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AKTUELL<br />
Der letzte Vorhang im „Millowitsch“ ist gefallen<br />
„Die Leute haben<br />
keine Geduld mehr“<br />
Im Dezember letzten Jahres kam der kölsche Kultur-Schock: Peter Millowitsch<br />
verkündete die Schließung des traditionsreichen Volkstheaters. Am 25. <strong>März</strong><br />
fiel nach der Aufführung des Schwanks „Wer weß wofür et jot es“ der letzte<br />
Vorhang. Stadtmagazine-Redakteur Hans Peter Brodüffel war kurz vorher zu<br />
Gast bei Peter Millowitsch.<br />
■ Hans Peter Brodüffel<br />
Das Verhältnis zu Vater „Willy“<br />
war nicht immer leicht<br />
„Ja, es tut weh. Aber ich bin<br />
auch erleichtert und froh das Ganze<br />
von der Backe zu haben. Nach dem<br />
Ausstieg des WDR musste ich einfach<br />
zu viel schultern, die Requisiten,<br />
die Kostüme und vieles mehr.“<br />
Peter Millowitsch wirkt bei unserem<br />
Gespräch im legendären Volkstheater<br />
kurz vor dem letzten Vorhang<br />
nicht besonders wehmütig. Eher<br />
wie jemand, der die befreiende<br />
Kraft einer klaren Entscheidung<br />
spürt. „Die Entscheidung ist mir<br />
nicht leicht gefallen. Nach dem<br />
Rückzug des WDR konnte ich den<br />
Theaterbetrieb nur noch aus privaten<br />
Renten-Rücklagen aufrechterhalten.“<br />
Ein weiterer Grund für die<br />
Schließung: Der Schwank-Spaß der<br />
alten Volksbühnen scheint allgemein<br />
aus der Mode zu kommen.<br />
sagt der Sohn des „kölschen Jung“<br />
Willy Millowitsch, bis in die Neunziger<br />
der große Magnet des Theaters<br />
an der Aachener Straße. Der 68-<br />
jährige weiß auch um die anderen<br />
Gründe wie Entkölschung, schwache<br />
Stücke und ein spielerisch limitiertes<br />
Ensemble. Trotz alledem:<br />
Der letzte der Kölner Theater-Dynastie<br />
blickt insgesamt mit Dankbarkeit<br />
auf sein 40-jähriges Bühnenleben<br />
zurück. „Ich habe alle Rollen<br />
gerne gespielt.“ Mit seinem Vater,<br />
dem großen, aber auch belastenden<br />
Bühnen-Patriarchen hadert er<br />
allerdings auch heute noch: „Mein<br />
Vater hat mir nie etwas erklärt. Ich<br />
durfte nur zusehen. Wenn ich etwas<br />
wissen wollte, hat er nur unwirsch<br />
reagiert. Dann kam er immer<br />
der Satz: Dat häste doch jrad<br />
Ganz entspannt nach der harten Entscheidung: Peter Millowitsch am<br />
Schreibtisch in seinem Theater-Büro.<br />
Nach über achtzig Jahren hat der letzte Vertreter der Kölner Theater-<br />
Dynastie das Licht im ehrwürdigen Volkstheater in der Aachener ausgemacht.<br />
Kölsche Töne im heutigen Volkstheater am Rudolfplatz erklingen<br />
aber bereits wieder kurz mach Ostern: Am 5. April spielen die<br />
Paveier.<br />
Kultstück<br />
„Der Etappenhase“<br />
Als Peter Wilhelm Josef Millowitsch<br />
am 16. Oktober 1936 in der<br />
Aachener Straße seine Premiere mit<br />
dem Stück „Ein Mädchen für alles“<br />
feierte, wusste noch niemand, dass<br />
es das Ende einer Kölner Odyssee<br />
war. Im der Wirren der Weimarer<br />
Republik (1918 – 1933) war es dem<br />
Theater nicht gelungen, ein echtes<br />
Zuhause zu finden. Mal gastierte es<br />
im Reichshallen Theater in der Gertrudenstraße<br />
oder im Colosseum<br />
Theater auf der Schildergasse (heute<br />
C&A) oder im Burghof Varieté auf<br />
der Hohe Straße oder im Kristallpalast<br />
auf der Severinstraße oder im<br />
Haus Metropol auf der Hohe Straße<br />
(heute Gloria). Nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg konnte das Theater in der<br />
Aachener Straße am 16. Oktober<br />
1945 wieder eröffnen. Am 27.Oktober<br />
1953 konnten die Zuschauer<br />
an den Bildschirmen der bundesweit<br />
4.700 angemeldeten Geräte<br />
die erste Live-Sendung aus dem<br />
Millowitsch-Theater mitverfolgen.<br />
„Der Etappenhase“ machte das<br />
Kölner Ensemble weit über die<br />
Grenzen der Domstadt bekannt<br />
und wurde insgesamt elf Mal inszeniert.<br />
Das komödiantische Lagerfeuer<br />
um Standes-Hürden, verbotene<br />
Liebeleien und inkompetente Obrigkeit,<br />
das bei Live-Übertragungen<br />
noch mehrere Generationen vor<br />
dem Fernseher im Wohnzimmer<br />
um sich scharte, ist längst verloschen.<br />
„Die Leute haben keine Geduld<br />
mehr. Heute ist die schnelle<br />
Comedy mit Gags im Sekundentakt<br />
angesagt. Bei einem Schwank gibt<br />
es halt erstmal eine Einführung von<br />
zwanzig Minuten. Das überfordert<br />
und langweilt heutzutage viele“,<br />
16 <strong>Erftstadt</strong> <strong>Magazin</strong><br />
jesenn. Ja, es war nicht immer einfach,<br />
aber es hat Spaß gemacht.“<br />
In Zukunft will der in Frechen<br />
wohnende 68-jährige vor allem als<br />
Regisseur arbeiten. Am 1. Dezember<br />
zeigt das Hamburger Ohnsorg-<br />
Theater im heutigen Volkstheater<br />
am Rudolfplatz den alten Schwank<br />
„Tratsch im Treppenhaus“. In den<br />
Hauptrollen zwei sich längst im<br />
Rentenalter befindende Kinder berühmter<br />
Volkstheater-Ikonen: Heidi<br />
Kabels Tochter Heidi Mahler und<br />
Peter Millowitsch.<br />
„Der Etappenhase“ wurde zum landesweit bekannten Kultstück. Bild: WDR