangen wie ein Vegetarier an<br />

einem Metzgerladen; wer mit Reiseführern<br />

aufbricht, hindert sich selbst am Reisen).<br />

Gegenüber der Kasse – wie in jeder<br />

Buchhandlung – die Bestseller. Mal sehen,<br />

wie gut Sie sich, liebe liebe Leserin, lieber<br />

Leser,, in der Buchbranche auskennen: Die<br />

Bestseller hier stammen von Schuh, Jergović,<br />

Muschg, Bärfuss und einigen anderen.<br />

Fällt Ihnen etwas auf? Ja, wenn der Wunsch<br />

Vater des Verkaufs wäre, dann würde die<br />

Bestsellerliste in etwa so aussehen. Im real<br />

existierenden Kapitalismus aber nicht, nie<br />

und nimmer!<br />

05:02 Uhr<br />

Auf in den ersten Stock. Hier finden sich<br />

mehr Bücher, die die Umwelt begrünen als<br />

die Welt verbessern wollen. Vielleicht weil<br />

viele glauben, mit dem Ersteren sei es schon<br />

getan?!<br />

Auffällig ist die Dominanz der individuellen<br />

Glücksversprechen. Das Glück<br />

des Einzelnen steht öfter im Fokus als das<br />

Glück der Gesellschaft. Obwohl Studien<br />

wiederholt erwiesen haben, dass das<br />

Glücksempfinden der Bürger in gerechteren<br />

Gesellschaften erheblich höher ist. Anders<br />

gesagt: Soziale Ungerechtigkeit macht die<br />

ganze Gesellschaft unglücklich. Der beste<br />

Weg, das eigene Wohlbefinden zu steigern,<br />

wäre, das Leben aller zu verbessern. Das<br />

widerspricht aber dem Zeitgeist und dieser<br />

äußert sich, nicht nur in diesem Punkt, immer<br />

wieder – wie sollte es auch anders sein<br />

– in der Auswahl der Bücher. Buchhandlungen<br />

sind Seismografen der Gegenwart. Sie<br />

können unmodische Angebote unterbreiten<br />

(viel Lyrik und experimentelle Literatur),<br />

aber sie müssen auch die Wünsche der Kunden<br />

respektieren. So könnte man nach einer<br />

Nacht in der Wagner’schen den Reichtum<br />

menschlicher Kreativität ebenso feiern<br />

wie die dekadente Dummheit unserer Zeit<br />

beklagen.<br />

06:06 Uhr<br />

Beim Einschlafen zähle ich anstatt Schafen<br />

Bücher, mein Blick vom Vorüberziehen der<br />

Bücherrücken so müde, dass er nichts mehr<br />

hält.<br />

Der komplette Text ist nachzulesen in QUART<br />

Nr. 30 oder auf unserer homepage: www.wagnersche.at<br />

Buchtipp:<br />

Quart Heft für Kultur Tirol 30/2017<br />

Haymon Verlag, 128 S., € 16,–


Jung,<br />

aber<br />

oho!<br />

Bücher<br />

für<br />

Kinder<br />

und<br />

Jugend:<br />

Stella lebt mit ihren drei<br />

bösartigen und lieblosen Tanten<br />

in einem Hotel. Dort wird<br />

sie Zeugin eines mysteriösen<br />

Verbrechens. Sie kommt in<br />

den Besitz eines Päckchens<br />

mit dem Auftrag, gut darauf<br />

aufzupassen. Somit beginnt eine<br />

abenteuerliche Verfolgungsjagd,<br />

packend und sprachlich hervorragend<br />

erzählt, bei der Stella<br />

einem Rätsel ihrer eigenen<br />

Geschichte sehr nahe kommt.<br />

Ein Abenteuerroman ab 10 Jahren,<br />

in Australien mit mehreren<br />

Preisen ausgezeichnet und mit<br />

feinen Zeichnungen der Autorin<br />

versehen! Silvia Spiegl<br />

Judith Rossel:<br />

Stella Montgomery und die bedauerliche<br />

Verwandlung des Mr Filbert<br />

Thienemann Verlag, 272 S., € 14,40<br />

Seit dem Tod ihrer Mutter<br />

wächst Esther bei ihrer<br />

Großmutter auf, als sie 12 ist,<br />

überfallen Pickel ihr Gesicht.<br />

Sie bestellt sich ein sogenanntes<br />

„Wundermittel“ im Internet,<br />

nur leider hat es eine ganz<br />

andere Wirkung, es macht<br />

nämlich unsichtbar. Für viele<br />

ein Traum, aber nicht für<br />

Esther. Damit fängt das Chaos<br />

erst so richtig an, oder kann<br />

es doch hilfreich sein, den fiesen<br />

Zwillingen einen Denkzettel<br />

zu verpassen? Oder noch andere<br />

Geheimnisse aufdecken?<br />

Ein ernster und humorvoller<br />

Roman. Andrea Scheiber<br />

Ross Willeford:<br />

Was du niemals tun solltest,<br />

wenn du unsichtbar bist<br />

Coppenrath Verlag, 384 S., € 15,40<br />

Kann es wirklich sein, dass<br />

sich ein Pony in ein Mädchen<br />

verwandeln kann? Als wäre<br />

Pias Leben nicht schon chaotisch<br />

genug. Ihre Mutter ist den<br />

Liebesschmökern verfallen und<br />

ihre beste Freundin Moppie<br />

liebt es, ihr die Haare zu schneiden,<br />

weswegen sie sich nur mehr<br />

mit Perücke aus dem Haus<br />

traut; da taucht plötzlich Penny<br />

auf, die ein großes Geheimnis<br />

birgt. Ehe es sich Pia versieht,<br />

steckt sie schon mitten drin im<br />

Abenteuer und einer geheimnisvollen<br />

Mission. Mitreißend,<br />

humorvoll, einfach zum Tränen<br />

Lachen. Andrea Scheiber<br />

Patricia Schröder:<br />

Plötzlich Pony (Bd. 1) –<br />

Eine Freundin zum Pferdestehlen<br />

Coppenrath Verlag, 144 S., € 11,30<br />

„Ich will nicht“, protestiert<br />

Lina, als ihre Mutter verkündet,<br />

die Ferien auf Onkel Hapes<br />

Hof zu verbringen, der verreist<br />

ist, aber jemand muss ja auf<br />

die Koikarpfen aufpassen. Und<br />

noch schrecklicher ist das, da<br />

dort dieses Pony Bulli ist und<br />

Lina nicht in Ruhe lässt, dabei<br />

hat sie doch solche Angst vor<br />

Pferden. Es kommt wie’s kommen<br />

muss, sie freundet sich mit<br />

ihm an. Und es ist auch sicher<br />

eines der intelligentesten Ponys<br />

überhaupt, das auch sehr hilfreich<br />

war beim Fang des Diebes<br />

der Karpfen. Andrea Scheiber<br />

Frauke Scheunemann:<br />

Bulli & Lina (Bd. 1) –<br />

Ein Pony verliebt sich<br />

Loewe Verlag, 152 S., € 13,40<br />

Als wir mit dem neuen Lebensgefährten<br />

meiner Mutter in<br />

ein neues Haus ziehen, das<br />

ehrlich gesagt so gut wie auseinanderfällt<br />

und zum größten<br />

Übel nicht mal WLAN hat,<br />

bin ich am Verzweifeln. Zur<br />

Ablenkung, um über Papa<br />

hinwegzukommen, fange ich an,<br />

Song-Texte zu schreiben, wobei<br />

ich sicher bin, dass es keinen<br />

interessiert. Doch plötzlich<br />

taucht ein Video von mir im<br />

Net auf, wo ich singe und<br />

spiele. Dann kommt noch die<br />

Geschichte mit dem Plattenvertrag<br />

dazu! Das Chaos hat<br />

begonnen … Andrea Scheiber<br />

Marianne Levy:<br />

Plötzlich Superstar (Bd. 1) – Katies Song<br />

Egmont Verlag, 352 S., € 14,40<br />

Was passiert, wenn Ellas<br />

Mutter dreimal mit den Fuß<br />

stampft, in die Hände klatscht,<br />

mit dem Po wackelt und<br />

Marshmallow ruft? Genau, sie<br />

wird zur Fee, Mami-Fee. Später<br />

werde ich selber mal eine Fee<br />

sein, aber ich hoffe, dass ich<br />

besser bin, denn bei Mami geht<br />

viel daneben. Statt Milch steht<br />

plötzlich eine Kuh in der Küche,<br />

oder der Wischmop spielt lieber<br />

Verstecken, bis hin zum bockigen<br />

Mehl. Es geht drunter und<br />

drüber, und erst recht, als sie<br />

die Feengrippe erwischt und sie<br />

versucht, sich selbst zu heilen …<br />

Andrea Scheiber<br />

Sophie Kinsella:<br />

Mami Fee & ich –<br />

Der große Cupcake-Zauber<br />

cbj Verlag, 120 S., € 12,40<br />

Happi ist ein kleines Erdhörnchen,<br />

dessen Aufgabe ist,<br />

Wintervorräte zu sammeln.<br />

Aber er ist auch sehr neugierig<br />

und er findet viele Schätze,<br />

sei es eine Muschel oder eine<br />

Vogelfeder. Als er eines Tages<br />

den sicheren Futterpfad verlässt<br />

und auf Entdeckungsreise geht,<br />

begegnet er einem Wolf, der<br />

verletzt ist. Er beschließt, ihm<br />

zu helfen, obwohl der Wolf einer<br />

seiner größten Feinde ist. Er<br />

bringt ihm Beeren und Kräuter,<br />

sie haben wahnsinnigen Spaß<br />

zusammen. Ein wunderbares<br />

Buch über Freundschaft und<br />

Mut. Andrea Scheiber<br />

Oliver Scherz:<br />

Ein Freund wie kein anderer<br />

Thienemann Verlag, 128 S., € 14,40<br />

Die Zwillinge Tess und Theo<br />

und ihr Freund Jamie müssen<br />

unbedingt den sagenumwobenen<br />

Code knacken, den die<br />

berüchtigten Morningstar<br />

Zwillinge vor 150 Jahren aufgestellt<br />

haben. Sie und viele andere<br />

Familien werden sonst ihr<br />

Zuhause verlieren. Ihnen bleibt<br />

nicht viel Zeit, um zu schaffen,<br />

woran so viele vor ihnen gescheitert<br />

sind. „Chroniken von<br />

York“ ist ein rasantes Jugendbuch<br />

mit Steampunk-Elementen<br />

und einer unglaublich spannenden<br />

Schnitzeljagd durch<br />

ein fantastisches New York.<br />

Marlene Walder<br />

Laura Ruby:<br />

Die Chroniken von York (Bd. 1) –<br />

Die Suche nach dem Schattencode<br />

Loewe Verlag, 448 S., € 20,60<br />

Tom soll seine Ferien bei seinem<br />

Onkel in England verbringen –<br />

ohne Internet und ohne Fernseher.<br />

Nur umgeben von Büchern.<br />

Doch schon bald überschlagen<br />

sich die Ereignisse –<br />

sein Onkel wird entführt und<br />

er findet eine Seite, auf der<br />

wie von Zauberhand Worte<br />

erscheinen. Zusammen mit dem<br />

Diener seines Onkels, Will,<br />

bereist er drei Kontinente und<br />

erlebt das größte Abenteuer<br />

seines Lebens. Ein grandioses<br />

Buch über das Lesen, das<br />

Schreiben und die großen Persönlichkeiten<br />

der Weltliteratur!<br />

Marlene Walder<br />

Akram El-Bahay:<br />

Wortwächter<br />

Ueberreuter Verlag, 384 S., € 15,40<br />

Maus lebt auf dem Segelschiff<br />

„Jägerin“ und soll später einmal,<br />

so wie ihre Oma, Captain<br />

werden. Sie liebt das Leben auf<br />

dem Meer, umringt von Walgesang<br />

und Mondelfen. Doch<br />

dann verschwindet ihr Vater<br />

und ihr kleiner Bruder gerät in<br />

Gefahr. Hängt das alles etwa<br />

mit dem neuen Steuermann<br />

der Jägerin zusammen? Und ist<br />

die Sturmopalkrone vielleicht<br />

mehr als nur eine Legende?<br />

Das hochgelobte Fantasy-<br />

Debüt aus Großbritannien!<br />

Wild, fantastisch und einfallsreich.<br />

Marlene Walder<br />

Sarah Driver:<br />

Die drei Opale<br />

Carlsen Verlag, 368 S., € 15,50<br />

Weil Parkers Bruder allergisch<br />

gegen Hundehaare ist, musste<br />

Alaska weggegeben werden.<br />

Parker ist darüber todunglücklich.<br />

Eines Tages sieht<br />

sie die Hündin wieder – als<br />

Hilfshund für den gemeinsten<br />

Jungen in ihrer neuen Klasse.<br />

Also schmiedet Parker einen<br />

Plan, wie sie ihre geliebte<br />

Alaska wieder zurückholen<br />

kann. Ein rasantes Buch über<br />

Freundschaft – einfühlsam und<br />

federleicht erzählt. Anna Woltz<br />

verbindet einen ausgezeichneten<br />

Schreibstil mit einem humorvollen<br />

Abenteuer. Marlene Walder<br />

Anna Woltz:<br />

Für immer Alaska<br />

Carlsen Verlag, 176 S., € 12,40<br />

Elli ist gerade mit ihrer Familie<br />

und den drei Hühnern umgezogen.<br />

Ihr Großvater, Leonardo,<br />

betreibt dort die beliebteste<br />

Eisdiele der Stadt. Und schon<br />

bald merkt Elli, dass sie dieselbe<br />

Fähigkeit wie er hat. Sie kann<br />

magisches Eis herstellen.<br />

Leonardo beharrt darauf,<br />

ihr das Handwerk Schritt für<br />

Schritt beizubringen, doch<br />

Elli geht das zu langsam. Sie<br />

schleicht sich in das Eislabor<br />

und stellt ein Quatsch-Eis her.<br />

Doch als sie dieses ihren<br />

Mitschülern serviert, gerät alles<br />

aus dem Ruder … Marlene Walder<br />

Heike Eva Schmidt:<br />

Der zauberhafte Eisladen (Bd. 1) –<br />

Vanille, Erdbeer und Magie<br />

Boje Verlag, 208 S., € 10,30<br />

Verlage suchen nach neuen<br />

Wegen, um Kinder für<br />

das Lesen zu begeistern, und<br />

reagieren mit gestalterischen<br />

und inhaltlichen Veränderungen.<br />

So erscheint erstmals im<br />

Tessloff Verlag eine erzählende<br />

Kinderbuchreihe für LeserInnen<br />

ab 8 Jahren: Grundlage<br />

dafür bietet Peter Schillings<br />

Lied „Major Tom“. Der kleine<br />

Major Tom erlebt gemeinsam<br />

mit seiner Freundin Stella und<br />

der Roboterkatze Plutinchen in<br />

seinem Space Racer so manches<br />

Abenteuer im Weltall. Silvia Spiegl<br />

Bernd Flessner:<br />

Der kleine Major Tom (Bd. 1) –<br />

Völlig losgelöst<br />

Tessloff Verlag, 72 S., € 9,20<br />

Der zweite Band der neuen<br />

Reihe vom Tessloff Verlag.<br />

Das Raumschiff Space Racer<br />

ist endlich fertig und der kleine<br />

Major Tom und seine Freunde<br />

dürfen es testen. Und natürlich<br />

geht es zur Erde. Die größeren<br />

Zeilenabstände und die Unterteilung<br />

in mehrere Kapitel<br />

machen es für jüngere Leser<br />

leichter, den Text zu lesen.<br />

Und durch die vielen liebevollen<br />

Illustrationen wird<br />

die Geschichte belebt und<br />

aufge lockert. Ein spannendes<br />

Abenteuer und viel Sachwissen<br />

sorgen für galaktische Unterhaltung!<br />

Marlene Walder<br />

Bernd Flessner:<br />

Der kleine Major Tom (Bd. 2) –<br />

Rückkehr zur Erde<br />

Tessloff Verlag, 72 S., € 9,20


fake<br />

news<br />

fakenews<br />

7 grandiose<br />

literarische fakes<br />

fake<br />

your<br />

self<br />

7 literarische Trumpbücher,<br />

die bleiben<br />

Im<br />

Zoom<br />

Rumänien<br />

7 Tipps zum Buchmessenschwerpunkt<br />

in Leipzig<br />

3×7<br />

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2<br />

Das<br />

Die Naziliteratur in Amerika<br />

Roberto Bolano<br />

FischerTB, € 10,30<br />

kleine Lexikon<br />

der Provinzliteratur<br />

Pedro Lenz<br />

1<br />

2<br />

Golden<br />

Pussy<br />

Howard Jacobson<br />

Tropen, € 16,50<br />

House<br />

Salman Rushdie<br />

C. Bertelsmann, € 25,70<br />

1<br />

2<br />

Die<br />

Sünden, Waffen, sorgenfeig<br />

Oskar Pastior<br />

Hanser, € 28,80<br />

Zensur. Für Anfänger<br />

Liliana Corobca<br />

Ed. Thanhäuser, € 20,00<br />

46<br />

Wagner’sche.<br />

3<br />

Lexikon<br />

4<br />

Örtliche<br />

5<br />

S.<br />

6<br />

Zur<br />

7<br />

Vaterland<br />

Ricco Bilger, € 24,70<br />

der imaginären<br />

philosophischen Werke<br />

Andreas Urs Sommer<br />

Die Andere Bibliothek, € 37,00<br />

Leidenschaften.<br />

Barbara Bongartz<br />

Druckhaus Galrev, € 22,70<br />

– Das Schiff des Theseus<br />

J. J. Abrams/Doug Dorst<br />

Kiepenheuer & Witsch, € 46,30<br />

Stadt Paris<br />

Peter Bichsel<br />

Suhrkamp, € 8,80<br />

Robert Harris<br />

Heyne, € 11,30<br />

3<br />

American<br />

4<br />

Das<br />

5<br />

Donald<br />

6<br />

Der<br />

7<br />

Weil<br />

War<br />

Omar El Akkad<br />

S. Fischer, € 24,70<br />

ist bei uns nicht möglich<br />

Sinclair Lewis<br />

Manesse, € 24,70<br />

Trump –<br />

Literaturwettbewerb<br />

Milena, € 18,90<br />

Präsident<br />

Sam Bourne<br />

Bastei Lübbe, € 10,30<br />

ich einfach sehr gut<br />

aussehe – Erschreckende wahre<br />

Worte von Donald J. Trump<br />

Moritz Piehler (Hg.)<br />

Rowohlt, € 6,20<br />

3<br />

Atemschaukel<br />

4<br />

Balkanische<br />

5<br />

Kyra<br />

6<br />

Der<br />

7<br />

Die<br />

Herta Müller<br />

S. Fischer, € 10,30<br />

Alphabete:<br />

Rumänien<br />

Ernest Wichner (Hg.)<br />

Wunderhorn, € 18,30<br />

Kyralina<br />

Panait Istrati<br />

Wagenbach, € 18,50<br />

Hund, die Frau und<br />

die Liebäugler<br />

Constantin Virgil Banescu<br />

Wunderhorn, € 18,50<br />

schönen Fremden<br />

Mircea Cărtărescu<br />

Zsolnay, € 22,60


Mit<br />

den<br />

besten<br />

Empfehlungen:<br />

Margriet<br />

„Das Schönste waren die<br />

weißen Hemden.“ So beginnt<br />

der neue Roman vom literarischen<br />

Tausendsassa Steinfest.<br />

Aber das stimmt gar nicht.<br />

Das Schönste war, wie man<br />

von diesem neuen Roman<br />

aufs Tiefste berührt wird, um<br />

gleichzeitig aufs Beste unterhalten<br />

zu werden! Tonja Schreiber,<br />

die glaubt, eine große Schuld<br />

ausbügeln zu müssen, trifft den<br />

Gemüsefachmann Dyballa.<br />

Die Geschichte einer außergewöhnlichen<br />

Buße mit großartigen<br />

Umwegen. Natürlich<br />

wieder skurril, aber tief aus den<br />

Schubladen des Menschlichen<br />

gegriffen! Robert Renk<br />

Heinrich Steinfest:<br />

Die Büglerin<br />

Piper Verlag, 288 S., € 20,60<br />

Im neuen Buch von Arno<br />

Geiger wird von Veit Kolbe<br />

berichtet, einem Wiener Soldaten,<br />

der sich seit vier Jahren<br />

im Krieg befindet und jetzt in<br />

Mondsee zur Erholung wohnt.<br />

Drachenwand heißen die Felsen<br />

oberhalb. Kolbes Tagebuch<br />

ist eine Chronik der Schrecken<br />

und Absurditäten des Krieges.<br />

Gleichzeitig zeigen seine Eintragungen,<br />

welche Verheerungen<br />

Krieg abseits der Front bei den<br />

Menschen erzeugt. Eingefügte<br />

Passagen aus Briefen zeigen,<br />

dass der Mensch auch im Krieg<br />

menschlich bleiben möchte. Oft<br />

vergeblich. Ein schreckliches,<br />

ein wichtiges Buch. Michael Carli<br />

Arno Geiger:<br />

Unter der Drachenwand<br />

Hanser Verlag, 480 S., € 26,80<br />

Ein Anwalt, eine Schriftstellerin,<br />

New York und Tel Aviv.<br />

„Waldes Dunkel“ erzählt<br />

von Menschenleben, die irgendwann<br />

„brechen“. Nicht nur<br />

verschwindet Epstein, der reiche<br />

amerikanische Anwalt, vorher<br />

verscherbelt er sein Vermögen,<br />

um sich treiben zu lassen und<br />

einer verrückten Idee (in Israel)<br />

nachzujagen. Währenddessen<br />

sitzt eine Schriftstellerin mittleren<br />

Alters im Hilton Hotel<br />

in Tel Aviv und grübelt über<br />

den Sinn des Lebens nach.<br />

Ein feiner Roman, der mit viel<br />

Aufmerksamkeit gelesen werden<br />

will. Ágnes Czingulszki<br />

Nicole Krauss:<br />

Waldes Dunkel<br />

Rowohlt Verlag, 384 S., € 24,70<br />

In den Rezensionen wird<br />

Elizabeth Winthrop mit<br />

Faulkner und Steinbeck verglichen,<br />

aber das hat sie nicht<br />

nötig. Sie entwirft aus vielen<br />

Perspektiven Vorgeschichte und<br />

Vorbereitung einer Hinrichtung.<br />

Jeder weiß, dass das Todesurteil<br />

ein Skandal ist. Klug charakterisiert<br />

werden der Todeskandidat,<br />

der sich ins Schicksal fügt,<br />

und der Staatsanwalt, der an<br />

dem Urteil zweifelt. Und viele<br />

andere beleben den hitzeschweren<br />

Kosmos des amerikanischen<br />

Südens. Bis zum (überraschenden)<br />

Ende legt man dieses<br />

Buch nicht mehr aus der Hand.<br />

Ganz famos! Michael Carli<br />

Elisabeth H. Winthrop:<br />

Mercy Seat<br />

C. H. Beck Verlag, 251 S., € 22,70<br />

Ort: Kaltenbruch. Status:<br />

Provinznest. Genau dorthin<br />

wird Kommissar Peter<br />

Hoffmann versetzt – nach einer<br />

vorlauten Bemerkung über<br />

die braune Vergangenheit seines<br />

Chefs. Wir schreiben das Jahr<br />

1954. Natürlich möchte<br />

Hoffmann so schnell als möglich<br />

wieder weg, aber nix da.<br />

Ein Mord, eine aufgebrachte<br />

Landbevölkerung und Kriegsnarben,<br />

die lange nicht verheilt<br />

sind, sondern die bei den<br />

Ermittlungen von Hoffmann<br />

und seiner Mitarbeiterin<br />

Lisbeth Pfau Schreckliches<br />

offenbaren … Robert Renk<br />

Michaela Küpper:<br />

Kaltenbruch<br />

Droemer Knaur Verlag, 368 S., € 20,60<br />

Nachdem sie vor vier Jahren<br />

mit 50 Jahren ihr vielbeachtetes<br />

Romandebüt „Der Mauerläufer“<br />

vorgelegt hat, hält die<br />

US-Autorin Nell Zink nun bereits<br />

bei ihrem dritten Roman.<br />

Und „Nikotin“ wird ihren Ruf<br />

als ebenso schräge wie unzimperliche<br />

Autorin gewiss festigen<br />

können. Straighten und glaubhaften<br />

Plot darf man sich keinen<br />

erwarten, dafür wartet diese<br />

zwischen Familienmelodram<br />

und Milieusatire changierende<br />

Geschichte um ein besetztes<br />

Haus und deren Bewohner mit<br />

reichlich Sex, Smoke & Slapstick<br />

auf. Klaus Nüchtern<br />

Nell Zink:<br />

Nikotin<br />

Rowohlt Verlag, 400 S., € 23,60<br />

48<br />

Wagner’sche.<br />

de Moor (Jg. 1941)<br />

gilt als die Grande Dame der<br />

niederländischen Literatur, hat<br />

nun aber einen ziemlich undamenhaften<br />

Roman vorgelegt.<br />

„Von Vögeln und Menschen“,<br />

der u. a. vom tragischen Mordgeständnis<br />

einer Unschuldigen<br />

handelt, beeindruckt nicht nur<br />

durch das äußerst plastisch und<br />

mit sichtlicher Sympathie gestaltete<br />

Personal – allen vor die<br />

zwei Protagonistinnen, Mutter<br />

und Tochter –, sondern auch<br />

die Souveränität und Lässigkeit,<br />

mit der de Moor die Zeitebenen<br />

und Perspektiven wechselt.<br />

Klaus Nüchtern<br />

Magriet de Moor:<br />

Von Vögeln und Menschen.<br />

Hanser Verlag, 263 S., € 23,70<br />

Im neuen Buch von Ferdinand<br />

von Schirach geht es um zwölf<br />

Fälle, anhand derer Fragen<br />

nach Wahrheit und Lüge,<br />

Wirklichkeit und scheinbar<br />

vorgezeichneter Wege abgehandelt<br />

werden. Als Leser denkt<br />

man gerne mit, liegt manchmal<br />

richtig, viel öfter aber täuscht<br />

man sich gewaltig. Dass es möglich<br />

wird, „ganz dabei zu sein“,<br />

ist neben der flüssigen Schreibe<br />

eine der großen Stärken. Am<br />

Schluss wird zumindest eines<br />

klar: Gerechtigkeit gibt es nicht,<br />

im besten Fall nähert man sich<br />

ihr an. Äußerst lesenswert.<br />

Michael Carli<br />

Ferdinand von Schirach:<br />

Strafe<br />

Luchterhand Verlag, 192 S., € 18,50<br />

Die Eltern der neunjährigen<br />

weißen Robin werden ermordet.<br />

Zur selben Zeit eskaliert der<br />

Südafrikanische Konflikt unter<br />

dem Apartheidregime. Die<br />

Tochter der verwitweten Xhosa<br />

Beauty ist seit den Schüleraufständen<br />

in Soweto unauffindbar.<br />

Robins und Beautys<br />

Lebensbahnen begegnen sich im<br />

Sumpf der Ereignisse. Beauty<br />

wird zur Pflegemutter des<br />

Mädchens. Rasch entwickeln sie<br />

eine innige Bindung zueinander.<br />

Ein historisches Drama mit<br />

soghafter Wirkung, einfühlsam<br />

geschildert, erschreckend real.<br />

Ein grandioses Debüt!<br />

Isabel Hörmann<br />

Bianca Marais:<br />

Summ, wenn du das Lied nicht kennst<br />

Wunderraum Verlag, 512 S., € 23,70<br />

Ist dieses Buch eine interessante<br />

Satire über die Möglichkeiten<br />

und Grenzen des autobiografischen<br />

Schreibens? Christoph<br />

trifft Lena, die ihn an seine<br />

ehemalige Geliebte Magdalena<br />

erinnert. Lenas Freund ist<br />

Chris, der wie er ein erfolgsloser<br />

Autor ist. Er will ihr seine<br />

Geschichte erzählen, sie vor<br />

dem warnen, was er hinter sich<br />

hat. Es ist ein raffiniertes Spiel<br />

mit Doppelgängermotiven und<br />

Déjà-vu’s, in dem Realität und<br />

Fiktion zu verschwimmen drohen.<br />

Wollen wir die Geschichte<br />

unseres Lebens schon als Buch<br />

vor uns haben? Gabi Unterberger<br />

Peter Stamm:<br />

Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt<br />

S. Fischer Verlag, 160 S., € 20,60<br />

Ein Trip nach Texas wird für<br />

Martin und seinen Großvater<br />

Franz zu einer Reise in die<br />

Vergangenheit. Hannes Köhler<br />

beschreibt in seinem neuen<br />

Roman das Leben in einem<br />

amerikanischen Gefangenenlager.<br />

Die Geschichte erzählt von<br />

Angst, Hass und Verzweiflung,<br />

aber auch von Freundschaft<br />

und Hoffnung. Franz findet<br />

endlich einen Weg, um seine<br />

Vergangenheit zu bewältigen.<br />

Eine feinfühlige, berührende<br />

Familiengeschichte mit historischem<br />

Hintergrund, die nur<br />

schwer wieder aus der Hand zu<br />

legen ist. Ursula Reicholf<br />

Hannes Köhler:<br />

Ein mögliches Leben<br />

Ullstein Verlag, 352 S., € 22,70<br />

Im Russland in den 1990er<br />

Jahren gibt es jede Menge<br />

Oligarchen, Putsch, Sex und<br />

Geschäfte zu erleben. Anton<br />

aus Deutschland ist als<br />

Analyst für einen Investor unterwegs<br />

und bekommt vor allem<br />

blasse Helden zu sehen, die das<br />

Tageslicht scheuen. Heimliche<br />

Währung sind die Bodyguards,<br />

wer sie nicht jede Nacht neu<br />

schmiert, erlebt seinen eigenen<br />

Auftrag nicht mehr. „Alles<br />

Leben ist Problemlösen.“<br />

Helmuth Schönauer<br />

Arthur Isarin:<br />

Blasse Helden<br />

Knaus Verlag, S. 317, € 22,70


Erri De Luca hat sich für<br />

seinen neuen Roman wohl<br />

in Innsbruck umgeschaut.<br />

Bekanntlich hat es bei uns<br />

gleich drei Skandale um eine<br />

Jesusfigur ohne Lendenschurz<br />

gegeben. In einem Bergdorf in<br />

Italien soll ein Bildhauer einen<br />

ungewöhnlichen Auftrag übernehmen:<br />

Er soll die lebensgroße<br />

Statue eines gekreuzigten Jesus<br />

„entkleiden“ und ist ratlos.<br />

Er wendet sich an den Bischof,<br />

spricht mit einem Rabbiner und<br />

einem muslimischen Arbeiter,<br />

während ihm sich die Erfahrung<br />

des Glaubens immer tiefer<br />

erschließt. Robert Renk<br />

Erri De Luca:<br />

Den Himmel finden<br />

List Verlag, 192 S., € 17,50<br />

erscheint am 11.05.2018<br />

Der in Deutschland lebende<br />

Spanier Aramburu legt einen<br />

welthaltigen Roman über<br />

Schuld und Vergebung, Freundschaft<br />

und Liebe vor, der sich<br />

als „Kulisse“ die komplexe<br />

historische Geschichte rund um<br />

die baskische Untergrundorganisation<br />

ETA ausgewählt hat.<br />

Das Thema Patriotismus wird<br />

glänzend hinterfragt. Anhand<br />

zweier Familien aus demselben<br />

Dorf zeigt der Autor grandios,<br />

wie Terrorismus den inneren<br />

Kern einer Gemeinschaft angreift<br />

und wie lange es dauert,<br />

bis die Menschen wieder<br />

zueinander finden. Robert Renk<br />

Fernando Aramburu:<br />

Patria<br />

Rowohlt Verlag, 764 S., € 25,70<br />

Diesen Roman darf ich schon<br />

jetzt zu meinen absoluten<br />

Favoriten zählen: Drei Frauen<br />

über drei Kontinente hinweg<br />

verbindet eines, ihre Willenskraft.<br />

Smita aus Indien ist eine<br />

Unberührbare (Dalit) und will<br />

diesem Teufelskreis entfliehen.<br />

Giulia aus Italien will die<br />

Familientradition und somit<br />

die Cascatura im sizilianischen<br />

Palermo aufrecht erhalten.<br />

Sarah aus Montreal wird<br />

schmerzlich bewusst, dass ihr<br />

Job nicht alles ist – und was die<br />

drei Frauen außer ihrem Mut<br />

verbindet, müssen Sie selbst<br />

lesen. Ganz große Empfehlung!<br />

Evelyn Unterfrauner<br />

Laetitia Colombani:<br />

Der Zopf<br />

S. Fischer Verlag, 288 S., € 20,60<br />

erscheint am 21.03.2018<br />

In ihrem dritten Buch lässt die<br />

Autorin Wien quasi sich selbst<br />

verdauen. Eine gute Idee der<br />

in Wien lebenden Oberösterreicherin,<br />

und äußerst konsequent<br />

ausgeführt. Im ersten Teil<br />

stehen zahlreiche Figuren mit<br />

Problemen, die der neue Alltag<br />

bringt, im Mittelpunkt, im<br />

zweiten Teil verfolgen wir ein<br />

Ich, das seinen Abgang plant,<br />

und im dritten Teil dreht sich<br />

alles um das „Wiener Kindl“.<br />

Eine dieser „Erzählungen<br />

vom Ende“ wurde letztes Jahr<br />

in Klagenfurt mit dem Publikumspreis<br />

gewürdigt. Markus Köhle<br />

Karin Peschka:<br />

Autolyse Wien<br />

Otto Müller Verlag, 180 S., € 19,00<br />

Es ist selten, aber manchmal<br />

kommt es vor, dass man schon<br />

bei den ersten Seiten erkennt,<br />

dass man ein außergewöhnliches<br />

Buch in Händen hält.<br />

Wenn es dann noch ein Debütroman<br />

ist, dann überrascht<br />

dies ganz besonders. Dem finnischen<br />

Autor Tommi Kinnunen<br />

gelingt dieses Kunststück.<br />

Sein Generationenroman<br />

über drei starke Frauen mit<br />

dunklen Geheimnissen ist ein<br />

eindrucksvolles Plädoyer<br />

für die Würde des Menschen.<br />

Für mich jetzt schon eine der<br />

schönsten Neuerscheinungen<br />

im Frühjahr. Markus Renk<br />

Tommi Kinnunen:<br />

Wege, die sich kreuzen<br />

DVA Verlag, 336 S., € 20,60<br />

Die Schatten von 1938 lassen<br />

Titus auch zwanzig Jahre später<br />

nicht los. Die Erinnerung,<br />

als Kind gezwungen worden zu<br />

sein, eine Mauer mit dem Wort<br />

„Jud“ zu versehen, lässt ihn<br />

explodieren. Ein Gedanke treibt<br />

ihn von nun an voran: Gleiches<br />

mit Gleichem zu vergelten.<br />

Dass der Täter „Hämmerlein“<br />

heißt, ist eine von vielen Anspielungen,<br />

die sich, teils zutiefst<br />

ironisch, durch die Geschichte<br />

ziehen. Mit Wortwitz und<br />

feinem Sprachsinn zeichnet<br />

Thiel eine Figur, die sich beklemmend<br />

echt anfühlt.<br />

Sarah Caliciotti<br />

Georg Thiel:<br />

Jud<br />

Braumüller Verlag, 224 S., € 22,00<br />

Berlin, Sommer 1949:<br />

Der zweite Weltkrieg hat der<br />

Redakteurin Vera Lessing ihre<br />

Familie genommen. Sie will<br />

diese Erlebnisse für immer<br />

hinter sich lassen. Doch als ihr<br />

Kollege Jonathan bei einem<br />

mysteriösen Autounfall stirbt,<br />

muss sie sich damit auseinandersetzen<br />

und findet heraus, woran<br />

Jonathan wirklich gearbeitet<br />

hat. Ein großartiges Buch:<br />

schöner und unterhaltsamer<br />

Schreibstil, feingezeichnete<br />

Charaktere und ein dunkles<br />

Geheimnis vor einer authentischen<br />

Kulisse. Große Leseempfehlung!<br />

Marlene Walder<br />

Claire Winter:<br />

Die geliehene Schuld<br />

Diana Verlag, 576 S., € 22,70<br />

Bis dato hat Antonin Varenne<br />

vor allem mit seinen archaischen<br />

Thrillern auf sich<br />

aufmerksam gemacht. Mit<br />

„Äquator“ setzt er eines drauf<br />

und erfindet den Abenteuerroman<br />

für Erwachsene neu:<br />

Pete Ferguson flieht vor seinem<br />

Jähzorn und seinen Geistern<br />

und macht sich um 1871 von<br />

Nebraska auf den Weg in<br />

Richtung Süden. Er hat gehört<br />

vom sagenhaften Land namens<br />

Äquator, wo das Wasser aufwärts<br />

fließt und die Menschen<br />

sich beschweren müssen, um<br />

nicht abzuheben. Dort erwartet<br />

er Läuterung, findet aber die<br />

Liebe. Robert Renk<br />

Antonin Varenne:<br />

Äquator<br />

C. Bertelsmann Verlag, 432 S., € 20,60<br />

Der Tag der Apokalypse<br />

steht bevor. Peter Gottlieb, der<br />

Hildmeyer (den Gottlieb mit<br />

seinem Auto vorher umgefahren<br />

hat), Polizist Stieger und andere<br />

Auferstandene versammeln sich<br />

im Gasthaus Lamm. Warum<br />

muss der Tag des jüngsten<br />

Gerichts ausgerechnet in einem<br />

kleinen Dorf stattfinden. Ein<br />

Stromausfall und andere merkwürdige<br />

Ereignisse verschieben<br />

die Grenze des <strong>No</strong>rmalen.<br />

Mit trockenem Humor und<br />

sprachlicher Präzision genießt<br />

der Leser diesen Roman.<br />

Lena Kripahle<br />

Christian Mähr:<br />

Der jüngste Tag des Peter Gottlieb<br />

Braumüller Verlag, 361 S., € 24,00<br />

Hans Pleschinskis neues Buch<br />

„Wiesenstein“ ist ein ausuferndbarocker<br />

Roman über die<br />

letzten Monate des Großschriftstellers<br />

und <strong>No</strong>belpreisträgers<br />

Gerhart Hauptmann und eine<br />

Parabel über die Grausamkeiten<br />

der menschlichen Natur,<br />

erzählt anhand der politischen<br />

Wirren in Schlesien kurz nach<br />

Kriegsende 1945. Eindrücklich<br />

erinnert Pleschinski daran,<br />

dass das heutige Europa auf<br />

den Trümmern einer großen<br />

Katastrophe gegründet wurde,<br />

von Flüchtlingen wie von<br />

Kollaborateuren; in Blut, Zorn<br />

und Schuld. Bernd Schuchter<br />

Hans Pleschinski:<br />

Wiesenstein<br />

C. H. Beck Verlag, 552 S., € 24,70<br />

Frida steht kurz vor ihren<br />

Prüfungen an der Polizeischule<br />

Hamburg. Ihr Handy klingelt:<br />

Ihr Vater wurde nach seinem<br />

Besuch in der Kneipe brutal<br />

niedergeschlagen. Widerwillig<br />

fährt sie in ihr Heimatdorf.<br />

Kommissar Haverkorn erinnert<br />

sich an seinen letzten Besuch<br />

vor 20 Jahren, damals wurde die<br />

beste Freundin von Frida tot in<br />

einer Scheune gefunden. Vieles<br />

hat sich seitdem verändert, aber<br />

die Wunden sind noch nicht<br />

geschlossen. Deutsche Provinz<br />

und spannend wie die Fälle von<br />

Pia Kirchhoff. Lena Kripahle<br />

Romy Fölck:<br />

Totenweg<br />

Bastei Lübbe Verlag, 410 S., € 20,60<br />

Lange musste ich auf ein neues<br />

Buch von Anthony Horowitz<br />

warten, es hat sich gelohnt.<br />

Atticus Pünd, ein genialer<br />

Detektiv, erfunden von seinem<br />

Autor Alan Conway. Leider ist<br />

dieser verschwunden und hat<br />

seiner Lektorin nicht das ganze<br />

Manuskript hinterlassen. Zwei<br />

Leichen in Saxby-on-Avon<br />

und der verschwundene Autor,<br />

zwei Fälle, die nun von der<br />

Lektorin gelöst werden müssen.<br />

Spannung und eine Liebe<br />

fürs Detail lassen einen jede<br />

Seite verschlingen. Lena Kripahle<br />

Anthony Horowitz:<br />

Die Morde von Pye Hall<br />

Suhrkamp Verlag, 600 S., € 24,70<br />

Solange sie sich zurückerinnert,<br />

wird Sabine von ihrer Mutter<br />

kontrolliert, kritisiert und bevormundet.<br />

Auch als sie längst erwachsen<br />

ist, kann sie sich nicht<br />

aus dem Bannkreis der Mutter<br />

befreien. Bis Sabine nicht mehr<br />

kann und ein Gedanke immer<br />

lauter wird: Die Mutter muss<br />

sterben! Die Grenzen zwischen<br />

Gut und Böse verschwimmen<br />

in Dutzlers neuem Krimi, der<br />

einen von Seite zu Seite tiefer in<br />

die destruktive Gedankenwelt<br />

einer jungen Frau zieht, die nur<br />

noch einen Wunsch hat: sich<br />

zu rächen. Packend! Markus Renk<br />

Herbert Dutzler:<br />

Am Ende bist du still<br />

Haymon Verlag, 312 S., € 19,90<br />

Der Gletscherforscher Richard<br />

und seine Frau Natascha, eine<br />

erfolgreiche Schriftstellerin,<br />

überlassen ihr Sommerhaus<br />

einer Flüchtlingsfamilie<br />

aus Damaskus. Doch fühlt<br />

sich Richard bald unwohl<br />

im Dunstkreis von Nataschas<br />

humanitärem Eifer. Er ergreift<br />

eine Flucht, die schon lange<br />

in ihm schwelt. Vor der Kulisse<br />

tausende Jahre alten Schnees<br />

erzählt <strong>No</strong>rbert Gstrein von<br />

einer bröckelnden Ehe, von der<br />

Gefahr, die einer gutgemeinten<br />

Geste innewohnen kann, und<br />

dennoch von der Schönheit des<br />

Augenblicks. Dorothea Zanon<br />

<strong>No</strong>rbert Gstrein:<br />

Die kommenden Jahre<br />

Hanser Verlag, 288 S., € 22,70<br />

In ihrer Wohnung wird die<br />

junge Julie übel zugerichtet<br />

gefunden. Sie ist gerade erst für<br />

ihr Studium nach Kopenhagen<br />

gezogen. Die beiden Polizisten<br />

Jeppe Kørner und Anette<br />

Werner beginnen mit ihren<br />

Ermittlungen und stoßen dabei<br />

auf ein Manuskript zu einem<br />

neuen Roman – oder hat ihr<br />

unbekannter neuer Freund<br />

etwas damit zu tun? Ein neuer<br />

Genuss auf den dänischen<br />

Krimi-Tellern, geheimnisvoll<br />

und verdammt spannend.<br />

Lena Kripahle<br />

Katrine Engberg:<br />

Krokodilwächter<br />

Diogenes Verlag, 512 S., € 22,70<br />

erscheint, 28.03.2018<br />

„Wann immer mir dieses Leben,<br />

das ich führe, nicht genug ist,<br />

denke ich mir andere hinzu.“<br />

Francois aus Marseille gibt sich<br />

den Status eines Findelkindes,<br />

seit er von seiner Mutter in<br />

einem Einkaufswagen abgestellt<br />

worden ist. Als Kleinkrimineller<br />

tastet er die Peripherie der<br />

Gesellschaft ab und wird<br />

in New York und Montreal<br />

prompt abgeworfen. Nach<br />

einem Absturz an der Steilküste<br />

überlegt er sich eine trittfeste<br />

Identität. Helmuth Schönauer<br />

Hans Platzgumer:<br />

Drei Sekunden Jetzt<br />

Zsolnay Verlag, 251 S., € 22,70


Sofia und ihre Mutter Rose<br />

reisen nach Südspanien.<br />

Dr. Gomez, ein Spezialist,<br />

soll sie dort behandeln. Roses<br />

letzter Versuch, ihr lebenslanges<br />

Leiden, das wiederkehrende<br />

Versagen ihrer Beine zu heilen.<br />

Auch Sofia ist auf der Suche.<br />

Zerrissen scheint ihr Leben.<br />

Das jahrelange Kümmern um<br />

ihre Mutter hat sie vom Weg<br />

abgebracht. Um ihre Identität<br />

wiederzufinden, stürzt sie sich<br />

in Liebesbeziehungen, befreit<br />

Pablo und begegnet immer<br />

wieder den schmerzzufügenden<br />

Medusen. Eine Mischung<br />

aus Träumerei, Kühnheit und<br />

Spannung. Astrid Eme<br />

Deborah Levy:<br />

Heiße Milch<br />

Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />

288 S., € 20,60<br />

<strong>No</strong>rwegen im Jahr 2017. Die<br />

Natur wird verbaut und die<br />

Gletscher schmelzen. Die fast<br />

70-jährige Umweltaktivistin<br />

Signe sticht mit ihrem Segelboot<br />

in See, an Bord eine<br />

kostbare Ladung. Ihr Ziel: die<br />

Küste Frankreichs. Zwanzig<br />

Jahre später ist Wasser in vielen<br />

südlichen Gebieten Luxus.<br />

Eine schreckliche Dürre und<br />

verheerende Brände lassen Tausende<br />

zu Flüchtlingen werden,<br />

darunter auch David und seine<br />

Tochter Lou. Eine fesselnde<br />

Mischung aus dystopischer<br />

Zukunftsvision und aktuellen<br />

Umweltentwicklungen. Klaudia<br />

Grünfelder<br />

Maja Lunde:<br />

Die Geschichte des Wassers<br />

btb Verlag, 480 S., € 20,60<br />

erscheint am 19.03.2018<br />

Wie alle dicken Bücher hat<br />

mich auch dieses abgeschreckt.<br />

<strong>No</strong>ch dazu fängt es mit einem<br />

Protagonisten an, der im Sterben<br />

liegt. Aber ziemlich schnell<br />

merkt man, was hier Sache ist.<br />

Über unser heutiges Europa,<br />

seine Vergangenheit und leider<br />

auch seine Zukunft lässt es sich<br />

nur dann erzählen, wenn man<br />

Schwarz trägt. Und dennoch ist<br />

dieser Trip am Ende nicht deprimierend,<br />

sondern erhellend.<br />

Und Humor ist auch da. Was<br />

will man mehr von einem Buch?<br />

Radek Knapp<br />

Maxim Kantor:<br />

Rotes Licht<br />

Zsolnay Verlag, 704 S., € 29,90<br />

Er ist wohl der älteste Konflikt<br />

der Welt, jener der Kinder, die<br />

Neues wollen, gegen ihre Eltern.<br />

1861 wagte sich Iwan Turgenjew<br />

an das Thema und schuf ein<br />

Meisterwerk, nun von Ganna-<br />

Maria Braungardt exzellent<br />

neu übersetzt. Arkadi und der<br />

Medizinstudent Basarow sind<br />

die Aufbegehrer, zweiterer ein<br />

überzeugter Nihilist, ersterer<br />

sein Schüler. Doch was bleibt<br />

von der Theorie, wenn in der<br />

Praxis eine schöne Frau<br />

erscheint. Basarow verzweifelt<br />

daran und stirbt, Arkadi begibt<br />

sich auf den Weg, jener Vater zu<br />

werden, gegen den die nächste<br />

Generation aufbegehren wird.<br />

Andreas Hauser<br />

Iwan Turgenjew:<br />

Väter und Söhne<br />

dtv Verlag, 334 S., 26,80<br />

Er war der „King of the Beats“<br />

und flüchtete vor Fans und<br />

Medien ins Haus seiner Mutter<br />

nach Florida. Dort stöbert die<br />

junge Literaturstudentin Jan<br />

Weintraub den schwer (alkohol-)<br />

kranken Jack Kerouac auf, eine<br />

Biografie ist ihr ehrgeiziges Ziel.<br />

Doch nicht nur über das Leben<br />

ihres Idols, auch über jenes seiner<br />

Figuren und Wegbegleiter.<br />

Neal Cassady etwa, oder Joan<br />

Haverty, Kerouacs zweite Frau –<br />

und Jans Mutter, wie sie Jack<br />

gesteht. Der „plötzliche“ Vater<br />

nimmt Jan auf, einzig sein Neffe<br />

Petey glaubt nicht an das neue<br />

Familienglück. Eine Hommage<br />

an Kerouac, meisterhaft und<br />

augenzwinkernd. Andreas Hauser<br />

Anthony McCarten:<br />

Jack<br />

Diogenes Verlag, 256 S., € 22,70<br />

Südengland, 1348. Der von<br />

Gott entsandte Schwarze Tod<br />

wütet in Dörfern und Städten.<br />

Lady Anne von Develish,<br />

eine gebildete Adelige, handelt<br />

schnell und verbarrikadiert<br />

sich mit ihren Bauern auf ihrem<br />

Anwesen. Auf so beengtem<br />

Raum kommt es über kurz<br />

oder lang zu Unmut, doch<br />

Anne weiß die Komplotte<br />

machthungriger Männer und<br />

intriganter Edelfräulein mit<br />

Gewitztheit zu kontern. Minette<br />

Walters hat mit Lady Anne eine<br />

selbst- und furchtlose Heldin<br />

geschaffen, die mit messerscharfem<br />

Verstand den Wirren ihrer<br />

Zeit trotzt. Klaudia Grünfelder<br />

Minette Walters:<br />

Die letzte Stunde<br />

Heyne Verlag, 656 S., € 22,70<br />

Vier Schüler. Ein Mord. Die<br />

Aufmerksamkeit der Polizei gilt<br />

dem vorbestraften Nate, der<br />

Beauty-Queen Addy, der<br />

Einser schülerin Bronwyn und<br />

dem Baseball-Star Cooper.<br />

Jeder der vier hütet ein Geheimnis<br />

und hätte allen Grund,<br />

Simon, den Urheber der<br />

schulweiten Gossip-App, umzubringen.<br />

Langsam bröckelt<br />

die Fassade der – zu Unrecht? –<br />

Verdächtigten, während sich das<br />

Netz aus Lügen und Geheimnissen<br />

immer weiter zuzieht.<br />

Ein packendes und tiefgründiges<br />

Jugendbuch, in dem<br />

man niemandem trauen sollte.<br />

Klaudia Grünfelder<br />

Karen M. McManus:<br />

One of us is lying<br />

cbj Verlag, 448 S., € 18,50<br />

Wer vermutet schon in ruhiger<br />

norwegischer Fjordlandschaft<br />

einen hochexplosiven Ökokrimi?<br />

Leo Vangen wird zum Aufklären<br />

von brutalen Anschlägen<br />

auf Fischzuchtanlagen und<br />

Genlabors in den <strong>No</strong>rden des<br />

Landes gerufen. Ökoaktivisten<br />

und Lachsfarmer halten ihn<br />

auf Trab. Durch Hören von<br />

exzellenter Musik, Einnahme<br />

von Valium und einer Portion<br />

nordischen Humors scheint<br />

er Herr der Lage zu sein. Das<br />

brisante Naturschutzthema der<br />

Lachsfischerei lassen einen nun<br />

jeden Lachs mit etwas anderen<br />

Augen sehen. Elisabeth Wiederin<br />

Lars Lenth:<br />

Der Lärm der Fische beim Fliegen<br />

Limes Verlag, 288 S., € 18,50<br />

Das Meer, Sehnsucht und<br />

Grauen zugleich. Für die<br />

beiden jungen Frauen Teresa,<br />

Fischereibeobachterin für<br />

die EU, und Ragna, Umweltaktivistin<br />

mit einem Vater als<br />

Lobbyist, wird das Meer mehr<br />

zum Grauen als zu einem<br />

Ort der Sehnsucht. Können<br />

die Männer in ihrem Leben sie<br />

retten, denn von politischer<br />

Seite scheint keine Hoffnung zu<br />

kommen. Realistisch, politisch<br />

und spannend präsentiert sich<br />

dieser neue Thriller. Lena Kripahle<br />

Wolfram Fleischhauer:<br />

Das Meer<br />

Droemer Verlag, 443 S., € 20,60<br />

Marlene kannte die Kombination<br />

des Safes, in ihm lagen<br />

die Saphire. Es hatte bereits<br />

begonnen zu schneien, als sie<br />

sich mit ihrem kleinen Schatz<br />

aus dem Haus stahl. Auf der<br />

Flucht vor ihrem Mann, mitten<br />

in der Nacht durch die winterliche<br />

Bergwelt Südtirols. Ihr<br />

Auto kam von der Straße ab,<br />

Simon Keller dachte, sie wäre<br />

tot. Dunkle Geheimnisse, die<br />

Vergangenheit lässt einen nicht<br />

los. Auch der zweite Thriller<br />

zieht einen in seinen Bann,<br />

absolut packend. Lena Kripahle<br />

Luca D’Andrea:<br />

Das Böse, es bleibt<br />

DVA Verlag, 432 S., € 15,50<br />

Jack Price ist Drogendealer der<br />

Extraklasse: kundenorientiert,<br />

höflich und auf optimales<br />

Marketing bedacht. Dass die<br />

Seven Demons, eine Gruppe<br />

Elite-Auftragskiller, auf ihn<br />

angesetzt sind, empfindet<br />

Price als Kompliment und gute<br />

PR. Schade eigentlich, dass<br />

er sie umbringen muss. Fluchend<br />

mordet sich Price auf<br />

blutig-kreative Weise zu den<br />

Hitmen durch, um die Seven<br />

Demons persönlich zur Hölle<br />

zu jagen. Im Stil eines inneren<br />

Monologes geschrieben:<br />

sarkastisch, dreckig und absolut<br />

genial. Klaudia Grünfelder<br />

Aidan Truhen:<br />

Fuck you very much<br />

Suhrkamp Verlag, 350 S., € 15,40<br />

erscheint am 16.04.2018<br />

Hollywood in den goldenen<br />

Zwanzigern, die Zeit der<br />

Stummfilme und wilden Partys.<br />

Hardy Engel ist eigentlich<br />

Schauspieler, aber es läuft nicht<br />

sehr gut. Früher war er Polizist<br />

in Mannheim, jetzt beginnt<br />

er sein zweites Standbein als<br />

Detektiv. Zwei kleine Fälle<br />

konnte er bereits lösen, doch in<br />

seinem neuen Fall scheint alles<br />

ein wenig anders zu sein. Hardy<br />

macht sich auf die Suche nach<br />

einer jungen Schauspielerin.<br />

Nicht jeder wird Hardy lieben,<br />

aber seinen Fall ganz bestimmt.<br />

Lena Kripahle<br />

Christof Weigold:<br />

Der Mann, der nicht mitspielt<br />

Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />

628 S., € 22,70<br />

Was ist der Sinn des Lebens?<br />

Was ist ein gutes und glückliches<br />

Leben? In seinem neuen<br />

Buch lässt der Bestsellerautor<br />

den siebzigjährigen Henry<br />

auf sein Leben zurückblicken.<br />

Im Dialog begibt er sich von<br />

der Kindheit bis hin zur Gegenwart<br />

und reflektiert dabei sein<br />

Denken und Handeln. Poetisch,<br />

feinsinnig und würdevoll<br />

erzählt. Es regt zum Denken<br />

und Reflektieren an. Das Buch<br />

enthält darüber hinaus auch<br />

mehrere Methoden, selbst mit<br />

seinem inneren Kind in Verbindung<br />

zutreten. Marlene Walder<br />

Uwe Böschemeyer:<br />

Der alte Mann und sein inneres Kind<br />

Benevento Verlag, 104 S., €12,00<br />

Ist es ein Roman oder eine<br />

Biographie? Finnegan erzählt,<br />

wie er dem Surfen verfällt. Er<br />

erzählt von seinen Reisen nach<br />

Samoa, Indonesien, Australien<br />

oder Südafrika. Er erzählt<br />

davon, wie er – trotz Familie<br />

und Job in New York – das<br />

Surfvirus nicht zähmen kann<br />

und will. Dieses ultimative<br />

Gefühl der Naturverbundenheit,<br />

der Freiheit. Nur wie<br />

er das erzählt, das ist literarisch<br />

vom Feinsten. Liest sich<br />

wie Knausgard, nur mit Pep!<br />

Robert Renk<br />

William Finnegan:<br />

Barbarentage<br />

Suhrkamp Verlag, 566 S., € 18,50<br />

Nachdem Martin Prinz zuletzt<br />

die Lebensgeschichte einer<br />

späten Habsburgerin und<br />

frühen Sozialistin erzählt hat,<br />

wird es nun – so scheint es –<br />

autobiografisch. Der Großvater<br />

amtierte knapp dreißig<br />

Jahre als Bürgermeister von<br />

Lilienfeld. Der Enkel kennt das<br />

Wort Politik lange, bevor er es<br />

begreifen kann. Wie beeinflusst<br />

das unauflösliche Ineinander<br />

von Politik und Familie das<br />

Heranwachsen und wie blickt<br />

der erwachsene Schriftsteller<br />

darauf zurück? Wenn es gut<br />

sein soll, dann so wie Martin<br />

Prinz! Robert Renk<br />

Martin Prinz:<br />

Die unsichtbaren Seiten<br />

Insel Verlag, 220 S., ca. € 22,70<br />

erscheint am 16.04.18<br />

Erst in Italien wäre Goethe zum<br />

großen Dichter geworden, so<br />

Adalbert Stifter. Esther Kinsky<br />

hat die Grand Tour unternommen<br />

und beschreibt mit<br />

geschultem Blick Landschaften<br />

voller Vögel und Baumgruppen.<br />

Trifft sie Menschen? Die Frauen<br />

scheinen im Privaten verschwunden,<br />

die Landschaft ist<br />

ein heiliger Hain mit Müllmännern.<br />

Sie trauert. Um M. Um<br />

den Vater. Um eine kindliche<br />

Sichtweise auf die Welt, die vergangen<br />

ist. Sprachlich machen<br />

die traurigen Sätze große Freude,<br />

drehen uns allerdings auch<br />

den Rücken zu. Mieze Medusa<br />

Esther Kinsky:<br />

Hain<br />

Suhrkamp Verlag, 287 S., € 24,70


© Stadtbücherei Innsbruck<br />

Die „Grenzgänge“ der<br />

Stadtbücherei Innsbruck<br />

Bis an den Horizont und darüber hinaus.<br />

Von Boris Schön und Markus Jäger<br />

Besondere<br />

Ausweitung des<br />

literarischen<br />

Veranstaltungsangebotes<br />

…<br />

Boris Schön<br />

54 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Die „Grenzgänge“ sind zu einer Institution<br />

des Innsbrucker Literaturbetriebs geworden.<br />

2013 wurden sie von der Stadtbücherei<br />

Innsbruck in Zusammenarbeit mit 8ung<br />

Kultur ins Leben gerufen und locken zweimal<br />

jährlich die BesucherInnen in die erweiterten<br />

Arbeitszimmer interessanter AutorInnen.<br />

Ob nun kulturell oder politisch, Genreoder<br />

Themen-, Stil- oder Handlung – das<br />

Über schreiten von Grenzen erweitert den<br />

Horizont. Besonders in dieser Horizonterweiterung<br />

liegt die Faszination der<br />

Veranstaltungsreihe der Stadtbücherei.<br />

Die „Grenzgänge“ ermöglichen regelmäßig<br />

Einblicke in das künstlerische Schaffen<br />

spannender SchriftstellerInnen. Dabei wird<br />

stets eine literarische Stimme aus <strong>No</strong>rd-,<br />

Ost- oder Südtirol eingeladen, um mit<br />

einer Kollegin oder einem Kollegen aus<br />

dem deutschsprachigen Raum in einem<br />

Werkstattgespräch literarische Grenzen zu<br />

diskutieren. Interessante Konstellationen<br />

– die in der Stadtbücherei aufeinandertrafen<br />

– waren etwa Katja Lange-Müller und<br />

Alois Hotschnig, Sabine Gruber und Ilija<br />

Trojanow, Christoph W. Bauer und Heinrich<br />

Steinfest sowie Doron Rabinovici und<br />

Barbara Hundegger.<br />

Bei allen Unterschieden zwischen den<br />

literarischen Gästen schafft Moderator<br />

Klaus Zeyringer es immer wieder, durch<br />

seine beeindruckende Recherchearbeit<br />

Parallelen herauszuarbeiten und die Abende<br />

gleichermaßen informativ und unterhaltsam<br />

zu gestalten. In den Gesprächen geht es um<br />

Thematik, Arbeitsweise, Genre und noch<br />

zahlreiche weitere Facetten des Schreibens.<br />

Lesungen aus den aktuellen Werken der<br />

GrenzgängerInnen runden die Abende ab.<br />

55<br />

Letzter Gang<br />

im alten Haus<br />

Für den 11. Grenzgang kamen kürzlich Robert<br />

Prosser aus Tirol und Urs Mannhart<br />

aus der Schweiz zusammen, um über Finessen<br />

ihrer schriftstellerischen Tätigkeit zu<br />

diskutieren. Robert Prosser erzählte davon,<br />

wie sehr die Forschungsarbeit als Student<br />

der Anthropologie auch sein literarisches<br />

Arbeiten beeinflusst, und Urs Mannhart reflektierte<br />

über die unterschiedlichen Erfahrungen<br />

als Verfasser von Reportagen sowie<br />

von preisgekrönten literarischen Texten.<br />

Mannhart, der etwa auch für den Ingeborg-Bachmann-Preis<br />

nominiert war, las<br />

aus seinem letzten Roman „Bergsteigen im<br />

Flachland“ und erläuterte, was es mit diesem<br />

Titel auf sich hat. Prosser trug aus seinem<br />

Roman „Phantome“ vor, der auf der<br />

Longlist des Deutschen Buchpreises 2017<br />

zu finden war, und bewies einmal mehr,<br />

dass die Rhythmik von Literatur nicht von<br />

der Handlung entkoppelt werden kann.<br />

Den Spoken-Word-Mann Prosser hielt es<br />

nicht auf dem Stuhl, sodass sein Schweizer<br />

Kollege zur Konklusion kam: „Wenn ich<br />

gewusst hätte, dass Robert das so vorträgt,<br />

dann hätte ich den Gurt mitgebracht, um<br />

mich anzuschnallen.“<br />

Die neue Innsbrucker<br />

Stadtbibliothek<br />

In der neuen Innsbrucker Stadtbibliothek in<br />

der Amraser Straße kann das Medienangebot<br />

auf 150.000 erweitert werden. Der neue<br />

Standort gegenüber dem Einkaufszentrum<br />

Sillpark verbindet die Innenstadt mit Pradl<br />

und den angrenzenden östlichen Stadtteilen<br />

und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />

aus allen Richtungen bestens erreichbar.<br />

Im Zentrum des neuen Bibliothekskonzepts<br />

steht die Bibliothek als öffentlicher Raum.<br />

Ihre Kernaufgaben sind:<br />

• die Bibliothek als Ort der Begegnung<br />

und sozialer Treffpunkt<br />

• die Bibliothek als Ort des Lernens<br />

mit zahlreichen Lernplätzen<br />

• die Bibliothek als Kooperationspartner<br />

von Bildungsinstitutionen<br />

• die Bibliothek als Veranstaltungsort<br />

mit eigenem Veranstaltungsraum<br />

• die Bibliothek als lesepädagogisches<br />

Zentrum für schulische und außerschulische<br />

Leseförderung<br />

Ein oben bereits erwähntes Herzstück ist<br />

der Veranstaltungsraum, der nicht nur eine<br />

höhere Anzahl, sondern auch ein inhaltlich<br />

größeres Spektrum von Veranstaltungen der<br />

Stadtbibliothek sowie vielfältige Kooperationsmöglichkeiten<br />

bietet. Die Kooperation<br />

zwischen der Stadtbücherei Innsbruck und<br />

8ung Kultur führt auf diesem Weg weiterhin<br />

zu einer ganz besonderen Ausweitung<br />

des literarischen Veranstaltungsangebotes<br />

der Tiroler Landeshauptstadt. Innsbruck<br />

darf gespannt sein, wie sich die Möglichkeiten<br />

der neuen Stadtbibliothek auf die<br />

Entwicklung der „Grenzgänge“ und alle<br />

anderen Veranstaltungsformate auswirken.<br />

Buchtipp:<br />

Urs Mannhart:<br />

Bergsteigen im Flachland<br />

Secession Verlag, 660 S., € 25,70<br />

Veranstaltung:<br />

Grenzgänge XII<br />

Mit Felix Mitterer und<br />

Klaus Zeyringer<br />

Mi. 21. <strong>No</strong>vember 2018 um<br />

19:00 Uhr<br />

Neue Innsbrucker Stadtbibliothek<br />

Pema 2, Amraser Straße<br />

Eintritt frei!


Vorschau: Herbst 2018<br />

Zwei, die sich schätzen, jeder von ihnen ein Kapazunder<br />

auf seinem Gebiet. Zwei, die sich gefunden haben.<br />

Ein rares Vergnügen, ein sehr rares, sie beide an einem<br />

Abend zu erleben! Von Robert Renk<br />

Zeit der Zauberer – Das große<br />

Jahrzehnt der Philosophie<br />

Ludwig Wittgenstein, Walter Benjamin, Ernst Cassirer<br />

und Martin Heidegger. Von Markus Renk<br />

© links: friedlundpartner.at – rechts: Christoph Haderer<br />

Buchtipp:<br />

Peter Turrini:<br />

Rozznjogd (Rattenjagd)<br />

gezeichnet von Gerhard Haderer<br />

Haymon Verlag, 224 S., € 24,90<br />

© MichaelHeck<br />

Veranstaltung:<br />

Literarisch-Cartoonistisches<br />

Doppel: Peter Turrini<br />

& Georg Haderer,<br />

Moderation: Sylvia Treudl<br />

Fr., 7. September 2018 um<br />

19:00 Uhr<br />

Spanischer Saal –<br />

Schloss Ambras Innsbruck<br />

Eintritt: 15,– / 12,–<br />

VVK: Wagner’sche Buchhandlung<br />

und Ö-Ticket<br />

veranstaltet von 8ungKultur in<br />

Kooperation mit der<br />

Wagner’schen<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Vor unglaublichen 47 Jahren machte ein<br />

Stück Peter Turrini schlagartig bekannt.<br />

Die „Rozznjogd“ (Uraufführung am<br />

22. Jänner 1971 im Wiener Volkstheater)<br />

ist und bleibt ein Highlight der österreichischen<br />

Theatergeschichte. Zwei Menschen<br />

– Mann und Frau – landen bei ihrem<br />

ersten Date in einem Cabrio am Müllplatz.<br />

Anstatt sich von der besten Seite zu zeigen,<br />

setzen sie alles auf eine Karte. In einem<br />

richtiggehenden Rausch entledigen sie sich<br />

Stück für Stück der Fassade: ihrer Kleider,<br />

ihrer Habseligkeiten, ihrer Moral. Was ist<br />

es, das übrig bleibt?<br />

Die „Rozznjogd“ wird inzwischen<br />

weltweit gespielt, zurzeit u. a. in Syrien!<br />

Aber auch Übersetzungen ins Arabische,<br />

Chinesische, Englische, Französische<br />

oder Spanische liegen vor. Nun gibt es<br />

eine weitere, beglückende Übersetzung:<br />

ins Cartoonistische!<br />

Gerhard Haderer, einer der bedeutendsten<br />

satirischen Zeichner im deutschsprachigen<br />

Raum, der ebenso international<br />

wie zutiefst österreichisch sein kann, hat<br />

die „Rozznjogd“ für sich entdeckt. Und<br />

der Scherz & Schund-Spezialist legt eine<br />

waschechte österreichische Graphic <strong>No</strong>vel<br />

vor, seine erste!<br />

Gerhard Haderer – Der Zeichner und Karikaturist<br />

Gerhard Haderer ist nicht nur ein Meister der<br />

komischen Kunst – er ist gleichzeitig ein begnadeter<br />

Chronist menschlicher Verwerfungen. Seine<br />

Karikaturen erscheinen u. a. in den Magazinen<br />

STERN, NEWS und PROFIL, das politische<br />

Leben kann man regelmäßig in Haderers beliebten<br />

„Jahr büchern“ nachschauen. Im <strong>No</strong>vember 2017<br />

eröffnete Haderer auf dem Areal der Tabakfabrik<br />

in Linz die Denkwerkstatt SCHULE DES<br />

UNGEHORSAMS. Neben der Dauerausstellung<br />

seiner Werke werden dort außerdem Workshops,<br />

Themenabende oder Diskussionen zum Thema<br />

„Ungehorsam“ stattfinden.<br />

Peter Turrini, geboren 1944 in St. Margarethen<br />

in Kärnten. Mit seinen Theaterstücken und Drehbüchern<br />

gilt er als einer der führenden deutschsprachigen<br />

Dramatiker der Gegenwart, er verfasst<br />

zudem Gedichte und Essays. Seine Werke wurden in<br />

viele Sprachen übersetzt und seine Stücke weltweit<br />

gespielt. Zudem wurde Peter Turrini mehrfach<br />

ausgezeichnet, zuletzt etwa mit dem Vinzenz-Rizzi-<br />

Preis (2014) oder dem Nestroy-Theaterpreis für<br />

sein Lebenswerk (2011). Bei HAYMONtb sind seine<br />

Stücke „Jedem das Seine“ (gemeinsam mit Silke<br />

Hassler, 2016) und „Sieben Sekunden Ewigkeit“<br />

(2017) erschienen. Am 28. 1. 2018 feierte sein neuestes<br />

Stück „Fremdenzimmer“ Premiere am Theater<br />

an der Josefstadt.<br />

56 57<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Was passiert, wenn vier geniale Philosophen<br />

in einer goldenen Zeitära der Kreativität<br />

sich gegenseitig zu Höchstleistungen vorantreiben<br />

und ihre erstaunlichen geistigen<br />

Fähigkeiten dazu nutzen, um der Frage<br />

nachzugehen: „Was ist der Mensch?“<br />

Wolfram Eilenberger, Bestsellerautor,<br />

langjähriger Herausgeber des „Philosophie<br />

Magazins“ und der wohl begabteste und<br />

zurzeit auffälligste Vermittler von Geistesgeschichte<br />

im deutschsprachigen Raum, erweckt<br />

die Philosophie der Zwanziger Jahre<br />

und mit ihr ein ganzes Jahrzehnt zwischen<br />

Lebenslust und Wirtschaftskrise, Nachkrieg<br />

und aufkommendem Nationalsozialismus<br />

zum Leben. Der kometenhafte Aufstieg<br />

Martin Heideggers und dessen Liebe<br />

zu Hannah Arendt. Der taumelnde Walter<br />

Benjamin, dessen amourfou auf Capri<br />

mit einer lettischen Anarchistin ihn selber<br />

zum Revolutionär macht. Der Genius und<br />

Milliardärssohn Wittgenstein, der, während<br />

er in Cambridge als Gott der Philosophie<br />

verehrt wird, in der oberösterreichischen<br />

Provinz vollkommen verarmt Grundschüler<br />

unterrichtet. Und schließlich Ernst Cassirer,<br />

der Jahre vor seiner Emigration in den<br />

bürgerlichen Vierteln Hamburgs am eigenen<br />

Leib den aufsteigenden Antisemitismus<br />

erfährt. In den Lebenswegen und dem revolutionären<br />

Denken dieser vier Ausnahmephilosophen<br />

sieht Wolfram Eilenberger den<br />

Ursprung unserer heutigen Welt begründet.<br />

Dank der großen Erzählkunst des Autors<br />

ist uns der Rückblick auf die Zwanziger<br />

Jahre zugleich Inspiration und Mahnung,<br />

aber in allererster Linie ein mitreißendes<br />

Lesevergnügen.<br />

Die großen Philosophen Ludwig Wittgenstein,<br />

Walter Benjamin, Ernst Cassirer<br />

und Martin Heidegger prägten diese<br />

Epoche und ließen die deutsche Sprache<br />

ein letztes Mal vor der Katastrophe des<br />

Zweiten Weltkriegs zur Sprache des Geistes<br />

werden.<br />

Wolfram Eilenberger, geboren 1972, ist Philosoph,<br />

Publizist und Schriftsteller. Seine Leidenschaft ist<br />

die Anwendung philosophischer Gedanken auf die<br />

heutige Lebenswelt, sei es in Fragen der Politik, der<br />

Kultur oder des Sports. Er lehrte an der University<br />

of Toronto (Kanada), der Indiana University (USA)<br />

und an der Berliner Universität der Künste. Zudem<br />

ist er Programmleiter des Berliner Verlags Nicolai<br />

Publishing & Intelligence.<br />

Buchtipp:<br />

Wolfram Eilenberger:<br />

Zeit der Zauberer<br />

Klett-Cotta Verlag, 431 S.,<br />

ca. € 25,80


Autorinnen und Autoren<br />

dieser Ausgabe<br />

Sarah Caliciotti, gelernte Buchhändlerin, studiert Vergleichende<br />

Literaturwissenschaft in Innsbruck. Sie arbeitet<br />

außerdem (u. a. Licht und Ton) im Innsbrucker Keller theater<br />

und ist nebenbei immer wieder als Regieassistentin an verschiedenen<br />

Theatern tätig.<br />

Markus Jäger, geboren 1976. Studium der Anglistik<br />

und Amerikanistik (Dr. phil.) und Politikwissenschaft<br />

(Mag. phil.). Seit 2008 im Team der Stadtbücherei.<br />

Zuständig u. a. für die fremdsprachige Literatur, Öffentlichkeitsarbeit<br />

und den LGBT Bestand.<br />

Boris Schön, geboren 1983, studierte Germanistik und hat<br />

nach Tätigkeiten im Buchhandel und verschiedenen Verlagen<br />

seine Heimat in der Innsbrucker Stadtbücherei gefunden.<br />

Dort ist er zuständig für das Veranstaltungswesen und den<br />

Einkauf Belletristik.<br />

Y O U R M A G A Z I N E<br />

2 0<br />

1 8<br />

F A S H I O N B E A U T Y L I F E S T Y L E K U L T U R<br />

Michael Carli, gelernter Kulturvermittler, Werber und<br />

Lebensmittelhändler. Lebt in Innsbruck, liebt Sardinien.<br />

Erna Cuesta, in Salzburg geborene Spanierin mit französischer<br />

Schulausbildung. Langjährige Fernsehjournalistin<br />

(ORF, ARD Korrespondentenbüro, 3sat etc.), Moderatorin,<br />

Printredakteurin, Pressereferentin und Autorin.<br />

Ágnes Czingulszki, 1987 geboren in Baja (Südungarn),<br />

lebt – nach einigen Stationen in Europa – nun als Journalistin<br />

und Autorin in Innsbruck.<br />

Astrid Eme, vor 27 Jahren von Niederösterreich nach<br />

Tirol übersiedelt. Arbeitet seit 2008 in der Wagner’schen.<br />

Mit großer Freude betreut sie Kunden im Bereich der<br />

Kasse und Abholfach, <strong>No</strong>nbooks und Geschenkbuch<br />

befinden sich auch in ihrer Obhut.<br />

Martin Fritz, geboren 1982, hört sich in seiner Freizeit gerne<br />

DJ Patex’ Coverversion des Songs „I Wish I Was Him“ an.<br />

Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien<br />

sowie „intrinsische süßigkeit“ (Lyrik, Berger Verlag 2013),<br />

zuletzt: Performance „HIDDEN TRACK“ (brux – Freies<br />

Theater Innsbruck, 2017), Weblog: assotsiationsklimbim.<br />

twoday.net<br />

Dana Grigorcea, geboren 1979 in Bukarest, studierte<br />

Deutsche und Niederländische Philologie. Sie schreibt<br />

Romane und Kinderbücher und lebt mit Familie in Zürich.<br />

Soeben erschien „Die Dame mit dem maghrebinischen<br />

Hündchen“ (Dörlemann).<br />

Klaudia Grünfelder, 1995 in Brixen (Südtirol) geboren.<br />

Hat bereits in Brixen und Salzburg in Buchhandlungen<br />

gearbeitet und ist seit 2016 in der Wagner’schen tätig.<br />

Markus Hatzer, geboren 1966 in Prägraten (Osttirol),<br />

seit 1981 Buchhändler, Verleger des Haymon Verlags,<br />

des Löwenzahn und Studienverlags und des Universitätsverlags<br />

Wagner. 2015 als Partner bei der Wagner’schen<br />

Universitätsbuchhandlung eingestiegen.<br />

Andreas Hauser erbte die Liebe zur Kriminalliteratur von<br />

seinem Vater, schrieb lang im Tiroler Magazin ECHO Beiträge<br />

zu Wissenschaft und Zeitgeschichte, Empfehlungen von<br />

Krimis, Thrillern und Literatur. Seit 2015 Mitarbeiter und<br />

CP-Redakteur der KULTIG Werbeagentur in Innsbruck.<br />

Birgit Holzner, 1974 in Innsbruck geboren, Studium der<br />

Romanistik und Germanistik in Innsbruck, 1995 –1996<br />

EU-Fremdsprachenassistentin am Lycée franco-finlandais<br />

d’Helsinki, längere Aufenthalte in Frankreich, seit 2008<br />

Verlagsleiterin der innsbruck university press und der edition<br />

laurin, veranstaltet zusammen mit Joe Rabl die Innsbrucker<br />

Wochenendgespräche.<br />

Gracia Kasenbacher-Harar, Choreografin und Tanzpädagogin,<br />

geboren in Utrecht, wohnt in Innsbruck und betreut seit<br />

Oktober 2015 die Schaufenster in der Wagner’schen.<br />

Radek Knapp ist Autor und Obstverkäufer in Wien. Zahlreiche<br />

Publikationen, zuletzt: „Der Mann der Luft zum<br />

Frühstück aß“ (Deuticke). www.hanser-literaturverlage.de/<br />

autor/radek-knapp<br />

Markus Köhle ist Sprachinstallateur, Literaturzeitschriftenaktivist<br />

und Papa Slam Österreichs. Zahlreiche Publikationen,<br />

zuletzt: „Jammern auf hohem Niveau“ (Sonderzahl).<br />

www.autohr.at<br />

Lena Kripahle, 1984 geboren und Buchhändlerin. Bereits<br />

seit der 1. Klasse süchtig nach Druckerschwärze und<br />

Hörbüchern. Seit <strong>No</strong>vember 2015 ist die Wagner’sche ihre<br />

neue Heimat.<br />

Mieze Medusa ist Autorin, Rapperin und Pionierin der<br />

österreichischen Poetry Slam Szene. www.miezemedusa.com<br />

Klaus Nüchtern, geboren 1961 in Wien. Seit 1990 Kulturredakteur<br />

beim Falter; seine Kolumnen „Nüchtern betrachtet“<br />

liegen gesammelt in 5 Bänden vor. Nach Wittgenstein<br />

und Buster Keaton widmete er sich zuletzt dem Kontinent<br />

Doderer.<br />

Martin Prinz, geboren 1973, aufgewachsen in Lilienfeld<br />

(Niederösterreich), studierte Theaterwissenschaft und<br />

Germanistik und lebt als Schriftsteller in Wien. Zuletzt<br />

erschienen „Die letzte Prinzessin“ und soeben „Die unsichtbaren<br />

Seiten“ (beide Insel).<br />

Joe Rabl, geboren in Kufstein; Studium der Komparatistik<br />

und Germanistik in Innsbruck; war in diversen Verlagen<br />

beschäftigt; arbeitet als freier Lektor; veranstaltet zusammen<br />

mit Birgit Holzner die Innsbrucker Wochenendgespräche.<br />

Ursula Reicholf, geboren 1970 in Innsbruck. Als gelernte<br />

Drogistin arbeitete sie viele Jahre im Naturkostbereich. Seit<br />

einem Jahr ist sie im Team der Wagner’schen.<br />

Markus Renk, seit 30 Jahren in der Buchbranche. Fachgruppen-Obmann<br />

der Buch- und Medienwirtschaft Tirol<br />

und seit Oktober 2015 Chef der Wagner’schen.<br />

Robert Renk, Buchhändler und Kulturveranstalter. Moderiert<br />

gerne in Leukerbad, Hausach und in der Wagner’schen.<br />

Gastdozent an der Uni Innsbruck. Sortimentsleiter in der<br />

Wagner’schen. Gibt das Magazin „Wagner einmalig“ heraus.<br />

Nina Rettenbacher brachte uns der Koch- und Gärtnergott in<br />

die Wagner’sche. Erste Stadtgärtnerin und grandiose Köchin<br />

& Gastgeberin im 1. Stock.<br />

Helmuth Schönauer, geboren 1953, ist gerichtlich anerkannter<br />

Schriftsteller und (noch) Bibliothekar. „Tagebuch<br />

eines Bibliothekars“, 5 Bände; Klagenfurt, Sisyphus 2016;<br />

„Krautig“, 13 Kurzromane, welche die Tiroler ums Verrecken<br />

nicht schreiben wollen, Wien: Kyrene 2016.<br />

Bernd Schuchter, geboren 1977 in Innsbruck, studierte<br />

Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Universität<br />

Innsbruck. Autor und Verleger (Limbus Verlag). Zuletzt:<br />

„Herr Maschine oder vom wunderlichen Leben und Sterben<br />

des Julien Offray de La Mettrie“ (2018), braumüller.<br />

Silvia Spiegl, Germanistin, seit 1991 Buchhändlerin in der<br />

Wagner’schen.<br />

Ilija Trojanow geboren 1965 in Sofia, floh mit seiner<br />

Familie 1971 nach Deutschland, wo sie politisches Asyl<br />

erhielt. Weitere Stationen: Nairobi. Bombay. Kapstadt.<br />

Wien. Zuletzt erschien der aphoristische Essayband „Nach<br />

der Flucht“ (S. Fischer). Im Feber erhielt er den Usedomer<br />

Literaturpreis. Im Juni letzten Jahres verbrachte er eine<br />

Nacht in der Wagner’schen.<br />

Gabi Unterberger, teilzeitbeschäftigte Reisebüroangestellte<br />

und ehrenamtliche Bibliothekarin vom Lande mit umfassendem<br />

Haus(buch)bestand und Hausverstand.<br />

Evelyn Unterfrauner ist 24 und in Südtirol aufgewachsen.<br />

Aktuell ist sie als PR-Beraterin bei der Agentur P8<br />

Marketing tätig. Sie betreibt den Book Broker Blog auf<br />

bookbroker.wordpress.com und moderiert die Buchsendung<br />

auf Tirol TV.<br />

Marlene Walder, geb. 1994. Seit 2013 in der Wagner’schen.<br />

Steckt hinter den Blind Dates und ist seit <strong>No</strong>vember 2017<br />

Abteilungsleiterin für Ratgeber und Kinderbuch.<br />

Elisabeth Wiederin, nach mehrjähriger Pause wieder in der<br />

Wagner’schen. Bewegt dort mit viel Leidenschaft tonnenschwere<br />

Büchertürme im Bereich „Schulbuch“ – und für<br />

die Entspannung gibt es nordische Literatur am besten in<br />

nordischen Landschaften.<br />

Gabriele Wild liest momentan hauptsächlich Bilderbücher<br />

mit ihrer kleinen Tochter, wird aber bald wieder als begeisterte<br />

Literaturvermittlerin und Gestalterin des Literaturhaus-Programms<br />

zu erleben sein.<br />

Klex Wolf, geboren 1968 in Innsbruck. Musiker, Komponist<br />

und Musiktherapeut. Mitbegründer und Obmann-Stellv.<br />

sowohl bei 8ungKultur als auch beim Kammerorchester<br />

InnStrumenti. Als Musiker u. a. zusammen mit Hannes<br />

Sprenger als Fransen unterwegs. Zuletzt CD „Die Siebentagewoche“<br />

(Fransen, Markus Köhle und Ursula Timea<br />

Rossel).<br />

Isabel Karoline Hörmann, geboren 1979 in Innsbruck, als<br />

Texterin im Alpenresort Schwarz (Mieming) tätig. Lesehungrig,<br />

schreibverliebt, fasziniert von Wort und Sprache.<br />

Merle Rüdisser stammt aus Vorarlberg, übersiedelte<br />

zwecks Studium (Literaturwissenschaft und Philosophie)<br />

nach Innsbruck, arbeitet als Lektorin (Limbus Verlag)<br />

und Korrekturleserin und schreibt eigentlich nicht.<br />

Dorothea Zanon, geboren 1980 in Lienz/Osttirol, Studium<br />

der Literaturwissenschaft in Innsbruck und Wien. Lektorin<br />

und Programmleiterin des Haymon Verlags.<br />

Andrea Scheiber ist seit 1992 in der Wagner’schen, liest<br />

natürlich gerne bevorzugterweise Kinderbücher und Krimis,<br />

liebt Backen und lange Spaziergänge.<br />

INNSBRUCKS NEUES LIFESTYLE MAGAZIN<br />

Bücher seit 1639<br />

59<br />

Siljarosa Schletterer, geboren 1991 in Innsbruck, studiert<br />

u. a. Musikwissenschaft an der Universität Innsbruck. Frühe<br />

Beschäftigung mit Texten. Mehrere Lesungen, zusätzlich<br />

wurden Werke von ihr vertont.


Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Museumstraße 4<br />

6020 Innsbruck<br />

T. +43 512 59505 0<br />

info@wagnersche.at<br />

www.wagnersche.at

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