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Erftstadt Magazin März 2018

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AKTUELL<br />

Der letzte Vorhang im „Millowitsch“ ist gefallen<br />

„Die Leute haben<br />

keine Geduld mehr“<br />

Im Dezember letzten Jahres kam der kölsche Kultur-Schock: Peter Millowitsch<br />

verkündete die Schließung des traditionsreichen Volkstheaters. Am 25. <strong>März</strong><br />

fiel nach der Aufführung des Schwanks „Wer weß wofür et jot es“ der letzte<br />

Vorhang. Stadtmagazine-Redakteur Hans Peter Brodüffel war kurz vorher zu<br />

Gast bei Peter Millowitsch.<br />

■ Hans Peter Brodüffel<br />

Das Verhältnis zu Vater „Willy“<br />

war nicht immer leicht<br />

„Ja, es tut weh. Aber ich bin<br />

auch erleichtert und froh das Ganze<br />

von der Backe zu haben. Nach dem<br />

Ausstieg des WDR musste ich einfach<br />

zu viel schultern, die Requisiten,<br />

die Kostüme und vieles mehr.“<br />

Peter Millowitsch wirkt bei unserem<br />

Gespräch im legendären Volkstheater<br />

kurz vor dem letzten Vorhang<br />

nicht besonders wehmütig. Eher<br />

wie jemand, der die befreiende<br />

Kraft einer klaren Entscheidung<br />

spürt. „Die Entscheidung ist mir<br />

nicht leicht gefallen. Nach dem<br />

Rückzug des WDR konnte ich den<br />

Theaterbetrieb nur noch aus privaten<br />

Renten-Rücklagen aufrechterhalten.“<br />

Ein weiterer Grund für die<br />

Schließung: Der Schwank-Spaß der<br />

alten Volksbühnen scheint allgemein<br />

aus der Mode zu kommen.<br />

sagt der Sohn des „kölschen Jung“<br />

Willy Millowitsch, bis in die Neunziger<br />

der große Magnet des Theaters<br />

an der Aachener Straße. Der 68-<br />

jährige weiß auch um die anderen<br />

Gründe wie Entkölschung, schwache<br />

Stücke und ein spielerisch limitiertes<br />

Ensemble. Trotz alledem:<br />

Der letzte der Kölner Theater-Dynastie<br />

blickt insgesamt mit Dankbarkeit<br />

auf sein 40-jähriges Bühnenleben<br />

zurück. „Ich habe alle Rollen<br />

gerne gespielt.“ Mit seinem Vater,<br />

dem großen, aber auch belastenden<br />

Bühnen-Patriarchen hadert er<br />

allerdings auch heute noch: „Mein<br />

Vater hat mir nie etwas erklärt. Ich<br />

durfte nur zusehen. Wenn ich etwas<br />

wissen wollte, hat er nur unwirsch<br />

reagiert. Dann kam er immer<br />

der Satz: Dat häste doch jrad<br />

Ganz entspannt nach der harten Entscheidung: Peter Millowitsch am<br />

Schreibtisch in seinem Theater-Büro.<br />

Nach über achtzig Jahren hat der letzte Vertreter der Kölner Theater-<br />

Dynastie das Licht im ehrwürdigen Volkstheater in der Aachener ausgemacht.<br />

Kölsche Töne im heutigen Volkstheater am Rudolfplatz erklingen<br />

aber bereits wieder kurz mach Ostern: Am 5. April spielen die<br />

Paveier.<br />

Kultstück<br />

„Der Etappenhase“<br />

Als Peter Wilhelm Josef Millowitsch<br />

am 16. Oktober 1936 in der<br />

Aachener Straße seine Premiere mit<br />

dem Stück „Ein Mädchen für alles“<br />

feierte, wusste noch niemand, dass<br />

es das Ende einer Kölner Odyssee<br />

war. Im der Wirren der Weimarer<br />

Republik (1918 – 1933) war es dem<br />

Theater nicht gelungen, ein echtes<br />

Zuhause zu finden. Mal gastierte es<br />

im Reichshallen Theater in der Gertrudenstraße<br />

oder im Colosseum<br />

Theater auf der Schildergasse (heute<br />

C&A) oder im Burghof Varieté auf<br />

der Hohe Straße oder im Kristallpalast<br />

auf der Severinstraße oder im<br />

Haus Metropol auf der Hohe Straße<br />

(heute Gloria). Nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg konnte das Theater in der<br />

Aachener Straße am 16. Oktober<br />

1945 wieder eröffnen. Am 27.Oktober<br />

1953 konnten die Zuschauer<br />

an den Bildschirmen der bundesweit<br />

4.700 angemeldeten Geräte<br />

die erste Live-Sendung aus dem<br />

Millowitsch-Theater mitverfolgen.<br />

„Der Etappenhase“ machte das<br />

Kölner Ensemble weit über die<br />

Grenzen der Domstadt bekannt<br />

und wurde insgesamt elf Mal inszeniert.<br />

Das komödiantische Lagerfeuer<br />

um Standes-Hürden, verbotene<br />

Liebeleien und inkompetente Obrigkeit,<br />

das bei Live-Übertragungen<br />

noch mehrere Generationen vor<br />

dem Fernseher im Wohnzimmer<br />

um sich scharte, ist längst verloschen.<br />

„Die Leute haben keine Geduld<br />

mehr. Heute ist die schnelle<br />

Comedy mit Gags im Sekundentakt<br />

angesagt. Bei einem Schwank gibt<br />

es halt erstmal eine Einführung von<br />

zwanzig Minuten. Das überfordert<br />

und langweilt heutzutage viele“,<br />

16 <strong>Erftstadt</strong> <strong>Magazin</strong><br />

jesenn. Ja, es war nicht immer einfach,<br />

aber es hat Spaß gemacht.“<br />

In Zukunft will der in Frechen<br />

wohnende 68-jährige vor allem als<br />

Regisseur arbeiten. Am 1. Dezember<br />

zeigt das Hamburger Ohnsorg-<br />

Theater im heutigen Volkstheater<br />

am Rudolfplatz den alten Schwank<br />

„Tratsch im Treppenhaus“. In den<br />

Hauptrollen zwei sich längst im<br />

Rentenalter befindende Kinder berühmter<br />

Volkstheater-Ikonen: Heidi<br />

Kabels Tochter Heidi Mahler und<br />

Peter Millowitsch.<br />

„Der Etappenhase“ wurde zum landesweit bekannten Kultstück. Bild: WDR

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