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fn84

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was mach ihr denn? Schule? Lehre?“<br />

Das Gespräch endet damit,<br />

dass wir zwei blaue CB 400 FOUR<br />

zum Preis von je 4000 DM statt des<br />

Listenpreises von 4800 DM bestellen.<br />

Baltmannsweiler, Mai 1978: Endlich!<br />

Vor wenigen Tagen ist die<br />

Postkarte mit dem Stempel „Motorrad-Raichle“<br />

eingetrudelt, deren<br />

kurze Mitteilung „zwei 400 FOUR<br />

in blau eingetroffen“ sofort fiebrige<br />

Erwartung auslöst. Andreas kann<br />

nicht mit, er ist ausbildungsbedingt<br />

verhindert. Seine Honda soll ich<br />

einige Tage später für ihn abholen.<br />

Ich stehe in der kleinen Werkstatt,<br />

in der der Mechaniker, ein Zwei-<br />

Meter-Mann gerade seine Monkey<br />

abstellt. Ein kurioser Anblick, wie<br />

dieser Hüne sich auf der Monkey<br />

zusammenfaltet. Während ich warte,<br />

fällt mir ein riesiges schwarzes<br />

Plakat an der Werkstattür auf. In<br />

großen goldenen Lettern steht da zu<br />

lesen: „Es gibt nur einen Ton! Norton!“<br />

Als wollte sich Widerspruch erheben,<br />

höre ich in dem Moment schon<br />

von weitem das Grollen eines großen<br />

Vierzylinders mit offenem Auspuff,<br />

der sich schnell nähert. Raichle<br />

sitzt im Ein-Mann-Höcker einer<br />

getunten CB-750-FOUR, lang über<br />

den Alu-Tank gestreckt, als er in die<br />

Einfahrt einbiegt. Ich habe gehörigen<br />

Respekt vor solchen Maschinen,<br />

und kann mir nicht wirklich<br />

vorstellen, sowas mal zu fahren.<br />

Doch das sollte nicht mein einziger<br />

Irrtum bleiben. Ziemlich geladen<br />

ist er, als er absteigt. Brummt etwas<br />

von einem Autofahrer, der meinte<br />

ihn behindern zu müssen, dem<br />

er aber mit seinen stahlkappenbeschlagenen<br />

Stiefeln bei voller Fahrt<br />

im Überholvorgang gezeigt habe<br />

„wo dr Bartl dr Moschd hold“. Ich<br />

50<br />

schweige ehrfürchtig.<br />

Es tut schon weh, als ich ihm ein<br />

paar Minuten später die 4000 DM<br />

in die Hand drücke. Der Ertrag aus<br />

der verkauften 125er, angespartes<br />

Taschengeld, Bargeschenke von<br />

den Omas zum Geburtstag und zu<br />

Weihnachten und vor allem sauer<br />

Selbstverdientes in jeglichen Ferien,<br />

die das Schuljahr so bot - zusammen<br />

hat’s gerade so gereicht.<br />

Aber da draußen in der Sonne steht<br />

eine nagelneue 400 FOUR deren<br />

blauer Tank im Sonnenlicht mit der<br />

damals einmaligen verchromten<br />

4in1-Auspuffanlage um die Wette<br />

glänzt, da gibt es kein Zögern. Lebe<br />

Deine Träume!<br />

Die knapp 40 Kilometer Heimweg<br />

schwebe ich auf Wolke sieben.<br />

Die ersten Kilometer noch etwas<br />

verunsichert durch das spürbar<br />

höhere Gewicht im Vergleich zur<br />

125er, begeistert mich doch sofort<br />

die erstklassige Gasannahme und<br />

der seidenweiche Lauf des kleinen<br />

Vierzylinders, der mir damals<br />

doch ziemlich groß erschien. An<br />

jeder Ampel denke ich, der Motor<br />

wäre abgestorben, so ruhig und leise<br />

läuft er. Erst der Blick auf den<br />

Drehzahlmesser klärt mich über<br />

meine falsche Annahme auf.<br />

Backnang, Ende September 1980,<br />

ca. 1:30 Uhr nachts: Laut ratternd<br />

schließt sich das Rolltor der Tiefgarage.<br />

Glatte Fehlkonstruktion! Erst<br />

säuselt die kleine FOUR flüsterleise<br />

in die Garage, ohne dass auch nur<br />

ein Nachbar etwas mitkriegt, und<br />

dann macht das Geratter die halbe<br />

Straße wach. Als ich in die Wohnung<br />

komme, sind die Betten schon<br />

gemacht. Unsere beiden Gäste sind<br />

nach den 1000 km von Ancona<br />

nach Backnang völlig erschossen.<br />

1000 Km? Wie war das mit dem<br />

Grundsatz, nie mehr als 350 km am<br />

Tag zu fahren? Noch so ein Irrtum,<br />

denn mit dem entsprechenden Sitzfleisch<br />

und der 400 FOUR ist das<br />

nicht wirklich ein Problem.<br />

1979 hatte die kleine FOUR ihre<br />

erste Langstrecke nach Irland ohne<br />

Probleme absolviert. Die Strecke<br />

von Backnang nach Cherbourg<br />

hatten wir recht entspannt in zwei<br />

Tagen bewältigt, per Deckspassage<br />

ging es direkt nach Rosslare. Mit<br />

Zelt und Schlafsack konnte man<br />

zu der Zeit noch ohne jegliche Buchung<br />

von Campingplätzen und<br />

Fähren für kleines Geld durch Europa<br />

reisen. Und da meine Freundin<br />

und ich frischgebackene Abiturienten<br />

mit schmalem Geldbeutel waren,<br />

musste es schon kostengünstig<br />

sein.<br />

Drei Wochen waren wir durch Irland<br />

auf teilweise sehr schlechten Straßen<br />

mit hoher Zuladung unterwegs,<br />

aber die Honda zeigte sich absolut<br />

zuverlässig. Ein Gepäckträger und<br />

ein paar Sturzbügel von Schuh, ein<br />

Harro Elefantenboy, ein paar umgebaute<br />

Plastik-Bohrmaschinenkoffer<br />

von Bosch – als Ferienjobber dort<br />

für 5 DM das Stück erstanden – und<br />

ein Lenkungsdämpfer machten die<br />

kleine FOUR langstreckentauglich.<br />

Zwei nach Harro-Schnitt auf einer<br />

ausgedienten Schuhmacher-Nähmaschine<br />

selbstgenähte Lederkombis<br />

sowie zwei knallorange<br />

Rukka-Regenkombis<br />

der ersten Generation<br />

sorgten auch bei der<br />

FOUR-Besatzung für<br />

Tourentauglichkeit. Unerreicht<br />

bleibt ein in diesem<br />

Urlaub aufgestellter<br />

Verbrauchsrekord:<br />

3,7 Liter auf 100 km bei<br />

voller Beladung mit zwei<br />

Personen plus Campingausrüstung<br />

auf einer französischen<br />

Route Nationale.<br />

Im Mai 1980 lockt mich erneut<br />

Irland. Erstmals mache<br />

ich mich ganz alleine auf<br />

den Weg. An jenem Morgen<br />

tatsächlich das beladene<br />

Motorrad aus der Garage zu

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