PressEnte 2014
Magazin des Presseclubs Regensburg
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»Auskuppeln«<br />
im PresseClub<br />
EDITORIAL<br />
Die Medienhäuser, die früher Zeitungshäuser<br />
waren, schicken ihre Redaktionen<br />
in einen Transformationsprozess<br />
voller Abenteuer. Die Latte hängt hoch:<br />
Sein oder nicht Sein, kämpfen oder<br />
sterben, ganz im Hamlet’schen Sinn.<br />
Öffentlich-rechtliche »Anstalten« wie der Bayerische<br />
oder der Südwestrundfunk steuern einer trimedialen<br />
Zukunft aus Wort, Sprache und Bild entgegen. Dabei<br />
ist nicht die Trimedialität neu, sondern die Tatsache,<br />
wie man arbeitsorganisatorisch mit ihr umgeht,<br />
nämlich möglichst effizient.<br />
Die Digital Natives sind die Feinde aller: Sie lesen<br />
keine Zeitungen, bezahlen im Internet nur für Spartenprogramme,<br />
die sie unbedingt wollen, schauen im<br />
Fernsehen allenfalls Fußballspiele live und streamen<br />
sich ansonsten die angesagten US-Serien rein. Sogenanntes<br />
Native Advertising (oder auch Sponsored<br />
Content) macht es trotz aller Kennzeichnungspflicht<br />
immer schwerer, Anzeigen- von Redaktionstexten zu<br />
unterscheiden. Zu allem Überfluss haben große Unternehmen<br />
mit positivem Image inzwischen Glaubwürdigkeitswerte<br />
erreicht, die denen bekannter Medien<br />
nicht nachstehen. Das Meinungsmonopol ist weg!<br />
Weil es so unübersichtlich wird und der Journalist<br />
eh schon als transformiert gilt, obwohl er es noch gar<br />
nicht ist, greifen Personalchefs und Chefredakteure<br />
dieser Tage wieder auf ein altbekanntes<br />
Persönlichkeitsmerkmal zurück. Journalisten<br />
mit »Haltung« sind in den Äußerungen der Gurus<br />
zur Branche wieder en vogue. Im Twitter-<br />
Sturm, Live-Blog-Marathon, Reportagenfieber<br />
und crossmedialen Hindernislauf braucht der<br />
Leser, Hörer und Seher den Journalisten mit<br />
»Haltung«. Weil man sich an ihm festhalten<br />
kann oder muss? Weil er gewissermaßen eine gerade<br />
Haltung hat in all der überhitzten News-Lava?<br />
Der Journalist mit Haltung ist gleichzeitig eine<br />
alte und neue »Sau«, die durchs Dorf getrieben wird.<br />
Das Ganze ist allerdings auch ein deutlicher Hinweis<br />
auf die notwendige Art, wie wir heute junge Kolleginnen<br />
und Kollegen auf diesen Beruf vorbereiten.<br />
Der sprichwörtliche Wurf ins kalte Wasser bekommt<br />
keinem jungen Journalisten mehr. In diesem breiten<br />
Anforderungsprofil aus sprachlicher Überzeugungskraft,<br />
sogenannter plattformspezifischer Erzählform,<br />
dem Nutzen sozialer Netzwerke und eben der »Haltung«<br />
wird sich derjenige schnell verlieren, dem<br />
nicht konkret geholfen wird.<br />
Journalistische Ausbildung kann sich nicht mehr<br />
darin erschöpfen, Recherche zu üben und die verschiedenen<br />
Gattungsformen zu vermitteln, sondern<br />
es braucht einen ganzheitlichen Ansatz: den Umgang<br />
mit Sprache und Bildern; die Fähigkeit, sich in die<br />
Nutzerumgebung des Lesers oder Zuschauers zu versetzen;<br />
die Lust, auf jeder Plattform das Gute durch das<br />
Bessere zu ersetzen; den souveränen Auftritt in den<br />
sozialen Netzwerken und eben auch das Bewahren<br />
einer gewissen Skepsis all jenen gegenüber, die wie<br />
charmant auch immer den Journalismus als Vehikel<br />
für ihre Belange missbrauchen wollen.<br />
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