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Zum Einreiben und Trinken<br />
„Saltbrennt“ ließ es im Alten Kino Landeck krachen<br />
(dgh) „An Schpänli aufs Alte Kino“ tranken „Saltbrennt“ – das<br />
Quartett bestritt dort immerhin eine eindringliche Blues-Night.<br />
Vom Vorlauf bis zum Edelbrand war alles dabei.<br />
Erfreulicherweise musste das „Ballhausteam“ rund um Sabine Schuchter die allerletzten<br />
Notsessel ausgeben, um zumindest dem Großteil der Gäste noch einen Sitzplatz<br />
anbieten zu können. Die höchst interessierte Zuhörerschaft erfuhr allerdings<br />
ein Geschichtsbild der Bezirkshauptstadt aus nicht allzu ferner Vergangenheit, das<br />
man sich nicht besonders gerne ansah, aber so war es eben im Jahr 1938.<br />
hätte aber selbstverständlich niemals<br />
Anlass zu Szenen, wie sie der randalierende<br />
Pöbel in der „Schreckensnacht“<br />
darbot, geben dürfen.<br />
Charakteristisch für das NS-Regime<br />
war generell die Duldung bis<br />
hin zur strategischen Steuerung einer<br />
„Paralleljustiz“, fußend auf dem<br />
„gesunden Rechtsempfinden“ der<br />
Volksgemeinschaft. Bei pogromähnlichem<br />
Terror wie der „Imster<br />
Schreckensnacht“ wurde seitens<br />
des Staates nur sehr zögernd, wenn<br />
überhaupt eingegriffen. Dennoch<br />
gelang es der Ordnungsmacht überwiegend<br />
als Hüter des Rechts aufzutreten,<br />
da Übergriffe seitens der<br />
„ganz Oberen“ verbal als unzulässig<br />
eingemahnt wurden. Grundsätzlich<br />
zeigte man aber Verständnis für den<br />
„gerechtfertigten Zorn des ehemals<br />
von den ,Schwarzen‘ gedemütigten<br />
und unterdrückten Volkes“. Eine an<br />
Zynismus kaum zu übertreffende<br />
Vorgehensweise.<br />
ZUM WERK. Das Buch schildert<br />
auf 535 Seiten die Ereignisse<br />
rund um den Anschluss aller Tiroler<br />
Bezirke im Frühjahr 1938 an das<br />
11./12. April 2018<br />
nationalsozialistisch beherrschte<br />
Deutsche Reich. Herausgeber Horst<br />
Schreiber und zehn Mitautoren<br />
behandeln die Vorkommnisse aus<br />
einer jeweilig lokalen Nahperspektive,<br />
wie sie von Zeitgeschichtlern in<br />
dieser konsequenten Form bislang<br />
noch nicht gewählt wurde. Kurzum,<br />
das Buch bringt tatsächlich Neues<br />
und Erhellendes an Bezirks-Einzelheiten,<br />
die wohl auch Menschen<br />
mit zeitgeschichtlich hohem Wissensstand<br />
bislang unbekannt waren.<br />
Ein 481 Seiten langer, aufschlussreich<br />
mit Bildern versehener, Textteil<br />
und ein umfassender, exakt nach<br />
aktuellen Zitierregeln ausgerichteter<br />
und höchsten Ansprüchen gerecht<br />
werdender Anhang machen dieses<br />
Buch zu einem zentralen Bestandteil<br />
der Tiroler Literatur zur Zeitgeschichte.<br />
Ein Standardwerk zum<br />
Anschlussgeschehen in den Tiroler<br />
Bezirken liegt somit vor. „1938 – Der<br />
Anschluss in den Bezirken Tirols“,<br />
Horst Schreiber (Hg). (Zusammen<br />
mit zehn Mitautoren). Studienverlag<br />
2018. ISBN 978-3-7065-5660-6.<br />
Der Band liegt in sehr guter Material-<br />
und Verarbeitungsqualität vor.<br />
Mojo Blues Band in Imst<br />
(prax) Im Rahmen des 63. Jazzknödel am Donnerstag, dem 26. April, gastiert<br />
die legendäre „Mojo Blues Band“ rund um Frontman Erik Trauner zum zweiten<br />
Mal im Wintergarten des Gasthof „Hirschen“ in Imst. „40 Jahre ,on the road‘<br />
bedeuten Freude, Stolz und vor allem Dankbarkeit gegenüber einem treuen und<br />
wunderbaren Publikum und den vielen engagierten Veranstaltern“, so Erik Trauner<br />
(l.). Beginn ist um 20 Uhr. <br />
Foto: MJB<br />
„Saltbrennt“ mit special guests auf der Bühne des Alten Kinos Landeck, der „Kulturmetropole<br />
im Tiroler Oberland“, wie Jakob Köhle erklärte. RS-Foto: Haueis<br />
Es war ein Heimspiel: Vor bummvollem<br />
Haus traten „Saltbrennt“<br />
auf. Christoph Kuntner (Gitarre,<br />
Gesang), Christian Deimbacher<br />
(Mundharmonika, Tuba), Fabian<br />
Möltner (Bass) und Jakob Köhle<br />
(Schlagzeug) stiegen langsam ein:<br />
Mundharmonika und eine vollklingende<br />
Akustikgitarre erinnerten an<br />
den ursprünglichen Blues. Für den<br />
Klassiker „Baby, please don’t go“<br />
stießen Bass und Schlagzeug hinzu<br />
und griff Kuntner zur Gibson,<br />
der „Mobile Phone Blues“ wurde<br />
mit der Fender lebendig, während<br />
Deimbacher dafür zur Tuba griff.<br />
Diese Variabilität in der Besetzung<br />
macht einen der Reize von „Saltbrennt“<br />
aus – das Richtige zum<br />
richtigen Zeitpunkt, bis hin zum<br />
kompletten Verzicht auf Instrumente:<br />
Bei Blind Willie Johnson’s<br />
„Nobody’s fault but mine“ ließ<br />
Deimbacher die Mundharmonika<br />
ausklingen und es waren nur mehr<br />
die Stimmen der Vier und deren<br />
Klatschen dazu zu hören – ein<br />
Work- oder Prison Song aus Oberländer<br />
Kehlen.<br />
SEELENHEIL. Ein anderer,<br />
im Oberland selten zu hörender<br />
Reiz ist das Mundharmonikaspiel<br />
Deimbachers: Es wirkt hypnotisierend,<br />
ist wie ein musikalisches<br />
„Om“, bei Soli wiederum scheint<br />
er um sein Seelenheil zu spielen.<br />
Kuntner an Mikro und Gitarre<br />
lässt sich nicht weniger loben – er<br />
überzeugt auf der akustischen Gitarre<br />
und dem „Brettl“, bei fetzigen<br />
Blues’ oder jazzigen Soli. Solid,<br />
spielfreudig und ebenso variabel<br />
sind Drummer Köhle (auch Herr<br />
der Schlagzeugbesen und vieler<br />
Rhythmusinstrumente) und Bassist<br />
Möltner (funkig, wenn’s sein muss).<br />
Richtig hart ging’s bei Verena Pötzls<br />
„Hell’s Fire“ zur Sache – mit der<br />
ehemaligen Starmania-Siegerin am<br />
Mikro. Ihre Seele legten auch die<br />
beiden anderen Gäste des Abends<br />
ins Spiel: Hermann Kranewitter<br />
(Trompete) und Simon Strobl (Saxophon).<br />
Mit dem „Fotzhobel-Gitarren-Fetzer“<br />
schlechthin, „Room<br />
to move“ von John Mayall, und<br />
„I was born in Chicago“ legten die<br />
vier sympathischen Burschen noch<br />
zwei drauf – der Rohstoff kommt<br />
aus den USA und Großbritannien,<br />
aber gebrannt wird dieses Obst im<br />
Oberland. Und es war „scharfes<br />
Material“, das da aus dem Brennkessel<br />
kam, roh, kantig, giftig – bei<br />
„Saltbrennt“ kommt der Vorlauf<br />
zum Schluss raus.<br />
Mit Grateful Deads „We bid you<br />
good night“ (a capella) verabschiedete<br />
sich das Quartett dann aber<br />
doch leise. Nachdem heuer eine<br />
CD aufgenommen werden soll,<br />
wird’s wohl bald ein Wiedersehen<br />
geben. Ein Hörtipp zum Überbrücken,<br />
bis es soweit ist: „Living in<br />
Sarnia“ zeigt Persönlichkeit und<br />
Potenzial der Oberländer Band auf<br />
ruhige und einfach-schöne Weise –<br />
auch das ist „Saltbrennt“, Prädikat:<br />
ganz feines Destillat.<br />
RUNDSCHAU Seite 53