ewe-aktuell 1/ 2018
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Seite 22 Seite 23
Zeitreise in mein FSJ
Knapp zwei Jahre nach ihrem Freiwilligenjahr
in Sambia berichtet Helen Hermens von einem
Wiedersehen…
Als ich 2015/16 in Mazabuka mein FSJ machte, kam
natürlich die Frage auf, ob ich denn vorhätte, wieder
zurück zu kommen. Am liebsten natürlich, ob ich “for
good“, sprich für immer, nach Sambia zurückkehren
wolle. Nun endlich, dieses Jahr, im Februar, habe ich es
hinbekommen ein wenig Geld zusammen zu suchen,
einen Flug zu buchen und zu überlegen, was ich wohl
wem mitbringe und was ich zu dieser Jahreszeit packen
muss. Das Wetter hat mich trotzdem überrascht.
Gestartet bei um die 0 Grad in Frankfurt, landete ich
bei schwülen Temperaturen einen Tag später in Lusaka.
Die Luft war wie im Schwimmbad, dachte ich zuerst,
irgendwie ungewohnt. Genau wie die Gerüche im
ersten Moment.
Lusaka kam mir auch sofort anders vor als 2015. Erstens
natürlich, hatte ich nicht denselben Kulturschock
wie damals – ich hatte schließlich alles schon einmal
gesehen. Aber es hatte sich verändert, diese so
vollgepackte Hauptstadt. Keine Straßenverkäufer mehr,
keine qualmenden Müllberge an jeder Ecke. Ich redete
mit einem Taxifahrer darüber. Er lachte. Es sei wegen
der Cholera, meinte er. Weil der Krankheitsausbruch
dieses Jahr so schlimm gewesen war, hatte die Regierung
das Militär angeheuert, die Straßen sauber zu halten.
Schien zu funktionieren.
Auch Mazabuka, die Stadt, in der ich mein Jahr
verbrachte, sah auf den ersten Blick seltsam aus – wie,
als würde ich bloß durch ein Fenster blicken. Die erste
Begegnung mit meiner Familie und meinen Freunden,
wieder der erste Schritt über die Türschwelle, wieder
das erste Mal Minibus fahren oder mit einem Eimer
Wasser duschen – es fühlte sich alles an, als wäre ich
bloß eine Schlafwandlerin.
Schließlich war alles dann doch irgendwie, als wäre ich
niemals weg gewesen. So viele Leute erinnerten sich
an mich, ich war wirklich erstaunt. Ganz, ganz schnell
schlich sich der Alltag wieder ein. Ich hatte zwar vor,
noch ein bisschen Ferien zu machen, aber die zwei
Wochen, die ich in meiner Gastfamilie verbrachte,
waren einfach, als wäre ich gestern erst gefahren und
heute wieder gekommen. Es war wirklich wie eine
kleine Zeitreise zurück nach 2015.
Ich war sofort wieder die kleine Chileleko. Kein Stück
älter geworden. Die immer noch Punkt sieben Uhr zu
Hause sein musste. Keine Chance. Unter Mamas Dach
war ich immer noch genauso Kind wie vor zwei Jahren.
Viele Leute hatten sich verändert, manche
gar nicht. Besonders die Kinder waren
alle plötzlich so groß. Meine Nichte, die
geboren wurde, als ich dort war, konnte
nun rumrennen und sprechen. Erst da
merkte ich, dass doch etwas Zeit vergangen
war. Nicht nur diese Kinder waren älter
geworden, auch ich. Ich merkte, dass ich
die ersten Tage sehr vorsichtig war. Wasser
abkochen, Hände waschen, kein rohes
Gemüse essen, unter einem Mückennetz
schlafen. Es war nicht wie im Laufe des
Jahres, wo mir das alles irgendwann egal
war und ich mich soweit angepasst hatte.
Und auch meine Freunde dort hatten sich
verändert, gingen plötzlich alle studieren
und meine Schwester hatte ein Kind
bekommen. Sie erzählte mir alles, wie
spannend die Schwangerschaft und die Geburt gewesen
war und wie es jetzt ist, gleichzeitig Mama zu sein und
das Abitur nachzuholen. Es gab viel zu erzählen. So saß
ich die ersten Tage viel herum, drinnen und draußen,
begleitete Freunde zum Markt und wieder zurück und
tat nicht viel außer quatschen und genießen und ein
bisschen hier und da mit anpacken.
Natürlich musste ich auch diverse Besuche abstatten,
weil ein paar Familienmitglieder mittlerweile in
anderen Städten wohnten. So fuhr ich zum Beispiel
ein Wochenende nach Chikuni, einem sehr kleinen
gepflegten Ort mitten im sambischen Busch. Vor lauter
Regen durchpflügte unser Taxi tiefe Pfützen und wir
verbrachten das Wochenende nahe dem Holzkohlefeuer.
Ich hatte, bevor ich geflogen war, ein bisschen Angst,
alles würde vielleicht anders sein, Erinnerungen zerstört
oder meine Erwartungen enttäuscht. Aber das war nicht
so. Sambia empfing mich mit offenen Armen, genau
wie die Leute dort. Eine Freundin ließ fast ihr Baby
fallen, als sie mich unerwartet wieder sah. Mein Bruder
schrie vor Freunde, weil er nicht glauben konnte, dass
ich wirklich vor ihm stand. Und ich konnte es ehrlich
gesagt auch lange nicht glauben. Erst nach hundert Mal
Atmen sambischer Luft, Gospelmusik-Hören, nachts
dem Regen auf dem Wellblechdach lauschen und den
Sonnenbrand in meinem Nacken Spüren, wusste ich,
dass ich wirklich, wirklich wieder da war.
Helen Hermens